Zwischenbericht zur Untersuchung des Absturzes der Ju 52 HB-HOT

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Am 4.8.2018 stürzte am Piz Segnas im schweizerischen Kanton Graubünden die Maschine mit der Registrierung HB-HOT, ein historisches Passagierflugzeug vom Typ Junkers Ju 52/3m ab. Dabei kamen die 3 Besatzungsmitglieder und 17 Passagiere ums Leben (Wikipedia). Die schweizerische Unfalluntersuchungsstelle SUST nahm die Untersuchung auf. Am 20.11.2018 wurde ein Zwischenbericht veröffentlicht.

Das 1939 gebaute Flugzeug verfügte über keinerlei Aufzeichnungsgeräte. Die Untersuchung der SUST stützte sich daher vorwiegend auf die geborgenen Trümmerteile und die Aussagen von Augenzeugen des Unglücks, aber auch auf ausgewertetes Material, das aus Handys und Kameras der Unfallopfer ausgelesen werden konnte.

Laut Zusammenfassung in der Einleitung des Zwischenberichts wurde der Zwischenbericht veröffentlicht, weil während der Untersuchung “systemische Sicherheitsdefizite” identifiziert worden sind, die ein sofortiges Handeln erforderlich machten. Dem Betreiber des Flugzeugs, eine Freiwilligenvereinigung mit Namen “Ju Air“, wurde mit sofortiger Wirkung der Betrieb der zwei Schwestermaschinen des selben Alters und Typs mit den Kennzeichen HB-HOP und HB-HOS untersagt. Diese wurden allerdings ohnehin bereits seit Anfang November wegen der Winterpause nicht mehr eingesetzt.

HB-HOS, das Schwesterflugzeug der abgestürzten HB-HOT, am 18.8.2018 (also 14 Tage nach dem Unglück) bei den Flugtagen in Bensheim, Hessen
Credit: Michael Khan, Darmstadt / HB-HOS, das Schwesterflugzeug der abgestürzten HB-HOT, am 18.8.2018 (also 14 Tage nach dem Unglück) bei den Flugtagen in Bensheim, Hessen

Festgestellte Mängel an der HB-HOT

Des weiteren listet der Zwischenbericht eine Reihe von Mängeln auf, die bei der Untersuchung der Trümmer der HB-HOT und der Einrichtungen von Ju Air festgestellt wurden:

  • Erhebliche Korrosionsschäden an tragenden Teilen von Flügeln und Rumpf sowie Risse in Flügelholmen, die nicht erst durch den Unfall enstanden sind
  • Bis zu 30 Jahre alte Treibstoff- und Schmierölleitungen mit teilweise erheblichen Altersschädigungen. Fotos im Bericht dokumentieren, dass der schadhafte Zustand der Leitungen deutlich sichtbar ist
  • Aufgearbeitete Zylinder in allen drei Motoren, was laut Originalhandbuch des Herstellers BMW aus dem Jahr 1939 nicht zulässig ist. (wobei ich mich frage, welche praktische Bedeutung eine Anforderung aus dem Jahr 1939 haben kann – diese bezog sich doch auf den Einsatz zur damaligen Zeit. 79 Jahre später kann man halt nicht einfach Neuteile kaufen, denn die gibt es nicht mehr.)
  • Verwendung von Motorteilen einer im Jahr 1941 notgelandeten und 2002/2003 geborgenen Ju 52 (Na und?)
  • Mängel an den neu angefertigten Nockenscheiben zweier Motoren.
  • Ein Riss im Propellerlager des mittleren Motors, wobei zudem festgestellt wurde, dass in diesem Lager eine andere Anzahl von Kugeln verwendet wurde als in denen der zwei anderen Motoren (auch hier fällt mir die Einordnung dieses ohne weitere Erläuterung genannten Umstands schwer. Entstand der Riss erst durch den Absturz oder bestand er schon vorher? Was für eine praktische Auswirkung hat die unterschiedliche Zahl von Kugeln in den Lagern?)
  • Mangelhafte Dokumentation von Ersatzteilen in der Wartungswerkstatt (Zusätzlich wird die fehlende Dokumentation nachgefertigter Bauteile genannt, mir ist jedoch nicht klar, was dies genau bedeutet.)

Und die Unfallursache?

Die Liste der Mängel wurde anscheinend deswegen so ausführlich aufgenommen, weil zeitgleich mit dem Erscheinen des Zwischenberichts die Schwestermaschinen der HB-HOT stillgelegt wurden. Der Bericht stellt jedoch ausdrücklich klar (Seite 28):

Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Zwischenberichtes lagen keine Anhaltspunkte für vorbestehende technische Mängel vor, die den Unfall hätten verursachen können.

Sowie (Seite 29):

Die im verunfallten Flugzeug HB-HOT gefundenen Mängel stehen nicht mit dem Unfall im Zusammenhang.

Das ist schon eine ziemlich klare Ansage. Kein Konjunktiv. Aber genau mit dieser klaren Ansage habe ich ein Problem. Laut Abschnitt 1.12.3.3.6 (Seite 24) weisen die bis auf eines am Fuß abgebrochenen Propellerblätter darauf hin, dass

[…] die drei Motoren beim Aufprall mit hoher Drehzahl liefen.

Wirklich? Ich würde vorsichtigerweise davon ausgehen, dass dieser Umstand erst einmal nur darauf hinweist, dass die drei Motoren überhaupt liefen. Kann man wirklich einen Leistungsverlust ausschließen? Wenn ja, mit welcher Begründung? Die Mehrzahl der Beanstandungen steht doch ausdrücklich im Zusammenhang mit den Motoren.

Mich verwundert, dass mehrfach betont wird, die gefundenen Mängel stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfall. Warum wird darauf so herumgeritten? Natürlich soll man nicht spekulieren, aber man soll auch nicht ohne triftigen Grund mögliche Unfallhergänge oder zum Unfall beitragende Faktoren außer Acht lassen oder kleinreden. Zwar wurde (Seite 17) festgestellt, dass keine Strukturbauteile oder Steuerflächen fehlten. Das bedeutet doch aber erst einmal nur, dass vorher nichts Wichtiges abgebrochen ist. Aber nicht, dass noch alles funktionierte. Kann jetzt schon ausgeschlossen werden, dass aufgrund von Korrosion oder Wartungsmangel eine Steuerfläche nicht mehr funktionstüchtig war?

