Pioneer-Anomalie endgültig beerdigt

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die Pioneer-Anomalie, einst als eines der großen ungelösten Rätsel der Wissenschaft betrachtet, ist nach langer schwerer Krankheit von uns gegangen.

Am 3.3.1972 wurde Pioneer 10, die erste von zwei baugleichen Sonden, Richtung Jupiter gestartet. Am 6.4.1973 folgte ihre Zwillingsschwester Pioneer 11. Die synodische Periode zwischen Erde und Jupiter, die Zeit, die zwischen zwei Fenstern liegt, in denen direkte Transfers möglich sind, beträgt 13 Monate. Somit ist die Tatsache, dass zwischen den Starts von Pioneer 10 und 11 genau diese Zeitspanne liegt, kein Zufall. Pioneer 10 passierte am 4. Dezember 1973 den Planeten Jupiter und wurde durch dessen Schwerkraftwirkung erheblich umgelenkt und beschleunigt. Pioneer 11 begegnete am 2. Dezember 1974 Jupiter und am 1. September 1979 Saturn.

Diese Grafik zeigt die Bahnen von Pioneer 10 und 11 und den größeren Voyagers, für die die Pioneers Wegbereiter waren. Quelle: Wikipedia

 

Beide Sonden verlassen auf hyperbolischen Bahnen das Sonnensystem, Pioneer 10 in Richtung des Sternbilds Stier, Pioneer 11 in Richtung Adler. Pioneer 10 hat jetzt (April 2011) einem Sonnenabstand von mehr als 103 astronomischen Einheiten, jedes Jahr kommen mehr als 2.5 astronomische Einheiten hinzu. Bei Pioneer 11 ist die momentane Entfernung und Geschwindigkeit 83 astronomische Einheiten bzw. 2.4 AE/Jahr. (Die astronomische Einheit ist der mittlere Abstand Sonne-Erde: 149.6 Millionen km).

Grafik der Sonde mit den zwei menschlichen Figuren auf der mitgeführten Plakette als Größenvergleich. Die Pioneer-Plakette soll, falls die Raumsonde eines Tages Außerirdischen in die Tentakel fällt, Auskunft über den kleinen blauen Planeten geben, von dem sie vor langer Zeit ausgesandt wurde. Quelle: Wikipedia  

 

Es bestand bis 2002 (Pioneer 10) bzw. 1995 (Pioneer 11) Funkkontakt mit den Sonden und Empfang von Telemetrie. Die Bahnbestimmung fand über Jahre hinweg statt und erreichte einen sehr hohen Grad an Genauigkeit, insbesondere weil mit großem Sonnenabstand (ab 20 AE bis 70 AE) Störquellen sehr gering wurden. Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass die Sonden spin-stabilisiert sind. In der Bahnbestimmung verblieb, wie 1998 vom NASA-Zentrum JPL in Pasadena, Kalifornien bekanntgegeben, ein Restwert: eine winzige sonnenwärts gerichtete Beschleunigung, deren Ursache ungeklärt war. Die Größe dieser “Pioneer-Anomalie” ist mit 8.74±1.33*10-10 m/s2 nur etwa ein Zehnmilliardstel der Schwerkraftbeschleunigung auf der Erdoberfläche.

Eine so kleine Beschleunigung ist viel zu klein, um für die Steuerung von Raumsonden von Bedeutung zu sein. Bei Erdsatelliten oder selbst interplanetaren Sonden, die im inneren Sonnensystem unterwegs sind, würde man eine so kleine Störung gar nicht bemerken. Sie würde vollkommen “im Rauschen”, d.h., in den anderen, viel größeren Störungen untergehen. Beispielsweise zünden bei Raumsonden häufig Triebwerke zur Bahn- und Lageregelung. Der Schub dieser Triebwerke ist aber mit Unsicherheiten behaftet, er variiert von Mal zu Mal, meist nur minimal. Auch der Solardruck oder die thermische Abstrahlung können nur mit Schwierigkeiten vorausberechnet (“modelliert”) werden, es verbleibt dort meist eine gewisse Unsicherheit.

