Phosphin auf der Venus und Ballonsonden

Venus am Abendhimmel am 20.12.2013 um 18:16 MEZ aus Darmstadt, 70/420 ED-Apochromat, Canon EOS 1000D

Die Nachricht schlug heute kräftig Wellen: Die Signatur von Phosphin – eigentlich Monophosphan (PH3), aber jede Wette, dass ab heute der aus dem Englischen übernommene Begriff nicht mehr zu verdrängen sein wird –  wurde in spektroskopischen Messungen zweiter auf die Venus gerichteter Teleskope entdeckt.

Zur Entdeckung und ihrer Bedeutung muss ich hier nichts mehr schreiben. Dazu haben sich inzwischen schon genügend Leute geäußert. Die weitere Entwicklung erwarte ich mit Spannung. Die frei zugängliche Veröffentlichung von Jane Greaves et al finden Sie hier

Allerdings denke ich da auch an die angebliche Entdeckung von Methan”fahnen” über bestimmten Regionen auf dem Mars, die sich in Zeitspannen von Monaten aufbauen und verschwinden – wobei es eigentlich noch weniger plausible Erklärungen für das schnelle Verschwinden als für das Entstehen gibt. Diese “plumes” wurden von terrestrischen Teleskopen spektroskopisch erfasst, später dann auch von der ESA-Raumsonde Mars Express aus dem Orbit um den roten Planeten.

Der 2016 gestartete europäisch-russische Mars-Orbiter ExoMars TGO aber, dessen NOMAD-Instrument um Größenordnungen empfindlicher ist als das PFS auf Mars Express, hat allerdings bis jetzt kein Methan in der Mars-Atmosphäre nachweisen können (siehe hier und hier). Dies nur als Hinweis darauf, dass die Messung von Spurengasen auf einem anderen Planeten ein schwieriges Unterfangen ist und dass alle Behauptungen, man habe etwas Interessantes in sehr geringen Konzentrationen gefunden, sehr sorgfältig verifiziert werden müssen.

Extraordinary Claims Require Extraordinary Proof, wie schon Carl Sagan sagte.

Phosphin-Messung per Ballon?

Wie könnte man Gewissheit schaffen? Erst einmal natürlich über mehr Messungen, aber idealerweise auch über andere Messverfahren. Spektroskopische Messungen aus der Ferne wie gehabt, aber komplementär dazu auch in-situ-Messungen.

Wenn man ein Phänomen in Venus-umspannenden Wolkenformationen in 50 km Höhe untersuchen will, dann ist der beste Weg eine Ballonsonde, denn die hält sich lange Zeit genau dort auf, wo sie ihre Messungen durchführen soll und wird zudem von den starken Höhenwinden um den ganzen Planeten herumgetragen.

VeGa-1 und -2

Im Dezember 1984 wurden zwei identische, jeweils 5 Tonnen schwere Sonden namens VeGa-1 und -2 in der Sowjetunion gestartet.VeGA war eine fantastische Mission – kühn, umfangreich, wissenschaftlich wertvoll und vielseitig.

Jede der zwei VeGa (zusammengesetzt aus “Venera” und “Gallei”, russisch für Venus und Halley) war eigentlich eine Dreifachsonde:

  • Ein Orbiter, der die anderen beiden Bestandteile an der Venus absetzte und nach Swingby an der Venus zum Halleyschen Kometen weiter flog. Beide Orbiter wurden Bestandteil der internationalen “Armada” aus Raumsonden, die dem Halleyschen Kometen nach seinem Periheldurchgang auflauerten. Ohne die Mithilfe der VeGas wäre Giotto nie so erfolgreich gewesen.
  • Ein 1.5 Tonnen schwerer Lander, der weich auf der Oberfläche aufsetzte und dort eine begrenzte Zeit lang Messungen durchführte
  • Eine etwa 25 kg schwere französische Ballonsonde, die zusammen mit dem Lander in die Atmosphäre eintrat und beim Ausfahren dessen Hauptfallschirms in 50 km Höhe ausgesetzt wurde und sich automatisch aufblies.

Die VeGa-Ballons sollten die Bedingungen in der Hochatmosphäre der Venus erkunden und hatten dazu Messgeräte für Druck, Temperatur, Helligkeit, Windgeschwindigkeit und Wolkendichte an Bord.

Sie folgen in Höhen um 54 km, wo der Druck in etwa dem der Erdatmosphäre auf Meereshöhe entspricht und die Temperatur bei etwa 30 Grad Celsius liegt – also angenehme Bedingungen, wären da nicht auch noch die Wolken, geladen mit Schwefelsäure, Salzsäure und Fluorwasserstoffsäure. Die Hülle der Ballons war deswegen teflonbeschichtet.

Sie waren batteriebetrieben und sandten ihre Messdaten direkt zur Erde, denn es gab ja keine Sonde in der Bahn um Venus, die die Daten hätte empfangen und weiterleiten können. Die Lebensdauer war durch die Batterien begrenzt, das Messdatenvolumen durch die Bandbreite des Signals zur Erde. Mehr zur VeGA-Mission hier.

Eine der VeGa-Ballonsonden, ausgestellt im Udvar-Hazy-Center, Washington DC, Quelle: Geoffrey Landis via Wikipedia

Solche Ballonsonden, natürlich größer, mit Energieversorgung per Radioisotopengenerator, mit Gaschromatographen zur Analyse der Zusammensetzung des Umgebungsgases und mit einem Relais-Satelliten im Venus-Orbit zum Auffangen der gesendeten Daten – das wäre das Mittel der Wahl zur Bestätigung und Vertiefung der heute publik gemachten und möglicherweise sehr spektakulären Entdeckung von Phosphin in der Venusatmosphäre.

