Shit happened 5 years ago
BLOG: Go for Launch
Vor genau 5 Jahren, am 10. Februar 2009, kollidierten der ausgediente, inaktive russische Datenrelais-Satellit Kosmos 2251 und der noch operationelle US-Telekommunikationssatellit Iridium 33 im 790 km Höhe über Nordsibirien und erzeugten dabei eine Wolke langlebiger Trümmer, die noch auf Jahrzehnte oder Jahrhunderte ein Problem für die Raumfahrt darstellen werden.
Dies war die erste bekannte und fast in Echtzeit beobachtete Kollision zwischen zwei intakten (wenn auch nicht zwei funktionsfähigen) Raumfahrzeugen, aber nicht die erste Kollision im Orbit.
- Im Jahr 1985 zerstörten die US-Streitkräfte im Rahmen eines Antisatellitenwaffentests mit einer von einem Kampfflugzeug aus gestarteten Rakete den wissenschaftlichen Satelliten Solwind in einer Höhe von 600 km.
- Im Jahr 1996 wurde der französische Erdbeobachtungssatellit Cerise von einem Bruchstück einer Ariane-Oberstufe getroffen und schwer beschädigt.
- Am 11. Januar 2007 zerstörte eine chinesische Antisatellitenwaffe den defekten chinesischen Erdbeobachtungssatelliten Fengyun-1C in einer Höhe von 860 km. Dies war das bis jetzt schwerwiegendste Trümmer generierende Ereignis im Orbit, viel schlimmer als Solwind, da es 260 km höher stattfand, wo die Trümmer eine vielfach längere Lebensdauer haben.
Im Vorfeld der Kollision am 10.2.2009 war eine relativ, aber nicht Besorgnis erregend nahe Begegnung der beiden beteiligten Objekte prognostiziert wurden, nur eine Begegnung in einer ganzen Kette, und nicht etwa die mit dem geringsten vorhergesagten Abstand. Diese Berechnungen basierten allerdings auf Bahndaten, die in Form von Two-Line-Elements (TLEs) in einer Datenbank gespeichert sind. Eine einfache, schnell zu verarbeitende und relativ genaue Form der Beschreibung von Bahnelementen. Für die meisten Anwendungen reicht die erzielte Genauigkeit aus. In einigen Fällen reicht sie nicht – meist genau in solchen Fällen, wo eine relativ nahe Begegnung prognostiziert wird und man gern Genaueres wüsste.
Die Bedienermannschaft von Iridium-33 erlebten das Ende ihres Satelliten in Quasi-Echtzeit mit. Als der Strom aus Telemetrie- und Nutzdaten ohne Vorwarnung abbrach und die Verbindung nicht wieder hergestellt werden konnte, war offensichtlich, dass es eine schwere Fehlfunktion gegeben haben musste. Bald darauf wurde per Weltraumüberwachungsradar eine stark ansteigende Zahl von Trümmern registriert, deren Ursprung und Generierungszeitpunkt auf Ort und Zeit der letzten Lebenszeichen von Iridium 33 zurückgerechnet werden konnten. Da war die Sache klar.
Die Geometrie der Annäherung und der Ausbreitung der Trümmerwolken zeigt die Computersimulation im folgenden Film der Frima AGI. Wie man sieht, kam der US-Satellit eindeutig von rechts und hatte damit Vorfahrt.
Computersimulatoin des Impakts und der anfänglichen Ausbreitung der entstandenen Trümmerwolken, Quelle Analytical Graphics
Diese Kollision ist auf der einen Seite ein weiterer Schritt hin zum Kessler-Syndrom, dem ab einer bestimmten Menge von Trümmern im Orbit drohenden lawinenartigen weiteren Wachstum der Trümmerzahl, das die Raumfahrtära schlagartig beenden könnnte. Aufder anderen Seite ist es aber auch ein Weckruf für die Raumfahrtnationen, und zwar alle. Ein Weckruf, dem offenbar endlich ein gesteigertes Problembewusstsein und auch konkrete Taten folgen. Hoffentlich noch rechtzeitig.
Weitere Information
Kosmologs-Artikel “Crash im Orbit – Shit Happens” von Eugen Reichl vom 12.2.2009
Kosmologs-Artikel “Konferenz-Nachlese: Das Problem Weltraumschrott” in “Go for Launch” vom 3.4.2009
Artikel zur Kollision 2009 auf Celestrak.com
Artikel “2009 Iridium-Cosmos Collision Factsheet” der Secure World Foundation
Irgendwann wird man wohl einige der Trümmer im Orbit einsammeln müssen wenn immer mehr dazukommen und sich über Jahrzehnte hin akkumulieren. Laut Simulationsergebnissen, die in ESA: Time to Clear Space Junk from Earth’s Orbit wiedergegeben werden ist momentan alle 5 Jahre mit einer Kollision im Orbit zu rechnen. Interessant finde ich die Aussage, es müssten pro Jahr 5 bis 10 grosse Orbitalobjekte entfernt werden um das Risiko konstant zu halten. Es leuchtet mir nicht ein, warum es wichtiger sein soll grosse Objekte wegzuräumen als kleine und mittlere. Immerhin gibt es doch 29’000 Objekte grösser als 10 cm, aber wohl nur einige hundert grösser als 1 m. Die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit einem kleinen Objekt übertrifft damit die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit einem grossen um ein Vielfaches. Allerdings gibt es wohl sehr viel mehr Sekundärtrümmer, wenn grosse Objekte kollidieren. Immer wieder liest man auch über die Rolle der grossen Geschwindigkeiten im Orbit. Doch die Durchschnittsgeschwindigkeit der Orbitalobjekte von 25’000 km/h ist doch überhaupt nicht relevant. Es kommt nur auf die Relativgeschwindigkeiten an und alle Satelliten und Trümmer bewegen sich doch in die gleiche Richtung (Erdumdrehungsrichtung) sollte man annehmen. In einr bestimmten Höhe sollten sich die Geschwindigkeiten nur wenig voneinander unterscheiden. Hohe Relativgeschwindigkeiten können aber wohl beim Wegspritzen von neuen Trümmerteilen nach einer Kollision entstehen. Deshalb sind wohl Kollisionen, die zu Sekundärtrümmern führen besonders schwerwiegend.
