MEX-Blog: Wie bestimmt man überhaupt eine Kometenbahn?
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Der aktuelle Artikel im MEX-Blog hat den Titel: “How to determine the orbit of a comet“. Es geht darin darum, wie überhaupt die Bahn eines Kometen bestimmt wird, ausgehend von astronomischen Aufnahmen, die nichts weiter zeigen als einen verwaschenen Lichtfleck vor dem Sternenhintergrund an unterschiedlichen Tagen.
In Filmen ist das immer sehr einfach. Da guckt ein Astronom auf seinen Bildschirm, sieht etwas, was nach Komet aussieht, fängt an, wie ein Wilder auf seiner Tastatur herumzuhacken und hat dann ratzfatz – solange, wie halt eine dramatische Musik dauert – wie durch Zauberei ausgerechnet, dass besagter Komet an dem und dem Datum und zu der und der Uhrzeit auf eine Ranch in Crawford, Texas krachen wird.
Das ist aber nicht nicht einmal künstlerische Freiheit, es ist einfach haarsträubender Unsinn, wie das Beispiel des Kometen C/2013 A1 zeigt. Im Artikel wird demonstriert, dass nach mehr als 40 Tagen Beobachtung die aus der Bahnberechnung abgeleitete Vorbeiflugdistanz am Mars so ungenau war, dass damit in der Praxis gar nichts anzufangen ist. Erst nach 180 Tagen konnte eine Kollision mit Mars ausgeschlossen werden. Und erst nach mehr als 400 Tagen ist die Ungenauigkeit in der Vorbeiflugdistanz etwa in der Größenordnung des Radius des Planeten Mars angelangt.
So lange kann der Prozess der Bahnbestimmung dauern. Für die Beobachtung sind Unsicherheiten in der Position nicht so wichtig. Aber wenn es um die Berechnung von Impaktwahrscheinlichkeiten geht, dann braucht man viel mehr Präzision.
Ich hätte erwartet, dass man mehr als ein Teleskop benötigt um die Distanz zum Kometen und damit seine genaue Bahn zu bestimmen. Im verlinkten Text wird das aber überhaupt nicht erwähnt. Der Leser erhält den Eindruck, Daten aus einem einzigen Teleskop würden über mehrere Beobachtungstage hinweg gesammelt und die Auswertung über all diese Bilder ergäbe dann eine immer genäure Approximation der Komentenbahn.
Intuitiv hätte ich erwartet, dass Teleskope, die möglichst weit auseinanderstehen zur Triangulation verwendet werden und sich mit einem einzigen Teleskop allein die Bahn kaum exakt bestimmen lässt. Immerhin erhält man mit einem Teleskop und aufeinander folgenden Beobachtungstagen doch auch Triangulationsmöglichkeiten, weil sich die Position des Teleskops ja mit der Erdbewegung verändert. Nur ist der Komet am nächsten Beobachtungstag schon wieder an einem anderen Ort. Es kann natürlich sein dass zwei irdische Teleskope zuwenig weit auseinanderliegen um sinnvoll triangulieren zu können. Mit mehreren geostationären Teleskopen hätte man schon bessere Triangulationsmöglichkeiten, weil die Teleskope so eine grössere Basisdistanz aufweisen können.
Da Bahnbögen über Wochen hinweg für die erste Bahnbestimmung gebraucht werden, also Zeiträume, in denen sich Komet und Erde relativ zueinander um mehr als Hundert Millionen Kilometer bewegen, egrbit sich hieraus schon eine gewaltige Parallaxe. Demgegenüber fällt die vergleichsweise winzige Parallaxe von bestenfalls 12,700 km bei Verwendung unterschiedlicher Observatorien nicht ins Gewicht.
Ja, Kometen sind zuerst wohl zu weit weg, als dass sich eine messbare Parallaxe zwischen zwei erdgebundenen Teleskopen ergibt. Für die Distanzbestimmung zur Venus scheint es aber auszureichen (Zitat Wikipedia):” So erscheint etwa die Parallaxe der Venus zwischen zwei Beobachtungsorten auf der Erdkugel in einer leicht verschiedenen Position vor dem Sternhintergrund.”
Bei Kometen kommt wohl noch das Problem dazu, dass ein Komet kein Punkt ist.
