Starts der Falcon 9 ausgesetzt

Start einer Falcon 9 Block 5, Quelle: Wikipedia

Nach vielen Jahren des problemlosen Betriebs und mehr als 300 erfolgreichen Starts in Folge läuft es gerade nicht so gut für die Falcon 9 der erfolgsverwöhnten amerikanischen Raumfahrtfirma SpaceX.

Der Fehlschlag vom 11 Juli

Am 11 Juli 2024 sollte  eine Falcon 9 zwanzig Satelliten für die Starlink-Megakonstellation starten. Dazu hätte das Merlin-Triebwerk der Oberstufe zweimal zünden müssen:

  • Das erste Mal gleich nach der Abtrennung der Unterstufe, um eine exzentrische Zwischenbahn von etwa 140 x 300 km zu erreichen.
  • Das zweite Mal nach einer Freiflugphase, um die Bahn bei 300 km zu zirkularisieren, damit die Nutzlast ausgesetzt werden kann.

Die Starlink-Satelliten sind in “Schalen” in verschiedenen Bahnhöhen angeordnet, die meisten zwischen 530 und 590 km. Die Satelliten werden aber schon auf viel niedrigeren Bahnen ausgesetzt und kurz darauf mit ihrem Ionenantrieb auf die Zielbahn angehoben. Damit erhöht man die die Nutzlastkapazität pro Start und verhindert die Erzeugung von langlebigem Weltraumschrott, falls das Aussetzen schiefgeht oder einzelne Satelliten nicht funktionieren.

Aufgrund eines Lecks von flüssigem Sauerstoff aus einer Zuleitung vom Tank war das Triebwerk unterkühlt und zerlegte sich, als das kurze zweite Manöver durchgeführt werden sollte, sodass das Perigäum nicht angehoben werden konnte. Die Satelliten wurden zwar ausgesetzt und sie funktionierten auch, aber der Schub ihrer Ionentriebwerke war zu gering, um den Effekt des erhöhten Luftwiderstands in der zu niedrigen Bahn auszugleichen, sodass sie verloren gingen.

Das Problem am 28. August

Am 28. August startete eine Falcon 9 erfolgreich 21 Starlink-Satelliten. Hier funktionierte die Oberstufe einwandfrei. Die Unterstufe geriet jedoch nach der planmäßigen Schiffslandung in Brand, stürzte um und explodierte, wobei auch das Schiff beschädigt wurde. Es besteht aber kein Zusammenhang zum Ereignis vom 11. Juli oder vom 28. September, da die Oberstufe nicht betroffen war.

Das Problem am 28. September

Am 28. brachte eine Falcon 9 ein Crew Dragon-Raumschiff mit zwei Raumfahrern an Bord in eine niedrige Erdumlaufbahn von knapp 200 km Höhe. Der eigentliche Start war erfolgreich, die Astronauten sind am 29. September wohlbehalten an der ISS angekommen.

Aber das Triebwerk der Falcon 9-Oberstufe versagte wieder beim zweiten Manöver. Dieses sollte die Stufe gezielt zum Absturz im Südpazifik bringen. Ein Teil des Manövers wurde offenbar auch durchgeführt, aber es fiel geringer aus als geplant. Die Oberstufe stürzte deswegen nicht ins geplante Zielgebiet, sondern weiter nordöstlich. Die Ursache ist noch nicht bekannt.

Auswirkung auf kommende Starts

Am 7. Oktober soll eine Falcon 9 die ESA-Asteroidensonde HERA in die interplanetare Transferbahn einschießen, am 10 Oktober eine Falcon Heavy die NASA-Jupitersonde Europa Clipper. Beide werden im März 2025 einen nahen Vorbeiflug am Mars absolvieren. Falcon 9 und -Heavy unterscheiden sich darin, dass erstere eine Unterstufe verwendet, letztere drei gebündelte Unterstufen. Die Oberstufe ist jedoch bei beiden die gleiche.

Bei beiden Starts ist vorgesehen, dass die Oberstufe zwei Manöver vollzieht:

  • Das erste zum Erreichen einer niedrigen, kreisförmigen und geneigten Parkbahn
  • Das zweite, nach einer Freiflugphase auf der Parkbahn, zum Einschuss in die hyperbolische Erdflucht

Das Problem am 28. September trat nach dem Aussetzen der Nutzlast auf. Es hatte also keinen Einfluss auf den Erfolg der Mission. Falls aber bei den Starts von HERA oder Clipper das zweite Manöver gar nicht oder nur unzureichend stattfindet, wäre die jeweilige Mission verloren.

Jetzt wurden erst einmal weitere Starts von Falcon 9 und -Heavy ausgesetzt. Nach dem Fehlschlag vom Juli betrug die Auszeit 15 Tage. Die Teams beider Missionen hoffen natürlich, dass es diesmal glimpflich abgeht und idealerweise ihre Starts planmäßig, aber wichtiger noch, erfolgreich erfolgen. Gerade für HERA wäre es tragisch, wenn das Startfenster 2024 verpasst würde. Das nächste ist erst 2026, und das ist viel ungünstiger.
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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. “Das nächste ist erst 2026, und das ist viel ungünstiger.”
    Vor einigen Jahren wurde hier über das Startfenster berichtet. Wären gegenüber den damals gezeigten Startmöglichkeiten etwas spätere denkbar (Tage, Wochen), wenn man die inzwischen gemessene Ist-Trockenmasse von Hera ohne damalige Margins in Betracht ziehen würde?
    Könnte zusätzlich mehr Abflug-delta v hilfreich (z.B. Falcon Heavy) sein?
    Viele Grüße!

    • Ich weiß nicht, ob die Leute von SpaceX noch Zeit hätten, jetzt auf die Schnelle neue Launcherprogramme für eventuelle Starttage nach dem 27.10. vorzubereiten. Wir haben ja immer noch drei Wochen Startfenster, das reicht hoffentlich. Erschwerend kommt hinzu, dass die amerikanischen Kollegen von Europa Clipper fast dasselbe Startfenster nutzen. Ihres öffnet sich am 10.10., das von HERA am 7.10. Wenn also beide Starts wie geplant stattfinden könnten, gäbe es keinen Konflikt. Sollte aber (ich hoffe, es kommt nicht dazu) eine Verschiebung auftreten, dann fürchte ich, dass Europa Clipper Vorrang bekommt und HERA sich hinten anstellen muss. Das wäre dann wie bei einem voll ausgebuchten Lufthansa-Flug, wenn zwei Passagiere mitmöchten, aber nur noch einer mitgenommen werden kann… der andere hat aber Senator-Status auf seinem Meilenkonto. In diesem Fall vielleicht sogar eher HON Circle.

      Warten wir ab, was die nächsten Tage bringen.

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