Bei den Pioneers jedoch hatte man diese Unsicherheiten der Modellierung im Griff – meinte man. Sie könnten deswegen nicht der Grund für die Pioneer-Anomalie sein. Auch andere technische Ursachen wie Messfehler wurden ausgeschlossen.

Die Pioneer-Anomalie wuchs sich im Laufe der Jahre zu einer der vermeintlich größten Fragen der Wissenschaft aus. Mangels anderer plausibler Erklärungen schossen die Alternativansätze ins Kraut, bis hin zu solchen, die die Grundlagen der bekannten Physik infrage stellen. Die exotischste, wenn auch nicht unbedingt ernstzunehmendste Theorie entstammt einer bekannten deutschen Tageszeitung (raten Sie mal, welche?), die mutmaßte, außerirdische Lebewesen würden die Sonden zu sich ziehen (wobei allerdings die Pioneer-Anomalie eine zur Sonne gerichtete Beschleunigung darstellt, aber mit solchen Details wie bloßen Vorzeichen nahm es die betreffende Redaktion wohl nicht so genau).

Zehn Jahre später, im Jahre 2008, stellten jedoch andere Wissenschaftler, übrigens auch vom JPL, die Behauptung auf den Prüfstand, nach dem die wahrscheinlichste Ursache, ein Fehler in der Modellierung der Reflektion und thermischen Abstrahlung, ausgeschlossen werden könne. Die Experten des JPL stellten genauere Berechnungen des komplexen Sachverhalts an und stellten fest, dass ein Fehler der Größenordnung wie die Pioneer-Anomalie durchaus im Bereich des Möglichen lag. Nochmals – das ist kein Makel der ursprünglichen Berechnungen. Solche winzigen Kräfte, bei denen berücksichtigt werden muss, dass Strahlung von einer Fläche auf andere reflektiert wird und die nicht unerheblich von lokalen Temperaturdifferenzen an diversen Stellen der Sonde abhängen, sind extrem schwer zu berechnen.

Nun sind zwei weitere Veröffentlichungen zum Thema herausgekommen – in sehr kurzem Abstand voneinander, da gab es wohl ein wissenschaftliches Wettrennen zwischen verschiedenen Instituten.

Die Herren Francisco, Bertolami, Gil und Parámos von verschiedenen Instituten in Portugal publizierten am 27. März 2011 auf arXiv ihre Arbeit, in der die thermische Abstrahlung der Raumsonde genauer berechnet wird. Die Publikation in der Fachzeitschrift Physical Review D ist angestrebt. Sie verwenden dazu eine Methode aus der computergenerierten Grafik namens “Phong-Schattierung” (engl.: Phong shading), die bereits im Jahre 1975 formuliert wurde. Francisco et al. kommen bei Modellierung der gesamten Beschleunigung durch thermische Abstrahlung auf eine Abweichung von der ursprünglichen nichtgravitationellen Beschleunigung, die Richtung und Größe der Pioneer-Anomalie in guter Näherung reproduziert.

Zwei deutsche Wissenschaftler, Benny Sievers und Claus Lämmerzahl vom ZARM an der Universität Bremen haben ihre Arbeit am 20. April 2011 auf arXiv hinterlegt. Sie berechnen den thermischen Strahlungsdruck aufwändig mittels der Methode der finiten Elemente und kommen damit ebenso wie das portugiesische Team zu dem Schluss, dass mit der genaueren Modellierung die Pioneer-Anomalie plausibel erklärt werden kann.

(Übrigens: hier ist eine Präsentation von Claus Lämmerzahl aus dem Jahre 2008 – noch mit ganz anderen Schlussfolgerungen als heute. Es wurde damals sogar eine eigene Mission vorgeschlagen, die dediziert versuchen sollte, eine Anomalie zu reproduzieren.)

