Kometensonde Rosetta: Was wäre, wenn …

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Die ESA-Kometenmission Rosetta wird Ende September 2016 enden. Das Raumsonde wird nach einer Sequenz zunehmend engerer Vorbeiflüge auf dem Kern des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko (Nein, bitte nicht “Tschuri”!) aufsetzen. Da sie aber nicht dafür ausgelegt ist, ist nicht mit einem Weiterbetrieb als Oberflächensonde zu rechnen. Ende September ist also Schluss.

Das war’s dann für eine phänomenal erfolgreiche Mission: die erste Langzeitbeobachtung eines aktiven Kometenkerns aus nächster Nähe.

Da stellen sich natürlich zwei Fragen:

  1. Warum geht’s nicht noch ein bisschen am Kometen 67P weiter?
  2. Hätte man nicht mit der funktionierenden Sonde etwas Anderes anstellen können?

Hier die Antworten:

Warum macht Rosetta nicht weiter?

Die Bahn von Rosetta um die Sonne ist gleich der des Kometen. Der Komet entfernt sich aktuell von der Sonne. Sein kommendes Aphel liegt deutlich jenseits der Jupiterbahn. Die Trajektorie kann durch numerische Propagation bestimmt werden, oder man holt sie sich von JPL Horizons.

Ekliptische Projektion der Bahn von Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko (und Rosetta) vom Anfang 2016 bis Ende 2021.
Credit: Michael Khan, ESA / Ekliptische Projektion der Bahn von Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko (und Rosetta) vom Anfang 2016 bis Ende 2021.

Kennt man die Bahn, kann man leicht den Sonnenabstand errechnen. Mitte 2016 lag dieser schon bei 3.5 astronomischen Einheiten; er bewegt sich jetzt auf den Wert 4 AE zu und wird 2018 stolze 5.7 AE erreichen.

Abstand vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zur Sonne, zur Erde, zum Mars und zum Jupiter, Anfang 2016 bis Ende 2021
Credit: Michael Khan, ESA / Abstand vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zur Sonne, zur Erde, zum Mars und zum Jupiter, Anfang 2016 bis Ende 2021

Je weiter von der Sonne, desto weniger Sonnenlicht erreicht die Sonde. Das hat einen doppelten Effekt. Zum einen produzieren die Solargeneratoren weniger Strom. Zum anderen kühlt die Sonde aus. Manche Komponenten dürfen aber nicht zu sehr abkühlen; sie müssen elektrisch beheizt werden. Also wird gerade dann mehr Strom gebraucht, wenn weniger verfügbar ist.

Jetzt könnte man argumentieren, dass Rosetta ja bereits ein Aphel überlebt hat, und zwar im Zustand der Hibernation vor der Begegnung mit dem Zielkometen. Der Sonnenabstand beim Apheldurchgang Mitte 2012 betrug 5.29 AE, also nur unwesentlich weniger als das bevorstehende. Allerdings waren damals die Solargeneratoren und vor allem die Batterien noch in frischerem Zustand als jetzt.

Ein wissenschaftlicher Betrieb unter Nutzung der Instrumente und der Funkanlage wäre schon bei wesentlich geringeren Sonnenabständen bereits problematisch. Man müsste also eigentlich schon bald in den Hibernationsmodus gehen.

Nun könnte man ja versuchen, einfach so lange weiter zu machen, wie es noch geht. Vielleicht könnte man ja noch ein paar Wochen mehr an Wissenschaft heraus kitzeln?

Elongation der Erde vom Kometen 67P/Churyumov Gerasimenko udn damit auch von der Rosetta-Sonde (rot) sowie Elongation des Kometen von der Erde aus gesehen, Anfang 2016 bis Ende 2021
Credit: Michael Khan, ESA / Elongation der Erde vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko und damit auch von der Rosetta-Sonde (rot) sowie Elongation des Kometen von der Erde aus gesehen, Anfang 2016 bis Ende 2021

Da spielt aber leider die Geometrie zwischen Sonne, Erde und Kometen (und damit Rosetta) nicht mit. Im Oktober verschwinden Komet und Rosetta von der Erde aus gesehen hinter der Sonne. Wenn die Elongation des Kometen zu gering wird, ist eine Kommunikation mit der Erde nicht mehr möglich. Anfang Oktober ist also unweigerlich Schluss. Man müsste jetzt bereits die Hibernation vorbereiten, damit die Sonde in einem gesicherten Zustand ist, solange es noch geht.

Was ist mit Alternativmissionen für Rosetta?

