Wie finde ich Asteroid 2004 BL86?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Kurze Antwort: Von Deutschland aus wahrscheinlich gar nicht, angesichts der Wetterprognose und der geringen scheinbaren Helligkeit des Körpers. Wer aber dennoch versuchen will, einen Blick auf Asteroid (357439) 2004 BL86 zu erhaschen oder wer wissen möchte, wie man das generell macht, sich aber nicht erst noch in die Mathematik und Himmelsmechanik einarbeiten möchte (ich habe mir sagen lassen, dass es tatsächlich Leute geben soll, die das nicht so mögen), der lässt rechnen.

Als erste (Web-)Adresse für solche Fragen bietet sich JPL Horizons an. Auf den ersten Blick wirkt die Bedienung des Web-Interface etwas sperrig. Es stehen aber hochgenaue Ephemeriden und ein mächtiger Funktionsumfang dahinter, sodass es sich lohnt, sich damit vertraut zu machen. Ich erkläre im Folgenden nur kurz das, was man wissen muss, um eine Beobachtung zu planen.

Man kann JPL Horizons zusätzlich auch für gänzlich andere Dinge nutzen – beispielsweise die Analyse des Vorbeiflugs von Komet Siding Spring am Mars. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein ganz kurzes Tutorial für Anfänger folgt. Gehen Sie einfach von oben nach unten die einzelnen Punkte im Web-Interface durch, indem Sie auf den Hyperlink “change” klicken und nach Eingabe Ihrer Auswahl unten die Schaltfläche “Use Selection Above” drücken. Wenn Sie Letzteres vergessen, werden Ihre Eingaben nicht übernommen.

  • Ephemeris Type: Für die Beobachtungsplanung wählen Sie “Observer Table”.
  • Target Body: Hier geben Sie im Eingabefeld den Namen des Asteroiden ein, also “2004 BL86”. Man kann rechts die Suche auf “smal lbodies only” limitieren, aber das macht keinen Unterschied.
  • Observer Location: Beobachter in den USA können ihren Wohnort aus einer Liste wählen, ansonsten muss man die geographische Länge und Breite und idealerweise auch Höhe seines Standorts kennen. Winkel können dezimal oder als Grad, Bogenminuten und Bogensekunden eingegeben werden. Positive Werte bedeuten bei der Länge “östlich”, bei der Breite “nördlich”. Als “Body-ID”ist vermutlich bei 100% aller Benutzer der Wert 399 einzugeben.
  • Time Span: Datum (und Uhrzeit) für Beginn und Ende des zu berechnenden Intervalls sind einzugeben, der Zeitschritt muss gewählt werden. Alternativ ist auch die Eingabe spezifischer Datums-/Zeitwerte (=Epochen) möglich. In diesem Fall wird die Berechnung nur für diese Epoche durchgeführt. Defaultmäßig wird angenommen, dass die Zeiteingabe in UTC erfolgt – also Vorsicht, damit Sie das nicht mit Ortszeit verwechseln.
  • Table Settings: Jetzt wird es etwas kompliziert – d.h., hier bekommt man eine Vorstellung davon, was das System alles kann. Zur Planung einer Beobachtung braucht man aber nur eine geringe Untermenge. “Apparent RA & DEC” und/oder “Apparent AZ & EL”, “Visual Mag. & Surface Bright” sowie “Observer Range & Range Rate” sollte eigentlich reichen. Danach können Sie noch Einheiten, Formate und Referenzsysteme auswählen. Hier reicht es, wenn Sie bei den Winkeln das bevorzugte Format auswählen, beispielsweise “decimal degrees”. Als “range units” bieten sich “Kilometers” an. Als “refraction model” für die Einbeziehung der Lichtbrechung in der Atmosphäre wählen Sie “standard atmosphere refraction model”. Die Extinktion wird aber offenbar nicht berechnet. Es empfiehlt sich, bei “Elevation cutoff” den Wert “0” einzugeben. Dann tauchen alle Zeiten, an denen das Objekt unter dem Horizont ist, nicht in der Ausgabedatei auf. Ebenso sollte “suppress range rate” und “skip daylight” ausgewählt werden. Die zeitliche Änderung des Abstands sowie die Ergebnisse bei Tageslicht, wenn Sie sowieso nichts sehen können, werden Sie nicht brauchen.

So, fast fertig. Jetzt noch:

  • “display/output”: Hier ist “download/save” am zweckmäßigsten.

Wenn Sie jetzt auf “Generate Ephemeris” drücken, wird eine Datei namens “horizons_results.txt” generiert, die Sie entweder mit einem Editor öffnen oder auf Ihrer Festplatte speichern können. Es handelt sich um eine ASCII-Datei, die Sie unter Windows beispielsweise mit “Wordpad” öffnen können.

