Stratolaunch – SpaceX: Die Scheidung

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Vor fast genau einem Jahr widmete ich meinen 200sten Blog-Artikel einem Projekt, das Milliardär Paul Allen und Luft- und Raumfahrtpionier Burt Rutan gerade angekündigt hatten: Stratolaunch! Das größte Flugzeug aller Zeiten, gebaut von Rutans Firma Scaled Composites, sollte eine 220 Tonnen schwere Rakete, beigesteuert von SpaceX, in die Stratosphäre schleppen und dort ausklinken, damit sie von dort mit eigener Kraft das Erdorbit erreicht.

Ich analysierte das Konzept und rechnete die möglichen Aufstiegstrajektorien der Rakete nach. Ich kam dabei schnell darauf, dass Stratolaunch keine besonders beeindruckende Nutzlast ins Orbit befördern kann. Mit einer Falcon-9-Rakete von Space X bekommt man jetzt schon mehr Nutzmasse hoch und ist dabei flexibler und wahrscheinlich sogar billiger.

Ferner meldete ich erhebliche Zweifel an dem in den ersten Ankündigungen von Stratolaunch gezeigten Konzept einer geflügelten Erststufe der Rakete an. Statt der Flügel wäre eine Steigerung des verfügbaren Schubs der Erststufe vorteilhafter.

In den seitdem vergangenen 11 Monaten muss wohl eine Menge Konzeptarbeit zwischen den Konsortialpartnern stattgefunden haben, mit dem Ergebnis, dass die Firma SpaceX Ende November 2012 aus dem Projekt ausstieg. Die erforderlichen technischen Änderungen, die sie an ihren Produkten hätte vornehmen müssen, um sie mit dem Stratolaunch-System kompatibel zu machen, hätten dazu geführt, das das Ergebnis am Ende nicht mehr viel mit den aktuellen Raketen und den Produktionsverfahren dieser Firma gemein gehabt hätte.

Auf Deutsch: Das wäre eine ganz andere Rakete geworden als die, die sie bis jetzt haben. Auf jeden Fall mit den Flügeln an der Erststufe, aber vielleicht auch sonst. Nach meiner Erfahrung betrifft ein vollkommen anderes Flugprofile nicht nur die Hardware, sondern auch die Avionik. Da wird die Requalifizierung sehr aufwändig. Sowas tut man sich nur an, wenn es eine entsprechende Erwartung an den zu generierenden Zusatzprofit gibt. Die Frage ist, wievel zusätzliche Kohle man mit dem Stratolaunch verdienen würde, die man ohne das Stratolaunch-System nicht verdient hätte. Man muss ja im Hinterkopf behalten, dass vielleicht der eine oder andere Stratolaunch-Kunde ansonsten ein SpaceX-Kunde gewesen wäre … immer mal vorausgesetzt, dass es überhaupt eine nennenswerte Anzahl von Stratolaunch-Kunden geben wird.

Die Scheidung zwischen Stratolaunch und SpaceX war angeblich gütlich und in beiderseitigem Einvernehmen. Stratolaunch hat bereits einen neuen Partner gefunden: Orbital Sciences, die einzige Firma weltweit, die bereits nennenswerte Erfahrung mit einem geflügelten Startsystem aufweisen kann, das von einem Unterschallflugzeug abgeworfen wird: Pegasus.

Pegasus ist allerdings nur ein kleines Startvehikel; die Nutzlastkapazität der Stratolaunch-Rakete wird eine Größenordnung höher liegen. Also dringt Orbital Sciences da durchaus in Neuland vor. Es gibt ga auch die unangenehme Tatsache, dass schon die kleine Pegasus sich keineswegs durch phänomenal niedrige Startkosten in ihrem Marktsegment auszeichnet. Eher im Gegenteil: mit 20-25 M$ für weniger als 500 kg Nutzmasse ins Orbit ist ein Pegasus-Start ein teurer Spaß. Da erscheint es mir nicht unmittelbar einsichtig, wieso es bei Stratolaunch nun auf einmal gänzlich anders sein sollte. Es wird interessant sein, zu sehen, wie dies bewerkstelligt werden soll.

Wie auch immer das ausgeht, in diesem Konsortium gibt es einen, der auf jeden Fall zufrieden sein kann – Burt Rutan kann mit Paul Allens Geld ein Riesentransportflugzeug entwickeln. Wenn das Ganze zur Marktreife gelangt und ein kommerzieller Erfolg bei Starts ins Orbit wird – umso besser. Wenn Stratolaunch zur Marktreife kommt, aber sich aber gegen die Konkurrenz der herkömmlichen Raketen nicht durchsetzen kann – kein Problem für Rutan, denn allein für das riesige Transportflugzeug werden sich auch andere Kunden finden. Wenn das Konzept nicht zur Marktreife kommt – nun gut, dann werden zumindest auf der Flugzeugseite Technologien entwickelt worden sein, die er für etwas Anderes nutzen kann.

Zumindest für ihn ist also alles cool.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. Elon Musk makes simple concepts work

    In ein Konzept zu investieren, das nicht überzeugt, weil es zuwenig Potenzial hat, ist Zeitverschwendung.

    Beide neueren Firmen von Elon Musk, nämlich Tesla und SpaceX basieren auf bekannten Konzepten, optimieren diese aber auf eine Weise, dass eine neue Qualität entsteht.

    Beim Elektromobil (Tesla) sah Elon Musk das Problem im Preis der Batterien, dementsprechend hat er hier angesetzt:

    “Die Energiequelle besteht aus 6.831 handelsüblichen Lithium-Ionen-Akkus für Laptops mit einem Speichervolumen von ca. 53 Kilowattstunden, die mit einer Spannung von 375 Volt an den Motor abgegeben werden.”

  2. Formatkorrektur+Fortsetzung

    Bei der bekannten Raktentechnologie sah Musk das Problem in Bürokratie und fehlender Marktorientierung, etwas was SpaceX korrigieren sollte:

    “Musk believes the high prices of other space-launch services are driven in part by unnecessary bureaucracy. He has stated that one of his goals is to improve the cost and reliability of access to space, ultimately by a factor of ten”

    Stratolaunch hat relativ zum Aufwand zuwenig Potenzial. Es erstaunt deshalb nicht, dass er ausgestiegen ist.

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