Wer nicht rechnen kann, muss alles glauben
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Fast täglich passiert es mir, dass ich beim Lesen der Tagespresse laut aufstöhne und den Klageruf zum Himmel schicke: “Könnt ihr denn nicht ein Mal was nachrechnen?!”. Nein, das können Journalisten offenbar nicht. Dann sollten sie wenigsten mal jemanden fragen, der rechnen kann. Aber das tun sie auch nicht. Heutzutage gilt aber mehr denn je: Wer nicht selbst mal etwas verifizieren kann – meist reicht eine grobe Plausibilitätsprüfung – der ist dazu verdammt, jede Behauptung zu glauben und wird über kurz oder lang blühenden Unsinn schreiben.
Zum Glück für die Journalistenzunft ist aber die Mehrzahl der Leser auch nicht imstande, auch nur einfachste Berechnungen anzustellen. Deswegen fällt der meiste Unsinn nicht auf. Wenn er dann auch noch mit Verdächtigungen und Andeutungen gewürzt wird, ernten sie sogar noch breite Zustimmung. Das Risiko der Bloßstellung dürfte sehr überschaubar bleiben.
An diesem Grundübel ändert mein kleiner Blog natürlich nichts. Aber ich versuche es trotzdem immer wieder, so auch jetzt.
Im März 2011 schrieb ich über die “Energiekaskade”, einen Vorschlag aus den 70ern. Dessen Urheber, der damals 52jährige schwäbische Erfinder Nikolaus Laing, hatte die Idee, natürliche unterirdische Wasservorkommen unter der Sahara anzuzapfen, das Wasser in Sonnenkollektoren zu erhitzen, das Heißwasser in Rohrleitungen nach Europa zu transportieren, es in Hochtemperaturreaktoren (also Kernkraftwerken) zu verdampfen und den Dampf als Prozess- oder Brauchwärme einzusetzen. Der Spiegel widmete 1974 dieser Idee einen reichlich unkritischen Artikel.
Diese Idee wurde nie umgesetzt, was kaum verwundern dürfte. So viel Aufwand, um heißes Wasser zu erzeugen und in einem riesigen Hochdruck-Rohrleitungsnetz Tausende von Kilometern zu transportieren? Und wer gibt den Industriestaaten überhaupt das Recht, über eine so kostbare und knappe Ressource wie Süßwasser in unterirdischen Lagerstätten in Wüstenländern nach eigenem Gutdünken zu verfügen? Da gäbe es ja vielleicht vor Ort lohnendere Einsatzmöglichkeiten als die Erzeugung von Warmwasser für europäische Industrieländer.
Auch wenn die “Energiekaskade” – zum Glück, muss man wohl sagen – nicht umgesetzt wurde, ihr Erfinder Nikolaus Laing machte unverdrossen weiter in Sachen Energietechnik. Das Scheitern des “Energiekaskade”-Konzepts wird, so dieser Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom Mai 2011, etwas vage dem damals noch ungebrochenen “Glauben an die Kernenergie” zugeschrieben.
Da bedarf es natürlich keiner weiteren Worte, jeder wird bedächtig nicken. Jahaa, die Atomenergie. Wer sich mit der anlegt, kriegt keinen Stich. Dass das Konzept der Energiekaskade gerade darauf beruhte, Heißwasser aus afrikanischen Solarkollektoren in Nordeuropa mit Kernkraftwerken zu Dampf zu machen, dass also Kernkraftwerke an zentraler Stelle in das Konzept eingebunden waren, ignorieren wir bitte mal eben.
Der Autor des Artikels in der Stuttgarter Zeitung bezieht sich sogar auf den alten Spiegel-Artikel. Gelesen hat er ihn wohl nicht. Wozu auch, man kann ja auch über etwas schreiben, was man nicht gelesen hat.