Genau das habe ich mir schon im Januar 2016 angeschaut. Eine Alternativmission könnte darin bestehen, einen anderen Kleinplaneten zu besuchen. Das aber ist nicht so einfach. Man kann im Weltraum nicht einfach auf die Bremse treten und den Kometen allein weiter ziehen lassen.

Um die Bahn von Rosetta deutlich zu ändern, müsste man erhebliche Mengen an Treibstoff aufwenden, die die Sonde nicht mehr hat. Man könnte vielleicht die Schwerkraft eines Planeten nutzen, um die Bahn umzulenken. Falls der Komet einem Planeten nahe käme, könnte Rosetta sich jetzt schon etwas absetzen, um dann einen geigneten Swingby anzuvisieren.

Aber wie die zweite der obigen Grafiken gezeigt, ist der einzige Planet, dem der Komet in absehbarer Zeit begegnen wird, der Jupiter, und das auch nicht wirklich nah, sondern mit einem Abstand von mehr als 50 Millionen km. Wenn man eine Missionsverlängerung anvisiert hätte, wäre Rosetta da schon lange wieder in Hibernation. Ein gezielter Vorbeiflug wäre so nicht möglich gewesen. Man muss also wohl davon ausgehen, dass die einzige Chance zu einer Alternativmission darin besteht, einen Asteroiden oder Kometen zu besuchen, dem Komet 67P ohnehin schon nahe kommt. So ein Vorbeiflug würde im schnellen Vorbeiflug erfolgen müssen, denn für eine Angleichung der Bahnen reicht nie und nimmer der Treibstoff.

Anfang 2016 schaute ich mir die Bahnen aller bekannten Asteroiden und Kometen an und berechnete den Minimalabstand zur Komet 67P und das Datum der “Begegnung”. Der Vollständigkeit halber sowohl für den Zeitraum bis Ende September 2016 (also vor der oberen Konjunktion), und dann noch ab Ende 2020, wenn der Sonnenabstand wieder deutlich unter 4 AE sein wird.

Kurz und schmerzlos:

Bis Ende September 2016 begegnet Komet 67P 28 bekannten Asteroiden mit einem Abstand von weniger als 0,1 AE (aber das sind immer noch 15 Millionen km). Die größte Annäherung von 0.045 AE war mit 11322 Aquamarine am  15.6.2016. Ein etwa 3.5 km großer Felsbrocken. Ob Rosetta wirklich zu diesem Körper hätte gelenkt werden können, habe ich nicht überprüft – wahrscheinlich nicht. Begegnungen mit Kometen in diesem Jahr fanden nicht statt.

Schaue ich mir den Zeitraum ab Ende 2020 an,dann begegnet Komet 67P wenigstens einem anderen Kometen, und zwar LINEAR-Hill (P/2008 QP20) am 25.3.2021 mit einem Abstand von 0.09 AE (also nicht wirklich nahe) bei einem Sonnenabstand von 2.64 AE. Ich fand eine ganze Menge Asteroidenvorbeiflüge, davon den dichtesten am Asteroiden 42543 / 1996 BR im Abstand von 0.0032 AE. Das ist nur eine halbe Million km und wäre wahrscheinlich machbar. Ob es sich lohnen würde, ist eine andere Frage.

Zusammengefasst:

Es konnte kein plausibles und wissenschaftliches überzeugendes Ziel für eine Add-on-Mission für die Rosetta-Raumsonde identifiziert werden. Zudem hätte eine solche Anschlussverwendung zwingend die erfolgreiche Hibernation mindestens bis Mitte 2020 erfordert.

Wenn schon Hibernation, dann lieber, um danach 67P weiter zu beobachten. Die Chancen auf den Erfolg der Hibernation sind allerdings gering. Damit ist klar: Die gewählte Strategie mit dem großen Finale ist der bestmögliche Weg: Beobachtung des Kerns von Komet 67P aus immer geringerem Abstand mit schlussendlichem Aufsetzen und dann Missionsende.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kosmologs-Artikel “Recht behalten, aber zu spät” vom 22. Juni 2011. Dort wird der erfolglose Vorschlag zweier junger Ingenieure für eine zweite Missionsverlängerung einer anderen Kometensonde der ESA beschrieben, und zwar “Giotto” im Jahr 1992.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

16 Kommentare

  1. Kann Rosetta im aufgesetzten Zustand noch mit der Erde kommunizieren ? Die Antennen sind dann ja nicht mehr zur Erde ausrichtbar !
    Ist es möglich/sinnvoll Rosetta im aufgesetztem Zustand in den Winterschlaf zu versetzen, um eine Chance des Erwachens beim nächsten Perihel zu haben ?