In der Datei werden zunächst die Bahnelemente angegeben, dann noch weitere Daten, die der Berechnung zugrundeliegen. Danach folgt die Tabelle, in der jede Datenzeile mit Datum und Uhrzeit (Achtung: UT, nicht Ortszeit) beginnt. Danach folgt ggf. ein Buchstabenkürzel, das die Beobachtungsbedingungen weiter beschreibt. Der Buchstabe “A” weist auf Dämmerung hin, “m” auf mögliche Störung durch den Mond.

Danach kommt das, was Sie weiter oben gewählt haben, also Rektaszension/Deklination und/oder Azimut/Elevation” (Das erste ist die Winkelposition im mittleren Erdäquatorsystem zur Epoche 2000.0, also im Referenzsystem, das Sternkarten zugrundliegt, das zweite die Winkelposition bezüglich der lokalen Horizontebene.). Danach noch die visuelle Magnitude und der Abstand vom Beobachter.

In den Ergebnissen für heute Abend und den Standort Darmstadt sehe ich beispielsweise, dass der Asteroid um 17:50 UTC mit einem Azimut von 100 Grad (also Osten und dann noch 10 Grad weiter Richtung Süden) aufgeht, mit einer scheinbaren Magnitude nahe +10mag. Um 23:00 UTC, also Mitternacht Ortszeit, steht er bei Azimut 168.5 Grad, also fast im Süden, und 45.4 Grad über dem Horizont. Das wären etwa 10 Grad unterhalb Jupiter. Die Helligkeit wird da +9.35mag betragen. Opposition wird gegen 4:40 UTC durchlaufen. Aber da wird die scheinbare Helligkeit immer noch nur +9mag betragen.

Das war jetzt die Methode für diejenigem die es genau wissen wollen und die Zahlen nicht prinzipiell scheuen. Wer es lieber visuell mag und auf seinem Rechner Stellarium installiert hat (die funktioniert aber meines Wissens nicht bei der Mobilversion), der installiert einfach die Bahnelemente auf seinem Rechner und nutzt die Suchfunktion von Stellarium, um die Position des Asteroiden im Himmelsgewölbe für seinen Standort und zu beliebigen Zeiten darstellen zu lassen.

Das geht so;

  • Konfigurationsfenster öffnen (das Symbol mit dem Schraubenschlüssel)
  • Oben auf “Erweiterungen” klicken
  • Links auf “Sonnensystem-Editor” klicken
  • Rechts unten auf “Konfigurieren” klicken.
  • Dies öffnet ein weiteres Fenster. Dort haben Sie die Wahl zwischen drei Tab. Wählen Sie den mittleren mit der Bezeichnung “Sonnensystem”
  • Klicken Sie unten auf “Bahnelemente im MPC-Format importieren”
  • Dies öffnet noch ein Fenster. Unter “Typ wählen” markieren Sie “Asteroiden”. Unter “Eine Quielle aus der Liste auswählen” markieren Sie “MPCORB near-Earth asteroids (NEAs)” und klicken Sie unten auf “Bahnelemente importieren”
  • Dies öffnet ein weiteres Fenster mit dem Namen “Daten importieren”. Geben Sie im Such-Eingabefeld den Namen “2004 BL86” ein. Dann erscheint in der Liste darunter nur dieser Asteroid. Markieren Sie das Auswahlfeld und klicken Sie auf “Objekte hinzufügen”.
  • Das aktuelle Fenster schließt sich nach dem Herunterladen der Bahndaten. Die anderen offenen Fenster können Sie nun auch schließen.

Das war’s schon. Sie können jetzt die Suchfunktion starten und damit “2004 BL86” finden und seine Bahn durch den heutigen Nachthimmel verfolgen. Falls Sie auch die Ephemertiden von JPL Horizons heruntergeladen haben sollten, werdenm Sie feststellen, dass beides sehr schön übereinstimmt.

 

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

5 Kommentare

    • In Stellarium lassen sich Bahndaten nachladen, aber diese Funktion ist in der Version für Handheld-Geräte offenbar noch nicht implementiert. Auf Linux und Windows klappte das problemlos, so wie von mir beschrieben.

  1. Idee um Astronomie zu popularisieren: Per E-Voting können alle, die ein Teleskop (evtl im Orbit) crowdgefundet haben, abstimmen, wohin das Teleskop zielen soll und diese Crowdfunder erhalten exklusiv die Bilder von diesem Teleskop. Das Teleskop zielt immer auf das Objekte mit den meisten Stimmen.
    Hey wär doch was!

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