Laings aktuelles Projekt sind konzentrierende, wassergekühlte Photovoltaiksysteme, die wie schon damals bei der Energiekaskade, der Maxime folgen “Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht? “Eine interessante Zahl wird genannt, die so phantastisch ist, dass sie geradezu nach Verifikation schreit:
Entscheidend seien die von den Laings entwickelten “Konzentrator-Zellen”. Sie “erzeugen rund 800-mal mehr Strom als gleichgroße konventionelle Solarzellen aus Silizium”.
Wow. Eine 800fache Steigerung des Wirkungsgrads. Eine wirklich beeindruckende Zahl. Selbst mit kommerziell erhältlichen Silizium-Solarzellen kommt man auf Wirkungsgrade um 15%. Wenn man das um den Faktor 800 erhöht, dann ist man glatt bei 12000%. Das bedeutet, dass 120 Mal mehr elektrischer Leistung heraus kommt, als oben an solarer Einstrahlung hinein geht. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik wäre somit klar widerlegt, ach was, er wäre hinweggefegt. Eine echte Weltsensation.
Wenn solche Zahlen in Verbindung mit alternativen Energien genannt werden, ist meist auch eine bekannte deutsche Wochenzeitung nicht weit. Dieses Blatt, das wie kein anderes die für den deutschen Intellektuellen kennzeichnende Geisteshaltung bedient, eine Mischung aus Ignoranz, Kulturpessimismus und Technikfeindlichkeit, nahm sich bereits 2005 der neuen Projekte Nikolaus Laings an. Unter dem Titel “Die Super-Zelle” wird ein Solarkraftwerk versprochen, das “Kohle- und Atommeiler verdrängen könnte”. (“Kohlemeiler”? Na, egal.)
Da werden sogar weitere Zahlen genannt, zusätzlich zu der angeblich 800fachen Effizienzsteigerung. Erstens wird eine von der Firma Boeing entwickelte Halbleiterzelle mit 40% Wirkungsgrad erwähnt, die somit “1200 Mal so viel Strom erzeugt wie gleich große Siliziumzellen“. Doch, doch, das steht da, wortwörtlich. Somit hatten also Siliziumzellen einen Wirkungsgrad von 0.0333%. Das heißt also, jeder Quadratmeter der zumeist mit Siliziumzellen ausgestatteten PV-Anlagen auf deutschen Dächern hätte eine Spitzenleistung von rund 0.4 W. Eiwei, wenn das so wäre, bräuchte man aber schon viele Hausdächer, um nur eine einzige Glühbirne zum Leuchten zu bringen. Das müsste dem zuständigen Redakteur eigentlich auffallen. Tut’s aber nicht.
Dann wird auf einen Prototyp des Laing-Systems Bezug genommen. Der soll, ausgestattet mit konzentrierenden, wassergekühlten Zellen, aus einer runden Kollektorfläche mit einem Durchmesser von 7.5 Metern, also einer Fläche von 44.2 Quadratmetern, eine Spitzenleistung von 6.6 kW generieren.
Und was weiter? Wenn man ansetzt, dass auch unter Einbeziehung atmosphärischer Absorption bei klarer, trockener Luft pro Quadratmeter maximal etwa 1200 Watt Einstrahlleistung eintreffen (Dies gilt, wenn die Sonne hoch am Himmel steht. Bei niedrigem Sonnenstand ist die Absorption viel höher, weil das Sonnenlicht dann durch viel mehr Atmosphäre muss), dann trifft auf eine Fläche von 44.2 Quadratmetern eine Einstrahlleistung von 53 kW. Ein Konvertor dieser Größe mit 100% Wirkungsgrad könnte also maximal so viel elektrischer Leistung bereitstellen – aber 100% Wirkungsgrad sind natürlich illusorisch.