Weil große Objekte, beispielsweise noch intakte ausgebrannte Oberstufen und nicht mehr operationelle Satelliten, im Fall einer Zerlegung zu Tausenden kleiner und mittlerer Objekte werden. Eine Zerlegung kann durch eine Kollision mit einem Trümmerteil hervorgerufen werden. Im Fall eine Oberstufe, die nicht passiviert wurde (und das ist bei Oberstufen bis vor ganz kurzer Zeit die Regel), kann eine explosive Zerlegung dadaurch zustande kommen, dass Tanks oder Rohrleitungen undicht werden und hypergole Treibstoffe, wo Oxidator und Brennstoff bei Kontakt spontan reagieren, zueinander finden.
Das ist keine hypothetische Möglichkeit, sondern wird als die Hauptursache der Trümmererzeugung bis heute angesehen. Die Trümmererzeugung durch Kollisionen ist dagegen bis jetzt eher noch die Ausnahme gewesen, was sich aber in Zukunft ändern könnte, wenn nicht bald energische Maßnahmen getroffen werden. Wer eine alte Oberstufe wegräumt, verhindert damit Tausende neuer Trümmer, vielleicht noch zahllose mehr, wenn man die Wahrscheinlichkeit einer Lawine verringern kann.
Hinzu kommt, dass es viel einfacher ist, an ein intaktes Onjekt anzudocken und es wegzuräumen als Tausende Trümmer einzufangen, die ja nicht alle dicht beieinander und in dieselbe Richtung fliegen.
Nein, das ist eine vollkommen falsche Annahme. Das sieht man allein schon am gegebenen Fall der Cosmos-Iridium-Kollision, wie die Bahnen rechtwinklig zueinander waren. Objekte auf polaren Bahnen können einander in den Polarregionen begegennen, wo sie sogar frontal aufeinander zukommen. Es gibt überhaupt keinen Grund, anzunehmen, alle Objekte seien auf fast identischen bahnen und in derselben Bahnebene.
Das Gegenteil ist der Fall. Trümmerteile und ihre Ausgangsobjekte sind, selbst wenn Inklination und Bahnhöhen gleich wären (was nicht der Fall ist), dennoch in ganz unterschiedliche orientierten Bahnebenen unterwegs und können einander mit sehr hohen Geschwindigkeiten begegnen. Die mittlere Impakt-Relativgeschwindigkeit liegt bei etwa 10 km/s, also 36000 km/h. Nochmals deutlich höher als die Bahngeschwindigkeit im niedrigen Erdorbit. Dieser hohe Wert für die mittlere Relativgeschwindigkeit liegt am hohen Anteil von polaren Bahnen und den daraus resultierenden hohen Impaktgeschwindigkeiten über den Nord- und Südpolregionen.
Besten Dank für die Erklärungen. Da hab ich in der Tat nicht viel studiert. War ja eigentlich klar, dass nicht alle Satelliten parallel zum Äquator Richtung Ost vor sich hintrudeln.
Doch immerhin gibt diese Fehlüberlegung einen Hinweis wie man in Zukunft Kollosionen reduzieren könnte. Indem man die Orbitflugbahnen ähnlich vergibt wie Flugbahnen am Himmel, also wie Flugzeugrouten. Polare Satelliten wäre dann eine fest Flughöhe zugeordnet und polare Satelliten, die in die Gegenrichtung fliegen wieder eine andere Flughöhe, etc. Würde doch die Kollisionswahrscheinlichkeit schon stark reduzieren. Oder nicht?
Nein. Was Sie da vorschlagen, steht nicht mit den Gesetzen der Himmelsmechanik in Einklang. Wenn jemand einen Satelliten in eine 800-km-Kreisbahn startet die sonnensynchron ist, also etwas mehr als 90 Grad Inklination, und jemand anderes startet einen anderen Satelliten fünf Jahre später in eine eine sonnensynchrtone 800 km hohe Bahn und dann machen das noch ein paar, dann fliegen alle diese Satelliten und ihre ausgebrannten Oberstufen auf ähnlichen Bahnen, deren Ebenen aber jeweils unterschiedlich gedreht sind. Ferner unterliegen alle diese Satellitenbahnen Störungen, u.a., sinken sie erst langsam, dann schneller ab, wobei sich wiederum die Driftraten der anderen Bahnelemente verändern. Die Objekte begegnen einander zwangsläufig auf rechtwinkligem oder frontalem Kollisionskurs. Wenn nicht während der operationellen Phase, dann danach.
