Meteorit verfehlt Skydiver

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Gestern erschien folgendes Video im Web, das von einem norwegischen Skydiver aufgenommen wurde. Man sieht, wie ein kleines dunkles Etwas, das aussieht wie ein Stein, von oben kommend mit großer Geschwindigkeit an dem Mann vorbeirauscht.

Moderne Digitalkameras, wie sie von Extremsportlern verwendet werden, haben eine gute Bildqualität, eine hohe Auflösung und sind recht farbtreu. Es war deswegen möglich, aus Standbildern des Videos heraus die Aufnahmen des Objekts zu vergrößern. Das sieht aus wie ein unregelmäßig geformter, gar nicht mal so kleiner Stein.

Hier ein Fernsehbericht des norwegischen Senders NRK, in dem der Film des Skydivers gezeiht und besprochen wird:

Und hier die Szene, auf die es ankommt:

Wenn das ein Hoax ist, dann ein gut gemachter. Anders als die Sache damals mit dem Kryptonit im Postverteilzentrum in den Niederlanden.

Die Erläuterungen des Geologen führen schon zu Stirnrunzeln. Da taumeln Asteroiden im Hauptgürtel herum, bis sie schließlich von der Sonne angezogen werden und herunterfallen, immer schneller, bis sie die fünffache Geschwindigkeit einer Gewehrkugel haben?

Wie bitte?

Nun gut, Himmelsmechanik gehört wahrscheinlich nicht zu den Pflichtfächern im Geologiestudium.

Eine (Impakt-)brekzie, wie sie der Geologe vermutet, kann natürlich sein. Ob die eine Aufnahme diese Diagnose schon hergibt, erscheint mir aber fraglich. Die Mehrzahl der gefundenen Meteoriten sind Chondriten, deren sichtbare Merkmale auch mit denen übereinstimmen, die der Geologe aufzählt. Was mich allerdings verwundert, ist dass das Objekt so scharfkantig wirkt. Immerhin soll es ja gerade einen Eintritt in die Erdatmosphäre bei hyperbolischen Geschwindigkeiten überstanden haben.

Wenn die Aufnahmen echt sind, hatte der Skydiver doppeltes Glück. Zum einen natürlich, weil ihm eine solche Aufnahme gelang, zum anderen aber auch, weil ihn der Brocken nicht erwischte. Da hat der Geologe Recht. Ein mehrere Kilo schwerer Brocken mit einer Geschwindigkeit von mehreren Hundert km/h, das würde schlimm ausgehen.

Wenn sie aber nicht echt sind, dann muss ich sagen, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich habe schon deutlich schlechter gemachte Hoaxes gesehen.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

30 Kommentare

  1. Tolle Seite, tolle Artikel. Fühle mich hier recht wohl.
    Der Film,wenn er echt sein sollte, ist wiklich spektakulär.
    Ich kann es aber einfach nicht glauben.
    Warum fliegt der Meteor nur so langsam?
    Warum fehlt der Schweif?
    Kann mir das einer erklären?
    Ich halte das für unmöglich.

    • Ich habe auch keine Ahnung, ob der Film echt ist oder nicht und will mich da nicht festlegen. Es wird sich hoffentlich bald herausstellen.

      Zum “Schweif”: Die Abbremsung von Hyperschall erfolgt bei kleinen Objekten (die im Übrigen sehr oft in die Atmosphäre eintreten) bei viel größeren Höhen als denen, in denen Fallschrimspringer uhterwegs sind. Während dieser Phase sieht man den Meteor, also einen leuchtenden Plasmaschweif und eine Rauchspur.

      Ist aber die Abbremsung überstanden und dann tatsächlich noch etwas übrig, fällt das mit Terminalgeschwindigkeit, also einigen 100 km/h. Es ist dann nicht mehr heiß genug, um zu leuchten.

      Diese Punkte erscheinen mir nicht suspekt.

      Ein unregelmäße gefornter Stein könnte in der Tat taumeln. Ob er sehr schnell taumeln kann, ist tatsächlich fraglich. Auch fraglich, wie angesprochen, die noch recht scharfkantige Form, die ich eigentlich nicht erwarten würde.

  2. Die Standbilder bei 2:47 zeigen den “Stein” ständig in einer anderen Lage. bei typischen Meteorfallgeschwindigkeit, muss er da ja extrem, unglaublich, waahnsinnig schnell rotiert haben. Kann ich mir auch nicht vorstellen.