Die wirkliche Leistung sinkt einerseits wegen des Wirkungsgrads der Solarzellen, dann wegen der atmosphärischen Absorption, und dann noch einmal, weil die maximale Leistung voraussetzt, dass die Sonnen senkrecht auf die Kollektoren scheint. Diese müssen also nachführbar sein. Laings Kollektoren sind nachführbar. Zudem verwendet er besonders effiziente (und wahrscheinlich auch teurere) Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad. Dennoch wird eine Maximalleistung von nur 6.6 kW angegeben.
Wenn man nun annimmt, dass von den bei dieser Kollektorfläche verfügbaren 53 kW nur 10% in elektrischen Strom umgewandelt werden, bei Verwendung von Standardzellen, ohne Kühlung und ohne Konzentrator, dann ist immerhin die Spitzenleistung auch schon 5.3 kW. Das sind schon 80% der von Laing genannten elektrischen Leistung. Wenn man nur ein wenig bessere Solarzellen nimmt, zieht man sogar mit seinem System gleich, sodass man sich fragen muss, wo der wirkliche Vorteil des komplizierten Systems liegen soll?
Es wird doch in der Praxis immer einfacher und billiger sein, auf technisch einfache und kostengünstige Kollektoren zu setzen und davon dann halt ein paar mehr zu nehmen.
Es mag ja sein, dass es einen handfesten Vorteil für die Nachführung gibt – wovon ich noch nicht einmal überzeugt bin, wenn man bedenkt, dass die ganze Mechanik auch gewartet und instand gehalten werden muss – aber wozu die Konzentratorlinsen und wozu die Kühlung?
Und wo bitteschön ist der massive Effizienzgewinn, selbst wenn es nicht gleich ein Faktor 800 ist?
Eigentlich könnte man über diese Art von Journalismus lachen. Ich kann mich allerdings des Verdachts nicht erwehren, dass auch weitreichende politische Entscheidungen auf ebenso offenkundig wackliger wissenschaftlicher Grundlage stehen. Da ist mir dann wirklich nicht mehr zum Lachen zumute.
Wer nicht rechnen kann, muss alles glaub
LEIDER SIND FAST ALLE lESER; UND WOJHL AUCH POLITIKER; NICHT IN DER lAGE DIE zAHLEN DER FINANZKRISE ZU KONTROLLIEREN. TROTZDEM GLAUBEN WIR IHNEN
Jawoll, Kohlemeiler!
“Unter dem Titel “Die Super-Zelle” wird ein Solarkraftwerk versprochen, das “Kohle- und Atommeiler verdrängen könnte”. (“Kohlemeiler”? Na, egal.)”
Meiler bezeichnet ursprünglich eine “kegelförmige Einrichtung aus Holz und Erde bzw. Gras zur Herstellung von Holzkohle durch Verbrennung von Holz unter verminderter Sauerstoffzufuhr” (Wiktionary) und wurde später sozusagen entlehnt, um Kernkraftwerken einen harmloseren Anstrich zu geben. Wenn das Solarkraftwerk aber gleichzeitig Strom erzeugen und Holzkohle erzeugen kann, ist es wirklich, wirklich gut. 😉
Konzentratorlinsen
Auch wenn das mit den Zahlen natürlich stimmt, so ist der Ansatz mit Linsen durchaus eine interessante Möglichkeit die Kosten zu senken.
So könnte man z.B. mit einem entsprechenden System die Sonneneinstrahlung besagter 44 Quadratmeter einfangen und auf eine sehr kleine, aber sehr viel effizientere Solarzelle konzentrieren. Diese müsste auf Grund der hohen Temperaturen (siehe Lupe und Ameise) natürlich gekühlt werden um im optimalen Temperaturbereich arbeiten zu können.
Theoretisch kann man so ein “Panel” mit höherem Wirkungsgrad, bei geringeren Kosten herstellen. Das könnte vor allem bei begrenzter zur Verfügung stehender Fläche interessant sein. Und wegen der Wasserkühlung kann man es bei einem Haus z.B. auch mit der Warmwasserversorgung koppeln und erhält einen nochmals höheren Wirkungsgrad.
