US-Marsforschung richtet sich neu aus
BLOG: Go for Launch
Eigentlich läuft es in der Marsforschung gut fur die Amerikaner. Der letzte Fehlschlag liegt schon mehr als 10 Jahre zurück. Seit 1996 wurde fast in jedem Startfenster mindestens eine neue Orbiter- oder Landesonde zum roten Planeten geschickt, zuletzt der spektakuläre Rover “Curiosity”, mit dem die NASA einmal mehr bewies, dass sie allen anderen Raumfahrtagenturen meilenweit voraus ist. Nicht nur die Technik, auch die Wissenschaft bekam dank der US-Initiative einen satten Turboschub.
Dennoch machten sich manche Stellen gegen Ende des vergangenen Jahrzehnts Sorgen wegen der Kosten dieser Erfolgsstory. Daraufhin ging die NASA mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA eine Partnerschaft ein, mit dem Ziel, 2016, 2018 und in den Folgestartfenstern im gemeinsamen Missionen, immer abwechselnd unter NASA- oder ESA-Ägide, die Marsforschung weiter zu führen. Vorläufiges Endziel war dabei eine Probenrückführung (Mars Sample Return), sicher die anspruchsvollste und auch teuerste robotische Mission aller Zeiten.
Kooperationen kommen in der Öffentlichkeit immer gut an. Es klingt ja auch nett, zusammen zu arbeiten anstatt in Konkurrenz oder gar gegeneinander. Und jeder setzt einfach voraus, dass man dabei Geld spart. Warum es gut sein soll, in der Forschung Geld zu sparen, leuchtet mir allerdings schon mal nicht ein. Aber ich bin sowieso eher ein Kandidat, der oft unangenehm auffällt, weil er Sachen sagt, die keiner hören will.
Ob man überhaupt Geld spart, ist keineswegs sicher. Der Daumenwert, der mir bekannt ist, ist dass die Kosten eines Projektes durch Hinzunahme neuer Partner steigen, und zwar im Mittel um etwa die Quadratwurzel der Gesamtzahl der Partner. Wenn der Partner sich mit einer Nebenrolle zufrieden stellen lässt, mag die Steigerung geringer ausfallen. Wenn er aber gleichberechtigte Entscheidungsbefugnis beansprucht und dann auch noch eine andere Sprache, Unternehmenskultur und einen ganz neuen politischen Hintergrund mitbringt, wird’s eher teurer.
Am Ende hat man Glück, wenn man überhaupt etwas spart. Insbesondere dann, wenn man auch die Projektdauer und den Projektnutzen einbezieht. Je mehr Partner, desto länger dauert es. Das fängt schon bei den Meetings an, hört da aber keineswegs auf. In der Praxis ist es aber auch von Bedeutung, wann ein Projekt endlich umgesetzt wird, nicht nur, dass es umgesetzt wird.
Und natürlich ist auch von Bedeutung, wie es umgesetzt wird. Ich weiß nicht, ob mal jemand versucht hat, die Anzahl der faulen Kompromisse zu beziffern und in Relation zur Anzahl der Projektpartner zu setzen … die Kompromisse, die man eingehen muss, weil der eine Partner behauptet, nur so könne er seine Geldgeber bewegen, die Finanzierung weiter zu gewährleisten. Solche Komprimisse kosten Geld und Zeit und sie verringern den Wert der Unternehmung.
Man zahlt also am Ende mehr und bekommt dafür weniger, und das auch noch später.
Ich weiß nicht, welche internen Erwägungen auf US-Seite stattgefunden haben. Wahrscheinlich waren sie komplex und Kosten und Finanzierung standen dabei an prominenter Stelle, zudem wird aber auch noch um ein ganzes Bukett anderer Erwägungen gegangen sein. Wie auch immer, jedenfalls fiel die Axt bereits im Oktober 2011 und die NASA-ESA-Mars-Kooperation fand ein unrühmliches und vorzeitiges Ende, nur zwei Jahre, nachdem sie mit Pomp und Trara verkündet worden war und ohne dass sie zu irgend etwas Vorzeigbarem geführt hätte.
Nach etwa einjährigem Wundenlecken, wobei natürlich hinter den Kulissen intensiv gearbeitet wurde, soll nun die robotische Erforschung des Mars durch die USA wieder auf Kurs gebracht werden, und zwar wiederum mit dem Ziel der Probenrückführung. Wie genau, das ist offenbar noch nicht klar, aber mit wem nicht, das scheint dagegen entschieden zu sein, wie man diesem Artikel aus Space News vom 25.9.2012 entnehmen kann.