Man kann bei einem Satelliten nicht dauernd die Flughöhe verändern. Und bei einem toten Objekt hat man noch nicht einmal theoretisch die Möglichkeit, die Bahn noch zu regeln, außer man fliegt hin, dockt an dem Ding an, zündet ein mitgebrachtes Triebwerk und lässt es so abstürzen. Genau das ist die Idee bei der aktiven Beseitigung.
Die vereinfachte Vorstellung, dass alle Satelliten im Prinzip in derselben richtung fliegen, trifft im geostationären Orbit noch am ehesten zu. Aber auch da gilt das nur für aktive, kontrollierte Satelliten. Wobei schon zwischen zwei solchen Satelliten eine Kollision, und sei sie auch nur eine mit 10 m/s relativgeschwindigkeit, wahrscheinlich fatale Folgen hätte. 10 m/s sind 36 km/h, und es sitzen da so rund 5 Tonnen träger Masse dahinter. Was passiert denn, wenn ein fünf Tonnen schwerer LKW mit 36 Stukis gegen die Wand donnert?
Hinzu kommt: Selbst im GEO fliegen auch inaktive Satelliten, Trümmer und Oberstufen. Deren Bahnen aber bauen über 20 Grad Inklination auf, dazu Exzentrizität. Kollisionsgeschwindigkeiten sind viel höher als 10 m/s. Das heißt, die Modellvorstellung des Fischschwarms kann noch nicht einmal im GEO angewendet werden. Sie passt einfach nicht.
Im unteren Erdorbit droht bereits das Kessler-Syndrom oder es hat laut Kesslers Artikel We’ve Already Passed the Tipping Point for Orbital Debris bereits stattgefunden, denn nach Kessler kann sich dieses Syndrom langsam über viele Jahre entwickeln.
Es gibt aber einen relativ kostengünstigen Weg um LEO-Trümmer ab 10 cm Durchmesser vom Himmel zu holen, nämlich mit einem speziell dafür konstruierten erdbasierten Laser wie im arxiv-Artikel Removing Orbital Debris With Lasers dargelegt. Im Abstract liest man dazu:
In Kommentaren im Internet liest man zu diesem Vorschlag, dass er wohl aus politisch-/strategischen Gründen abgelehnt werden wird, weil solch ein Lasersystem zugleich eine militärische Waffe wäre und der Aufbau eines solchen Systems ein neues Wettrüsten auslösen würde.
“Wie man sieht, kam der US-Satellit eindeutig von rechts und hatte damit Vorfahrt.”
Hihi…
Viele Fundstellen im Internet geben einem den Eindruck, das Raummüll-Problem sei eigentlich schon lange erkannt und sei äusserst ernst zu nehmen, doch gemacht werde kaum etwas. Als Grund für die Inaktivität wird von vielen auf die immensen Kosten hingewiesen, die eine wirksame orbitale Müllabfuhr verursachen würde.
Im Verweis The collision probability of geostationary satellite liest man:
So viel ich gehört habe wird sein Ratschlag, ausgemusterte geostationäre Satelliten auf einen höheren Orbit zu bringen bereits von vielen Satellitenbetreibern verfolgt. Doch sein Hinweise, Grossstrukturen wie Solarsatelliten würden das Kollisionsrisiko massiv erhöhen dämpfen schon etwas den Weltraumoptimismus.
Immerhin kommen folgende iai-Präsentationsfolien Hazard from Orbital Debris auf eine immer noch sehr, sehr geringe Wahrscheinlichkeit für Kollisionen im geostationären Orbit. Sie beträgt maximal 5*10-9 pro Jahr. Mir ist aber nicht klar, ob das die Wahrscheinlichkeit pro Satellit ist oder die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision überhaupt. Im letzteren Fall wäre das Risiko sogar ungeheuer klein.
Noch eine Korrektur: Die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision im geostationären Orbit beträgt 5*10^-9 pro Jahr an einem bestimmten Punkt im Orbit. Um die Gesamtwahrscheinlichkeit zu erhalten muss man aufintegrieren. Aber auch dann ist das Risiko einer Kollision im Geo recht gering.
Das Anheben von alten Satelliten in die Friedhofsbahn wird in der Tat seit Jahren propagiert und von immer mehr, aber bei weitem noch nicht von allen Betreibern eingehalten. Da muss es noch eine Kombination aus Druck und Überzeugungsarbeit geben. Es steht, wie so oft, das nicht genau bezifferbare langfristige Wohl Aller, und damit auch das langfristige Wohl jedes einzelnen Betreibers, dem sehr genau bezifferbaren kurzfristigen Nutzen der einzelnen betreiber gegenüber.
Das Anheben eines Satelliten kostet so viel Treibstoff wie einige Monate Regelbetrieb. Wahrscheinlich noch mehr, denn man weiß nie genau, wie viel Treibstoff noch im Tank ist. Wenn man aber das Anheben vorsieht, dann muss man konservativ rechnen und darf nicht zulassen, dass mitten im Anhebevorgang der Sprit ausgeht. Das heißt, am Ende ist der Satellit im Friedhofsorbit und hat immer noch Sprit in den Tanks, der vielleicht für einen Monat Betrieb gereicht hätte. Wenn man ihn im geostationären Orbit gelassen und dort einfach die Tanks leergelutscht hätte, entspräche das vielleicht einigen Millionen Umsatz. Also durchaus Zahlen, bei denen man in Versuchung kommt.
