JAXA stellt neue Rakete vor

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Gut, eigentlich soll laut der Pressemitteilung vom 2.7.2015 auf der JAXA-Webseite die eigentliche Neuigkeit sein, dass der Name der neuen Rakete “H3” ist. Dies soll gemeinsam mit dem Hauptauftragnehmer Mitsubishi beschlossen worden sein.

Naja, wohl eher nicht. Ich stelle mir gerade eine Kommission vor, die beauftragt wurde, einen neuen Namen zu finden. Da sitzen die Kommissionsmitglieder in dunklen Anzügen um den Tisch herum wie ein Haufen Pinguine und lassen die Köpfe rauchen. “sssaaaa … sou desu ne – Die jetzige Rakete heißt “H zwei“, und wie nennen wir den Nachfolger?” Schwere Frage. Vor 30 Jahren, als die Entwicklung der H-II begann, die auf die H-I folgte, stand man ja schon vor dem Problem einer ähnlich schwierigen Namensfindung. Vielleicht konnte man diesmal auf die Erfahrung der damaligen Kommissionsmitglieder zurückgreifen.

Na, geschenkt.

Schauen wir uns jetzt mal die Eckpunkte des Neuentwurfs an:

Grafik mit Zusammenfassung der Eckdaten der H3 in ihren verschiedenen Versionen, Quelle: JAXA/Mitsubishi Heavy Industries
Grafik mit Zusammenfassung der Eckdaten der H3 in ihren verschiedenen Versionen, Quelle: JAXA/Mitsubishi Heavy Industries

Das Konzept ist stark skalierbar und kann auf einen weiten Bereich an Anwendungen und Nutzmassen zugeschnitten werden. Die Zentralstufe kann zwei oder drei Haupttriebwerke tragen und es können keine, zwei oder vier Feststoffbooster angebracht werden. Die Nutzmasse ins Standard-GTO (von dem aus noch 1500 m/s an Delta-v ins geostationäre Orbit fehlen) ist “mehr als 6.5 Tonnen”. Das wird wohl auf die stärkste Version mit vier Boostern und drei Haupttriebwerken zutreffen. Mit über 6.5 Tonnen liegt diese Rakete zwischen der den Versionen Ariane 6.2 und Ariane 6.4 der neuen europäischen Rakete.

Auf der anderen Seite dürfte die schwächste Version, ohne Feststoffbooster, in etwa die Nutzmassenkapazität von Startsystemen mittlerer Größe wie der Sojus-Fregat haben, also rund 3 Tonnen ins GTO. Damit decken die Japaner mit einem System und mit einem Minimum an zu entwickelnden Komponenten einen sehr weiten Bereich ab.

Die Europäer haben das mit der Ariane 6.2/6.4 nicht hingekriegt. Die können nur groß. Eine Ariane 6.0 ganz ohne Booster käme nicht von der Rampe weg, denn das eine Vulcain 2-Triebwerk der Ariane-Zentralstufe ist viel zu schwach. Für die Mittelklasse brauchen sie damit weiterhin entweder die Uralt-Sojus, oder sie müssen noch einmal etwas ganz Neues entwickeln. Sauberes Eigentor.

Die Nutzlastverkleidung hat einen Durchmesser von rund 5 Metern und zieht damit mit der Ariane und der Atlas V gleich. Dies ist ausreichend auch für die dickeren Brummer unter den geostationären Satelliten.

Auch wenn dies hier nicht ausdrücklich dabei steht, gehe ich davon aus, dass die H3 für Starts ins niedrige Erdorbit (LEO) auch mit einer reduzierten Oberstufe verwendet werden kann. Die Nutzmassenkapazität dorthin dürfte bei rund 20 Tonnen liegen. Also mehr als ausreichend für bemannte Vehikel, aber auch angemessen für Module für Raumstationen.

Eine andere hier noch nicht angesprochene Erweiterung nach oben hin wäre mit der Verwendung von zwei oder mehr Zentralstufen gegeben. Damit hätten die Japaner die Möglichkeit, die H3 zur H3-Heavy aufzubohren, mit 50 – 80 Tonnen Nutzlast im LEO. Auch eine Sache, die mit der Ariane 6, die ja eigentlich nur ein Facelift der Ariane 5 darstellt, nicht geht.