    • Rosetta hat zwar eine steuerbare Hauptantenne als Konsequenz aus der Tatsache, dass die Sonde ja auch das Datenrelais für Philae im “Bent Pipe”-Modus darstellt, also ohne langwierigs Zwischenspeichern an Bord.

      Aber! Niemand kann sagen, in welcher Lage sich Rosetta auf der Oberfläche zur letzten Ruhe bettet. Die Oberfläche ist alles andere als eben. Vielleicht kippt das Ding gleich nach der Landung um und blockiert dabei die High-Gain-Antenne.

      Klar kann man Glück haben, dass die Erde gerade noch so in der Antennenkeule liegt. Wer weiß. Weil man aber keine Aussage treffen kann und das Gelingen unwahrscheinlich ist, sollte die Antwort lieber “Nein” lauten.

      Was die Hibernation angeht, die Solargeneratoren werden nach dem Aufsetzen vielleicht verbogen, vielleicht abgebrochen sein. Die Sonde wird in konduktivem Wärmeaustausch mit der Oberfläche stehen, die jenseits der Jupiterbahn sehr kalt werden dürfte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Batterien und Elektronik so etwas überstehen.

      Ob die Solargeneratoren jemals wieder Strom einspeisen, kann niemand vorhersagen. Ebensowenig, ob beim Aufsetzen oder danach nicht noch andere Dinge kaputt gehen.

      D.h., die Antwort auf beide Fragen “Nein”.

  2. Die Beschädigungen an Rosetta beim Aufsetzen hängen von der Aufsetzgeschwindigkeit und vom Untergrund ab. Wenn man mit den Lageregelungsdüsen die Aufsetzgeschwindigkeit auf die Größenordnung von 1mm/s begrenzt, dürften sich die Zerstörungen in Grenzen halten, denn die Struktur mußte vorher ja auch dem Triebwerksschub widerstehen können. Wenn man Rosetta beim Aufsetzen eine Chance zu Überleben geben möchte, muß man aber noch weitere Bedingungen einhalten :
    1. Die Sonde muß möglichst senkrecht ohne Horizontalgeschwindigkeit aufgesetzt werden.
    2. Die Sonde muß auf einer möglichst glatten Seite der Sonde, auf der sie stehen kann, landen.
    3. Die Solarpanele müssen vom Kometen weg ausgerichtet sein.
    4. Die Sonde muß in einer sonnigen Gegend aufsetzen. (Philae hatte Pech)
    5. Die Sonde muß selbständig ihre Lage im Raum erkennen und die Hauptantenne auf die Erde ausrichten können (der Komet dreht sich ja !).

    Wenn man Rosetta eine Chance zum Überleben geben möchte, dann muß man beim Anflug nicht nur darauf achten, schöne Bilder zu bekommen, sondern auch darauf, daß auch die übrigen Notwendigkeiten erfüllt werden. Ansonsten finde ich – man hat es bestimmt schon bemerkt – eine Art Kamikaze-Einsatz ohne jede Überlebenschance als keine gute Lösung. Die Marsrover haben auch bedeutend länger überlebt, als geplant war. Warum hält man das bei Rosetta im Winterschlaf für unmöglich ? Ich weiß nicht ob das sachlich ist, aber es sieht fast so aus, als ob die ESA Kosten sparen möchte und das Projekt deshalb jetzt beenden möchte.

    • Eine so geringe Aufsetzgeschwindigkeit (“1 mm/s”, “Null Horizontalgeschwindigkeit”) … wie soll das gehen? Aufgrund der Entfernung von der Erde ist Echtzeitsteuerung nicht machbar, also muss alles automatisch im geschlossenen Regelkreislauf ablaufen. Aber unter Verwendung welcher Technik zu Messung des verbleibenden Abstands zur Oberfläche?

      “Beide Solargeneratoren sollen vom Kometen weg zeigen” … Ich empfehle die Betrachtung der Bilder der Kometenoberfläche unter Berücksichtigung der Abmessungen der Solargeneratoren. Man kennt die genaue Beschaffenheit des Untergrunds an der Landestelle Ma’at nicht, aber es ist ausgesprochen wahrscheinlich, dass sie sehr porös ist. Ich empfehle die Lektüre der aktuellen Ausgabe von SuW. Rosetta hat eine Masse von mehr als 2 Tonnen, und eine entsprechende kinetische Energie, der der Boden wenig entgegen setzen kann. Rosetta wird da einbrechen.