Nun gibt es also schon zwei unabhängige Berechnungsansätze mit demselben Ergebnis. Auch die JPL-Gruppe dürfte ihre neuesten Ergebnisse in naher Zukunft vorlegen. Es sieht ganz so aus, als sei die Pioneer-Anomalie gar keine. Somit sind auch die physikalischen oder gar kosmologischen Theorien durch Ingenieursarbeit hinfällig geworden.


PS: Wie in der Arbeit der ZARM-Mitarbeiter Sievers und Lämmerzahl erwähnt, können sie zwar eine plausible Erklärung der Pioneer-Anomalie, aber keine Aussage zur Flyby-Anomalie liefern. Diese bleibt somit ein wirkliches Rätsel der Wissenschaft.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

10 Kommentare

  1. Erleichterung

    Ich bin, ehrlich gesagt, erleichtert. Die allgemeine Relativitätstheorie ist so eine schöne Theorie, dass ich eine neue Gravitationstheorie nicht gerne gesehen hätte.

    Die Außerirdischen, die unseren Weltraumschrott nicht haben wollen, fand ich gleich nicht wirklich einleuchtend 😉

    [Moment, Moment, es gibt da ja immer noch die Flyby-Anomalie, die der Erklärung harrt! MK]

  2. Der MOND ist niedergegangen

    Die Modified Newtonian Dynamics MOND wurde ja ursprünglich als Alternative zur Dunklen Materie erfunden, vor allem um das galaxy rotation problem zu lösen. Doch die Pioneer Anomalie schien eine weitere Bestätigung von MOND (auf der Wikipedia-Seite für MOND gibt es immer noch einen Link zur Pioneer-Anomalie).
    Der Wikipedia-Eintrag für die Pioneer-Anomalie ist übrigens bereits aktualisiert und enthält Hinweise auf das Phong-Shading-Verfahren und auf verbesserte Berechnungen zum Strahlungsdruck.

    [Herr Holzherr, ich weiß, aber ich wollte bewusst keine der von mir unter dem Begriff “Alternativtheorien” subsumierten Theorien beim Namen nennen. Mir ging es erst einmal darum, dass eine relativ einfache Erklärung gefunden wurde, mit der das vermeintliche Phänomen einfach verschwindet. Wenn eine einfache, hinreichende Erklärung gefunden wird, dann ist bei konsequenter Anwendung von Ockhams Rasiermesser diese Erklärung allen komplizierteren vorzuziehen. Und die gefundene Erklärung ist nun einmal unbestreitbar einfacher als Theorien, die an die Grundfesten der Physik rühren.

    Es ist einfach nur ein Modellierungsfehler in der Bahnbestimmung. Kein bedeutender, keiner, der irgendeine praktische Auswirkung hat. Für den Betrieb der Sonden war die bis dato verwendete Modellierung des thermischen Strahlungsdrucks allemal gut genug. Und “gut genug” reicht Ingenieuren. MK]

  3. I told you so …

    … und zwar schon vor neun Jahren! Die Art und Weise, wie die ‘geheimnisvolle Anomalie’ ein Jahrzehnt lang künstlich am Leben erhalten wurde, wird hoffentlich bald die Wissenschaftssoziologie auf den Plan rufen. N rays, anyone …?

    [Ich fände es nicht besonders hilfreich, wenn die Welt nun von I told you so!s wiederhallt. Lieber wäre es mir, wenn die Herren und Damen Füsiker, anstatt übereinander herzufallen, sich mal etwas nützlich machen und eine plausible Erklärung für die Flyby-Anomalie finden würden.

    Die liegt mir schwer im Magen, wie alles, was unbestreitbar da ist, einen in irgendeiner Form betrifft, aber nicht erklärt werden kann. Dass bei der Pioneer-Anomalie am Ende eine relativ triviale Erklärung gefunden werden würde, war angesichts der Größenordnung nicht ganz unerwartet. Bei der Flyby-Anomalie scheint mir die Situation lange nicht so klar.