Falls die Unfallursache wirklich nicht auf einen technischen Mangel zurückzuführen ist, rückt ein möglicher Pilotenfehler in den Vordergrund. Schon im August wurde über einen Strömungsabriss spekuliert. Hm. Jeder der beiden Flugzeugführer der HB-HOT hatte mehr als 30 Jahre Erfahrung als Linienpilot in großen Verkehrsflugzeugen und fast eben so lange Erfahrung als Militärpilot. Beide hatten Hunderte Flugstunden in der Ju 52 absolviert, einer der beiden sogar über 900. In der Ju 52 gibt es in der Tat zwei Bordcomputer und zwei Autopiloten. Einen im linken und einen im rechten Pilotensitz. In so einem Oldie bedeutet eine Flugstunde wirklich, dass man eine Stunde lang das Flugzeug steuert. Wenn einer über Jahre hinweg gezeigt hat, dass er das kann, soll dem dann so ein Fehler unterlaufen?

Auch das Wetter wurde in Presseberichten ins Spiel gebracht. Insbesondere die Hitze oder böige Hangabwinde. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass ausgerechnet Schweizer nicht wissen, was sie an einem heißen Augusttag in den Bergen ihrer Heimat für Wetterbedingungen zu erwarten haben und worauf sie achten müssen. Also bitte.

Na gut. Warten wir den Abschlussbericht ab. Hoffentlich steht da etwas mehr Konkretes zur Unfallursache drin.

Eines frage ich mich aber doch ….

Die HB-HOT wurde natürlich von staatlicher Seite, nämlich dem Bundesamt für Zivilluftfahrt, geprüft. Der Zwischenbericht dazu auf Seite 10:

Am 6. April 2018 wurde das Flugzeug letztmalig durch das Bundessamt für Zivilluftfahrt (BAZL) geprüft. Es wurden keine Beanstandungen festgestellt.

Und nochmals auf Seite 29:

Am 6. April 2018 wurde das Flugzeug letztmalig durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) geprüft. Daraus resultierten keine Beanstandungen.

Also kann es sich nicht um einen Fehler im Bericht handeln. Wie bitte? Solche augenfälligen Mängel an einem Verkehrsflugzeug wie 30 Jahre alte Treibstoff- und Schmierstoffleitungen mit deutlich sichtbaren Altersschäden führten nicht zu Beanstandungen, und Korrosion und Risse an tragenden Teilen auch nicht?

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

30 Kommentare

  1. Im NZZ-Artikel In der Zwangspause für die Ju-52 der Ju-Air wird nach rostigen Stellen gesucht liest man, dass mindestens einer der vom Zwischenbericht festgestellten Korrionsschäden von aussen nicht sichtbar und somit von den regelmässigen Betriebsprüfungen nicht gefunden werden konnte (Zitat): Die Dübendorfer Ju-Air hat bereits zugesichert, die beiden Flugzeuge dementsprechend zu untersuchen. Das Unternehmen gab umgehend nach der Veröffentlichung des Sust-Berichts bekannt, dass der festgestellte Korrosions-Schaden eines von acht Holmrohren des linken Flügels der Unfallmaschine betroffen habe und trotz sorgfältiger Inspektion mit bisherigen Untersuchungsmethoden nicht entdeckt werden konnte. Der spezifische Schaden konnte erst entdeckt werden, weil das Flugzeug beim Absturz total deformiert wurde.

    Vielleicht müsste man so alte Flugzeuge hin und wieder völlig auseinandernehmen oder auch nichtinvasiv mit Ultraschall und Röntgen untersuchen?

  2. Fehleinschätzungen passieren halt leider auch sehr erfahrenen Menschen, also auch erfahrenen Piloten.
    Und dass Fehler bei einer Überprüfung übersehen werden kann man auch nie völlig ausschließen.
    Ich würde mit einem so alten Flugzeug so oder so nicht mitfliegen wolllen.

    • Es steht schwarz auf weiß im Zwischenbericht der Untersuchung, dass zahlreiche Mängel am Flugzeug festgestellt wurden, die so schwerwiegend waren, dass man nicht erst den Abschlussbericht abwartete, sondern gleich den Schwesterflugzeugen die Flugtüchtigkeit absprach. Das bedeutet, das Gefahr im Verzug gewesen sein muss. Mir ist dagegen nicht bekannt – es steht nirgends etwas davon – dass Probleme mit der Flugtauglichkeit der Piloten erkannt wurden oder dass man ihnen Fehler nachgewisen hätte, die Zweifel an ihrer Qualifikation weckten.

      Da finde ich es reichlich verwunderlich, dass bereits jetzt derart betont wird, die technischen Mängel hätten nichts mit dem Unglück zu tun. Diese Einschätzung wird nirgends begründet und ich finde sie reichlich verwunderlich. Angesichts der identifizierten Mängel, die entsprechende Anweisungen der Untersuchungsstelle an den Betreiber erforderlich machen, ist doch der Verdacht angebracht, dass es noch weitere schwere Mängel gibt, die nur noch nicht erkannt worden sind. Da die Mängel nicht nur kosmetischer Art waren, sondern Motoren und tragende Teile betrafen, verwundert mich der Tenor des Zwischenberichts umso mehr.

      Was das Alter des Flugzeugs angeht – ich muss zugeben, mich hat der Zwischenbericht der SUST schockiert. Ich hatte zuvor angenommen, die sehr erfahrenen, freiwilligen Mitglieder der Ju Air seien wie zahlreiche mir persönlich bekannte Liebhaber von antiken Autos, Flugzeugen, Lokomotiven und Wasserfahrzeugen. Nach meinen Erfahrungen geben sich diese Leute extrem viel Mühe mit ihren Schützlingen und richten sie liebevoll so her, dass sie dem Originalzustand gleichkommen. Zudem kennen sie die alte Technik in- und auswendig und wissen ganz genau, worauf sie achten müssen. Als ich im Augst vom Unfall hörte, dachte ich spontan: “Na, am technischen Zustand des Flugzeugs wird’s sicher nicht gelegen haben, denn die hüten solche Liebhaberstücke sicher wie ihre Augäpfel.”