    • Ich wundere mich, dass der Stein überhaupt scharf abgebildet wird. Meteore haben typischerweise mehrfache Schallgeschwindigkeit, oft sogar deutlich mehr als 5 km/s (Der Tscheljabinsk-Meteor hatte eine Eintrittsgeschwindigkeit von 19 km/s). Der abgebildete, fast senkrecht fallende und kompakte Stein kann aber nicht so schnell sein, sonst wären nicht mehrere Bilder geschossen worden in denen der Meteor ungefähr gleich gross erscheint. Da er kompakt wirkt (scharfkantig) sollte er auch nicht allzu stark von der Atmosphäre abgebremst worden sein. Für mich ist der Stein zu langsam um ein typischer Meteor oder überhaupt ein Meteor zu sein.

      • Wenn ein Meteorit in so niedriger Höhe angekommen ist, dann wird er mit Terminalgeschwindigkeit fliegen (deutlich unterhalb der Schallgeschwindigkeit). Es mag auch Objekte geben, die mit Überschallgeschwinbdigkeit fliegen, aber das dürften dann deutlich größere sein. Beispielsweise war das beim Carancas-Impakt so, und selbst da war das ungewöhnlich.

        Während der Meteorphase, also dann, wenn sich eine leuchterscheinung bildet, ist die Geschwindigkeit natürlich noch deutlich höher (deswegen entsteht ja ein Meteor), aber drauf folgt bei einem kleinen Meteoriten die Abstiegsphase bei Gleichgewichtsgeschwindigkeit.

        Wäre das nicht so, würden wir alle wohl alle paar Monate vom Überschnallknall abstürzender Meteoriten aus dem Schlaf gerissen und die Landschaft wäre übersät von kleinen Kratern.

  3. Die scharfkantige Form würde ich mir so erklären, wie es am Ende des Filmchens auch gesagt wurde: der kleine Kollege ist zerbrochen. Die im Schatten liegende Seite sieht nämlich so rund aus, wie ich das auch von nem Meteor erwarten würde. Zur Geschwindigkeit: auch das könnte man auf eine “Explosion” zurückführen, wenn man annimmt, dass dieser Teil des Meteors durch die “Explosion” nach oben, also entgegen seiner eigentlich Flugrichtung, geschleudert wurde und dann auf seinem weiteren Weg nach unten erst wieder Fahrt aufnehmen musste.

    • Das mit dem Zerbrechen klingt nach einer plausiblen Erklärung.

      Die Geschwindigkeit finde ich aber nach wie vor nicht unerklärlich. Einen Prozess wie eine Explosion braucht man meinens Erachtes nicht, um die beobachtete Geschwindigkeit zu erklären. Abgesehen davon fände ich es auch nicht wahrscheinlich, dass eine Explosion die Vorwärtsgeschwindigkeit weitgehend aufhebt.

  4. Laut Wikipedia ist “NRK (an abbreviation of the Norwegian: Norsk rikskringkasting AS, generally expressed in English as the Norwegian Broadcasting Corporation) the Norwegian government-owned radio and television public broadcasting company, and the largest media organisation in Norway.”

    Klingt erst mal nicht nach einer zweifelhaften Quelle.

    Ich stimme Michael zu: Wenn das ein Hoax ist, dann ein gut gemachter. Auf den ersten Blick scheint mir der Meteorit realistisch – aber, wie oft habe ich schon einen Meteoriten im Flug gesehen? Ich weiss es nicht und bin skeptisch. Bin gespannt, wass die Experten sagen.

  5. Hier gibt es einen Blog mit technischen Überlegungen zu diesem seltsamen Ereignis: http://norskmeteornettverk.no/wordpress/?p=1399

    Fragen, die sich aufdrängen:

    Warum hat niemand eine Feuerkugel gesehen (hätte man auch bei Tag sehen können müssen)?

    Warum wurde kein Überschallknall gehört?

    Warum wurde das Video erst jetzt veröffentlicht?

    Ein Meteoritenexperte meinte per Email (Info v. D. Fischer), dass der abgebildete Stern zu hell für einen echten Meteoriten sei. Überzeugt mich ehrlich gesagt nicht.

    • Vielen Dank für diesen Link. Das ist eine wirklich ganz ausgezeichnete Aufarbeitung der verfügbaren Information. Es ist sehr wichtig, dass die richtigen Fragen gestellt werden, anstatt dass alles gleich rundheraus, vielleicht auf der Basis falscher Vorstellungen abgelehnt, oder auch einfach so unkritisch geglaubt wird.

