Kellerfund

BLOG: Go for Launch

Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Unlängst fand ich beim Aufräumen meines Kellers eine große, schwarze, verschlossene und offensichtlich gefütterte Kunstlederdose. Ich machte sie auf und war verdutzt. Sie enthielt ein massives, schwarzes Teleobjektiv mit der Aufschrift “Meyer-Optik Görlitz – Telemegor 300/ f 4.5”.

Hä?

Ich konnte mich nicht erinnern, so ein Objektiv schon einmal gesehen zu haben. Allerdings hatten es bestimmt nicht die Heinzelmännchen in meinen Keller gelegt. Das war mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit ich selbst. Da ich aber trotz angestrengten Nachdenkens nicht darauf kam, was es mit diesem Ding auf sich hatte, tat ich das, was man heutzutage halt tut, wenn man nicht weiter weiß: Ich googelte.

Das Telemegor wurde bis in die frühen 1960er gebaut. Es handelt sich um ein Teleobjektiv mit vier Linsen in zwei Gruppen. Aha. Also war das Ding schon mindestens 50 Jahre alt. Also, dafür ist es aber noch ganz gut in Schuss. Die Fokussierung läuft tadellos glatt, die Blende öffnet und schließt sich butterweich und stufenlos ohne Knirschen und Knacken. Ein paar leichte Gebrauchsspuren zeigen sich im schwarzen Lack, aber die optischen Elemente und die Mechanik sind noch tadellos.

Das Objektiv hat ein Bajonett für die Pentacon Six, eine Mittelformatkamera. Aha! Ja, Mittelformatfotografie, da war doch mal was. Das hat mich ein paar Jahre interessiert, aber spätestens Mitte der 90er habe ich damit aufgehört und meine Rollei und Hasselblad wieder verkauft. Auf der Exakta 66 blieb ich leider sitzen. Die hat auch den Pentacon Six-Anschluss. Also werde ich das Objektiv wohl dafür gekauft haben, und zwar vor mindestens 20 Jahren.

Ich nehme an, das Ding muss mich mal auf einer Fotobörse angewimmert haben: “Nimm mich mit! Nimm mich mit!” Dieser Aufforderung habe ich offensichtlich Folge geleistet, wahrscheinlich im Austausch gegen einige Geldscheine (nicht zu viele, hoffe ich). Dann habe ich es allerdings so gründlich vergessen, dass ich auch heute nicht mehr nachvollziehen kann, wo, wann und wie das damals genau vonstatten ging.

Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, Gesamtansicht mit Pentacon-Six-auf-Canon-EOS-Adapter
Credit: Michael Khan / Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, Gesamtansicht mit Pentacon-Six-auf-Canon-EOS-Adapter
Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, 19 Lamellen-Irisblende offen
Credit: Michael Khan / Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, 19 Lamellen-Irisblende offen
Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, 19 Lamellen-Irisblende abgeblendet
Credit: Michael Khan / Telemegor 300 f4.5 von Meyer Optik Görlitz, 19 Lamellen-Irisblende abgeblendet

Am Samstag nun die erste sternklare Nacht, seit ich das Tele wieder zu Tage befördert habe. Da ich inzwischen einen Adapter vom Pentacon-Six-Bajonett auf den Canon-EOS-Anschluss habe, kann ich mit dem Objektiv sogar etwas anfangen.

Na Alter, dann zeig’ mal, was du kannst.

Zunächst ein paar Aufnahmen bei Tageslicht.

Testaufnahme mit Telemegor bei Tageslicht, f 4.5, ISO 800, 1/3200 s
Credit: Michael Khan / Testaufnahme mit Telemegor bei Tageslicht, f 4.5, ISO 800, 1/3200 s
Testaufnahme mit Telemegor bei Tageslicht, f 22, ISO 800, 1/200 s
Credit: Michael Khan / Testaufnahme mit Telemegor bei Tageslicht, f 22, ISO 800, 1/200 s

Also gut. Vignettierung sehe ich nicht. Auch keine Verzeichnung. Die chromatische Aberration hat das Ding auch im Griff – das bestätigten die Himmelsaufnahmen später am Abend. Dass die Tiefenschärfe bei offener Blende nachlässt, ist bei Teles nun einmal prinzipbedingt so. Allerdings sehe ich auch die Schärfe bei offener Blende als problematisch. Haptik und Ergonomie sind sehr gut, was allerdings bei einem so großen Objektiv auch nicht verwundert.