Was die andere Präsentation angeht, da meine ich, man muss schon ein bisschen kritischer sein mit dem, was man sich irgendwoher ergoogelt, gerade wenn man selbst in einem Fachgebiet nicht so fest im Sattel sitzt. Da werden einfach so Zahlen präsentiert, die einfach nicht zusammenpassen. Diese Zahl von irgendwas mal 10 hoch minus 9. Das ist die Wahrscheinlichkeit wovon wofür? Für eine Kollision mit Objekten größer als einem Meter, nehme ich an, denn das steht irgendwo vorher, wird aber danach nicht explizit gesagt. Nun ist aber eine Kollisionswahrscheinlichkeit, die erstens nicht die Minimalgröße des Impaktors angibt und auch nicht in Bezug zu den Abmessungen des Ausgangsobjekts gesetzt wurde, vollkommen bedeutungslos. Wenn da nicht so etwas steht wie: “probability of impact per year and square meter for objects larger than ….” braucht man gar nicht weiter zu lesen, denn dann versteht der betreffende Autor nicht viel vom Thema und hat sich einfach ein paar Daten irgendwoher zusammengeklaubt.
Eine gute Ausgangsbasis für die Weltraumschrott-Problematik ist das Buch “Space debris Models and Risk Analysis” von Dr. Heiner Klinkrad, Springer Praxis, ISBN 3-540-35488-X. Dort werden schon für die Daten des Jahres 2001 für das GEO mittlere Zeiten zwischen Kollisionen von Objekten >1 mm auf eine 1 m^2 große Fläche von 2.267 Jahren angegeben. 1 mm und größer, das reicht bereits für erhebliche Schäden. Für Objekte >1 cm soll die mittlere Zeit zwischen Kollisionen pro Quadratmeter Fläche bereits 2.4 Millionen Jahre betragen. 1 cm, das macht dann schon richtig was kaputt und erzeugt gleich auch noch mehr Schrott.
Nur sind Objekte von 1 cm, oder gar 1 mm Größe überhaupt nicht beobachtbar. Man kann allenfalls Objekte ab 10 cm Größe sehen, eigentlich ab 1 m, und von diesen Zahlen nach unten hin extrapolieren. Ferner basieren die genannten Zahlen, wie gesagt, auf den Flussdichten für 2001. Mittlerweile sind es mehr.
Ein moderner Nachrichtensatellit hat Dutzende Quadratmeter Fläche, von denen allerdings nicht alle gleichermaßen gefährdet sind. Ein Loch in einem Solargenerrator macht weniger aus als eins im Bus. Also wird die Rechnung schon etwas komplex. Wenn man aber mal einige Hundert Satelliten mit jeweils einigen zehn Quadratmetern Fläche ansetzt dann kommt man auf eine kombinierte Fläche von einigen zehntausend qm. Da ist eine mittlere Zeit von 2.4 Millionen Jahren pro Kollision pro Quadratmeter dann auf einmal gar nicht mehr so arg viel. Es bedeutet dann nämlich schon eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen zerstörerischen Impakt in nur etwa 100 Jahren.
Ich empfehle hier wirklich das Einlesen in die Materie, bevor man sich auf gewagte Schlussfolgerungen einlässt. Fakt ist, wir haben schon im GEO ein reales Problem, nicht nur ein rein hypothetisches. Die Impaktwahrscheinlichkeit liegt dort vielleicht eine Größenordnung oder mehr unter der im LEO: Nur muss man sich auch mal klar machen, was nach einem Impakt geschieht. Das GEO reinigt sich zwar auch durch Solardruckkräfte, aber auf viel längeren Zeitskalen als das LEO. Und ein Impakt wurde die Karten dort neu mischen. dann wäre die Wahrscheinlichkeit für weitere Impakte drastisch gesteigert.
Ich denke nicht, dass wir auf eine so wichtige Ressource wie das geostationäre Orbit verzichten können. Auf jeden Fall kostet uns das viel mehr, als es uns kosten würde, es nicht zum Superproblem kommen zu lassen. Genau das ist der Punkt.
Über den Weltraummüll haben wir uns hier ja schon häufig unterhalten. Und obwohl das Problem immer dringender wird geschieht nichts. Irgendwie erinnert mich das fatal an die zunehmende Zerstörung und Vermüllung der Umwelt auf der Erde. Jeder der daran Beteiligten will möglichst viel Gewinn machen, aber die Kosten sollen, wenn möglich, andere tragen. Das Fatale daran ist, wenn wir unseren Planeten endgültig zerstört haben, dann können wir ihn nicht mal mehr verlassen, weil uns dabei auch noch der Weltraumschrott um die Ohren fliegt. :->
Wer sich regelmäßig über das Thema Weltraummüll informieren will, dem seien die “Orbital Debris Quarterly News” der NASA empfohlen, die vierteljährlich erscheinen.
http://orbitaldebris.jsc.nasa.gov/newsletter/newsletter.html
Da stimme ich zu, vieles bleibt gerade heute liegen, wird als Problem erkannt, aber nicht gelöst. Es gibt vielleicht ein Jammern über das Problem, doch zugleich wird jeder möglichen Lösung der Weg versperrt und man findet x-Einwände, warum man es so nicht lösen kann, wie es heute oder morgen von einem Engagierten vorgeschlagen wird. Ich würde dafür aber nicht allein das Gewinnstreben verantwortlich machen. Es liegt meiner Ansicht nach nicht an einer Zweiteilung der Welt wo auf einer Seite die Guten und auf der andern Seiten die Abgefeimten stehen. Vielmehr scheint mir die Lähmung zu unserer Zeit zu passen. Es fehlt heute den meisten der Mut, die Energie und die Bereitschaft die nötigen Konzessionen zu machen um ein Problem zu lösen. Statt dessen dominiert kindliches Wunschdenken und man erwartet, dass sich die Natur und die Naturgesetze nach dem Menschen richten und nicht umgekehrt.
