MEX/Siding Spring: Wohin gucken?
BLOG: Go for Launch
Ein neuer Beitrag im MEX-Blog, der vom Kontrollteam der Mars-Sonde “Mars Express” am europäischen Weltraumkontrollzentrum ESOC in Darmstadt geführt wird, zu den Vorbereitungen auf die Begegnung mit Komet C/2013 A1 (Siding Spring). Diesmal setzt sich das Team mit der gar nicht trivialen Frage auseinander, wie man die Raumsonde orientieren muss, um das Risiko der Beschädigung durch kometaren Staub zu minimieren.
Man kommt zu dem Schluss, dass der Satellitenkorpus so gedreht werdeb soll, dass die große Reflektorschüssel der Hauptantenne genau in die Richtung des ankommenden Kometen und damit auch des ankommenden Staubs zeigt. Das ist keine offensichtliche Antwort und sie definiert immer noch nicht die inertiale Lage komplett. Denn immerhin kann noch um die Achse, die in Richtung der Hauptantennenschüssel zeigt, rotiert werden. Da gibt es aber nicht mehr so viele Möglichkeiten, denn die Solargeneratoren müssen zur Sonne zeigen, die Radiatoren dagegen dürfen auf gar keinen Fall in die Sonne gehalten werden. Dazu kommt in einem der kommenden Beiträge mehr.
Ich habe in den ganzen Diskussionen, die schon seit Monaten stattfinden – fast schon so lange, wie man von diesem Kometen weiß, eine ganze Menge über Hochgeschwindigkeitsimpakte gelernt. Zum einen, dass bei den Geschwindigkeiten, mit denen wir es hier zu tun haben, also 56 km/s, selbst schon kleinste Staubteilchen problematisch sein können. Selbst wenn sie nicht genug Durchschlagskraft haben, um die Struktur zu durchdringen, können sie doch empfindliche Oberflächen nachhaltig beschädigen. Zudem wird feiner Staub beim Aufschlag mit solchen Geschwindigkeiten so heiß, dass er zu Plasma wird. Plasma ist elektrisch geladen und induziert einen elektromagnetischen Puls, der Strömen in elektronischen Komponenten fließen lässt und sie so überlasten kann.
Auch ist gar nicht klar, welche Seite eines Bauteils man eher dem Einschlag aussetzen soll, wenn es nicht nöglich ist, Einschläge zu vermeiden. Bei einem Einschlag entsteht das große Loch, also der schwere Schaden, nicht auf der Seite, in die Teilchen einschlug. Nach der Durchdringung wird die gegenüberliegende Seite, wo die Überreste des Teilchens austraten, viel übler aussehen. Das ist derselbe Effekt wie bei einem Dum-Dum-Geschoss. Das bereitet dem Team eine Menge Kopfzerbrechen.
Wenn ich das hier so lese, dann wird mir mal wieder deutlich, wie unrealistisch Weltraumschlachten sind, die man in diversen SF-Filmen bewundern kann. Ich nehme jetzt einfach mal an, dass die “Schlachten um die Todessterne” aus Star Wars den meissten bekannt sein dürften. Wenn da nun ein komplettes Raumschiff aus einem Verband explodiert, dann müssten die auseinander strebenden Trümmer eigentlich den kompletten Verband zerlegen, sofern die Abstände zwischen den einzelnen Schiffen nicht besonders gross (d.h. einige Kilometer) sind. – Okay, bei Star Wars haben sie Energieschilde, die davor schützen, also ein anderes Beispiel: Battlestar Galactica, Neuauflage von 2002. Da hat man u.a. die Energieschilde weg gelassen und man “ballert” auch nicht mit Laser- sondern mit Projektilwaffen, gern auch mit Leuchtspur. Nun sind die Projektile mit Mündungsgeschwindigkeiten zwischen 0,5 und 1Km pro Sekunde zwar langsam im Vergleich zu den 56km/s aber bei einem Kaliber zwischen 20 und 30mm dürfte die Wirkung die Selbe sein; bei Granaten erst recht. Bliebe also die Frage nach der Panzerung? – Die ist wahrscheinlich immer noch aus “phantastischer Materie“, soll heissen, dass Material wurde noch nicht entdeckt, bzw. erfunden.