      Und dann lese ich im November diesen Zwischenbericht und sehe da Bilder von vergammelten Betriebsstoffleitungen, Rissen, Korrosion an tragenden Teilen, morschem Holz und dem Zustand der Motoren. Diese Bilder habe ich Flugzeugmachanikern vorgelegt – die haben ihren Augen nicht getraut. Mir fiel da die Kinnlade herunter. Die Leute, die ich so in der Oldtimerszene kenne, würden nie zulassen, dass ihre Schätzchen in so einem Zustand sind. In Bezug auf Ju Air musste ich also erst einmal umdenken.

  3. Die JU-52 als aktuell fliegender Oldtimer steht für ein noch weit umfangreicheres Problem: Welche Untersuchungen sind nötig um alte Fahrzeuge, Reaktoren, Spannbetonbrücken, etc. sicher weiterbetrieben zu können? Genügen dafür die vorgesehenen Betriebskontrollen oder muss man wegen Alterungsprozessen in Bauteilen und Wekstoffen,deren Auswirkungen eine übliche Betriebskontrolle nicht erfassen kann, zusätzliche Untersuchungen vornehmen. Oder sollte man in gewissen Fällen einen Weiterbetrieb allein schon wegen des Alters eines Bauteils verweigern? Im NZZ-Bericht zum Ju-52, den ich bei meinem ersten Kommentar verlinkt habe, liest man dazu: Zumindest ein Schlauch war zudem 30 Jahre alt. In der kommerziellen Luftfahrt gibt es allerdings ganz exakte Vorgaben, ab wie vielen Betriebsstunden oder Jahren Treibstoffschläuche oder Komponenten der Spritversorgung für die Triebwerke ausgetauscht werden muss.
    Alterung ist heute auch bei Verkekrsflugzeugen ein Problem, dessen volle Konsequenzen noch nicht alle erkannt und voll berücksichtigt sind.
    Der Artikel Aging Aircraft – Structural Failure zeigt das auf. Dort liest man unter anderem:
    – Es hat sich herausgestellt, dass es besondere Schwierigkeiten gibt, ältere Düsenflugzeuge in einem lufttüchtigen Zustand zu halten, da nicht alle Probleme durch vorgeschriebene Wartungsarbeiten behoben werden.
    – Bis vor kurzem wurden einige wichtige Probleme, die sich aus dem Flugzeugalter ergeben, erst nach tödlichen Unfällen erkannt und angegangen. In jüngster Zeit werden jedoch die allgemeinen Grundsätze der Systemverschlechterung, die alle älteren Flugzeuge betreffen, wieder berücksichtigt.

    Von Alterung mit der Korrosion und Materialermüdung einhergeht sind aber nicht nur Flugzeuge, sondern auch Brücken betroffen wie der Einsturz der Genueser Morandi-Brücke zeigt. Auch diese Brücke wurde regelmässigen Betriebskontrollen unterzogen, die sie alle bestanden hat. Aber diese Betriebskontrollen scheinen sie nicht sehr beeindruckt zu haben – eingestürzt ist sie trotzdem.

  4. Was die Kontrolle und Instandhaltung von Luftfahrzeugen angeht: Die Vorgehensweise ist vielfach beschrieben, und anderem in der Wikipedia. Die weitgehende Demontage zwecks Untersuchung und die nichtzerstörende Materialprüfung sind in der Luftfahrttechnik wohl bekannte Mittel der Wahl, siehe C-Check und D-Check. Die Ju 52 der Ju Air transportieren zahlende Passagiere. Also sehe ich keinen Anlass, in Bezug auf den Zustand von Zelle, Antrieb und Steuerung andere Maßstäbe anzulegen als an moderne Flugzeuge. Andere Maßstäbe können allenfalls in Bezug auf die technische Ausstattung gelten, die bei einem Flugzeug aus den 1930ern zwangsläufig eben dem damaligen technischen Stand entspricht.

    Spezifisch in Bezug auf die Flügelholme der Ju 52 zitiere ich den SUST-Zwischenbericht, Seite 11:

    Der Aussenflügel ist abnehmbar, was die Kontrolle des Flügelinnern und der Steuerungsteile erleichtert.

    Die Darstellung der Ju Air finde ich insbesondere angesichts der Vielzahl der festgestellten Mängel nicht überzeugend.

    Vor 20 Jahren waren übrigens die jetzt verunglückte HB-HOT und ihre Schwester HB-HOS in ein Unglück verwickelt, das zum Glück glimpflich verlief: –> SUST-Abschlussbericht

    Die HB-HOT bleib damals unbeschädigt, verursachte aber mit ihrer Wirbelschleppe ein Ausbrechen der folgenden HB-HOS, die die Landebahn verließ und einen Schneewall am Pistenrand traf. Ihr ebenfalls sehr erfahrener Flugzeugführer war machtlos, das Unglück zu verhindern. Die schwere Beschädigung an der Zelle der HB-HOS hätte zum Anlass genommen werden können, den Zustand tief drinnen einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Man kann wohl ausgehen, dass alle drei Flugzeuge, da sie gleich alt sind und eine ähnliche Betriebsgeschichte durchlaufen haben, auch in gleichem Maße gealtert sind.

  5. @Michael Khan: Sie meinen also, der Zwischenbericht decke zahlreiche Mängel bei der JU-52 auf, die bereits bei der Kontrolluntersuchung am 6. April 2018 hätten aufgedeckt werden müssen – unter anderem weil die Ju-52 recht gut untersuchbar war (z.B. abnehmbarer Aussenflügel).
    Das kann sein. Doch das müsste man meiner Meinung nach sogar nachträglich noch nachweisen können. Denn ich würde erwarten, dass bei einer Untersuchung nicht nur eine subjektive Beurteilung erfolgt, sondern auch Daten erhoben werden inklusive hochauflösender Fotographien der untersuchten Bauteile. All das müsste jetzt noch vorhanden sein und darauf überprüft werden können ob es richtig im Untersuchungsbericht bewertet wurde.
    So (ähnlich wie bei einer Kriminaluntersuchung) sollten Untersuchungen von Flugzeugen doch dokumentiert werden. Oder ist das nicht die gängige Praxis?

