ESAs Mars Express und die MSL-Landung
BLOG: Go for Launch
Am Montag dem 6. August 2012, wird die NASA-Mission MSL in einem dramatischen Einsatz neuer Technologie auf dem Mars landen, und zwar im Krater Gale. Die Mars-Sonde Mars Express der ESA , die seit dem 25.12.2003 den roten Planeten umrundet, wird neben zwei NASA-Sonde den neuen Rover unterstützen.
Mars Express soll mit seiner UHF-Funkeinrichtung Daten des MSL-Rovers empfangen und diese per X-Bandverbindung zur Erde übermitteln. Während des Landevorgangs allerdings hat Mars Express keine besonders guten Sichtbedingungen zur vorgesehenen Landestelle.
Mars Express befindet sich, anders als die US-Orbiter Odyssey und MRO, auf einer hochexzentrischen Bahn, deren marsnächster Punkt etwa 300 km und deren marsfernster Punkt über 10500 km hoch ist. Ein Umlauf der Bahn dauert 7 Stunden. Die Bahn ist fast polar. Unter dem Einfluss von Bahnstörungen dreht sich die Ellipse langsam.
Momentan ist sie so orientiert – und daran kann man außer Abwarten auch nichts machen – dass der marsnächste Punkt sehr weit südlich ist. Der Landeort von MSL im Aeolis Palus ist aber bei 137.4 Grad Ost und 4.6 Grad Süd, also in der Nähe des Äquators. Das bedeutet, dass Mars Express in absehbarer Zeit nicht in wirklich niedriger Entfernung über diese Lokation fliegen wird – ein geringer Abstand wäre optimal für die Datenübermittlung, weil man dann die geringste Funkfelddämpfung hat und auf höhere Übertragungsraten schalten kann.
“Datenempfang” während des Landevorgangs
Zum Zeitpunkt der Landung nun – die voraussichtliche Landezeit ist am 6.8.2012 um kurz vor 5:18 UTC, also 7:18 MESZ – ist es zudem noch so, dass Mars Express kaum über dem Horizont sichtbar ist. Wenn Sie irgendwo die Zeit 5:31 UTC bzw. 7:31 MESZ lesen, dann wurde da zur eigentlichen Zeit des Ereignisses noch die Lichtlaufzeit zur Erde von momentan fast 14 Minuten hinzugerechnet. Die Unterscheidung zwischen “Spacecraft Event Time” und “Ground Receive Time” führt regelmäßig zur Verwirrung, bei allen beteiligten, Laien wie Experten.
Ich habe dazu mal die relative Geometrie ausgerechnet und in drei Grafiken dargestellt. In der ersten Grafik sieht man die Subspur von Mars Express auf dem Mars. Das rote Viereck kennzeichnet die Position zu der Zeit, wenn die Landeeinheit von MSL in die Atmosphäre eintreten wird. Aeolis Palus, der Landeort, ist mit einem orangen Kreis gekennzeichnet. Während der 7 Minuten bis zum Aufsetzen bewegt sich Mars Express in Richtung des kleinen Pfeils, also auch noch vom Landeort weg.
Wie man schon aus der obigen Marskarte ersieht, ist MEX zum Zeitpunkt der Landung ganz schön weit weg. Das geht nun mal nicht anders – an den Bahnelementen kann man nicht viel drehen. Der Abstand ergibt sich auch aus dem nächsten Diagramm: Am 6.8. um 5:10 UTC, also etwa zur Zeit, bei der die MSL-Landeeinheit in die Atmosphäre eintritt, ist Mars Express 6000 km vom Ort entfernt, an dem Curiosity landen wird. Der Abstand zur Landesonde ist da noch etwas geringer, denn die fliegt da ja noch mit hoher Geschwindigkeit auf ihr Ziel zu. Sieben Minuten später, wenn der Rover aufsetzt, ist der Abstand bereits auf 6400 km gewachsen. Wenn um 5:35 UTC SCET Mars Express unter dem Horizont verschwindet, sind es 8000 km. Für UHF ist das schon ein gewaltiger Abstand.
Nächstes Problem, nach der Entfernung: Wenn man ausrechnet, unter welcher Elevation über dem Horizont Curiosity denn Mars Express sehen kann, entweder kurz vor der Landung oder kurz danach, dann zeigt sich, dass der Orbiter kaum üiber dem Horizont sichtbar sein wird. Eigentlich ist es so gut wie ausgeschlossen, dass um den Landevorgang herum überhaupt noch eine Sichtverbindung besteht.