Das bringt mich jetzt wieder zurück zur Realität, bzw. einer konkreten Frage: In einer Ausgabe des NASA-Magazins “Orbital Debris Quarterly News” ist ein Artikel über eine Untersuchung von Schutzschilden mittels metallischer Schäume. Wissen Sie zufällig, ob es dazu inzwischen Neuigkeiten bzgl. der Raumfahrt gibt? – Okay, das nützt dem Mars Express jetzt nichts mehr, aber wie sieht das bei zukünftigen Satelliten aus? – Any ideas? Or no clue?
Mars Express oder eine andere Raumsonde hätte man niemals mit einem Schild ausgelegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der jemals gebraucht wird, ist so gering, dass das Risiko, das man eingeht, wenn man so etwas nicht vorsieht, vernachlässigbar ist. Für die Teilchen, die man hier erwartet, ist durch nicht die Durchschlagskraft das Riesenproblem, sondern der elektromagnetische Puls. Ein Whipple-Schild dürfte vollkommen ausreichen, um eine Durchschlagen zu verhindern.
Die Frage ist allerdings, ob man denn auch unter Verwendung eines Superschilds die Raumsonde wirklich zuverlässig schützen kann. Im gegebenen Fall sind wir ja in einer vergleichsweise günstigen Lage. Die Sonnenrichtung ist fast genau senkrecht auf der Anflugrichtung des Kometen. Das heißt, wenn man denn einen Whipple-Schild angebaut hätte, um die Solargeneratoren zu schützen, dann wären dieser Schild entlang der Seite des Solargenerators ausgerichtet. man hätte den Solargenerator so gedreht, dass die schmale Seite (mit dem Whipple-Schild) zur Anflugrichtung des Kometenstaubs zeigt. Dann steht die Sonne fast senkrecht über den Solarzellen.
Aber wenn der Komet nun so ein Bursche gewesen wäre, der die mars-Bahn fast senkrecht kreuzt, weil er ein sehr niedriges perihel hat, so wie unlängst der ISON, dann was? Wenn man dann die Solargeneratoren so ausrichtet, dass die Kante zum Kometen zeigt, kriegen die Solarzellen keinen Strom mehr. Whipple-Schild hin oder her.
Ob ein Schild aus Metallschaum in die Kategorie “Superschilde” gehört, kann ich nicht beurteilen. Aber ich finde die Möglichkeit selbst sehr interessant und würde gern mehr dazu wissen. Leider hab ich dazu bisher nicht sehr viel gefunden; – meisst waren es eher Anwendungen im Werkzeugmaschinenbau, was aus wirtschaftlichen Gründen zwar näher liegend erscheint, aber mit der Raumfahrtspezifischen Anwendung nicht viel zu tun hat.
Zu den elektromagnetischen Pulsen (EMPs); Wie hoch sind denn die Impulsspannungen, bzw. Energien, die man da erwartet? Und wie weit reichen die in das Gehäuse herein? – Denn irgendwie kommt mir die Sache komisch vor. Wenn die Aussenhülle aus Metall ist, dann müssten die entstehenden Ströme doch irgendwo abgeleitet werden können. Ich denke da an einer ähnlichen Einrichtung wie den (grün/gelben) Schutzleiter bei Elektrogeräten mit Metallgehäuse.
Meine Aussage war nicht, dass man mit Metallschaum einen “Superschild” bauen kann, sondern, dass selbst wenn man einen Superschild hätte, woraus auch immer der gemacht ist, oder meinetwegen einen Super-Duper-Puper-Schild aus Unobtainium (also ein rein hypothetisches Konstrukt), der wirklich erbsengroße Brocken auffängt, man immer noch nicht eine Sonde zuverlässig schützen kann. Denn es gibt Komponenten, die hinter einem Schild einfach nicht funktionieren.
Zu den induzierten Strömen: Bedenken Sie, dass es elektronische und elektrische Komponenten gibt, die in direktem Kontakt mit der Umgebung stehen müssen und nicht tief im Inneren des Bus vergraben werden können. Da ist die Funkausrüstung an der Hauptantenne und den Rundstrahlantennen zu nennen, da gibt es die Lagesensoren, da gibt es die wissenschaftlichen Experimente und dann gibt es die Solargeneratoren.
Bestünde eventuell die Möglichkeit eines Ausweichmanövers, d.h. könnte man die Umlaufbahn der Mars-Sonde nicht so korrigieren, dass sie zum Zeitpunkt der größten Annäherung möglichst weit von dem Kometen entfernt ist? Und würde man damit die Chance vertun den Kometen aus nächster Nähe zu fotografieren?