    • Nein, ich rede nicht von Dingen, die man mit großem Aufwand hätte feststellen können, sondern von Dingen, die man u.a. in Abbildungen 11 und 13 des Zwischenberichts sieht, wobei ich davon ausgehen, dass es noch eine ganze Menge mehr solcher Beispiele gibt, die aus Platzgründen keine Aufnahme in den Bericht gefunden haben. Wenn ein Holzboden fühlbar morsch ist, liegt es nahe, dass man sich die darunterliegende Aluminiumstruktur anschaut. Und man sollte auch nicht zuwarten, bis Schmierstoff- oder Treibstoffschläuche so aussehen wie auf der Abbildung 13. Immerhin handelt es sich um ein Verkehrsflugzeug, mit dem zahlende Fluggäste befördert werden.

      Ich halte es aber für einen Irrtum, wenn man vermutet, bei einem besonders alten Flugzeug (oder Schiff, oder Auto) gestaltet sich die Fehlersuche besonders schwierig. Ich meine sogar, das Gegenteil ist der Fall. Veränderungen in metallischen Werkstoffen, auch bei alten Bauteilen, sind meist relativ leicht zu identifizieren, auch mit zerstörungsfreien Methoden. Zudem sind heute noch eingesetzte alte Flugzeuge oft massiv überdimensioniert, und deswegen im Betrieb eher ineffizient. Diejenigen alten Flugzeuge, die nicht sehr solide gebaut wurden, haben schon vor vielen Jahrzehnten das Zeitliche gesegnet.

      Anders ist das mit den heutigen elektronischen Plastikfliegern. Die Erkennung von Alterung in Kompositwerkstoffen nach 20, 30 Jahren im Einsatz ist ein großes Dunkelfeld. Siehe u.a. hier. Und was mit der allgegenwärtigen Elektronik ist, ohne die sich ein modernes Flugzeug gar nicht mehr fliegen lässt, wenn sie einmal 30 Jahre alt sein wird und der Support eingestellt wurde, kann man sich auch nur schwer vorstellen. Da kommt noch ein großes Dunkelfeld auf uns zu.

      Ich stimme den Leuten nicht zu, die sagen “In so eine altes Flugzeug steige ich nicht”. Ich behaupte: Eine 80 Jahre alte Ju 52 stellt kein besonderes Sicherheitsproblem dar, wenn man sie gewissenhaft und ordentlich gewartet hat und dabei keine Kosten gescheut hat. Aber wird man so eine Aussage auch eines Tages in Bezug auf eine 30 Jahre alte Boeing 787 machen können? Da bin ich mir nicht so sicher.

  6. Falls die Unfallursache wirklich nicht auf einen technischen Mangel zurückzuführen ist, rückt ein möglicher Pilotenfehler in den Vordergrund. Schon im August wurde über einen Strömungsabriss spekuliert.

    Der Talkessel, in den die Ju 52 eingeflogen ist, hat von Gipfelkamm zu Gipfelkamm eine Breite von etwas über einem Kilometer (und merkbar weniger, wenn sich das Flugzeug deutlich unterhalb des Gipfelkamms befunden haben sollte). Rechnet man dann noch einen gewissen Sicherheitsabstand zu den Bergen links und rechts ein, dann scheint mir das schon eine sehr enge Kurve zu sein, die die Piloten fliegen mussten, um im Talkessel zu wenden. Und wenden mussten sie, wenn sie nicht die Höhe zum Überfliegen des Kammes am Ende des Kessels hatten. Hat man da ein bißchen zu wenig Fahrt und einen bißchen zu engen Kurvenradius, gibt es auch für einen erfahrenen Piloten nichts mehr zu wollen.

    Mir scheint der Strömungsabriss plausibel. Aber wie du schon schriebst: Warten wir den finalen Untersuchungsbericht ab und hoffen, dass der handfestere Ergebnisse zu verkünden hat.

  7. Es stimmt, wenn man erst einmal in einer solche Situation ist, nützt alle Erfahrung nichts mehr. Bei einem erfahrenen (und vorsichtigen, und ortskundigen) Piloten ist es aber weniger wahrscheinlich, dass er in eine Situation gerät, in der er feststellen muss, dass es nicht mehr reicht. Wie heißt es doch? “There are old pilots and there are bold pilots, but there are no old, bold pilots.”

    Ich meine, wie alles in der Wissenschaft ist auch dieser Punkt eine Frage von Wahrscheinlichkeiten. Wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein technisches Problem vorlag, dann rückt unweigerlich das menschliche Versagen in der Reihe der wahrscheinlichen Unfallursachen nach oben.

    Die Frage ist im gegebenen Fall, angesichts der festgestellten technischen Mängel, ob ein technisches Problem objektiv gesehen wirklich so unwahrscheinlich ist. Mich irritiert es, dass die Unfalluntersuchungsstelle eine Liste erheblicher, sicherheitsrelevanter Mängel vorlegt, den Schwesterflugzeugen aufgrund dieser Mängel die Betriebserlaubnis entzieht, dann aber den Eindruck erweckt, keiner der beschriebenen Mängel könnte zum Unfallhergang beigetragen haben.

    Wenn sie einfach geschrieben haben: “Wir haben Mängel festgestellt, die ein sofortiges Handeln bei den Schwesterflugzeugen erforderlich machen, aber wir können momentan weder ausschließen noch begründet annehmen, dass einer dieser Mängel zum Unfall beitrug” – das hätte ich logischer gefunden.

  8. Ich habe noch folgenden Artikel gefunden. Demnach sind wohl öfters Ju 52 durch den Talkessel gekommen, aber ansonsten immer über den Grat des Piz Segnas hinweggeflogen. Die Unglücksmaschine nicht. Sie hat eine Kehre versucht und die ist offenbar schiefgegangen. Was der Grund dafür war – ob Fehleinschätzung des Piloten bezüglich seiner Höhe, unerwartete Fallwinde oder plötzlicher Verlust von Motorleistung – werden wir hoffentlich noch erfahren, könnte aber mindestens in den ersten beiden Fällen schwer herauszufinden sein.