Es stimmt nicht, dass nichts geschieht. Man kann sicher sagen, dass es schneller gehen könnte udn dass nicht alle mitziehen. Aber es geschieht schon eine Menge und das Problembewusstsein ist deutlich gestiegen. Es ist aber so, dass wir auf einer gewaltigen Altlast sitzen. Im jetzigen Zustand würde die Zahl der Trümmer auch dann noch weiter zunehmen, wenn wir die Raumfahrt von heute auf morgen einstellen. Es ist also nicht falsch zu sagen, dass wir auf dem abschüssigen Pfad hin zur Klippe des Kessler-Syndroms schon ein ganzes Stück unterwegs sind. Was jetzt gemacht wird, ist , dass sichergestellt wird, dass nichts, was heute noch gestartet wird, länger als 25 Jahre oben bleibt – zumindest in Höhen bis etwa 1000 km. Das ist mittlerweile so ziemlich Konsens und zumindest bei den großen Agenturen führt kein Weg mehr an diesen Anforderungen vorbei. Die Frage ist, was die kommerziellen Anbieter machen, von denen es mehr und mehr gibt. Gerade bei den großen Telekomunternehmen sehe ich aber auch Kooperationsbereitschaft.
Das alles wird abe nicht reichen. Die Altlasten müssen ‘runter, bevor es knallt. Dazu reichen nicht guter Wille und schöne Worte, sondern es muss ein System geschaffen werden, dass an Hardware andockt und sie runterbringt. Da muss halt mal der Staat ran. Solche Technologie halte ich für eine Infrastrukturmaßnahme.
Meines Erachtens müsste bei der Weltraumschrottentsorgung das Verursacherprinzip gelten; und zur Schrottvermeidung müsste es genaue gesetzliche Vorgaben geben, wie das Anheben von alten Satelliten in die Friedhofsbahn, nur so ist sichergestellt, dass alle mitziehen (müssen). Natürlich lassen sich die älteren Trümmer kaum mehr zuordnen. Für diese sollten natürlich die beteiligten Staaten aufkommen, bzw. solche, die Vorteile von der Technik haben. Denkt man jedoch an Nachrichtensatelliten etc., dann würden sich wohl so ziemlich alle (auch wir) an der Kosten beteiligen müssen. Das meinten Sie wohl mit “Infrastrukturmaßnahme”.
Es gibt aber keine Handhabe, Gesetze zu erlassen, die Nationen oder in irgendwelchen Ländern ansässige Firmen vorschreiben, wie sie mit Satelliten umzugehen haben. Wer soll diese Gesetze erlassen? Das könnte allerhöchstens eine Weltregierung, und die gibt es nicht. Auch überstaatliche Organisationen wie die UN haben kein Mandat, Gesetze zu erlassen, die für alle Nationen gelten.
Auch die Feststellung des Verursachers dürfte hochgradig nichttrivial sein. Wer ist denn der Verantwortliche und der Nutznießer, wenn ein internationales Konsortium einen in Frankreich gebauten Satelliten mit einer russischen Rakete von Kasachstan aus in die geostationäre Bahn starten lässt? Und wie ordnet man ein 5×5 cm großes Stück Alublech zu? Da wird sich ja wohl kaum einer hinstellen und sagen: “Ja, das war unsers, sorry.”
Es sollte einfach jemand in Vorleistung gehen und einen Raumschlepper entwickeln, der imstande ist, alte Satelliten und Oberstufen zum Absturz zu bringen. Die Dinger gehen bei jedem Einsatz selbst flöten, müssen also in Serie gebaut werden. Mit Bau und Betrieb sollte man ein internationales Konsortium unter überstaatlicher Kontrolle beauftragen. Die Identifikation der herunterzubringenden Objekte sollte auch der UN oder einer möglichst breit gefassten überstaatlichen Organisation obliegen. Alle müssen an einen Tisch.
Man wird Rücksicht auf allerlei Befindlichkeiten nehmen müssen. Dass die Amerikaner beispielsweise zulassen, dass ein russischer Raumschlepper sich an einem defekten US-Militärsatelliten zu schaffen macht und ihn ausgiebig fotografiert, kann ich mir nicht vorstellen wie dass die Japaner einen chinesischen Schlepper an irgendeine japanische Hardware ranlassen. Da wird man also auch politisch akzeptable Lösungen finden müssen.
Gilt das Verursacherprinzip nicht (theoretisch) schon längst? Siehe:
http://www.vilp.de/treaty_full?lid=en&cid=196
Artikel VII.
Es bleibt die Frage, wie feststellen?