Zusammengefasst: Die Japaner haben hier Geld in die Hand genommen und bekommen dafür ein Startsystem, das vom Mittel- bis zum Schwerlastbereich einsatzbar sein wird und damit den Anforderungen der nächsten 30 Jahre gewachsen ist. Das Konzept erscheint mir durchdacht und schlüssig.

Den Vergleich mit den europäischen Bemühungen hätte ich lieber unterlassen sollen. Das ist einfach nicht gut für meinen Blutdruck.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. Es scheint, SpaceX’s Falcon9 verwendet überhaupt keine Festkörper-Booster, Jaxa’s H3 jedoch bis zu 4. Jaxas Rakete kann auch deshalb mehr Konfigurationen annehmen und damit im Unterschied zur Falcon-9 ein ganzes Spektrum von Nutzlasten und Zielhöhen abdecken. Allerdings bedeuten mehr Flexibilität möglicherweise auch mehr denkbare Probleme.

    Eigentlich wundere ich mich, dass immer wieder neue Raketenmodelle entwickelt werden, wenn sich doch grundsätzlich kaum etwas ändert und Treibstoffe und Konstruktionsmaterialen im wesenltichen die gleichen bleiben. Jaxa H3 ist allerdings für die Japaner sinnvoll, weil sie grösser ist als die H2 und Japan wohl seine eigene Entwicklungslinie aufrechterhalten will.

    Eine wirklich neue Entwicklung im Raketenbereich wäre die Wiederverwendbarkeit von Boostern und ganzen Raketenstufen. SpaceX strebt dies an hat aber bis heute noch keine funktionierende Lösung. ULA’s neues Vulcan-Startsystem will den Triebwerkbereich zuerst mit einem Fallschirm und dann mit einem Helikopter heil zurückbringen um es wiederverwenden zu können.

  2. Ich kann mir den Vergleich nicht verkneifen, aber Ihr Artikel liesst sich abgesehen von der Einleitung in etwa so, wie thematisch ähnliche von Bernd Leitenberger… – Es scheint also so, als ob Sie beide da die gleiche (oder zumindest ähnliche) Meinungen vertreten.
    Jetzt darf man gespannt sein, wann die verantwortlichen in Europa aufwachen und ein ähnlich sinnvolles Konzept entwerfen? – Mein Tip ist, dass sie mit der Ariane 6 erst mal kräftig auf die Nase fallen müssen, wie auch immer das im Detail aussehen mag. Das schlimme daran ist nur, das der Sturz ein paar Milliarden kosten wird, die man sich aber sparen könnte, wenn man genauer darüber nachdenkt, wie man die Ariane 5 sinnvoll weiter entwickelt. Also was sie in welcher zur Zeit verfügbaren Konfiguration kann, und was man in Zukunft sehr wahrscheinlich brauchen wird bzw. haben will und wie man das am besten umsetzt.

  3. JAXA’s H3 ist also ein würdiger H2-Nachfolger, Europas Ariadne-Modellen 6.2 und 6.4 jedoch sind weit weniger gut skalierende Weiterentwicklungen der Ariadne.
    Damit stellt sich die Frage: Warum schaffen die neuen Ariadne-Modell nicht, was die neu H3 schafft?
    Gab es Alternativen? Wo liegen die Fehlenentscheidungen? Wäre es besser herausgekommen wenn man unpolitisch entschieden hätte, wenn also die Ariadne nach rein technischen Gesichtspunkten weiterentwickelt worden wäre und die einzelnen Länder, die das Ariadne-Projekt tragen weniger zu sagen gehabt hätten?

    Nun, die Leute, die die Hintergründe kennen, wisen um die Antworten – und alle anderen können nun im Internet recherchieren.

    Einen Hinweis gibt uns Michael Khan noch: ” Die Japaner haben hier Geld in die Hand genommen und bekommen dafür ein Startsystem, das vom Mittel- bis zum Schwerlastbereich einsatzbar sein wird und damit den Anforderungen der nächsten 30 Jahre gewachsen ist”

    Das lässt den Verdacht aufkommen, die Europäer hätten wieder einmal am falschen Ort gespart.

    • Das lässt den Verdacht aufkommen, die Europäer hätten wieder einmal am falschen Ort gespart.

      Ja wo denn sonst?!

      P.S.: das ist natürlich ironisch bzw. sarkastisch gemeint.

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