Manchmal ist kompliziert auch ein guter Weg 😉
Erfrischend zornig , der Artikel.
“Eigentlich könnte man über diese Art von Journalismus lachen. Ich kann mich allerdings des Verdachts nicht erwehren, dass auch weitreichende politische Entscheidungen auf ebenso offenkundig wackliger wissenschaftlicher Grundlage stehen. “
Kein Verdacht , sondern Realität seit langen Jahren, siehe auch unsere Wirtschafts-“Experten”.
Der deutsche Journalismus ist längst vor die Wand gefahren , durchsetzt von verdeckt korrupten Hofberichterstattern , und es verwundert , welches Renomee Blätter wie der Spiegel bis heute haben.
@Khan Aufklärung
Die Erklärung des zweiten Artikels liegt hier:
http://de.wikipedia.org/…elle#Konzentratorzellen
Konzentratorzellen haben einen höheren Wirkungsgrad müssen aber nachgeführt werden. Der absurde Wirkungsgrad rührt wohl von einer Verwechslung von Genutzter Fläche Sonnenstrahlung und Chipfläche…
Konzentratorzellen sind ein alter Hut und es erscheinen auch immernoch Paper zu dem Thema.
@Khan nachtrag
Ich möchte mal darauf hinweisen, dass dieser Faktor 800 mal mehr Energie durchaus eine sinnvolle Zahl sein kann. Nämlich wenn man sagt durch Linse + höherer Leerlaufspannung bekomme ich 800x mehr Energie pro Halbleiterfläche. Wenn ich annehme dass Halbleiter teuer sind und ich die besten Solarzellen verbaue könnte das also bedeuten, dass dieses kompliziertere System günstiger ist wesentlich günstiger ist. Gerade weil der Wert so hoch liegt.
Wobei ich mich frage ob man nicht durch eine geeignete Optik auf eine Nachführung verzichten kann? Wenn man annimmt, dass die Strahlen parallel verlaufen, könnte ich mir schon vorstellen, dass es eine Optik gibt die konzentriert und immer den gleichen Strahlenvektor erzeugt, egal aus welcher Richtung die sonne scheint.
luneberg lens
so wie ich das sehe ist das eine lüneberglinse. wenn man die 2dimensional als stab fertigt, könnte das vielleicht sogar bezahlbar sein…. und darunter ein langer streifen der besten solarzelle die man findet….
Hallo Anton Maier,
auch bei der Lüneburg-Linse wandert der Brennpunkt oder die Brennlinie bei Veränderung des Einfallswinkels des Lichtes.
http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCneburg-Linse
Wenn man lineare Systeme wie parabolische Wannen oder Fresnelspiegelstreifen mit ihrer Brennlinie von Osten nach Westen aufstellt, dann benötigt man keine tägliche Nachführung, aber eine jährliche Nachführung.
Die Brennlinie bleibt dann immer an ihrem Platz, sie verschiebt sich nur in ihrer Längsrichtung, aber man hat morgens und abends Verluste durch den flachen Einfallswinkel.
Alle Konzentratorsysteme benötigen einen klaren Himmel, während gewöhnliche Solarzellen auch mit diffusem Licht arbeiten.
Systemkosten
Die Kosten des Gesamtsystems ergeben sich aus den Erstellungskosten, den Betriebskosten und der Lebensdauer.
Wie eine einfache Überschlagsrechnung zeigt, sind weder Spitzenleistung noch Gesamtertrag bemerkenswert, es sei denn, dass vom Prototyp zur Serienfertigung noch erhebliche Weiterentwicklung stattfindet. Die genannten Leistungsziffern schafft man auch ohne aufwändige Konzentration und Kühlung. Eine Nachführung erhöt natürlich den Ertrag, ist aber bei einem einfachen und leichten System einfacher zur bewerkstelligen.