Soviel mir bekannt ist wurde der Weltraumvertag nicht von allen Staaten ratifiziert. Zudem lässt sich kaum beweisen woher ein bestimmtes Trümmerteil stammt, das beispielsweise einen Satelliten beschädigt. Das wird wohl auch der Grund sein, warum noch niemand verklagt wurde. Der Vertrag müsste schon längst überarbeitet werden, aber wie es scheint reißt sich keiner darum, weil wohl jeder der Beteiligten fürchten muss, dass dann immense Kosten auf ihn zukommen würden. Das Ganze müsste von der Politik in Angriff genommen werden, doch diese sorgt sich mehr um Qualitätsnormen für Gurken oder um das Flaschenpfand. Aus diesem Grund konnte auch jahrelang Giftmüll in den Weltmeeren entsorgt werden.
Es ist eine beliebig unklare rechtliche Situation, wozu sich bereits viele schlaue Leute geäußert haben, jedoch ohne zu einer Lösung zu finden. Hier werden einige der Probleme aufgezeigt.
Das ist der Punkt – wo liegt das Fehlverhalten? Cosmos 2251 wurde so gestartet und betrieben wie alle anderen Satelliten zu der Zeit auch. Irgendwann einmal ging er kaputt und konnte nicht mehr betrieben werden, wie jeder andere Satellit auch. Der Iridium-Satellit war dagegen funktionsfähig. Es wäre, auch 2009 schon, mit vetretbarem Aufwand durchaus möglich gewesen, das akrtuelle Kollisionsrisiko durch numerische Berechnung anstelle des Vergleichs von TLEs genauer zu bestimmen. Dass TLEs weniger präzise als numerische Propagation ist, ist ja wohl allgemein bekannt.
Wenn nun das hohe Kollisionsrisiko bekannt gewesen wäre, was häte dann gemacht werden können? Von russischer Seite aus gar nichts. Deren Satellit war ja schon seit langem kaputt. Der Iridium-Satellit war dagegen manövrierfähig, hätte also ein Ausweichmanövver fliegen können. Die Betreiberfirma tat es aber nicht.
Wo liegt hier also das schuldhafte Fehlverhalten? Das ist gar nicht so klar und vielleicht gar nicht feststellbar. Das ist so, wie wenn zwei Fußgänger zusammenstoßen. Jeder von denen sagt, der andere hätte aufpassen müssen, aber objektiv betrachtet ist die Sache oft weniger klar.
Daran ändert sich auch nichts, wenn es Gesetze gibt, denn ein Gesetz kann ja nicht beschreiben, wer in jedem Fall die Schuld hat. Gesetze können nicht alle Probleme der Welt lösen. In diesem Fall beispielsweise würde es nur einen endlosen Streit geben, wer im Sinne des Gesetzes schuldig ist. Lösen würde das gar nichts.
Würde man Gesetze erlassen udn streng anwenden, würde das die Raumfahrt komplett unterbinden. Im Moment haben sich alle Beteiligten darauf geeinigt, die Lebensdauer ihrer Satelliten durch geeignete Maßnahmen auf 25 Jahre zu beschränken. Das rediziert zwar das Müllproblem, schließt aber Kollisionen nicht aus. Stellen wir uns vor, es wird ein Umweltsatellit gestartet. Der geht nach zwei Jahren kaputt, sodass er nicht mehr wie geplant auf eine niedrigere Bahn abgesenkt werden kann, obwohl das eigentlich vorgesehen und ausreichend Treibstof an Bord war. Der Betreiber hat sich also an die vereinbarungen gehalten, dass der Satellit kaputt ging, war Pech. 10 Jahre später löst der Satellit eine Kollision aus. Ist er jetzt trotzdem haftbar?
Das ist alles gar nicht so einfach. Deswegen finde ich diese Diskussion um Gesetze und Schuld und Sühne wenig hilfreich. Wir haben ein Problem – lösen wir es. Das Problem der Erzeugung neuen Mülls ist bereits in der Pipeline. Nun gilt es, den alten Müll runterzuholen.
Wenn zwei Leute beispielsweise mit dem Auto zusammenstoßen und man kann die Schuldfrage nicht eindeutig klären, dann bekommen beide eine Teilschuld. “Gesetze können nicht alle Probleme der Welt lösen.”, aber sie geben Rechtssicherheit. Deshalb müsste, wie ich schon sagte, der Weltraumvertrag erneuert werden, aber diesmal mit allen Beteiligten. Es gibt ja schon Konzepte für eine Art Müllabfuhr im Weltraum, jetzt müsste nur noch über die Höhe des Obolus verhandelt werden, den jeder dafür bezahlen will oder muss. Und dafür braucht es erst mal Verträge oder glauben Sie, dass die Leute freiwillig zahlen?
Die Allgemeinheit wird man die Kosten dafür nicht aufbürden können, weil sie ja auch keinen Gewinn aus der Sache zieht. Insofern fällt eine Sonderabgabe weg. Der sog. Kohlepfennig wurde ja seinerzeit für rechtswidrig erklärt, da er keines jener Merkmale erfüllte, die das Bundesverfassungsgericht für Sonderabgaben vorschreibt, wie etwa Gruppennützigkeit oder Sachnähe. Insofern bliebe nur der Weg über Steuermittel, aber welcher Politiker möchte sich wohl dafür einsetzen ohne um seine Widerwahl fürchten zu müssen?