      Ich gehe davon aus, dass es eine Abwägung gegeben hat, bevor man beschloss, die Sonde auf der Oberfläche abzusetzen. Finanzielle Aspekte werden da eine Rolle gespielt haben, aber nicht die einzige und auch nicht die wesentliche.

      Die aktuelle Wissenschaftsphase ist extrem ertragreich. Würde man Rosetta in Hibernation versetzen wollen, müsste man jetzt anfangen. Dazu müsste man viel der aktuellen wissenschaftlichen Beobachtung opfern. Dem steht eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit für das Wiedererwecken Ende 2020 gegenüber. Vielleicht ist die Hibernation nicht komplett “unmöglich”. In der Wissenschaft geht es um Wahrscheinlichhkeiten. Das Überleben der erneuten Hibernation wird als unwahrscheinlich angesehen. Warum, steht im Artikel. Gleich nach der zweiten Abbildung.

      Da finde ich die Entscheidung nachvollziehbar. Ich war aber nicht an ihr beteiligt, auch wenn ich die Argumente kenne. Wenn Sie über Informationen verfügen, die den beteiligten Ingenieuren und Wissenschaftlern nicht vorliegen, dann schlage ich vor, Sie wenden sich an die verantwortlichen Stellen. Aber es wäre besser, wenn Sie Ihren Forderungen auch Vorschläge zur Durchführung beifügen.

  3. Danke für Ihre Antwort, Herr Khan. Ich bin natürlich kein Missionsspezialist und kenne auch nicht die Grenzen der Möglichkeiten von Rosetta. Ich bin nur (Fast)Laie (Physiker). Mein Beitrag war natürlich nur eine Meinungsäußerung. Aber ich habe den Eindruck, daß ich mit dieser Meinung nicht alleine stehe.

    Ich denke, aus der Bahn von Rosetta kennt man die Masseverteilung des Kometen inzwischen recht gut und kann den Abstieg von Rosetta auch simulieren. Aus dieser Simulation kann man dann ein automatisches Abstiegsprogramm erstellen. Dann muß man nur noch korrigierend eingreifen, um die Genauigkeit zu erhöhen (zu ermöglichen). Und 1mm/s sind 3,6m/Stunde. Bei so einer geringen Geschwindigkeit hat man im Endanflug Zeit einzugreifen und kann möglicherweise (wenn die Kameras richtig stehen) auch optisch navigieren.

    Das waren die Gedanken von einigen Freunden und von mir, die wir natürlich als naturwissenschaftlich interessierte Nicht-Missionsspezialisten diskutiert haben. Wir möchten, daß das nicht als Besserwisserei sondern als nachdenken über angesehen wird. Wir waren alle von Kamikaze nicht erbaut, und hätten Rosetta eine Chance weiter zu funktionieren gewünscht. Aber das ist – wie gesagt – nur eine Meinung.

    • Technische Machbarkeit ist nicht etwas, das sich einem Abstimmungsergebnis unterwirft. Ich will aber nicht immer der böse Buhmann sein, der sagt: “Geht nicht”. deswegen sage ich das auch nicht, sondern ich stelle Ihnen einfach mal eine Gegenfrage.

      Mal angenommen, eine so langsame Abstiegsgeschwindigkeit und die sich daraus ergebende Abstiegsdauer ließen sich realisieren. Angenommen, die Bahnstörungen, durch Solardruck, durch Drittkörperstörungen, durch Gas und Staub vom Kometen, durch das inhomogene Schwerefeld des Kometenkerns usw. würden dann nicht dafür sorgen, dass die Trajektorie, und damit auch die Geschwindigkeit sich irgendwohin entwickeln. Angenommen, die Triebwerke wären so exakt. Angenommen, das alles wäre wirklich gegeben (ist es nicht, aber nehmen wir es mal an).

      Wie vereinbart man denn dann eine Abstiegsgeschwindigkeit von 3.6 Metern pro Stunde, bzw. 10 Meter in fast drei Stunden, mit der Tatsache, dass der sehr unregelmäßig geformte Kometenkern sich mit einer Rotationsperiode von 12.4 Stunden unter der sich laaaaaangsam annähernden Sonde hinweg dreht?

      Angenommen, man könnte da quasi über einem Punkt der Oberfläche stehen bleiben, wie verhindert man denn, dass wegen der Rotation des Kometen ein zehn, 100 oder 500 Meter Meter großer Huckel daherkommt, der Sonde ein Pferdeküsschen verpasst, und das war’s?