Avatar-Foto

Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

7 Kommentare

  1. Vielleicht sollte man die schon länger in russischen Schubladen liegenden Venera-D erwähnen?
    Von Roskosmos gab es auch gleich eine Meldung dazu https://www.roscosmos.ru/29217/

    Außerdem will ja Russland, theoretisch, 2030 mit ihrem nuklearen Raumschlepper TEM auf dem Weg zum Mars eine Sonde an der Venus abladen… aber da muss man echt schauen ob das was wird.

  2. Die Franzosen haben mit der materiellen Umsetzung der VEGA Ballonsonden nichts zu tun. Obwohl sie mit den Sowjets gemeinsam über ein Jahrzehnt oder so ein Projekt für einen großen Venusballon studiert haben, haben sich die Franzosen von der Ballonsonde zurückgezogen als die Sowjets VEGA diesem anderen Projekt vorzogen. Die Franzosen haben dann vor allem das internationale Radioteleskop-Netzwerk für das VEGA Ballonexperiment organisiert.

    • Nicht, dass ich Ihre Aussage bezweifelt hätte, aber ich wollte es dann doch noch mal im Detail eruieren. Auch hat mich die fast geschlossene Front französischer Kollegen irritiert, die allesamt lautstark die französische Herkunft der VeGa-Ballonsonden betonten. Also habe ich alte Papers gewälzt, darunter das hier vom März 1986:

      Science 1986 Mar 21;231(4744):1407-8. doi: 10.1126/science.231.4744.1407.
      The VEGA Venus Balloon Experiment
      R Z Sagdeev, V M Linkin, J E Blamont, R A Preston
      PMID: 17748079 DOI: 10.1126/science.231.4744.1407

      Roald Sagdeev war damals Chef des IKI. Allein, dass nur ein Franzose in der Autorenliste steht und der erst an dritter Stelle kommt, ist schon hinreichend, aber ich zitiere trotzdem aus dem Text des Papers:

      “[…] The concept of a balloon experiment on Venus was first proposed in 1967 by J. Blamont and was studied jointly during th 1970’s by the Space Research Institute of the U.S.S.R. and the French space agency […] in 1980, R. Sagdeev and V. Linkin introduced the present VEGA balloon experiment devoted to investigation of the dynamics of the Venus atmosphere. […] The balloon experiment was officially included in the VEGA mission payload in 1981, with the U.S.S.R. developing the flight hardware.”

      Das wird den Herrn Blamont aber so richtig gefuchst haben, hehehe ….

  3. Hier stellen sich 2 Fragen:
    1) Ist Phosphin ein Indikator für Leben?
    2) Gibt es auf der Venus – mindestens in ihrer Atmosphäre – Leben?

    zu 1): Phosphin kann unter Umweltbedingungen (Temperatur, Druck) wie sie auf der Erde, dem Mars oder der Venus herrschen nicht spontan entstehen. Das Phosphin in der irdischen Atmosphäre verdankt seine Existenz letztlich Lebensprozessen. Doch ganz sicher kann man sich dessen auch nicht sein. Phosphin als Lebensindikator wurde erst kürzlich vorgeschlagen und zwar darum um Leben in Exoplaneten auch dann nachweisen zu können, wenn es dort keinen Sauerstoff gibt. Wir wissen ja: Leben ohne Sauerstoff ist möglich und um Leben mit Teleskopen spektroskopisch nachweisen zu können, wäre es besser nach etwas anderem als Sauerstoff zu suchen, denn das Fehlen von Sauerstoff in einer Exoplanetenatmosphäre bedeutet noch lange nicht, dass es auf dem untersuchten Exoplaneten kein Leben gibt. Doch hier kommt die grosse Frage: Ist Phosphin ein guter, geeigneter Lebensindikator?

    zu 2) : In der Venusatmosphäre in 54 km Höhe könnte es von Temperatur und Druck her ohne weiteres Leben in Form von Mikroben geben. Und diese Mikroben könnten sogar von der Erde stammen und durch einen Erdmeteoriten (analog zu Marsmeteoriten) dorthin gelangt sein. Aber: Die Chemie der Venusatmosphäre in 54 Kilometer Höhe ist doch recht extrem. Allerdings wissen wir, dass irdisches Leben auch in extremen Umgebungen vorkommt solange die Temperatur nicht allzu hoch oder allzu niedrig ist.

    Damit stellt sich nun die Frage: Genügt Phosphin in der Venusatmosphäre um entsprechende Venusmissionen zu rechtfertigen?
    Meine Antwort dazu: Nein. Denn
    1) wie Michael Khan richtig bemerkte gibt es Analogien zum Methan in der Marsatmosphäre.
    2) Die Planeten und selbst der Erdmond und die anderen Planetenmonde sollten meiner Meinung nach auf alle Fälle systematisch untersucht werden und die richtige Frage wäre hier: Wie erhalten wir möglichst billig möglichst viel Daten über die Planeten und ihre Monde.

    Wenn Michael Khan hier von Relais-Satelliten in Venusumlaufbahnen schreibt, so gibt er damit das richtige Signal: Relais-Satelliten sollte es mehr als 40 Jahre nach der Mondlandung bei fast allen Planeten und Monden in unserem Sonnensystem geben und Planetenmissionen sollten so zahlreich sein, dass diese Relais-Satelliten immer wieder zum Einsatz kommen.

  4. Hm, auf der Venus Phosphin und organisch(?), auf dem Mars nichts, ein bißchen Methan.

    Das russische Spektrometer an Bord des europäischen Raumapparates TGO, welcher um den Mars herum fliegt, hat in der Mars-Atmosphäre – im Unterschied zur Venus – kein Phosphin entdeckt – Webseite des russischen Instituts für Weltraumforschungen / A.Trochimowski

Schreibe einen Kommentar