  9. Ja, den Artikel hatte ich im August auch gelesen und konnte mir keinen Reim darauf machen, wie es zu so etwas kommt. Fallwinde – Die vorherrschende Windrichtung war bekannt und was passiert, wenn der Wind einem entgegenbläst und ein Berggrat dazwischen ist, werden die Piloten gewusst haben.

    Da kommen diverse Szenarien in Betracht. Menschliches Versagen erscheint mir nicht unbedingt das wahrscheinlichste. Aber meine Meinung ist hier nicht maßgeblich, sondern die Faktenlage, wie sie der Untersuchungsbehörde vorliegt.

  10. Also nach diesem Video von einer Ju 52 der Ju-Air meine ich schon, dass die Piloten gewisse Risiken eingegangen sind. Beginnend ab 6:20 fliegen sie genau in den Talkessel ein, in dem im August das Unglück passiert ist. Bei 6:38 hört man das Crewmitglied über Lautsprecher sagen “auf der linken Seite das Martinsloch”, das ist der Berg, an dem die Absturzstelle lag. Und sie fliegen deutlich unterhalb des Grats entlang.

    Wenn man sich den Talkessel mit Google Earth und im 3D-Modus ansieht, dann gibt es etwas nördlich des Martinsloches eine Stelle, an der der Bergkamm ca. 100 – 200 m tiefer liegt und an der man über ihn hinweghüpfen kann. Wenn man aber nicht nur einen starken Fallwind aufgrund von Süd-Windrichtung hat wie am Unglückstag, sondern auch 20 Grad höhere Temperatur als normal, dadurch dünnere Luft und weniger Motorleistung, das könnte durchaus die böse Überraschung für die Piloten gewesen sein, die ihnen zum Verhängnis geworden ist.

    • Zugegeben, wenn ich mir anschaue, wie die an den Felsgraten vorbeibrettern (z.B. hier, wo ihnen Bergsteiger von etwas höher zuwinken), dann drängt sich das böse Wort “Leichtsinn” geradezu auf.

      Andererseits (es gibt hier immer jede Menge Einerseits-Andererseits) fliegen die schon seit 36 Jahren ohne tödlichen Unfall. Wäre das wirklich ein Haufen risikobereiter Hallodris, dann wäre es doch eher wahrscheinlich, dass es schon längst mal gekracht hätte. Mal abgesehen von der Sache in Samedan 1998.

      Ich habe mich allerdings bei der Sache ja schon mal geirrt, als ich im August noch dachte, dass die Maschinen sorgfältigst gewartet sein müssten, wie Liebhaber das nun mal machen, und das stimmte dann wohl eher nicht, wie wir jetzt wissen.

      Dennoch störe ich mich nach wie vor daran, wenn in dem Zwischenbericht eine lange Liste von Mängeln steht und dann einfach ohne Begründung die Behauptung wird, an denen lag es nicht. Entweder sie wissen (wirklich wissen, nicht vermuten) noch eine Menge mehr als sie schreiben, oder es wäre besser gewesen, zu sagen: “Aber woran es lag, wissen wir nicht und wir können und wollen uns jetzt noch in keiner Richtung festlegen. Wartet bitte den Abschlussbericht ab.”

      Was die Windrichtung und die Auswirkungen der hohen Temperaturen angeht … da denke mir wiederum, dass gerade ein erfahrener Schweizer Pilot so etwas weiß – intuitiv weiß. Vor allem wissen die doch auch, dass sie für eine grobe Fehleinschätzung mit dem eigenen Leben bezahlen.

  11. ein Haufen risikobereiter Hallodris

    Das unterstelle ich den Piloten auch gar nicht. Aber zwischen dem Sicherheitsfanatiker auf der einen Seite und dem Daredevil auf der anderen Seite gibt es eine breite Spanne. Die technische Mängelliste gibt m. E. zumindest Anlass zur Annahme, dass im Unternehmen insgesamt eine Atmosphäre des Laissez-faire herrschte und man nicht unbedingt streng an Procedures orientiert war.

    Die fliegerischen Grenzüberschreitungen waren wahrscheinlich bei der langjährigen Erfahrung der Piloten im Normalfall unkritisch, aber an dem Tage kamen möglicherweise mehrere Dinge zusammen, für die die üblichen Sicherheitstoleranzen der Piloten plötzlich nicht mehr ausreichten. Wenn sie, um den Passagieren einen möglichst spektakulären Flug durch die Berge zu bieten, einen Grat mit 30 m Abstand überqueren anstatt mit 150 m, dann ist das natürlich für diese weit spektakulärer, aber dafür muss man eben genau einschätzen können, in welcher Höhe man den Anflug auf den Grat beginnt und die Margins of error sind naturgemäß geringer.

    Entweder sie wissen (wirklich wissen, nicht vermuten) noch eine Menge mehr als sie schreiben, oder es wäre besser gewesen, zu sagen: “Aber woran es lag, wissen wir nicht und wir können und wollen uns jetzt noch in keiner Richtung festlegen. Wartet bitte den Abschlussbericht ab.”

    Das sehe ich wie du.

    • Die Pressemitteilung der Ju Air zur Veröffentlichung des Zwischenberichts finde ich beunruhigend. Die haben sich aus dem Bericht offenbar nur genau die Punkte herausgepickt, die ihnen in den Kram passen, nämlich dass es Korrosion an einer nicht ohne Weiteres einsehbaren Stelle des Flügels gab, dass die Motoren “mit hoher Drehzahl” liefen (wobei ich mich nach wie vor frage: 1.) woher will man das wissen? und 2.) selbst wenn das so ist, wäre eine hohe Drehzahl nach einem steilen Sturzflug nicht ohnehin zu erwarten?) und dass kein Zusammenhang zwischen den technischen Mängeln und dem Ansturz hergestellt werden konnte.

      Von den Mängel an den Motoren, an den Wartungsprozeduren und dem Ersatzteilmanagement kein Wort, ebenso wenig von den uralten Treib- und Schmierstoffleitungen. Die Formulierung:

      “Der beim Unfallflugzeug nun entdeckte Schaden ist keine Absturzursache”

      … legt nahe, es sei nur ein Schaden entdeckt worden, was ja nun ganz und gar nicht der Fall ist. Auch die Bemerkung, die Ju Air sei mit dem Grounding einverstanden, ist ziemlich irrelevant, da laut Seite 32 des Zwischenberichts eine Beschwerde seitens Ju Air ohnehin keine aufschiebende Wirkung hätte. Das Grounding träte so oder so in Kraft.