Jetzt die astronomischen Aufnahmen. Mit 300 mm Brennweite bietet sich das Tele für Weitfeldaufnahmen an, gerade in Kombination mit seiner nominalen Lichtstärke. Das trifft aber nur zu, wenn die Schärfe ausreicht. Das ist in der Astrofotografie einfach nicht verhandelbar. Ich könnte natürlich abblenden. Aber wozu schleppt man sich denn dann mit so einem Otto ab, wenn man ihn nachher nur mit angezogener Handbremse nutzen kann?

Hier der direkte Vergleich mit einem astronomischen Teleskop – also gut, ganz fair ist das nicht. Das Teleobjektiv hat 300 mm Brennweite, das Teleskop dagegen 420. Da bildet das Teleskop auf einer deutlich größeren Pixelfläche ab und erreicht deswegen auch eine bessere Auflösung. Stimmt alles – ich hätte besser meinen 330 mm-ED-Apo nehmen sollen, aber den hatte ich gerade nicht dabei. Egal, für eine erste Beurteilung reicht’s. Es geht ja nicht allein um die Auflösung.

Natürlich mache ich die Aufnahmen mit dem Teleobjektiv mit offener Blende. Da sehe ich jetzt zwar etwas chromatische Aberration. Logisch – das Teleobjektiv ist ja kein Apochromat. Aber so richtig schlimm ist der Farbsaum nicht. Die Schärfe ist eigentlich auch gar nicht so schlecht. Die Ingenieure in Görlitz haben recht gute Arbeit geleistet. Allerdings habe ich auch vorher schon die Erfahrung machen müssen, dass Teleobjektive für die Fotografie von eingeschränkter Nützlichkeit in der Astrofotografie sind. Das Telemegor ist da keine Ausnahme. Es kann mit so manchem einfachen Refraktor durchaus mithalten. Wer also noch so ein Ding herumliegen hat und kein Teleskop besitzt, aber doch mal ein bisschen Astrofotografie versuchen will, stünde damit zumindest nicht vollkommen auf verlorenem Posten.

Wer aber ein anständiges oder sogar ein gutes Teleskop besitzt, wird im Telemegor keinen Mehrwert sehen.

Hm. Was fang’ ich jetzt mit dem Ding an?

(Originalbild mit Telemegor)

(Originalbild mit Apochromat)

Mond am 3.5.2014, Canon EOS-600D mit Telemegor 300 f4.5, ISO 400, Blende 4.5, 1/160 s
Credit: Michael Khan Darmstadt / Mond am 3.5.2014, Canon EOS-600D mit Telemegor 300 f4.5, ISO 400, Blende 4.5, 1/160 s
Zunehmender Mond am 3.5.2014, 65/420 Quadruplet Apochromat, Canon EOS 600D, ISO 200, 1/80 s
Credit: Michael Khan, Darmstadt / Zunehmender Mond am 3.5.2014, 65/420 Quadruplet Apochromat, Canon EOS 600D, ISO 200, 1/80 s