Ich denke, wir meinen im Endeffekt genau dasselbe. Mir geht es einfach darum, dass man von solchen Fragen wie “Schuld” oder “Haftung” Abstand nehmen sollte. Sobald so etwas auf den Tisch kommt, rückt jede Einigung in weite Ferne. Wir sind jetzt langsam soweit, dass eine wirkliche Lösung in der Vermeidung neuen Mülls bevorsteht. Ohne Gesetze, nur über gegenseitige Vereinbarungen. Das schlimmste wäre, wenn diese Vereinbarungen jetzt mit irgendwelchen rechtlichen Schuldfragen verknüpfet werden. Wir haben wirklich keine Zeit mehr für irgendwelche Spielereien von Weltraumanwälten.
Die Analogien wie die mit dem irdischen Autounfall sollte man nicht zu weit treiben. Die passt bei Weltraumschrottfragen oft gar nicht. Der größte Teil des Schrotts kommt daher, dass alte Oberstufen sich zerlegen. Die Trümmer einer solchen Explosion treiben mit der Zeit weit auseinander und sind nicht mehr zuordenbar. Wenn ein anderer Satellit dann Jahre später getroffen wird und aufhört zu funktionieren, ist die Schuldfrage nicht zu klären. Mal ganz abgesehen davon, dass Schuld im rechtlichen Sinne nicht bestehen kann, wenn gegen kein zum Zeitpunkt, als die Oberstufe gestartet wurde, kein Gesetz bestand, das den verbleib regelte. Und auch abgesehen davonb, dass es nicht möglich ist, ein solches Sgetzt zur Reinhaltung des orbits einzuhalten, denn eine Oberstufe kann ungewollt selbst schon gleich nach Erreichen des orbits explodieren, selbst wenn sie alle technischen Vorrichtungen enthäöt, mit denen sie eigentlich nach Erfüllen ihrer Mission hätte heruntergebracht werden sollen. Die einzige Möglichkeit, Gesetze zur Reinhaltung des Orbits zu erfüllen, besteht darin, gar nicht erst zu starten.
Dann gibt es aber keine Raumfahrt mehr. (Und in dem Fall braucht man auch keinen müllfreien Weltraum mehr).
Soviel zur Vermeidung neuen Mülls … wo ich eigentlich gar nicht pessimistisch bin. Nun zum weitaus schwerer zu lösenden Problem der Reduzierung der Altlasten. Dazu schrieb ich gestern (unter Bezug auf eine orbitale Müllabfuhr):
Da sehe ich keinen Widerspruch zu Ihrer Meinung, bis auf die Tatsache, dass es nicht nur um den finanziellen Beitrag gehen wird, sondern auch um die Organisation, die die Entscheidungen fällt.
Der Allgemeinheit wird man die Kosten sogar aufbürden müssen. Schließlich ist das Problem zum weitaus überwiegenden Teil von Satelliten und deren Oberstufen erzeugt worden, die staatlichen Stellen gehören. Die Allgemeinheit profitiert übrigens sehr wohl davon, dass Raumfahrt im niedrigen Erdorbit weiterhin möglich ist. Es ist auch im Interesse der Allgemeinheit, dass dies möglich bleibt.
Ich denke auch, dass wir im Endeffekt genau dasselbe meinen. Trotzdem möchte ich noch einiges klarstellen.
Sie schreiben: “Wir sind jetzt langsam soweit, dass eine wirkliche Lösung in der Vermeidung neuen Mülls bevorsteht. Ohne Gesetze, nur über gegenseitige Vereinbarungen. Das schlimmste wäre, wenn diese Vereinbarungen jetzt mit irgendwelchen rechtlichen Schuldfragen verknüpfet werden. Wir haben wirklich keine Zeit mehr für irgendwelche Spielereien von Weltraumanwälten.” Vermutlich wird es ohne irgendeine Vereinbarung/Vertrag gar nicht gehen und Verträge dieses Kalibers werden in der Regel nun mal von Anwälten formuliert. Schließlich gibt es dabei eine Menge zu beachten. Schauen Sie sich doch den alten Vertag an, den @Christoph Deblon weiter oben verlinkt hat. Der sieht nicht danach aus, als wäre er von den Beteiligten bei einem Bierchen in der Kneipe abgefasst worden. Falls man das Ganze einer übergeordneten Organisation zur Verwaltung übergibt, dann müssen zudem deren Rechte und Pflichten festgelegt werden. Schließlich ist sie den einzelnen Nationen gegenüber in der Pflicht.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann würden sie eine Art Selbstverpflichtung aller Beteiligten lieber sehen. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit für zukünftigen Missionen, wo dann jeder versuchen kann nicht noch mehr Weltraumschrott zu produzieren. Aber für den bereits vorhandenen Müll muss meines Erachtens eine andere Lösung gefunden werden, aber das Thema hatten wir schon mal…
Genau, das Thema hatten wir schon mal, und ich habe bereits geschrieben, wie das nach meiner Meinung gelöst werden sollte.
Was die Verträge angeht, die mir vorschweben, so werden die in der Tat von Politikern und Anwälten geschrieben werden, definieren aber nicht irgendwelche Verbote oder Gebote, die eh nicht durchzusetzen sind, weil es keine Organisation mit einem Mandat gibt, die so etwas durchsetzen kann. Solche Verträge definieren das Mandat einer internationalen Organisation, die mit dem Entfernen von Weltraumschrott betraut werden sollte. So wie die ESA mit einem gewissen Mandat versehen wurde, oder auch die EU. Die Verträge schreiben aber niemandem vor, was er mit seinen Satelliten zu tun oder zu löassen hat und vor allem: Diese Verträge sind keine Gesetze, sie sind nicht strafrechtlich relevant und man kann sich nicht bei Schadenersatzprozessen auf sie berufen.