      Nach Einsicht in die Notwendigkeit, die sicherheitsrelevanten Probleme radikal anzugehen, sieht zumindest mir das nicht aus.

  12. dass die Motoren “mit hoher Drehzahl” liefen (wobei ich mich nach wie vor frage: 1.) woher will man das wissen?

    Es gibt ein Video von den letzten Sekunden des Absturzes. Ob dessen Länge und Tonqualität allerdings für ein solches Urteil ausreichen, erscheint mir jedoch mindestens zweifelhaft.

    2.) selbst wenn das so ist, wäre eine hohe Drehzahl nach einem steilen Sturzflug nicht ohnehin zu erwarten?)

    Das wird davon abhängen, wie lang der Sturzflug war, d. h., aus welcher Höhe das Flugzeug abgestürzt ist.

    Nach Einsicht in die Notwendigkeit, die sicherheitsrelevanten Probleme radikal anzugehen, sieht zumindest mir das nicht aus.

    Mir auch nicht. Der Pressemitteilung entnehme ich eigentlich folgende Message: “Die Mängel waren nicht so schlimm und wir werden beheben, was an den anderen Flugzeugen festgestellt wurde. Und da die technischen Mängel nicht zum Absturz geführt haben, wird es wohl – unausgesprochen – ein Pilotenfehler gewesen sein. Wie auch immer, wir wollen baldmöglichst weitermachen.”

    • Danke für den Link. Ein sehr deprimierender Videoclip. In diesem Augenblick sterben 20 Menschen. 🙁

      Man hört zwar Motorengeräusche, und ich meine auch mindestens einen Motor noch nach dem Aufschlagknall noch austuckern zu hören. Die Experten der SUST werden eine Spektralanalyse vorgenommen und daraus die Drehzahl bestimmt haben. Seltsam, dass dies nicht schon explizit im Zwischenbericht angesprochen wurde. Im Abschlussbericht wird es mit Sicherheit Eingang finden. Dann wird wohl auch entschieden, wie, und falls ja, unter welchen Auflagen die Ju Air den Betrieb wieder aufnehmen darf.

    • Kurz nach dem Absturz der HB-HOT verfügte das Bundesamt für Zivilluftfahrt, dass Passagiere während der Flüge mit den Ju 52 der Ju Air angeschnallt auf ihren Sitzen zu bleiben haben; also wird es wohl vorher üblich gewesen sein, dass die Fluggäste aufstanden und ihre Kameras an die Fenster der Seite hielten, von wo aus der Anblick gerade am spektakulärsten war.

      Vielleicht hatte diese Verfügung damit zu tun, was man bei der Bergung des Wracks des HB-HOT vorgefunden hat.

      Nicht angeschnallte Passagiere werden bei einem senkrechten Sturzflug (egal, warum dieser Flugzustand eintritt) ungebremst nach vorne bis ins Cockpit fallen. Zwischen Cockpit und Passagierkabine gibt es bei der Ju Air keine Tür, siehe hier.

      Ich frage mich, inwieweit die Piloten überhaupt noch irgendeinen Handlungsspielraum haben, wenn kreuz und quer Passagiere auf dem Instrumentenbrett, den Leistungshebeln, den Trimmrädern, dem Steuerhorn liegen …

  13. Mal OT: Die Blogsoftware von Scilogs ist schwer fehlerhaft. Dass die Kommentarzählung auf den Hauptseiten nicht funktioniert, hat wahrscheinlich schon jeder mitgekriegt. Aber mittlerweile funktioniert sie auch nicht mehr, wenn man den Artikel selbst aufruft.

    Wenn ich auf der Go-For-Launch-Hauptseite bin, wird mir dieser Artikel als 18 Kommentare enthaltend angezeigt (und den letzten, also den achtzehnten Kommentar von Michael habe ich auch schon gelesen). Aber jetzt sehe ich im Artikel nur noch 17 Kommentare, egal wie oft ich meinen Browser einen Refresh der Seite machen lasse.

    Vermutlich wird der achtzehnte Kommentar wie von Zauberhand wieder auftauchen, wenn ich diesen Kommentar Nr. 19 absetze. Oder dieser Kommentar wird (für mich) ebenfalls verschwinden, aber für andere lesbar sein, was weiß ich. The whole thing is a mess.

    • Allerdings. Ich leite die Beschwerde an den Softwaresupport der Blogbetreiber weiter. Von einem mobilen Gerät aus sehe ich übrigens gar keine Kommentare zu diesem Artikel, auch nicht solche, die schon vor Wochen eingegangen sind.

  14. Und was ist passiert? Direkt nach dem Posten war der Kommentar tatsächlich verschwunden und die Kommentarzählung stand nach wie vor bei 17 (Refresh half wieder mal nicht). Dann einmal auf die Hauptseite von Go-For-Launch gegangen, da standen dann plötzlich 20 Kommentare. Zurück auf die Artikelseite und alle 20 Kommentare (samt dem Neuen von Michael) werden mir angezeigt. [Hier beliebigen Softwerkerwitz einfügen]

  15. Zurück zum Topic:

    Die Experten der SUST werden eine Spektralanalyse vorgenommen und daraus die Drehzahl bestimmt haben. Seltsam, dass dies nicht schon explizit im Zwischenbericht angesprochen wurde.

    Im Zwischenbericht steht unter Punkt 1.12.3.3.6, dass man die hohe Drehzahl aus dem Beschädigungsbild der Propeller geschlossen habe.

    • Die Stelle aus dem Zwischenbericht habe ich auch explizit im Blog-Artikel angesprochen, zusammen mit der Bemerkung, dass ich das nicht für ein überzeugende Begründung für eine hohe Drehzahl halte. Zudem meine ich, dass eine hohe Drehzahl nicht für eine hohe abgegebene Motorleistung spricht, und auf die kommt es doch im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen an.

  16. Sehr geehrter Herr Kahn,
    sie geben an, Luft und Raumfahrtingenieur zu sein. Erlauben Sie mir, als fliegender Maschinebauingenieur und Motorenfachmann hier einige Dinge zu kommentieren.