Wahrscheinlich wird in einem der kommenden MEX-Blog-Artikel (zu denen ich übrigens nur beitrage, ich bin keineswegs der Autor) darauf eingegangen werden und ich greife dem hiermit schon vor. deswegen fasse ich mich kurz.
Die Vorbeifluggeometrie relativ zur Bahnebene des Mars ist hier dargestellt. Die eingezeichnete Ebene ist die Ebene, in der Mars um die Sonne umläuft. Diese Ebene wird von Siding Spring ziemlich steil durchschnitten. Der Komet fliegt dann ziemlich weit oberhalb des Mars vorbei.
Die Geschwindigkeit, mit der Staubteilchen ausgestoßen werden, hängt von ihrer Größe und Masse ab. Kleine Teilchen, werden sehr viel schneller ausgestoßen und fliegen deswegen auch schneller vom Kern weg. Wir reden hier vorwiegend von submillimetrischem bis hin zu mikrometergroßem Staub.
Alle kleine Teilchen, ob nun klein oder sehr klein, werden vom Solardruck in Richtung weg von der Sonne hin beschleunigt. Deswegen zeigt der Staubscheif auch immer von der Sonne weg. Das ist im Detail noch etwas komplexer, aber darauf gehe ich jetzt mal nicht ein.
Das heißt, wir müssen und vorstellen, dass von dem Kometenkern aus die Koma sich etwa kugelförmiig ausbildet und dann der Schweif weg von der Sonne zeigt. Sowohl in der Koma als auch im Schweif sind die größeren (aber immer noch kleinen) Teilchen eher in der Mitte zu finden, zum Rand hin fast nur ganz kleine.
Das bedeutet, dass die größeren Teilchen weitgehend den Mars verfehlen werden, denn die Mitte des Schweifs wird über den Mars hinwegziehen. Das behaupten zumindest schlaue Leute, die sich gut mit Kometen auskennen. Zumindest besser als ich (was allein nicht viel heißen will).
Es könnte jetzt sein, dass sich entlang der Bahnebene des Kometen, dort wo er bereits war, eine Schleppe größerer Teilchen hinter dem Kern herzieht. Die Bahnebene des Kometen wird vom Mars etwa 105 Minuten nach der größten Annäherung gekreuzt Dann könnte Mars Express noch auf etwas mehr größere Teilchen stopen. Aber das wird nicht für sehr wahrscheinlich gehalten.
Die größte Wahrscheinlichkeit für Impakte betrifft sehr kleine Teilchen. Da gibt es das Risiko der Beschädigung von Oberflächen, aber auch das Problem des elektromagnetischen Pulses. Wir werden. Mars wird mit ziemlicher Sicherheit die Randbereiche des Schweifs durchfliegen, aber das wird eine Zone von einigen Hunterttausend Breite km sein.
Es gibt keinerlei Möglichkeit, die Bahn von Mars Express so zu ändern, dass die Sonde diesem Randbereich des Schweifs entgeht. Allerhöchstens, wie bereits angesprochen, kann man durch ein geeignetes Manöver einige Monate im voraus die Position der Sonde auf ihrer Bahn so verändern, dass zu dem Zeitpunkt, an dem die Flussdichte der Teilchen am höchsten ist, die Sone, vom Kometen aus gesehen, hinter dem Mars ist. Allerdings gewinnt man so auch nur etwa eine halbe Stunde, und der bereich, in dem mit Teilchen zu rechnen ist, ist bis zu einigen Hunderttausend km groß, sodass das Durchfliegen Stunden dauert.
Antwort Teil 2: Ob man überhaupt den Kometen aus nächster Nähe abbilden oder mit sonst einem Instrument untersuchen wird, hängt nicht allein von Bahn und inertialer Lage ab. Da geht es darumn, ob man irgendwelche Operationen zulässt, die das Risiko eines Safe-Mode und damit der automatischen, von der Erde nicht kontrollierten Änderung der Lage erhöhen. Wenn man sicher gehen will, dass die Sonde nichts unerwartetes macht, dann schaltet man alle Geräte ab, die viel Energie ziehen und viele Daten produzieren und die nichts zur Steuierung der Sonde beitragen, also gerade die Instrumente.
Darauf wird der MEX-Blog auch noch eingehen.
Also soweit wie ich das bisher verstehe ist das Problem eher, dass die Bahn der Sonde in jedem Fall mal durch den Schweif des Komenten führen wird. Und dafür ist die Frage zu klären, wie man die Sonde am besten ausrichtet, damit mögliche Schäden an der Sonde beim durchqueren des Schweifes minimal bleiben.