      Das erscheint mir jetzt auf Anhieb nicht so einfach zu bewerkstelligen.

      Ich teile (irrelevanterweise) auch nicht Ihre Einschätzung, dass da jetzt eine “Kamikaze”-Mission durchgeführt wird. Soweit mir bekannt, sind die beteiligten Wissenschaftler, also die, deren Arbeit wirklich an dieser Raumsonde und den Instrumenten hängt, von vorneherein Teil der Entscheidungsfindung gewesen. Die wollen das so. Die haben die Region Ma’at als Landeort ausgewählt. Die sind der Meinung, dass die aktuell gewonnenen wissenschaftlichen Daten extrem wertvoll sind.

      Hierzu noch einmal der Lesetipp: Sterne und Weltraum 9/2016 Seiten 26-36.

      Ich weiß ja auch nicht. Vielleicht haben die Damen und Herren ja alle Unrecht, wenn sie meinen, was da jetzt ‘rumkommt, sei wichtig. Vielleicht haben auch die Ingenieure Unrecht, die sich kaum Chancen ausrechnen, Rosetta Ende 2020 nochmals wach zu kriegen. Wenn Sie und Ihre Freunde bessere Informationen und mehr Einblick in die Sache haben, was durchaus sein kann, würde ich vorschlagen, mit den verantwortlichen Stellen in Kontakt zu treten, aber idealerweise mit einem etwas weiter ausgearbeiteten Konzept.

      • Ihre Gegenfrage kann ich Ihnen beantworten. Auf rotierenden Himmelskörpern landet man, seit dem man Raumfahrt betreibt. Im Allgemeinen fliegt man in Rotationsrichtung über dem Körper ein, bremst die Horizontalgeschwindigkeit auf die Geschwindigkeit der Oberfläche ab, und muß dann nur noch die Höhe abbauen. Auf Himmelskörpern mit Atmosphäre ist das sehr einfach, weil die Atmosphäre einen großen Teil der Bremsarbeit übernimmt. Auf dem Mond und auch auf dem Kometen muß man diese Bremsarbeit bis zum Stillstand über der Oberfläche mit dem Triebwerk ausführen. Man kann auch gegen die Drehung des Himmelskörpers landen, dann muß das Triebwerk aber noch mehr Arbeit leisten.

        Wegen der Inhomogenität des Gravitationsfeldes hatte ich die die Simulation der Landung im Computer vorgeschlagen. Ausströmende Gase kann man dabei aber nur ansatzweise (als Störfaktor) erfassen und simulieren. Und wenn man das bisher noch nicht getan hat, wird man es auch zeitlich nicht mehr schaffen. Eine Simulation dieser Art ist aufwendig und mit viel Arbeit verbunden.

        Daß die Triebwerke für ein solches Manöver im Endanflug nicht exakt genug funktionieren, war mir schon klar. Deshalb hatte ich auch den Einsatz der Lageregelungsdüsen für den Endanflug vorgesehen. Ob dafür noch genügend Gas zur Verfügung steht, weiß ich nicht.
        Dieser Endanflug mit (Ziel) 1mm/s sollte ja auch nur die letzten 100m sein.

        Problem dürfte in jedem Fall die Ausrichtung der Antenne zur Erde sein. Ich weiß nicht, ob Rosetta über Drallräder zur Lagestabislisierung verfügt.

        Ich möchte hier nicht als Besserwisser erscheinen. Wir haben uns nur darüber Gedanken gemacht und darüber diskutiert. Als naturwissenschaftlich interessierte (und arbeitende) Laien.

        • Vielen Dank, dass Sie mir die Technik zur planetaren Landung erklärt haben. 🙂

          Meine Antwort wiederholt nun aber, was ich bereits in meinem Kommentar von 9:50 schrieb: Es bedarf dazu des geschlossenen Regelkreises. Auch das Anhalten in der Schwebehöhe bedarf des geschlossenen Regelkreises. Es muss dazu ein Messverfahren implementiert sein, um die Höhe über der Oberfläche zu messen, beispielsweise Radar oder Lidar. Zudem müsste der Bordrechner Bilder der Navigationskamera an Bord verarbeiten, um daraus die horizontale Geschwindigkeit zu errechnen.