Wenn tatsächlich eine massive Konzentration um zwei Größenordnungen stattfinden soll, dann hat das nicht nur die Notwendigkeit der Kühlung zur Folge, sondern kann auch eine deutlich beschleunigte Alterung nach sich ziehen. Es stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Lebensdauer besonders hocheffizienter Zellen – dass die im Labor einen hohen Wirkungsgrad haben, bedeutet noch lange nicht, dass sie auch langzeittauglich sind, insbesondere, wenn sie mit hochkonzentriertem Licht beschienen werden.
Da sich ja offenbar keine geringere Grundfläche erreichen lässt, kann der Kostenvorteil nur darin liegen, dass weniger Solarzellenmaterial verbraucht wird. Dem stehen aber die Zusatzkosten für Kühlung und Konzentrator gegenüber. Wenn nun aber der Kostenvorteil der geringeren Solarzellenfläche durch deren kürzere Lebensdauer aufgezehrt wird, dann kann das die Rentabilität des Konzepts infrage stellen.
Konzentrierende Systeme bedingen, wie andere angemerkt haben, hohe direkte Sonneneinstrahlung. Dort ist aber auch der Ertrag nicht-konzentrierender Systeme höher. Üblicherweise ist aber in trockenen, wolkenarmen Gebieten mit hoher täglicher Sonneneinstrahlung Platz nicht das Problem – was den Sinn von Konzentratoren fraglich macht -, die Verfügbarkeit des erforderlichen Kühlwassers aber schon eher.
Vielleicht finden sich ja Abnehmer. Ich gönne es den Erfindern, aber den Durchbruch in der Energieveersorgung sehe ich hier nicht.
Sie müssen nicht nur eine Formel glauben, sondern auch den Rest des Textes. Und das nicht nur der Journalist, sondern auch jede x-beliebige Leser.
In der heutigen (aber eigendlich auch schon immer)hochspezialisierten Zeit müssen wir alles glauben, wasuns vorgekaut wird.
Wir haben nicht die Möglichkeit dieses zu überprüfen.
Und so müssen wir dem aufgeschriebenen einfach glauben – ganz wie der Journalist.
Daraus ergibt sich auch, dass uns fast alle vorgelegt und als Realität präsentiert werden kann. Das ist nichts anderes als ein strukturell erzwungenes und systematisch aufgezwungenes Glaubensbekenntnis.
Wir müssen gar nichts glauben
Nein, wir müssen gar nicht alles glauben und wir haben sehr wohl die Möglichkeit, eine ganze Menge nachzuprüfen. Vielleicht nur auf 90% genau, aber das reicht in sehr vielen Fällen schon, allemal, um die Plausibilität einer Aussage zu verifizieren oder infrage zu stellen.
Es hat nie so leichten Zugang zu Information gegeben wie heute. Auch wenn etwas hoch spezialisiert ist, am Ende reichen oft schon die Kenntnisse fundamentaler physikalischer und mathematischer Zusammenhänge um sich zurechtzufinden.
Die Mühe allerdings muss und sollte man sich schon machen. Wer das nicht tut., sollte nicht die billige Ausrede wählen, dass das nicht geht – das zieht nicht, sorry.
Urteilen auf der Basis von Eckdaten
Ich möchte Michael Kahn zustimmen, dass der interessierte und sich bildende Amateur nicht alles schlucken muss, was ihm Journalisten vorsetzen. Wichtig scheint mir der richtige Wissens- und Datenrahmen. Mit einer Handvoll Eckdaten, die zu einem bestimmten Wissensgebiet gehören, kann und solte man die Plausibilität von kühnen Journalistenaussagen überprüfen.
Wenn es um Erneuerbare Energien und beispielsweise Photovoltaik geht, benötigt man beispielsweise die Solarkonstante, die orts- und tageszeitabhängige Sonneneinstrahlung, die technologischen und ökonomischen Daten über kommerziell erhältliche PV-Systeme und ihre Entwicklungstrends, etwas Wissen über Thermodynamik und vielleicht noch einiges mehr.