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

8 Kommentare

  1. Interessante Geschichte. 🙂
    Hier ein paar Ideen, was Sie mit dem Objektiv noch anfangen könnten.
    Sofern Sie wie ich hin und wieder mal im Hochgebirge unterwegs sind, wäre folgendes möglich: Ich finde es recht praktisch, schwer oder gar nicht erreichbare Felsformationen so abzulichten als wenn ich in der Nähe stehen würde. Ausserdem eignet es sich recht gut zur fotografischen Tierjagd, wenn man z.B. Murmeltiere oder Steinböcke auf’s Bild haben will. Oder auch weit entfernt stehende Pflanzen, (in Felsspalten oder auf Vorsprüngen) die durch ihre Blüten faszinieren. Ich hab mein Tele auch schon mal dazu verwendet, eine Nahaufnahme von einem “Raupengewusel” aufzunehmen, das sich auf den Blättern von Brennnesseln befand. – Da war so ein kleines “Feld” von ca. 50 mal 100 Zentimetern voller Brennnessel und in der Mitte tummelten sich irgendwelche Raupen in einer grösseren Anzahl auf den Blättern. Das war sehr faszinierend, aber eine Nahaufnahme davon mit einem Makroobjektiv anzufertigen fand ich nun nicht sehr prickelnd. Aber mit dem Tele ging das recht gut. Oder, wenn man dann mal auf einem Gipfel ist, ein paar hübsche Aufnahmen von den Nachbargipfeln, die so aussehen, als würde man in der Nähe in der Luft schweben… (Okay, dafür wären dann je nach Entfernung auch grössere Brennweiten fällig, aber man muss die Dinger ja auch noch tragen können.)
    Davon abgesehen hat man in den Bergen meisst keine Probleme mit Lichtverschmutzung und wenn das Wetter mitspielt eine so klare Sicht auf den Himmel, davon kann man in der Stadt nur träumen. Vielleicht findet man da auch passende Motive für TWAN. 😉

    • Vom grundsätzlichen Nutzen eines Teleobjektivs muss man mich sicher nicht groß überzeugen. Auf Wanderungen reicht mir aber das Telezoom, das im Set mit der Kamera mitkam, auch wenn die maximale Brennweite da nur 250 mm ist. Das hat auch den Vorteil, dass Autofokus und Kameraprogramme funktionieren. Nicht, dass man das unbedingt braucht, wenn man mal gelernt hat, zu fotografieren, aber es schadet auch nichts. Die fast 2 Kilo des Telemegor schleppe ich nicht mit rauf und runter. Als Tele kommt das für mich nicht in Frage.

      Die einzige Frage, die ich versucht habe (für mich) zu beantworten, ist, ob ich das Telemegor als Teleskop nutzen kann. Selbst dann wäre es immer noch nur ein Teleskop für die Fotografie. Die Antwort da ist: Ja, es geht. Wenn man kein gutes Teleskop hat, kommt man mit dem Telemegor durchaus auf beachtliche Resultate. Das zeigt ja auch Daniel Fischers Erfahrung. Aber ich habe nun mal Teleskope, und die leisten unzweifelhaft mehr als das Telemegor, was auch nicht verwundert. Das ist ja schließlich ein Teleobjektiv.

      Das Fazit ist für mich deswegen, frei nach Lenin: “Was tun?” Zum Wegschmeißen ist das Ding zu schade, abgesehen davon, dass ich aus Prinzip optische Geräte immer mit Respekt behandele. Aber gebrauchen kann ich es auch nicht wirklich. Vielleicht fällt mir dazu noch was ein.

      • Ach so, dann ist das mal wieder ein klassischer Fall, wo ich nur Bahnhof verstanden habe, obwohl von “Zug” die Rede war… 🙁
        Nun ja, im Zweifelsfall können Sie es immer noch irgendwo verticken. – Gibt auf Sammlerbörsen sicherlich Interessenten dafür.

  2. “Es kann mit so manchem einfachen Refraktor durchaus mithalten. […] Was fang’ ich jetzt mit dem Ding an?” Als ich vor über 30 Jahren in den Besitz eines nahen Verwandten, des Orestegor 300mm f/4, gekommen war, montierte ich dahinter einen Telekonverter und ein Okular aus einem kaputten Feldstecher – und fertig war mein allererstes Teleskop. Das immerhin das Mare Acidalium auf dem Mars bei dessen Aphel-Opposition 1982 zeigte und noch so einiges – und auch zu etwas Astrofotografie mit hoher Vergrößerung taugte. Meine allererste totale Sonnenfinsternis 1983 wurde z.B. u..a. damit aufgenommen: Dieses Komposit-Bild wurde 23 Jahre später aus einer ganzen Serie Orestegor-Dias erzeugt …

    • Das Orestegor ist laut Wikipedia der fünflinsige Nachfolger des Telemegor (Wer denkt sich bloß diese Namen aus?), sodass einige der Schwächen des Telemegor – und da ist wirklich die Schärfe zu nennen – korrigiert wurden. Der Telemegor ist wirklich nichts Besonderes, weder im Guten wie im Schlechten.