Ein wichtiger Grund, dass es so lange dauert bis man die Kometenbahn hinlänglich genau bestimmt hat scheint mir aber mit einer fehlenden Triangulationsmöglichkeit zu tun zu haben, denn eine Abbildung mittels eines Teleskops liefert immer nur 2-dimensionale Information. Man weiss nicht wie weit weg der Komet ist wenn man durch ein Teleskop blickt, muss aber am Schluss genau das wissen, wenn man die Bahn festlegen will. Die Parallaxe durch unterschiedliche Erdpositionen ist bei einem bewegten Objekt zudem problematisch. Klar sieht man den Kometen ein paar Tage später an einem anderen Ort weil sich die Erde weiterbewegt hat. Doch der Komet ist bis dann auch durch seine Eigenbewegung an einem anderen Ort. Damit wird es sehr schwierig die Bahn zu bestimmen weil sich zwei Bewegungen überlagern.
Nein, die Kenntnis des Abstands ist nicht erforderlich, um die Bahn zu bestimmen. Plane-of-Sky-Messdaten rechtwinklig zur Sichtrichtung wie die Rektaszension und Deklination sind ausreichend, um die iterative Bahnbestimmung vorzunehmen. Natürlich wäre es vorteilhaft im Sinne einer schnelleren Konvergenz und geringerer Unsicherheiten, auch noch einen Messdatentyp ganz anderer Art, wie die Entfernung (also in der Sichtrichtung) zur Verfügung zu haben. Aber das allein ist keine besonders überraschende Aussage. Es ist immer von Vorteil, möglichst viele unterschiedliche und voneinander unabhängige Messdaten zur Verfügung zu haben. Es ist aber nicht erforderlich. Die Bahnbestimmung funktioniert auch, wenn man nur die Bilddaten, also die scheinbare Position vor dem Sternenhintergrund hat.
Die langsame Konvergenz kommt dadurch zustande, dass anfangs die Kometenbewegung mehr oder weniger auf die Sonne zu erfolgte, also allein aufgrund der optischen Beobachtung nicht klar zu unterscheiden war, ob es sich nur um eine hyperbolische oder elliptische Bahn handelte. Das macht so weit draußen kaum einen Unterschied für die Bahnbewegegung, hat aber sehr großen Einfluss auf die Vorhersage des Perihels.
Die Behauptung, die Bahnbestimmung sei sehr schwierig, wenn sich beide Körper relativ zueinander bewegen, ist schlicht unzutreffend. Das Gegenteil ist der Fall. Je schneller die relative Bewegung, desto besser lässt sich bestimmen, welche Bahnelemente die richtigen sein müssen, um genau dies beobachtete Bewegung des Objekt vor dem Sternenhintergrund zu bewirken.
Der verlinkte Blog-Artikel erklärt es doch. Man muss sich von der Vorstellung lösen, dass man aus Einzelmessungen versucht, die Bahnelemente herzuleiten. Es handelt sich vielmehr um ein massiv überbestimmtes Problem mit vielen Messdaten, bei dem sechs parameter (die Bahnelemente zum Referenzzeitpunkt) so angepasst werden müssen, dass die resultierenden simulierten Messwerte sich in Summe (genauer: in der Quadratwurzel aus der Summe der Fehlerquadrate) möglichst wenig von den tatsächlichen Messdaten unterscheiden.
So genau ist die Bahnbestimmungsmethode nicht beschrieben. Ich schliesse aber aus dem Satz “The known laws of celestial mechanics allow you, if you have a full set of orbital parameters at one epoch, to compute where the object will be at other epochs in the past or in the future. “
dass die zu erwartende Bahn aufgrund der Gravitationskraft durch die Sonne die entscheidende Hilfe bei der Bahnbestimmung ist.
Wenn diese Methode so langsam konvergiert könnte es bei sehr schnellen Kometen aber Probleme geben. Mit schnell meine ich Kometen, die sich wesentlich schneller annähren als es der Komet C/2013 A1 getan hat. Bei diesem Kometen war erst nach 180 Tagen sicher, dass er den Mars verfehlt.
Allzu schnell kann ein Komet allerdings auch wieder nicht sein, sonst wird er aus dem Sonnensystem hinausgeschleudert.
