Januar 1968: Surveyor 7 mit Kurs auf Tycho

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Dem Apollo-Programm der NASA mit dem Ziel der bemannten Mondlandung gingen mehreren unbemannte Vorbereitungsprogramme voraus. Man kann nicht einfach Menschen zu einer fremden Welt schicken, ohne zuvor die Landeorte erkundet zu haben.

Zuerst kamen von 1961-1965 die Impaktsonden des Ranger-Programms. Dieses begann reichlich glücklos: erst die siebte von insgesamt 9 Sonden war erfolgreich. Ranger 7 schlug planmäßig am 28. Juli 1964 südlich des Kraters Kopernikus auf und konnte zuvor über 4000 Bilder zur Erde funken, die das Wissen über die Struktur der Mondoberfläche gewaltig voranbrachten. 

Auf Ranger folgte 1966-1968 das Surveyor-Programm. Diese Sonden waren für eine weiche Landung konstruiert – ein erheblich schwierigeres technisches Problem als die harten Impakte der Ranger-Sonden. Bei denen kam es eigentlich nur darauf an, einigermaßen genau zu zielen. Die Surveyors dagegen mussten nicht nur am richtigen Ort ankommen, sondern dies auch noch mit Vertikal- und Horizontalgeschwindigkeiten nahe Null relativ zum nicht gerade ebenen Mondboden.

Eine weiche Mondlandung braucht Bremstriebwerke, die ein “Delta-v” von über 2.5 km/s aufbringen. Bei den Surveyor-Landesonden wurde eine zweistufige Lösung gewählt. Eine Feststoffstufe nahm das meiste der Annäherungsgeschwindigkeit heraus und wurde in etwa 11 km Höhe bei einer Sinkgeschwindigkeit von nur noch etwa 100 m/s abgeworfen. Man brauchte hohen Schub, um das gewaltige Geschwindigkeitsinkrement in kurzer Zeit aufzubringen, und gleichzeitig eine leichte, einfach abtrennbare Struktur der Bremsstufe. Die gewählte Lösung war die vorteilhafteste, trotz der Nachteile von Festbrennstoffen, wie Ungenauigkeit und geringerer Ausströmgeschwindigkeit. 

Der restliche Abstieg bis hinunter auf eine Zielhöhe von etwas mehr als 3 m über der Oberfläche wurde von kleinen Flüssigkeitstriebwerken in einem geschlossenen Regelkreislauf mit einem Dopplerradar gesteuert. In dieser Höhe war die Geschwindigkeit Null und der Antrieb schaltete ab, sodass die Sonden die restlichen drei Meter im freien Fall zurücklegten. Auf der Erde hätte ein freier Fall aus solcher Höhe zu einer Aufsetzgeschwindigkeit von mehr als 8 m/s (fast 30 km/h) geführt, auf dem Mond sind es aufgrund der geringeren Schwerkraft nur 3.3 m/s (12 km/h). Diesen Aufprall mussten die Federbeine auffangen.

(Zwischenfrage: Wieso ist die Aufprallgeschwindigkeit nicht um das sechsfache geringer? Nun, rechnen Sie selbst nach!)

 

Die Surveyor-Sonden hatten Startmassen von etwa einer Tonne, die verbleibende Masse der Landeeinheit betrug um 300 kg, der Rest war Treibstoff und die ausgebrannte, abgesprengte Feststoffstufe. Das Landeverfahren klingt komplex und ist es auch. Umso bemerkenswerter, dass fünf der sieben Surveyor-Missionen erfolgreich waren. 

Besondere Beachtung verdient Surveyor 3, die erste Raumsonde auf einem anderen Himmelskörper, die vor Ort begutachtet werden konnte. Surveyor 3 landete am 20. Juli 1970 im Meer der Stürme. Zweieinhalb Jahre später ging in nur 180 Meter Entfernung das Landemodul “Intrepid” der Mission Apollo 12 nieder: Deren Astronauten, Pete Conrad und Alan Bean, konnten zu Fuß von ihrer Landefähre zu Surveyor 3 gehen, von der sie einige Bauteile wieder mit zur Erde nahmen. 