          Auch bei Intervention vom Boden (nahmen wir mal an, das sei trotz der Lichtlaufzeit möglich), müsste die Messung möglich sein, so wie üblicherweise bei Mond- oder Marslandern. Das wäre theoretisch machbar, ist aber bei Rosetta nicht vorgesehen. Mir ist nicht ersichtlich, mittels welcher Verfahren eine so weiche Landung bewerkstelligt werden sollte.

          Hinzu kommt die vermutlich erhebliche Porosität des Bodens als weiteres Verschärfung des Problems.

          Da das Kontrollteam nun einmal mit der Raumsonde leben muss, so wie sie ist, besteht der eingeschlagene (und technisch durchführbare) Weg daran, im hyperbolischen Flug bis hinunter zum Aufprall zu gehen und nicht vom Überleben des Aufpralls auszugehen, dafür aber bis zur letzten Sekunde Daten zu sammeln und sofort zur Erde zu senden.

          Zu Ihrer weiteren Frage: Ja, Rosetta verfügt über Drallräder, mit denen die inertiale Ausrichtung durchgeführt wird.

          • Hyperbolisch heißt bei mir, Rosetta schlägt mit mehr als der 2.kosmischen Geschwindigkeit auf dem Kometen ein. Ich schätze die Geschwindigkeit auf einige -zig m/s ein. Ist das richtig ?
            Wenn ja, warum bremst man Rosetta nicht ab, um Meßzeit zu gewinnen ? 1m/s oder 0,5m/s genügen doch auch als Aufschlaggeschwindigkeit und man hat viel mehr Zeit zum Messen.

          • Ihre Schätzung der Auftreffgeschwindigkeit ist nicht richtig. Die Fluchtgeschwindigkeit in Oberflächennähe muss man nicht raten, man kann sie berechnen, zumindest in guter Näherung. Dazu braucht man nichts weiter als die Kometenmasse und den ungefähren Kernradius, alles öffentlich verfügbare Daten.

            Bei Philae lag die Aufsetzgeschwindigkeit bei rund 1 m/s (auch das ist öffentlich zugängliche Information), bei Rosetta wird die Auftreffgeschwindigkeit ähnlich sein.

            Es wurde meines Wissens einmal erwogen, ein weiteres Bremsmanöver in niedrigerer Höhe zusätzlich zum Einschussmanöver bei ca. 20 km vorzusehen, allerdings Open Loop, das heißt schon vorausgeplant und nicht in Abhängigkeit von der tatsächlichen Höhe. Nicht, um das Überleben auf der Oberfläche zu gewährleisten, sondern um die Zeit in niedriger Höhe hinauszustrecken. Das wurde aber verworfen, weil gerade in Oberflächennähe die Staub- und Gasdichte (also gerade das, was man untersuchen will) am höchsten ist und man die Messungen nicht durch die Abgase der Triebwerke verfälschen will.

  4. Zum Text von Jürgen A.:
    Ich frage, wie sollte man denn Rosetta in eine stationäre Umlaufbahn bringen (gäbe es überhaupt eine solche am Äquator des Kometen?), die dann genau zum Auftreffzeitpunkt auf der extrem unregelmäßigen Oberfläche synchron ist, um seitliche Verschiebungen zu vermeiden? So genau kann man m.E. garnicht berechnen, weil in der Unsicherheitsellypse (die es für Landegebiete auf Himmelskörpern immer gibt) die Höhenunterschiede schon zu extrem sind. Es wäre immer mit einem seitlichen Stoß zu rechnen.
    Es geht ja um die Gewinnung wichtiger Daten aus extremer Nähe. Diesem Missionsziel ist alles andere unterzuordnen.

    • Das ginge theoretisch schon, aber nicht im orbitalen Flug, sondern unter Nutzung der Triebwerke im geschlossenen Regelkreis, wobei kontinuierlich die Höhe gemessen und Bilder geschossen werden, die an Bord verarbeitet werden müssen. Der Regelkreis würde die Triebwerke im Pulsbetrieb ansteuern. Damit wäre kein wirklich stationärer Flug möglich, wohl aber quasi-stationärer Flug. Sicher aber nicht eine Landegeschwindigkeit von 1 mm/s.

      Da aber Rosetta nicht mit der erforderlichen Hardware ausgestattet ist, ist diese theoretische Möglichkeit bei Rosetta nicht realisierbar.

      Dass eine (relativ) weiche Landng auf einer planetaren Oberfläche prinzipiell möglich ist, auch bei einem kleinen Körper, wurde bereits demonstriert. Das stand aber auch nie zur Debatte, sondern die Frage war, ob Rosetta so etwas machen könnte.

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