    Wenn die das zufriedenstellend erklärt haben, kann meinetwegen auch wieder das bei Füsikern im Falle eines erfolgreich gelegten Eis übliche Kakeln, Mirakeln und Spektakeln losgehen. Das hätten die sich dann redlich verdient. MK]

  4. @Fischer “I told you so”

    Huch, und ich hätte gewettet, dass sich zuerst ein Hobbyhimmelsmechaniker und Einsteinwiderleger aus der Deckung wagt – nach dem Motto: “alles gar nicht wahr…”

    So rum ist’s auch nicht schlecht!

  5. Fly-By-Anomalie: Wer ist zuständig?

    Also wenn ich mir die Tabelle der bisherigen Beobachtungen anschaue, dann ist da so wenig ‘System’ drin, dass sich die Frage aufdrängt, ob hier nicht eher ingenieurseitige Probleme mit der Analyse der subtilen radio science der dominante Effekt sein könnten. (Siehe das letztens erwähnte Giotto-Problem: Auch nach 25 Jahren besteht keine Einigkeit, was der armen Sonde im Perikometikum genau widerfuhr.)

    Beim Pioneer-Effekt war das anders: eine jahrelange Messreihe, immer dasselbe Vorzeichen, da hat man was in der Hand. Das Problem lag dann eher darin, die präzisen Maße der Sonden zu ermitteln, um die Wärmeabstrahlung zu berechnen – und dann hat’s auch prompt gepasst. Wie gesagt, das erste Mal schon vor 10 Jahren und nun gleich zwei weitere Male, jedesmal mit einem anderen mathematischen Verfahren.

    @Hattenbach: Die MONDsüchtigen trauern wohl still, und das ehrlicherweise schon seit Jahren – denn für sie ‘passte’ der Pioneer-Effekt nur dann so schön numerisch, wenn auf die Sonde sonst gar keine klassischen Kräfte einwirken würden. Das aber ging schon kaputt, als die Anomalie-Fans vor ein paar Jahren begannen, der thermischen Abstrahlung zumindest einen Teil des Effekts zuzugestehen.

  6. @Daniel Fischer

    Zur Flyby-Anomalie

    Es ist richtig, dass die Messungen der Anomalien bei Erdswingbys reichlich unsystematisch aussehen. das liegt aber großenteils daran, dass wir es hier mit “undersampling” zu tun haben, also einer zu geringen Anzahl von Beobachtungen angesichts einer wahrscheinlich nicht geringen Komplexität des Problems. Es hat halt nicht so viele Erdwingbys gegeben, und Swingbys an anderen Himmelskörpern sind nicht geeignet für die Detektierung der Flyby-Anomalie, weil die erforderliche Genauigkeit der Bahnbestimmung dort nicht gegeben ist.

    Versuche, eine Systematik einzuführen, hat es durchaus gegeben, beispielsweise durch Anderson et al. (2008). (Ja, derselbe Anderson wie der von der Pioneer-Anomalie, aber mit Mitwirkung anderer sehr erfahrener und (auch von mir) hochangesehener JPL-Experten wie James F. Jordan). Dieses oft missverstandene Paper versucht, eine heuristische Formel zu finden, die das Auftreten der Anomalie beschreibt, nicht erklärt, und zwar als Funktion der Änderung der Deklination zwischen ankommender und ausgehender Asymptote der Vorbeiflughyperbel. Leider versagte die Formel aber beim letzten Rosetta-Erdvorbeiflug. Da sagte sie eine Anomalie voraus, beobachtet wurde keine.

    Mit dem Versagen der Formel ist auch der Versuch von Mbelek (2009)als gescheitert zu betrachten, eine relativistische Erklärung für die Anomalie zu finden. Mbelek findet zwar eine Erklärung für das von der Anderson-et-al-Formel beschriebene Verhalten, die aber reproduziert wie gesagt nicht zuverlässig die Beobachtungen.