Surveyor 7 schließlich (gestartet am 7.1.1968, gelandet am 10.1.1968) ist nicht nur deswegen von Bedeutung, weil sie die letzte Sonde der Surveyor-Serie und die bis jetzt letzte unbemannte NASA-Mondlandesonde war, sondern auch und vor allem wegen ihres Landeorts. Surveyor 7 landete nämlich in der Nähe des Kraters Tycho auf der Südhalbkugel, viel weiter südlich  (11.4 Grad W, 41 Grad S) und auch weiter vom Äquator entfernt als jede andere Sonde (Lunokhod 1 landete 1970 bei einer selenographischen Breite von 38.3 Grad N).

Tycho ist wahrscheinlich der bekannteste Mondkrater – wer jemals bewusst den Mond betrachtet hat, dem müssen Tycho und der markante Strahlenkranz des helleren Materials, das bei dem Impakt vor 108 Millionen Jahren ausgeworfen wurde, aufgefallen sein. Surveyor 7 landete außerhalb des Kraters in etwa 29 km Entfernung von seinem Rand. Eine Landung in so zerklüftetem Gelände des Mond-Hochlands war schon eine Herausforderung und ein Risiko – viel gefährlicher als die bisherigen Landungen in den weiten Ebenen der Mondmeere –  denn die Sonde besaß keine Möglichkeit, Hindernisse in der Landestelle zu erkennen und Gefahren auszuweichen. Andererseits war das wissenschaftliche Interesse an der in-situ Untersuchung relativ frischen Auswurfmaterials so hoch, dass es dieses Risiko wert war.

Übrigens: Alle, die meinen, zukünftige Mondmissionen seien nur ein Abklatsch dessen, was bereits vor über 40 Jahren gemacht wurde, sollten genau diesen Punkt bedenken: Eine Punktlandung in schwierigem Gelände, vielleicht sogar auf einem schmalen Kraterrand ist überhaupt nicht mit einer Landung irgendwo in einem weiten Feld zu vergleichen. Die technische Herausforderung ist um ein Vielfaches höher, ebenso allerdings auch der wissenschaftliche Wert. Orte, an denen man einfach und sicher landen kann, interessieren die Planetologen erfahrungsgemäß wenig. 

Anmerkung: Ranger und Surveyor waren nicht die einzigen robotischen Programme zur Untersuchung unseres Trabanten in den 60ern. Ich bin hier gerade auf diese zwei Programme eingegangen, weil es mir primär um Surveyor 7 ging, und damit verbunden, das Surveyor-Programm, und wiederum damit verbunden, das Vorläuferprogramm Ranger. Zusätzlich startete die NASA in diesem Zeitraum fünf orbitale Mondsonden, die die komplette Oberfläche des Mondes mit hoher Auflösung kartierten und sich dabei der der damals fortschrittlichsten Aufnahmetechnik bedienten, wie sie auch in (vor allem militärischen) Erdbeobachtungssatelliten zum Einsatz kam … wahrscheinlich ist Ihnen in diesem Zusammenhang der Begriff “Spionagesatellit” eher vertraut. Allein die unglaublich komplexe Technik der “Lunar Orbiter“-Sonden wäre einen eigenen Artikel wert.

Zusätzlich hatte die UdSSR ein Programm zur robotischen Monderkundung gestartet. Dessen erstes Highlight war Luna 1, die im Jahre 1959 (nur zwei Jahre nach dem Start des ersten Erdsatelliten Sputnik 1!) bereits einen Mondvorbeiflug absolvierte. Geplant war wahrscheinlich ein Impakt, jedoch wurde der Mond verfehlt. Weitere Highlights waren die Mission Luna 16, die erste robotische Probenrückführung von einem anderen Himmelskörper, und Lunokhod 1, der erste robotische Rover, beide im Jahre 1970. Das sowjetische Programm diente anfänglich durchaus der Vorbereitung bemannter sowjetischer Mondmissionen, bis die UdSSR sich in diesem Rennen geschlagen geben musste und fortan so tat, als habe sie so etwas gar nicht vorgehabt. Wie auch immer, die technischen Leistungen der Sowjets waren phänomenal.    

Weitere Information

Webseite zum Surveyor-Programm im Webauftritt des Lunar und Planetary Institute 

Detaillierte Informationen zu Surveyor 7 bei NASA/NSSDC

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

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