      Ich weiß nicht, ob der Überschallknall eines faustgroßen Meteoroiden unbedingt auf dem Boden zu hören sein muss. Da spielt auch der Eintrittswinkel eine Rolle – es wäre interessant, mal zu untersuchen, bei welcher Höhe Mach 1 unterschritten wird. Zum Feuerball – wenn das Ding in etwa aus Richtung der Sonne kam und zudem der Himmel auch leicht bewölkt war, ist der dann so auffällig, dass er trotzdem wahrgenommen wird?

      Ich weiß es nicht. Ich finde es aber gut, dass genau diese Fragen gestellt werden.

  6. Ich glaube, dass das ein kleiner Schotterstein oder so im Zentimeterberich ist. Er wurde zufällig und unbeabsichtigt mit dem Fallschirm eingepackt und ist dann beim Auslösen hinausgefallen. Passt, glaube ich.

    • Alles in allem die wahrscheinlichster Erklärung. Wär blöd für die, die Jahre nach dem Stein gesucht haben…

    • Wenn ich die Szene noch einmal unter diesem Aspekt betrachte, dann sehe ich, dass der Schirm kurz vor Auftauchen des Steins heftig pendelt. Seht wohl möglich, dass ein kleiner Stein, der irgendwo in einem Saum festsaß, dabei herausgeschleudert wird. Das ist mit der beobachteten Trajektorie durchaus vereinbar. Auch die sichtbare Rotation des Steins passt dazu.

      Die verwendete Kamera hat eine kurze Brennweite und deswegen eine große Schärfentiefe, sodass auch sehr nache Objekte scharf abgebildet werden. Das ist bei diesen Anwendungen ja gewollt. Da kommt es gerade auf ein großes und durchweg scharfes Gesichtsfeld an. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass man bei fliegenden Objekten leicht einer Täuschung unterliegt und ein nahes, kleines Objekt für ein entferntes, großes hält oder umgekehrt.

      Case – wahrscheinlich – closed.

      Einen Hoax, also Absicht seitens des Urhebers, würde ich trotzdem nicht annehmen. Es handelt sich wahrscheinlich um einen echten Irrtum.

  7. Vor dem Auftauchen des “Steins”, sind die Bewegungen iwie unkoordiniert, vielleicht geworfen.
    Seltsamerweise ist etwa 5 sec vor dieser Sequenz auch kurz ein “ähnlicher Fleck” zu sehen.

  8. Die Akte können wir heute schließen, denke ich – denn der Kronzeuge der Meteoriten-Fraktion, ein norwegischer Geologe, hat sich in diesem Kommentar Occams Rasiermesser schwingend der Analyse eines NASA-Mannes angeschlossen, der die Stein-aus-dem-Fallschirm-Hypothese mal genauer durchgerechnet hat.

  9. Den Gedanken hatte ich mir anfangs nicht getraut – Styropor.
    Der “Stein” hätte nicht rotieren dürfen – Schwerpunkt voran.

    • Eine Rotation wird mit der Zeit durch das umgebende Medium gedämpft. Das heißt, es ist eher wahrscheinlich, dass ein kleiner Kiesel taumelt, der gerade aus einem wild hin und her schwingenden Fallschirm gefallen ist und jäh von der Luftströmung erfasst wurde, als dass ein großer Brocken das tut, der schon kilometerweit mit Terminalgeschwindigkeit geflogen ist.

      Styropor hat eine viel zu geringe Dichte. Ein kleiner Brocken aus Styropor (dunkles Styropor ist doch aber eher selten?) würde nicht mit so hoher Relativgeschwindigkeit vorbeifliegen. Er würde den Skydiver wahrscheinlich nicht einmal einholen, denke ich.

      • Eine Rotation wird mit der Zeit durch das umgebende Medium gedämpft

        Dieser Behauptung von mir wurde gerade sehr überzeugend von einem Kollegen widersprochen, der Beispiele dafür nannte, wie eine Rotation durch Aufnahme von Energie aus der Umströmung stabil gehalten oder gar angefacht werden kann: ein trudelndes Flugzeug oder einen Ahornsamen. Es kommt ganz auf die Form des Körpers an. Also muss ich meine ziemlich kategorische Behauptung wohl zurücknehmen.

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