    Der Zwischenbericht der SUST kann nur unter zuhilfenahme ALLER Fakten und Vorberichte bewertet werden.

    – Die Annahme, dass die Motoren mit hoher Drehzahl liefen, spricht im Fall der Ju 52 mit BMW Motoren und starren Propellern sehr wohl für eine hohe Leistung, bzw. für eine weit geöffnete Drosselklappe (MAP Druck). Die tatsächliche Leistungsabgabe hängt von der Dichtehöhe ab. Dazu muss auch gesagt werden, dass die Motoren auf 500PS gedrosselt werden mussten ( Fluglärm) .

    – Die von der SUST bemerkten Mängel an der Stuktur, Schläuchen und den Motoren müssen relativ betrachtet werden. Wäre z.B. speziell der gezeigte Schlauch zu alt/schlecht für die Anwendung gewesen, wäre nach dem Absturz nicht soviel davon übrig geblieben. Ebenfalls sehe ich das so bei den Strukturschäden. Es ist nur 1 Stk. der 8 Flächenholme betroffen.

    – Leicht eingelaufene Nockenscheiben sind bei Sternmotoren nahezu üblich. Aufgrund der Kipphebelübersetzungen müsste aber ein erheblicher Verschleiß ( Abplatzungen im mm Bereich) auftreten, damit sich die Leistung des Motors merklich ändert. ( vorallem vor dem Hintergrund der Drosselung)

    Beachtet man die Temperaturen und Wettergegebenheiten an diesem Tag, berechnet die Dichtehöhe und schaut in das Datenblatt der Ju 52 mit 500PS Motoren ( die gab es ganz am Anfang mal ein paar Stück) dürfte jedem Avatik erfahrenen klar sein, was da passiert ist.

    Ich möchte hier nichts “schönreden”, jedoch möchte ich darauf hinweisen, dass man nicht alles schwarz/weiß sehen darf. Sicherlich muss nachgebessert werden, keine Frage. Die Äußerungen mancher Medien und Kommentarschreiber nutzen aber hier nicht viel. Ein Flugverbot ebenfalls nichts.

    Deshalb, flieg weiter Ju 52!

  17. Ich frage mich im Zusammenhang mit den Motoren, weshalb nicht das Brennraumbild beschrieben wurde (ich hoffe doch es wurde bis zum ZW-Bericht untersucht..) , das evtl Rückschlüsse auf Zylinderausfälle / Leistungsverlust hätte geben könne. Bzgl. Sicherheitskultur bei JU-Air sind ein paar Aussagen des CEO bei der PK aus meiner Sicht bedenklich. Vor diesem Hintergrund sind solche Gebirgsflüge mit gedrosselten Motoren einer JU52/3m (wobei diese grundsätzlich schon zu den schwächer motorisierten Flugzeugen gehört) schon ziemlich waghalsig! Just my 2 cents..

  18. Sehr geehrter Herr Swissmatze,
    ein Brennraumbild sagt relativ wenig über die (kurzzeitige) Funktionsfähigkeit einzelner Zylinder eines Motors aus. Ein andauernder Defekt wäre bereits vorher aufgefallen. Gerade beim Sternmotor werden Sie in den unteren Zylindern immer Ölkohle finden, diese verbrennen auch wesentlich kälter. In Drehrichtung werden die oberen 3 Zylinder ( von der mitte aus) immer zu mager laufen. ( ist beim Boxermotor übrigens ähnlich). Wichtiger sind hier die Zylinderdruckverlustmessungen. Diese werden bei der Ju Air sehr oft gemacht, das beweist sich dadurch, das rel. häuftig Zylinder getauscht wurden/werden.
    Ich persönlich schließe ein Motorproblem aus. Ebenfalls ein anderes mechanisches Problem. Berechnen Sie die Dichtehöhe bei den Wetterdaten des Unfallltages und schauen Sie in das Datenblatt der 500PS Ju52/3m und dann schauen Sie in die Luftfahrtkarte. Bezogen auf die Standartatmosphäre ist die Ju ein sehr Leistungsfähges Flugzeug!

  19. Grüß Gott und ein Gutes Neues Jahr,
    danke an Michael Khan, für seine Analyse. Ich (Privatpilot) bin seiner Meinung, dass die Mängel, die gefunden wurden, wohl kaum die Ursache des Absturzes waren. Die JU52 flog sehr hoch, langsam, mit unzureichendem Sicherheitsabstand (2000 ft. über Grund) zu den darunterliegenden Bergen und befand sich in einem Turn (ob es ein steepturn war, wissen wir nicht). Ein Grund für den turn könnte sein, dass die Piloten die Passagiere auf etwas Sehenswertes aufmerksam machen wollten – und nun kommt ein mögliche Absturzfaktor hinzu: die Schwerpunktverlagerung. Stellen wir uns vor, ein Rechtsturn mit langsamer Fahrt, die Passagiere von der linken Seite stehen auf um rechts aus dem Fenster zu schauen – damit verschiebt sich die Hälfte der zulässigen Beladung nach rechts – und das kann bei langsamer Fahrt schnell zu einem unzulässigen Neigung führen, bei Strömungsabriss ist in dieser Konstellation ein Spin unausweichlich, aus dem die Piloten bei niedriger Überflughöhe über die Berge nicht mehr herauskamen.

    • Da ist natürlich reichlich Spekulation enthalten. Wir werden die Ergebnisse der Untersuchung abwarten müssen. Der Zwischenbericht sagt wenig bis gar nichts über die mögliche Unfallursache ubd soll wahrscheinlich nur den verhängten Entzug der Betriebserlaubnis für die verbleibenden Ju-52 der Ju Air untermauern.

      Was die Mobilität der Passagiere betrifft – das BAZL hat bereits im August verfügt, dass Passagiere während des gesamten Flugs angeschnallt sitzen zu bleiben haben und dass die bisher geltenden Mindestflughöhen verdoppelt werden. Die Theorie, nach der die Bewegung der Passagiere zu einer Seite hin zum problem werden könne, kam bereits kurz nach dem Unglück auf, ihr wurde vonm Chefpiloten der Ju Air mit Hinweis auf die Dimensionen der Ju Air widersprochen, siehe hier.