Noch eine Anmerkung: Der Iridium-33-Satellit wurde wahrscheinlich von der Versicherung bezahlt. Der russische Satellit war ja schon vorher kaputt, also ist durch die Kollision dem Betreiber kein Schaden entstanden. Aber der wirkliche Schaden ist die Zunahme des Weltraumschrotts. Nun lässt sich nicht wirklich klären, wer daran Schuld trägt. Und es lässt sich nicht wirklich berechnen, wie diese Zunahme in Dollar und Cent zu bemessen ist.
Wenn in ein paar Jahren ein Satellit getroffen wird – kam das Trümmerteilchen vom Iridium-Cosmos-Ereignis? Oder kam es von einem anderen Vorfall? Oder kam es von einer inaktiven Oberstufe, die von einem Trümmerteilchen des Iridium-Cosmos-Ereignisses getroffen wurde? Niemand wird das je klären können, und wenn man bis zum Sankt-Nimmerleinstag diskutiert.
Und überhaupt – das Problem zieht sich doch noch weit in die Zukunft. Das Schrottproblem und seine Nachwirkungen werden uns noch Jahrzehnte oder länger begleiten. Wer soll denn da was an wen bezahlen? Wie soll so etwas geregelt werden?
Deswegen sind solche Diskussionen müßig, genau wie so manche Diskussion, wenn es einen Unglücksfall auf der Erde gegeben hat, aber vielleicht noch mehr als bei irdischen Ereignissen. Anstatt davon auszugehen, dass es einen Schuldigen geben muss, sollte man lieber das Problem lösen.
“Noch eine Anmerkung: Der Iridium-33-Satellit wurde wahrscheinlich von der Versicherung bezahlt.”
Ja, heutzutage kann man ja alles versichern und deshalb gibt es auch eine “Raumfahrt- und Satellitenversicherung”.
Siehe hier:
https://www.allianz.com/de/produkte_loesungen/versicherungen_fuer_unternehmen/grosse_unternehmen/dienstleistungen-source/raumfahrtversicherung.html
Und hier:
http://www.munichre.com/de/reinsurance/business/non-life/space/default.aspx
Gibt es eigentlich irgendwelche Fortschritte bei der Idee, Envisat herunterzuholen? Ein Achttönner auf der extrem vollen polaren Umlaufbahn mit einer natürlichen Wiedereintrittszeit in weit über 100 Jahren schreit ja geradezu nach eine Müllentsorgungs-Mission. Jedenfalls wäre es ziemlich riskant, einfach zu warten, bis er von selbst kommt. Wo doch die Betreiber von Satelliten schon heute alle paar Tage Kollisionswarnungen bekommen.
Die Idee ist schon seit langem, ihn aktiv herunter zu holen. Deswegen wurde er ja auf die Bahn verbracht, auf der er jetzt ist. Dort war er schon mal aus dem beliebtesten Bahnhöhenbereich heraus. Man hätte damals vielleicht allen Treibstoff verbrauchen können, um ihn noch etwas tiefer zu holen, aber auch dort wäre die Lebensdauer immer noch weit über 25 Jahre gewesen und zudem hätte man keinen Treibstoff mehr gehabt, um ihn noch zu kontrollieren und um bei Bedarf Ausweichmanöver zu fliegen.
In der gewählten Bahn hätte man aber zumindest das Andocken an einen aktiven, kontrollierten Satelliten machen können. Die Tatsache, dass er unerwartet und plötzlich verschied, macht alles ein ganzes Stück schwieriger. Jetzt hat man es mit einem unkooperativen, eventuell taumelnden Satelliten zu tun. An einer robotischen Einfangmission wird weiter gearbeitet. Ganz so dumm sind die Betreiber auch nicht, dass sie auf so etwas nicht von selbst kommen.
Ich denke, für eine robotische Rückholmission (die bei einem toten Satelliten ja ein gewisses Neuland darstellt), wäre Envisat wohl kaum die erste Wahl. Sicher würde man das 2-3 mal an kleineren Satelliten testen. Denn wenn der Lumpelsammler versehentlich selbst mit dem Ziel kollidiert, wäre zumindest die Trümmerwolke erstmal kleiner. Insofern können wir sicher noch ein bisschen über die Integrität von Envisat (und den Zustand des polaren Orbits) bibbern.
Niemand hat behauptet, dass schon eine Demonstrationsmission an Envisat durchgeführt wird. Dafür sucht man sich idealerweise ein Ziel auf einem niedrigen Orbit aus. Das ist noch wichtiger als die Größe des Objekts. Dennoch ist Envisat ein Kandidat für ein aktives Deorbit, wenn die Technologie verfügbar ist. Das ist aber leider noch nicht der Fall.
Wo das Thema hier auch gerade wieder mal aktuell ist: Florian Freistetter hat dazu kürzlich diesen Beitrag geschrieben: Japan will Weltraumschrott mit einem Netz entfernen und äussert sich eher skeptisch zu der Idee, den Weltraummüll mit einem Netz einzufangen. Was halten Sie denn von dieser Idee?