    Ich werde mich nun sicher nicht so weit zum Fenster ‘rauslehnen, dass ich eine Mis-Modellierung der Messungen als Ursache der Flyby-Anomalie kategorisch ausschließe. Ich gebe aber zu bedenken, dass hier verschiedene Teams mit verschiedenen Methoden und verschiedenen Tools gearbeitet haben – alle kommen in den beobachteten Fällen zu denselben Anomalien. Die Mis-Modellierung ist das erste, woran man gedacht hat, und ausgeschlossen weren kann das immer noch nicht, als Ursache belegt ist es allerdings ebensowenig wie alles andere.

    Die Anomalie ist übrigens groß – zwar nicht genug, als dass daraus ein wirkliches operationelles Problem erwächst, aber doch groß genug, dass man Probleme hätte, sie mit einer Mismodellierung zu erklären. Die Frage bleibt offen.

    Anmerkung: Vielleicht sollte ich gerade kategorisch ausschließen, dass es an der Mis-Modellierung der Messwerte liegt. Es ist ja anscheinend immer so, dass gerade, wenn einer steif und fest behauptet, etwas könne auf gar keinen Fall der Grund für ein Phänomen sein, ein anderer daherkommt und unwiderlegbar beweist, dass genau das der Grund ist, un der erste ist blamiert. Das muss wohl ein Naturgesetz sein, oder so. Das Gesetz der größtmöglichen Blamage.

    Die Pioneer-Anomalie

    Wie bereits beschrieben, die Tatsache, dass die Pioneer-Anomalie úberhaupt gemessen werden konnte, ist ein rarer Glücksfall und liegt daran, dass die Pioneers spin-stabilisierte Sonden waren, die jahrelang mit ihrer Rotationsachse nahezu in Sonnenrichtung zeigten. Die stochastischen Anteile der Störungen waren dadurch so klein und das “Rauschen” in der Bahnbestimmung so gering, dass der winzige Modellierungsfehler sichtbar wurde. Bei den dreiachsenstabiliserten Voyager-Sonden, die ja prinzipiell in derselben Art von Bahn fliegen, war so etwas nicht möglich.

    Das Giotto-Problem

    Ich habe mittlerweile mit einer ganzen Menge Projektbeteiligter gesprochen. Einige sind schon pensioniert, die konnte ich nicht alle erreichen. Ihre Annahme jedoch, dass Uneinigkeit über den Hergang besteht, kann ich so nicht bestätigen. Im Gegenteil, alle, mit denen ich sprach, waren sich einig darin, dass die beobachtete Situation durchwegs konsistent mit einem Einschlag eines größeren Staubkorns abseits der Symmetrieachse und nachfolgender Nutation war, die nach dem Vorbeiflug asymptotisch gedämpft wurde.

  7. Eine aktuelle Einführung in das Thema

    Wir (drei LMU-Studenten) haben in den letzten Monaten im Rahmen der Vorlesung “Sterne und Planeten” von Prof. Dr. Harald Lesch für den “Physik Bachelor plus Astronomie”-Studiengang eine weitgehend allgemeinverständliche Arbeit über die Hintergründe der Anomalie und ihrer vermutlichen Lösung geschrieben.
    Ihr findet sie hier:
    http://pioneer.99k.org/

  8. Ein alter Bekannter

    Vor ziemlich genau drei Jahren watschelte eine dicke Ente durch die Medien der Welt und quakte von einem dreizehnjährigen Schüler namens Nico Marquardt aus Potsdam, der im Rahmen eines Jugend-Forscht-Projekts angeblich berechnet haben wollte, dass die Einschlagswahrscheinlichkeit des Asteroiden 99942 Apophis im Jahre 2037 viel höher sein sollte als damals von der NASA angegeben. Mehr dazu in den Kosmologs hier und hier. Die Süddeutsche berichtete durchaus zutreffend und ausgewogen hier. Irgendwann flaute das Gequake ab.