  3. Mit seiner Blendenzahl von f/4.5 sollte das Objektiv besser für die Fotografie flächenhafter Himmelsobjekte (Kometen, Gasnebel, ‘nahe’ Galaxien) geeignet sein, als der f/6.4-Refraktor.

    • Ja, wenn die Schärfe wirklich mitmacht. Der Vergleich der Mondbilder legt da gewisse Zweifel nahe. Aber man sollte es auf jeden Fall einmal probieren. Erster Kandidat: M42. Das einzige Problem ist dass dieser Oschi so schwer ist, dass er auf eine leichte Nachführmontierung wie die GP2 nicht mehr passt.

  4. Der ED Refraktor zeigt bei der Mondbeobachtung und -Fotografie sicher mehr Detail als ein Teleobjektiv (das dafür ja nicht beechnet und konstruiert ist). Selbst ‘sehr gute’ Leica Spektive knicken am Mond und den Planeten qualitativ gegenüber simplen, längerbrennweitigen Fraunhoferobjektiven ein, wenn versucht wird, per Okularadapter und Astrookularen in höhere Vergrößerungsbereiche vorzudringen – gemäß dem Motto ‘nicht dafür gemacht’. Warum? Weil Naturbeobachter ihre Spektive bei Tage einsetzen und terrestrische Ziele anpeilen. Dabei blicken sie mehr oder weniger parallel zum Erdboden in die Gegend, also durch die bodennahe, von der Sonne aufgeheizte Luftschicht, die entsprechend vor sich hin brodelt, was die Anwendung höherer Vergrößerungen nicht sinnvoll macht. Spektive vergrößern daher meist nur maximal bis ca. 60x oder 80x, sind also nicht für höhere Vergrößerungen konzipiert. Für Detailbeobachtungen an Planeten sind ca. doppelt so starke Vergrößerungen nötig. Versucht man das mit dem 1000, 2000 € Leica Spektiv, greift man dann wegen der farbenprächtigen, kontrastarmen Abbildung (Chromasie) schnell doch lieber zum preislich oft erschwinglicheren ‘richtigen’ Fernrohr.

    Zwischenfazit: Spektive und Teleobjektive taugen bei höheren Vergrößerungen meist nicht viel.

    Setzt man solch eine mittelprächtige optische Katastrophe aber an ein Kameragehäuse und nimmt nicht den Mond mit kurzer Belichtungszeit auf (mit dem visuellen Eindruck entsprechenden enttäuschenden Resultaten), sondern nimmt einen galaktischen Gasnebel oder die Andromedagalaxie mit Belichtungszeiten von einigen Minuten auf, können durchaus passable Fotos entstehen. Während nämlich bei sehr kurzen Belichtungszeiten Momente guter Luftruhe genutzt werden können und das Objektiv so eine Chance hat, zu zeigen, was in ihm steckt (oder auch nicht), summieren Langzeitbelichtungen das durch die permanent vorhandene Luftunruhe bedingte Herumtanzen der aufgenommenen Objekte und ‘verschmieren’ so einen Stern- bzw. Bildpunkt über eine gewisse Fläche, die deutlich größer ist, als das Auflösungsvermögen des Objektivs. Daher kann auch ein einfaches Objektiv, das an Planeten versagt, länger belichtete Aufnahmeergebnisse liefern, die denen teurerer Objektive, die ja ebenfalls mit der Luftunruhe zu kämpfen haben, kaum nachstehen. Ist jedoch die Farbkorrektur eines einfachen Objektivs -wie oft der Fall – nicht besonders gelungen, wird man zumindest um die helleren Sterne unschöne blaue Farbhöfe sehen.

    Auch in diesem Fall gibt es aber einen Ausweg: Einfach monochromatisch, also durch ein enges Filter fotografieren (z. B. O-III, H-Alpha) , und schon ist kein Farbfehler mehr sichtbar – allerdings auch keine anderen Farben mehr, als jene, die der Filter durchlässt. Macht nix – durch Umwandlung in ein Schwarzweißbild ist der extreme ‘Farbstich’ weg.

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