Wichtig ist die Fähigkeit zu informiertem Schätzen. Markus Pössel hat auf seinem RELATIV EINFACH-Blog schon zu verschiedenen Fachgebieten gute Schätzgrundlagen geliefert. Der letzte solche Artikel war Astronomische Bildung: Längenskalen und (lange) davor gab es mal die Buchbesprechnung Buchtipp: Regenerative Energien, quantitativ, in dem er das Buch David MacKays Sustainable Energy – without the hot air vorstellte. In diesem Buch wird wirklich alles durchgerechnet. Wer es gelesen hat, wird sich nicht mehr so schnell etwas vormachen lassen.
@ Kahn
-> erstens reichen 90% nicht und wenn sie verfügbar wären, sei dabei der Realitätsgehalt immer noch nicht bewiesen.
Und drittens… wem ist die Zeit gegeben, die 90% zu rekonstruieren? Das ist gar nicht vorgesehen.
Leichter Zugang zu Information ist eine versuchung. Alles nicht schlecht, aber “Information” ist leider nur Information und nicht eigene Erfahrung aus eigener Ansicht und Prüfung. Das darf nie vergessen werden. Es geschieht alles im gutem Glauben an die Wahrheit.
@chris
In sehr vielen Fällen kommt man mit relativ einfachen, grundlegenden Berechnungen schon recht dicht an das tatsächliche Resultat heran. Das reicht allemal für eine Plausibilitätsprüfung. Natürlich müssen dazu die Annahmen einigermaßen richtig sein, die richtigen physikalischen Zusammenhänge berücksichtigt worden sein und man sollte sich nicht verrechnet haben.
Gerade Deutsche sind sehr gut darin, immer Begründungen zu suchen und zu finden, warum etwas nicht gemacht werden kann. Wenn sie einfach mal das Suchen nach Aureden lassen würden, dan nhätten sie eine Menge Zeit übrig, um das eigentliche Problem anzugehen. Ich schaff’ das ja auch, dann schaffen es andere.
Excel
Wikipedia als Lexikon, und Excel als Rechentabelle, führen schnell und bequem zu den gewünschten Antworten.
@Khan
Habe Ihren Beitrag leider erst jetzt zufällig entdeckt, muss aber sagen, dass ich ein wenig enttäuscht bin. Sie kritisieren zwar den “unkritischen” Journalismus, nehmen sich selbst aber offenbar auch nicht die Zeit, die Inhalte wirklich zu verstehen, noch dazu nicht einmal ausreichend fachlich fundiert (z.B. der Vergleich mit Si-Panelen). Es scheint Ihnen zu genügen, sich über einzelne Aspekte lustig zu machen. Ist meiner Ansicht nicht viel besser als der “unkritische” Journalismus. Sie tun der ganzen Sache damit keinen Gefallen.
Fakt ist, dass man mit dem Laingschen Konzentratorsystem anhand eines moderneren Prototyps im Frühling dieses Jahres einen gemessenen Anlagenwirkungsgrad von 31% ermittelt hat. Und das stellt nun wirklich alles in den Schatten, was derzeit auf dem Solarmarkt an Stromausbeute erreichbar ist.
Dazu ist ausserdem zu sagen, dass diese System natürlich nicht für den europäischen Markt entwickelt wurde – das Ehepaar Laing hat von 1980 bis 2009 in San Diego, Kalifornien, gelebt. Ziel waren die besonders sonnenreichen Gegenden mit 3000 W/m2 und mehr an Sonneneinstrahlung. Als Anwender war auch nicht der Häuslebauer im Visier sondern die E-Wirtschaft als industrieller Energiebereitsteller.