Hubble hat einen auseinanderbrechenden Kometen gesichtet wird auf New Scientist gerade berichtet. Als Ursache wird die einseitige Erwärmung durch die Sonne vermutet. Ein möglicher Mechanismus wäre die Induktion einer Rotation welche die schwach gebundenen Kometenteile auseinandergerissen hätte.
@Martin Holzherr:
Die iterative Bestimmung der Bahnparameter ist schon beschrieben. Man hat eine Anfangsschätzung. Die propagiert man mithilfe der bekannten Gesetze der Himmelsmechanik zu den Epochen, für die man Beobachtungen (Bilder) hat, Zu diesen Epochen schaut man, wo der Komet gestanden hätte, wenn die Anfangsschätzung zuträfe.
Diese berechneten “Messdaten” vergleicht man mit den tatsächlichen Bildern. Aus den Differenzen kann man zu einer Verbesserung der Anfangsschätzung kommen. Danach durchläuft man den obigen Prozess noch einmal. Und immer wieder, bis für den Kometen zu den Epochen, für die man Bilder hat, auch wirklich die Positionen im Himmel berechnet werden, wo man ihn auf den Bildern sieht.
So macht man das. Nicht nur bei Siding Spring, sondern immer bei der astronomischen Bahnbestimmung. Es kist die etablierte Methode.
Es stimmt, dass der Prozess langwierig ist. Auch jetzt noch ist die Unsicherheit im vorhergesagten Mindestabstand beim Mars-Vorbeiflug bei einigen tausend km. Problematisch ist, dass man den Kometen monatelang gar nicht sieht, weil die Sichtlinie zwischen Erde und Komet zu dicht an der Sonne vorbeiführt. So zum Beispiel gerade jetzt. Bis Mai oder so wird es kein Update der Bahn mehr geben.
Es würde helfen, wenn es noch ein Observatorium weit weg von der Erde gäbe. Dann hätte man für den iterativen Prozess der Bahnbestimmung weitere, unabhängige Datenpunkte. Und man hätte keine Lücken in der Beobachtungen wegen der störenden Sonne.
Das Objekt, dessen Zerfall Hubble beobachtet hat, ist kein Komet, sondern ein Asteroid. Der Artikel im New Scientist ist nicht besonders gut, in der hier verlinkten NASA-PM steht’s besser. Tatverdächtig ist YORP. Der Bursche rotierte vorher schon verdächtig schnell, jetzt hat’s ihn ‘rausgehauen. Es braucht nicht viel, um den schwachen gravitativen Zusammenhalt von Geröllhalden-Asteroiden zu überwinden. Wenn die Rotationsperiode unter etwa 2.2 Stunden fällt, überwiegt die Zentrifugalkraft die Gravitation.
Ich glaube, je ein Teleskop in L4 und L5 des Erde-Sonne-Systems würde da einiges vereinfachen…
Genauso, wie man damit (im Infrarotbereich) auch kleinere Asteroiden in Erdnähe beobachten kann, die auf der Tagseite an der Erde vorbei rauschen. – Das geht deshalb, weil eine direkte Verbindungslinie zwischen L4 und L5 die Bahn der Venus kreuzt.
2 Min Später:
Hab die Sache gerade mal genauer betrachtet, und dabei festgestellt, dass eine Beobachtung des Mars mit Teleskopen in L4+L5 der Erde nur in der Zeit Sinnvoll ist, in der sich auch ein Startfenster zum Mars öffnet, bzw. in dem Zeitraum, wo die Erde den Mars überholt. Sonst blickt einer der Satelliten in die Sonne, und das ist für die Optik ja nicht so gesund…
Ein orbitales Teleskop zur Beobachtung von NEOs und Kometen im L4 oder L5-Punkt des Erde-Sonne-Systems wäre in der Tat extrem nützlich. Das haben Sie sehr gut erkannt.
Bei Kometen könnte man so die monatelange Auszeit, in der es keine Beobachtungen gibt, in fast allen Fällen massiv oder gar auf Null reduzieren.
Bei NEOs, gerade solchen, deren Periode in etwa bei einem Jahr liegt, sind sehr lange Phasen mit fast konstant andauernden oberen Konjunktionen störend, oder gar gefährlich. Auch hier ließe sich mit Beobachtungen aus dem L4/5 Abhilfe schaffen.
Zudem zeichnen sich die L4/L5-Regionen dadurch aus, dass man sie mit weniger Aufwand erreichen kann als jede andere erdferne Region.