    Was wirklich in der JuFo-Arbeit Marquardts stand, weiß ich leider nicht, da ich, obwohl auch mein Name damals im Zusammenhang mit der Sache erwähnt wurde – ich hätte angeblich die Ergebnisse bestätigt, was allerdings frei erfunden ist – die Arbeit nie zu sehen bekam und auch nicht an ihrer Erstellung beteiligt war.

    Besagter Schüler, nun drei Jahre älter, zielt heute höher und beschäftigt sich nun angeblich mit Kosmologie. Die JuFo-Juroren haben auch diesmal wieder seine Arbeit prämiiert, die, wie ich diesem Presse-Artikel vom 2.3.2011 entnehme, folgendes Thema hat:

    Theorie zur Entstehung Pioneer- und Fly-by Anomalie im Bezug zur Tajmar Wirkung

    Naja. Ich hoffe, die 75 Euro Preisgeld hat er schon, dann kann ihm jetzt nichts passieren. Die Tajmar-Wirkung oder der gravitometrische Effekt ist übrigens ein umstrittenes Resultat des Physikers Martin Tajmar aus dem Feld der Antigravitationsforschung.

    Dieses ziemlich verschwurbelte Dokument auf seiner Webseite kommt mir vor wie reines Blendwerk. Was er da zusammenschreibt, sieht reichlich unzusammenhängend aus und ist es auch. Mit seiner angeblichen Theorie zur Massenträgheit, die er erfolgreich an der Pioneer-Anomalie getestet haben will, dürfte es jetzt wohl Probleme geben. Falls überhaupt etwas Konkretes dahinter steckt, was mir unwahrscheinlich erscheint. Ist da wirklich mehr dran als ein Haufen zusammengerührter Buzzwords, die genannt werden um zu beeindrucken, in der Erwartung, dass der Gegenüber eh nicht weiß, worum es geht? “Davis-Unruh-Strahlung”, einfach so hingeworfen, was soll das? Gemeint ist wohl der Fulling-Davies-Unruh-Effekt, aber was hat der mit dem Gesagten zu tun?

  9. Flyby-Anomalie

    ist bei der Flyby-Anomalie berücksichtigt, dass einige Raumsonden das Massezentrum nicht in der Mitte der Sonde haben, ich meine bei denen mit Radioisotop-batterien, während die anderen vielleicht durch Sonnenwinddruck auf die Solarflügel “beschleunigt” werden könnten?

  10. @Konrad Marek

    Wie die Massenverteilung der Sonde ist, ist für die Flyby-Anomalie, bei der es um eine Bahnstörung ungeklärter Ursache geht, unerheblich.

    Das ist allenfalls bei der Berechnung von Lagestörungen von Relevanz, und da werden in der Tat Modelle der Massenverteilung und der Form einer Sonde verwendet, um zu berechnen, welche Lagestörungen durch den Gravitationsgradienten und den Solardruck entstehen.

    Durch den Solardruck (nicht Sonnenwind, das ist etwas ganz anderes) verursachte Störbeschleunigungen, die auf die Bahn einen Einfluss haben, werden natürlich auch betrachtet, denn sonst könnte man keine exakte Bahnbestimmung machen; es gäbe immer erhebliche Residuen (Restfehler).

    Die Modelle der Störbeschleunigungen und Störmomente werden während der Mission laufend anhand der Messdaten der Bahn- und Lagebestimmung kalibriert.

    Es gibt (noch) keine bekannte, plausible Erklärung für die Flyby-Anomalie, zumal die damit verbundene Beschleunigung offenbar über einen sehr kurzen Zeitraum aufgebracht wird (vor dem Flyby ist die Bahnbestimmung noch i.O., nach dem Flyby werden auf einmal beträchtliche Residuen registriert.

    Hinzu kommt, dass eine Flyby-Anomalie bei Erd-Swingbys bei ein und derselben Sonde (Rosetta) bei einem Flyby registriert wurde, bei einem anderen nicht.

    Es ist also nicht ganz offensichtlich, was da läuft.

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