Dazu kommt noch, dass das Laingsche Konzentratorsystem aufgrund der kaum gegebenen gegenseitigen Beschattung der Solartröge die Bodenfläche dreimal besser nutzt als herkömmliche Siliziumpanele. Insofern kann man schon mal sagen, dass die Spitzenleistung des Laingschen Konzentratorsystems bezogen auf die verbrauchte Bodenfläche wenigstens 6x so hoch ist wie jene von Siliziumpanelen. Dass das System bislang auf dem Markt noch nicht so richtig erfolgreich ist (siehe z.B. Versuche von Pyron Solar III LLC mit diesem System) und vielleicht auch nie werden wird, liegt weniger am System selbst als vielmehr an den Dumpingpreisen der chinesischen Solarmodulhersteller.
Sehr geehrter Herr Bogensberger,
Wenn ich Aussagen kritisiere wie die, die ich wörtlich aus der Presse zitiert habe, in denen steht, dass damit 800 Mal mehr Strom als gleich große Solarzellen aus Silizium erzeugt wird, dann ist das eine berechtigte Kritik an einer Aussage, die offensichtlicher Unsinn ist.
Ich muss zudem auch gleich sagen, dass ich eine Aussage wie die Ihre, nämlich die von den angeblich besonders sonnenreichen Gegenden mit 3000 W/m2 und mehr an Sonneneinstrahlung auch in die Kategorie der offenkundig und leicht nachprüfbar falschen Behauptungen einreihen muss. Es sollte eigentlich allgemein bekannt sein, dass die Solarkonstante bei knapp 1400 W/qm liegt. An keinem Punkt der Erde, selbst wenn die Sonne direkt von oben einstrahlt und der Himmel komplett wolkenfrei ist, kann die einstrahlende Leistung höher als dieser Wert liegen – es muss sogar immer aufgrund der atmosphärischen Absorption immer etwas abgezogen werden, wie ich schrieb.
Ich schlage vor, Sie unterziehen zunächst einmal die eigenen Zahlen einer kritischen Überprüfung. Da kann etwas nicht stimmen. Vielleicht meinten Sie den jährlichen Einstrahlertrag in kWh/qm? Das kann aber auch nicht sein, denn ein Wert von 3000 kWh/qm wird nirgendwo auf der Erde erreicht.
Wie auch immer, es ist nicht meine Aufgabe, zu erraten, was Sie hier gemeint haben können. Für die Sonneneinstrahlung pro Fläche ist Ihr Wert offenkundig falsch. Das relativiert auch deutlich Ihre abwertenden Bemerkungen zu meiner Qualifikation.
Sie nennen weiterhin einen bei einem Prototyp gemessenen Anlagenwirkungsgrad von 31%, was zwar um einen Faktor 2-3 höher liegt als bei nicht-konzentrierenden und nicht gekühlten, kommerziell verfügbaren Solarpanelen. Das mag zwar sein – natürlich ist einem konzentrierenden System der Wirkungsgrad höher. Aber erstens ist er nur um einen Faktor 2-3 höher und nicht um die astronomischen Faktoren, die im Presseartikel genannt wurden und über die ich mich zu Recht mokiere. Zum Anderen steht dieser Wirkungsgraderhöhung nun einmal auch ein deutlich erhöhter Aufwand sowohl in der Fertigung als auch im Betrieb gegenüber, sowie weitere Nachteile wie die höhere Systemmasse, die in dem zitierten Zeit-Artikel sogar explizit angesprochen werden.
Die Zahlen zu der Leistung des genannten Prototyps, auf die ich mich in meinem Artikel beziehe, stammen übrigens keineswegs von mir, sondern von Nikolaus Laing selbst. Er wird damit im Zeit-Artikel zitiert.
Zusammengefasst: Ich kann Ihre Kritik an meinem Artikel nicht nachvollziehen und weise sie zurück. Umso mehr, als Sie selbst mit offensichtlich unrichtigen Zahlen argumentieren, siehe oben.