Aus den genannten Gründen ist es auch nicht so, dass Mars Express während des Landevorgangs bereits die von der MSL-Landeeinheit gefunkten Daten empfangen und weiterleiten wird. Alles, was Mars Express zu diesem Zeitpunkt machen wird, ist, das Signal zu empfangen. Nicht die auf das Signal vom Sender aufmodulierten Daten, sondern die mit dem empfangenen Signal verbundenen spektralen Messwerte stellen zu diesem Zeitpunkt die “Daten” dar, die an die Erde übermittelt werden und die später bei der NASA analysiert werden.
Das mag die interessierten Laien weniger interessieren – für die beteiligten Ingenieure ist diese Information aber enorm wichtig. Zum einen kann man – im schlimmsten Fall, wenn also die Landung scheitert – sehen, wann die Landeeinheit aufhörte, zu senden. Zumindestens zu dem Zeitpunkt muss sie noch funktioniert haben. Zum anderen kann aus der Empfangsfrequenz, die Bestandteil der von Mars Express an die Erde übermittelten Daten ist, die Dopplerverschiebung und damit die Relativgeschwindigkeit zwischen Mars Express und MSL-Landeeinheit berechnet werden. Diese zurückgerechneten Werte können mit dem vorausberechneten Dopplerprofil abgeglichen werden.
In der Endphase der Landung wird das nicht unbedingt mehr sehr hilfreich sein, denn dann ist die Bewegung des Landers in etwa senkrecht zur Blickrichtung zu Mars Express, d.h., es kann keine Dopplerverschiebung mehr geben – und wenn doch, dann ist wirklich etwas oberfaul. Aber zumindest am Ende der hypersonischen Phase und beim Abstieg am Fallschirm müssten die Dopplerdaten aussagekräftig sein.
Die Erde geht von Aeolis Palus aus gesehen bereits um 5:08 UTC unter, also 10 Minuten vor der Landung. Es wird daher nicht möglich sein, mit irdischen Radioteleskopen oder Bodenstationen das Signal der Sonde bis zum Aufsetzen zu verfolgen oder gar interferometrische Messungen vorzunehmen, wie es bei der Huygens-Landung auf Titan der Fall war. Damit kommt den Messdaten, die Mars Express liefern wird, besondere Bedeutung zu.
Die lokale Zeit am Aeolis Palus zum Zeitpunkt des Aufsetzens ist übrigens etwa 15:45 h Mars-Zeit, also mitten am Nachmittag. Dies ermöglicht es auch den US-Orbitern, auf ihrem Nachmittagsüberflug das MSL-Signal zu empfangen.
Soviel zum Landevorgang selbst.
An den folgenden Tagen jedoch wird Mars Express, wie man aus obigen Diagrammen ersehen kann, in viel geringerem Abstand und mit hoher Elevation über den MSL-Landeort hinwegfliegen. Zum ersten Mal früh am Tag nach der Landung, und in den darauffolgenden Tagen noch mehrfach. Dann wird tatsächlich ein Empfang und eine Weiterleitung von Daten des Rovers in eigentlichen Sinn erfolgen: Telemetrie mit Zustandswerten der Bordsysteme und hoffentlich auch Bildmaterial.
Übrigens werde ich die MSL-Landung am kommenden Montag aus dem Vorzimmer des Hauptkontrollraums am ESOC verfolgen und habe auch vor, von dort aus zu bloggen. Es haben sich Dutzende Journalisten angemeldet – ich frage mich, wie viele in der Erwartung, dass Mars Express live das erste Bild übermittelt, das Curiosity während des Abstiegs oder nach geglückter Landung auf der Oberfläche schießt?
Weitere Information
Einladung an die Medien auf dem ESA-Webauftritt am 27.7.2012, sowie weiterer Web-Artikel vom 25.7.2012
Livestream der Veranstaltung am ESOC am 6.8.
Mars Express-Blog der ESA
Noch rund 100 Stunden: Curiosity vor dem Ziel – Daniel Fischer fasst auf seinem Blog die bevorstehenden Ereignise zusammen
Was ist denn das interessante an diesen Daten?
[Antwort: Ich hatte es erst zeitlich nicht geschafft, die weitere Beschreibung der Dopplerdaten noch im Artikel unterzubringen. Das habe ich aber inzwischen nachgeholt. MK]
@Hans
Man kann aus diesen Daten ersehen, ob die MSL-Landeeinheit der projektierten Flugbahn gefolgt ist und ob das mit der vorausberechneten Geschwindigkeit erfolgte.
Ah, danke für die Erläuterung.