      Ich habe allerdings auch nicht gelesen, dass das BAZL explizit den Einfluss auf die Stabilität um die Rollachse als Grund für die Verhängung der Anschnallpflicht genannt hat.

      Ich vermute nach wie vor – diese Vermutung ist doch wohl nicht allzu spekulativ? – dass nicht angeschnallte oder gar stehende Passagiere im Fall eines Sturzflugs nach vorne fallen, auch ins Cockpit hinein, und ich denke, das könnte eher die Situation gewesen sein, die von den Bergungstruppes an der Unfallstelle vorgefunden wurde. Auch dazu werden wir vermutlich etwas im Abschlussbericht erfahren.

  20. Heißt “Der Schaden steht nicht im Zusammenhang mit dem Unfall” nicht einfach nur, dass der Schaden nicht vom Unfall herrührt? Es ist nämlich auffällig, dass diese Aussage insbesondere bei mechanischen Beschädigungen gemacht wird (Risse, abblätternde Lackschichten etc.) und ein “aber” nicht zwischen der Feststellung und dem Zusammenhang steht (also nicht “Es wurde ein Schaden festgestellt, der aber nicht im Zusammenhang mit dem Unfall steht”), sondern davor (“Es wurde aber ein Schaden festgestellt, der nicht in Zusammenhang mit dem Unfall steht”).
    Beispiel Seite 20; dort heißt es wörtlich: “Diese Risse werden gegenwärtig metallkundlich weiter untersucht. Eine visuelle Beurteilung deutet aber auf vorbestandene Schädigungen hin, die keinen Zusammenhang mit dem Unfall aufweisen.” Mit anderen Worten: es muss metallkundlich untersucht werden ob es sich um Schäden handelt die durch den Aufprall verursacht worden sind oder um Materialermüdung, es “sieht” aber im wortwörtlichen Sinn wie Letzteres aus. Auch der Satz “Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Zwischenberichtes lagen keine Anhaltspunkte für vorbestehende technische Mängel vor, die den Unfall hätten verursachen können.” liest sich für mich lediglich so, dass der ursächliche Schaden in der Luft entstand und nicht bereits am Boden vorhanden war, beispielsweise dass ein Holm im Flug gebrochen ist und nicht bereits vor dem Start gebrochen war.

    Zum Kugellager: es wurde festgestellt, dass ein Kugellager beschädigt war, und dieses enthält zu viele Kugeln. Das ist erst einmal eine sachliche Feststellung. Aus der Überlegung heraus könnte das jedoch auf ein fehlerhaft wieder zusammengebautes Lager hindeuten, wobei zu viele Kugeln zum Beispiel zu zu wenig Platz im Lager für Schmiermittel oder einem Scheuern der Kugeln aneinander im erhitzten Zustand führen könnten. Ebenso kann dies ein Hinweis auf eine dem Lager nicht zugehörige Kugel sein die einen minimal anderen Durchmesser aufweisen könnte. Und letztendlich könnte es sich auch um ein komplett anderes Lager handeln als die beiden anderen, dessen Spezifikationen eventuell nicht die Anforderungen für einen Einbau an dieser Stelle erfüllen. Von daher ist es aus meiner Sicht richtig, diesen Sachverhalt erst einmal objektiv festzuhalten.

    Zu möglichen Pilotenfehlern und dem Wetter: es ist wichtig, böige Hangabwinde im Bericht zu vermerken. Diese müssen ja nicht direkt ursächlich für den Absturz sein, könnten aber ja möglicherweise durch eine ruckartige mechanische Beanspruchung zu strukturellem Versagen an den vorbeschädigten Stellen geführt haben. Und wie zahlreiche andere Unfälle auch mit nicht-historischen großen Passagiermaschinen zeigten, sind selbst erfahrene Piloten nicht gefeit vor Bedienfehlern in Ausnahmesituationen. Da es für historische Flugzeuge höchstwahrscheinlich keine Simulatoren gibt, können vermutlich insbesondere kritische Ausnahmesituationen wie eine [partiell] ausgefallene Steuerung nicht geübt werden. Es wäre außerdem gerade im Sinne der von Ihnen geforderten Zurückhaltung beim Ausschluss von möglichen Ursachen, auch ob der Erfahrung unwahrscheinlich erscheinde Pilotenfehler zu erwägen.

    Sie merken an der Menge der Konjunktive und Worte wie “möglicherweise”, “wahrscheinlich” u. Ä. dass auch ich die Veröffentlichung des Abschlussberichtes abwarten möchte und bis dahin keine eigene Bewertung abgeben kann. Ich möchte mit diesem Beitrag lediglich die vorhandenen Bemerkungen des Zwischenberichtes in meiner Interpretation wiedergeben, die Ihrer Interpretation teils zu widersprechen scheint. Vielleicht hilft mein anderes Textverständnis derselben Quelle zu anderen Sichtweisen auf die gemachten Aussagen im Bericht.

    Und zum Entzug der Lufttüchtigkeitszeugnisse und den auferlegten Nachbesserungen im allgemeinen Betriebsablauf der Ju-Air insbesondere im Zusammenhang mit der Wartung, die hier in den Kommentaren kritisiert werden: es gibt klare Regelungen, dass und wie angefertigte Ersatzteile zu kennzeichnen und dokumentieren sind. Wenn diesen Pflichten nicht nachgekommen wird, muss diese Verfügung ausgesprochen werden, denn es kann nicht sein, dass eine Missachtung der Pflichten einfach hingenommen wird. Und den beiden Schwesterflugzeugen eine Prüfung anzuordnen ist ja wohl das Mindeste, was in diesem Fall von durch den Unfall erst sichtbar gewordenen verborgenen Mängeln wie Risse und Korrosion an strukturellen Bauteilen getan werden muss.

  21. Mit 500PS-Motoren war unter ISO-Bedingungen die Dienstgipfelhoehe bei 3800Metern. Die dortige Luftdichte liegt bei “hot”-day auf knapp 3000m Hohe vor.
    Morgens um 6 an ISOnormal war die Luftdichte unter den Fluegeln ausreichend gross für “besondere” Manoever…

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