Röntgenpolarimetrie: IXPE und XIPE

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die Röntgenpolarimetrie (engl.: x-ray polarimetry) ist ein seit Jahrzehnten vernachlässigtes Feld der weltraumgestützten Astronomie. Nun endlich sind gleich zwei Missionen am Horizont erschienen, die sich ausdrücklich der Röntgenpolarimetrie widmen sollen. Das könnte aber nach hinten losgehen.

Die Mission IXPE (Imaging X-Ray Polarimetry Explorer) wurde 2012 für das Explorers Program der NASA, einem Programm, in dem kleine Missionen eingebracht werden können, vorgeschlagen und im Januar 2017 angenommen. Das Missionsbudget umfasst 188 M$, ziemlich am unteren Ende dessen, was ein orbitales Teleskop kosten kann, allemal eines, das für Röntgenstrahlung empfindlich ist. IXPE ist jetzt durch. Die Mission wird realisiert, es sei denn, sie wird noch in der Entwicklungsphase gekippt, was durchaus sein kann. Bei IXPE handelt es sich um einen bis zu 300 kg schweren Satelliten, der drei Röntgenteleskope trägt (Präsentation).

Bei der ESA ist einer der drei Kandidaten für die M-Class Mission M4 des Cosmic-Vision-Programms, dem wesentlichen Programm für Wissenschaftsmissionen, die aus dem Pflichtbudget der ESA finanziert werden, die Mission XIPE (X-Ray Imaging Polarimetry Explorer) … nebenbei bemerkt, besonders erfinderisch sind die Namensgeber dieser Missionen nicht. Na, wenigstens der bei der ESA eingereichte Missionsvorschlag hat nouch eine Nebenbedeutung, Xipe (Aussprache: “Schiepe”) Totec ist ein Gott in der aztekischen Mythologie. XIPE ist eine deutlich größere Mission als IXPE, auch der technische Lösungsweg ist anders.

Nur einer der drei Kandidaten wird das Rennen um den Platz M4 machen. Die Entscheidung fällt dieses Frühjahr. Die Konkurrenten sind THOR, eine Mission zur Vermessung der Interaktion zwischen irdischer Magnetosphäre und Heliosphäre und ARIEL, ein Teleskop zur spektroskopischen Untersuchung von Exoplanetenatmosphären.

Jetzt lasse ich mal meine Fantasie etwas mit mir durchgehen und male mir folgendes Szenario aus. Ehrlich, das ist jetzt nur ein Gedankenspiel von mir, aber … bear with me. In der Auswahl der Kandiaten für die M4 fällt ARIEL von vorneherein etwas zurück, schon weil mit PLATO, der bereits ausgewählten M3-Mission, ein Projekt mit Bezug zur Exoplaneten in der Entwicklung ist und obendrein auch noch CHEOPS. Die machen zwar beide etwas anderes als ARIEL, haben aber beide mit Exoplaneten zu tun, und der Proporz zwischen den verschiedenen Bereichen der Weltraumwissenschaft muss gewahrt bleiben, sonst gibt es Geschrei. So wie wenn ein Kind fünf Bonbons bekommt und die anderen nur je einen.

In meinem Gedankenspiel wären also THOR und XIPE die beiden wirklichen Kandidaten. Nehmen wir mal an, diese Missionen seien in der Summe aller Kriterien in etwa gleichauf. Aber natürlich beeinflussen auch die Entscheidungen anderer Raumfahrtagenturen die Auswahl. Zwar ist XIPE nicht 1:1 mit IXPE vergleichbar. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass die Tatsache, dass es nun bereits eine andere Röntgenpolarimetriemission geben wird, den Ausschlag gibt.

Angenommen, die gerade gefallene Entscheidung der NASA wirkt sich so aus, dass THOR und nicht XIPE zur M4 gesalbt wird. Wenn dann etwas mit IXPE passiert – NASA-Missionen sind eher stärker dem kurzfristigen Wandel in der politischen Landschaft ausgesetzt – stünde die Röntgenpolarimetrie wieder ohne dedizierte Weltraummission da. Wie schon in den vergangenen Jahrzehnten.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

5 Kommentare

  1. XIPE und IXPE scheinen die gleiche Detektortechnologie zu verwenden – Gas Pixel Detectors -, und beide kommen aus Italien. XIPE scheint aber noch etwas mächtiger als IXPE zu sein . Scheinbar wurden die XIPE-Instrumente so konfiguriert, dass sie genau in den VEGA-Nutzlast-Schacht hineinpassen.
    Beide – XIPE und IXPE – kommen in der Präsentation Nuove missioni di polarimetria – la scienza con XIPE e IXPE vor, wo man liest:

    XIPE is the most sensitive of the 3 missions [IXPE,XIPE,PRAXyS] under study

    .

    Und es stimmt: Die letzte Mission eines Röntgenpolarimeters ist lange her. Der OSO-8-Satellit, welcher in den Folien über XIPE und IXPE immer erwähnt wird, hat seine Resultate 1978 geliefert – und das mit einer Technologie, die viel weniger empfindlich ist als diejenige, welche in XIPE und IXPE zur Anwendung kommen soll.

    Dabei hätte die Röntgenpolarimetrie viel zu bieten, denn viele Röntenquellen emittieren hoch polarisierte Röntgenstrahlen. Insbesondere kosmische Beschleuniger (Blazars, Neutronenstern-Jets, Binärsterne und AGN’s (aktive galaktische Kerne), etc.) emittieren polarisierte Röntenstrahlung. Polarisierte Röntgenstrahlung scheint häufiger vorzukommen als polarisiertes Licht im sichtbaren Bereich.

    • Ich habe einen Kollegen von JAXA gefragt, der mir geantwortet hat, dass nach seiem Kenntnisstand die Mission PolariS nur einer der möglichen Kandidaten für eine wissenschaftkichen Mission geringen Umfangs ist, die mit der euen Rakete Epsilon gestartet werden soll.

      Allerdings wundern mich dann schon so manche Papers, in denen es bereits um dedizierte Instrumentenhardware-Entwicklung geht.

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