Na, das kann ich ja gar nicht verstehen. Da schicken wir Europäer vor fast zehn Jahren mal einen Orbiter zum Mars und werden – vielleicht – 2016 einen zweiten starten. Wir haben noch nie erfolgreich eine Landesonde auf den Mars gebracht, schon gar nicht eine, die weich aufsetzt. Wir haben überhaupt erst einmal eine Sonde auf einem anderen Himmelskörper zur Landung gebracht, aber diese Sonde wurde schon vor 15 Jahren gestartet, wurde von einer amerikanischen Orbitersonde transportiert und ausgesetzt und hatte zudem den Vorteil, dass ihr Ziel eine soch dichte Atmosphäre hat, dass auf Airbags oder Bremsraketen komplett verzichtet werden kann.
Einen planetaren Rover haben wir noch nie gebaut, wir haben noch nie einen Start von einem anderen Himmelskörper durchgeführt und wir haben keinerlei Erfahrung mit Anpeilung, Identifizierung und Einfang eines passiven Objekts im Orbit. Kann es denn sein, dass man uns in Anbetracht unserer Expertise als ungeeignet für die Rolle eines gleichberechtigten Partners in einem Hochtechnologieprojekt hält? Dass man vielleicht gar meint, dass wir eher Risiken als Nutzen bringen, sodass es ohne uns besser geht als mit uns?
Nachtrag vom 27.9.2012: In einem Interview mit Space News zum Thema der US-europäischen Kooperation bei der Marsforschung, veröffentlicht am 26.9.2012, weist NASA-Administrator Bolden alle Spekulationen über einen US-Alleingang weit von sich, ohne dabei allerdings konkret zu werden. Ich finde, folgendes Zitat spricht allein schon für sich:
[…] We have not abandoned ExoMars, and the Electra payload is an example of our continuing high interest in the mission.
Zusatzinformation, um diese Aussage einordnen zu können: Bei besagter “Electra-Payload” handelt es sich um eine UHF-Funkanlage für die Kommunikation zwischen einer Landesonde und einem Orbiter.
Go on!
Hallo Herr Khan,
auch wenn ich beileibe nicht immer mit ihnen einer Meinung bin, mag ich ihre Art mal auch unbequemes anzusprechen.
Go on!
Europa misses a mission
Mit Halbheiten bleibt man halt auf halbem Weg stecken. Der europäischen Raumfahrt scheint in vielen Bereichen der Track Record zu fehlen, die Überzeugung vom Wert eines Ziels und die nötige Hartnäckigkeit dieses Ziel auch zu verfolgen.
Klar, Europa macht noch Raumfahrt, das ist man sich schuldig. Aber inzwischen vielleicht mehr aus psychologischen Gründen, damit Inder, Chinesen und immer mehr aufstrebende Raumfahrtnationen sich nicht lustig machen über die Hinter-dem-Ofen-Hocker.
Die Raumfahrt-Traumwelten des BMWi
Wir haben hervorragende und engagierte Techniker und Wissenschaftler in Europa.
Wie aber sieht es mit den fachlichen Qualitäten in der Politik aus?
Die Lektüre des unten zitierten einschläfernd nichtssagenden Ergusses (man beachte auch die genial fehlerhaften Bildunterschriften auf den letzten Seiten) lassen m. E. keinen Zweifel daran, dass der Explorationshorizont unserer ‘Macher’ in der Politik ziemlich genau durch die Lage des geostationären Orbits definiert ist. Immerhin – aber Mond, Mars und Co. kreisen bekanntlich ‘etwas’ weiter draußen.
Eine bessere Finanzierung der Sonensystemerkundung ist bei dieser Interessenlage auch künftig nicht zu erwarten.
Zitat:
3. Leitlinien der Raumfahrtpolitik der Bundesregierung
Als Werkzeug der Forschung mussen Raumfahrtprojekte sich am Prinzip der wissenschaftlichen Exzellenz („benchmar- king“) orientieren. Sie mussen sich im Wettbewerb mit anderen Methoden und anderen wissenschaftlichen Disziplinen bei Großprojekten durchsetzen.
Die Fokussierung auf Nutzen und Bedarf erfordert eine fruhzeitige und umfassende Beteiligung, aber auch Mitverantwortung der Nutzer von Raumfahrtsystemen und -diensten an der Konzipierung, Finanzierung und Durchfuhrung von Projekten. Hierbei ist es gleich, ob es sich bei den Nutzern um offentliche Bedarfstrager, Wissenschaftler und Forschungseinrichtungen oder Wirtschaftsunternehmen, insbesondere aus dem Industrie- und Dienstleistungsbereich, handelt. Neben der technologischen Attraktivitat und der wissenschaftlichen Exzellenz mussen vor allem der Bedarf des Nutzers und seine Bereitschaft, selbst Verantwortung zu ubernehmen, letztlich uber die Auslegung und Durchfuhrung eines Raumfahrtprojekts entscheiden.
Quelle:
http://bit.ly/Q4IwwH
Raumfahrtpolitik
Die von @Gunnar Glitscher verlinkte Broschüre zeigt eines ganz deutlich, dass es keine echte gemeinsame Linie für Europas Raumfahrt gibt. Es werden in erster Linie Projekte finanziert von denen man sich im eigenen Land einen Gewinn verspricht.