Neuer fotografischer Mondatlas von Stoyan und Purucker

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Schon vor Monaten wurde er angekündigt, war aber noch nicht lieferbar. Gestern kam er endlich, der neue, von mir bereits ungeduldig erwartete “Reiseatlas Mond” von Ronald Stoyan und Hans-Georg Purucker im Oculum-Verlag.

Es handelt sich natürlich nicht um einen “Reiseatlas”, sondern um eine Mondkarte für Beobachter in Buchform. Wer wirklich zum Mond reist, sollte anderes Kartenmaterial mitnehmen, denn in diesem Buch wird nur die von der Erde aus sichtbare Hälfte plus Librationsgebiete gezeigt, und zwar in Projektion auf eine Kugelfläche, also mit starker Verzerrung an den Polen und den Meridianen nahe 90 Grad Ost und West.

Jeder Mondbeobachter kennt das Standardwerk von Antonín Rükl, das nur antiquarisch noch als großes Buch erhältlich ist, das sowohl als Großbuch als auch laminiert und broschiert im Kleinformat vorliegt. Dort bestehen die Mondkarten aus Gemälden. Das Problem ist beim Mond die Beleuchtung. Erstens ist der aktuelle, lokale Stand der Sonne überall auf dem Mond unterschiedlich. Zweitens gibt es immer einen Konflikt zwischen Ausleuchtung und der Notwendigkeit von Schattenwürfen, die man braucht, um die Topografie zu erkennen.

Ein Gemälde umgeht dieses Problem elegant, da kann man einfach jeden Ort so malen, dass die Topografie anschaulich wird. Der neue “Reiseatlas” geht einen anderen Weg: Er basiert auf den Bilddaten der fotografischen Kartierung der Mondoberfläche durch die NASA-Sonde LRO. Es wird das Bildmaterial der Weitwinkelkamera verwendet. Dabei wurden konsequent nur die Bilder gewählt, bei denen die lokale Uhrzeit denselben Wert am Vormittag hat.

Blattschnitt des Reiseatlas Mond von Stoyan und Puruckel, Oculum-Verlag

Übersichtsdarstellung der Karten des “Reiseatlas Mond” von Stoyan und Purucker sowie Beispielabbildung (hier: Plato und der Nordrand des Mare Imbrium), Quelle: Oculum-Verlag

Es handelt sich bei allen Bildern um Aufnahmen am Vormittag – die Schatten sind noch lang, aber nicht mehr so lang, dass alles darin ertrinkt, und die Ausleuchtung ist gut, aber nicht so stark, dass alles im hellen Glanz versinkt. Die Gesamtansicht (siehe Blattschnitt oben) sieht sehr ungewohnt aus – so kennt man den Vollmond keineswegs. Hinzu kommt, dass der Rand der Mondscheibe ungewohnt glatt wirkt. das liegt in der Natur der Sache – dieser Mondatlas ist im Prinzip eher eine Computergrafik, bei dem das Bildmaterial, das von einer Mondsonde aus 50 km Höhe senkrecht nach unten aufgenommen wurde, so umgerechnet wurde, dass es der Blickrichtung von der Erde aus entspricht. Effekte durch Gebirge am Mondrand können dabei nicht berücksichtigt werden.

Die 38 Einzelkarten überzeugen und begeistern aber mit ihrem Detailreichtum und ihrer Schärfe. Jede Doppelseite enthält eine rechts eine Karte, in der 1 cm mindestens 25.5 km auf der Mondoberfläche entspricht. Auf der jeweils linken Seite sind die wesentlichen Formationen des Kartenausschnitts aufgelistet und stichpunktartig erläutert (“feine, gewundene Rille”, “terassierte Hänge”, “4200 m tief”). Man findet auf den Karten auch die Lande- bzw. Absturzorte bisheriger Missionen und Sonden, bis hin zu Grail (Absturz am 17.12.2012).

Etwas ungewohnt und konter-intuitiv ist allenfalls die Anordnung der Karten. Diese ist so gewählt, dass auf der folgenden Seite jeweils der Kartenausschnitt südlich des auf der vorhergehenden Seite gezeigten Ausschnitts dargestellt wird. Laut Beschreibung der Autoren soll damit dem Terminator gefolgt werden. Für mich entspricht aber das Umblättern im Buch einer horizontalen Bewegung; ich würde deswegen beim Umblättern erwarten, einen Kartenausschnitt weiter östlich vorzufinden und mich dann im Verlauf des Buchs zeilenweise von Norden nach Süden vorzuarbeiten. Dieses Buch aber beginnt im Osten und geht Seite für Seite südlich voran, sodass man im Buchverlauf spaltenweise von Osten nach Westen, also von rechts nach links den Mond durchquert. 

Ein Chinese oder Japaner wird sich da gleich heimisch fühlen. Ich dagegen habe erst einmal gestutzt. Ein wirkliches Problem ist dies jedoch nicht, eher eine Gewöhnungssache. Alles in allem in Buch, nicht nur zum Schmökern und Träumen, sondern dank Laminierung und Spiralbindung auch geeignet für den harten Außeneinsatz beim Spechteln auf taufeuchter Wiese.

Weitere Information

Ronald Stoyan, Hans-Georg Purucker: Reiseatlas Mond – Krater und andere Mondformationen schnell und sicher finden, Oculum-Verlag, Erlangen, März 2013, ISBN 978-3-938469-64-4

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

2 Kommentare

  1. Rükl Mondatlas

    Hallo Michael, das mit dem “Rükl im Großformat nur noch antiquarisch” stimmt aber nicht so ganz. Der Rükl ist erst vor kurzem von Aventinum/Geobook neu aufgelegt worden, die neue Version hat A4-Format und liegt hier vor mir. Da gabs einiges Hin und Her, weil Oculum ihn auch neu auflegen wollte, daraus ist dann ja aber nichts geworden.

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