GOCE ist fast auf 180

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Der Abstieg beschleunigt sich trotz immer noch funktionierender Lageregelung weiter. Die mittlere Bahnhöhe lag heute früh bei etwas über 182 km bezüglich dem Erdäquator. Das Perigäum der sehr schwach exzentrischen Bahn knackt bereits die 180 km-Marke. Bis morgen früh wird ein Abstieg um weitere 7 km erwartet. Die mittlere Bahnhöhe läge dann bei rund 175 km.

Wenn das in dem Tempo weiter geht, wäre übermorgen früh eine Bahnhöhe von etwa 165 km fällig und im Laufe des Samstags ginge es durch 160 km. Da kann sich jetzt jeder meine Artikel der letzten Tage anschauen und anhand der Bahnhöhen eine Prognose wagen, wann Schluss ist.

Computergrafik des GOCE-Sateliten mit seiner besonderen Form und den kleinen Flossen hinten. Credit: ESA

Ob die aktive Lageregelung noch funktioniert oder nicht, ist, vermute ich, bald gar nicht mehr von Belang. Wenn der Satellit tief genug und damit die atmosphärische Dichte hoch genug ist, dürfte dank der langgestreckten Form mit kleinen Flossen am Ende eine passive Lagestabilisierung zu erwarten sein, wie bei einer Wetterfahne. In dem Fall wird GOCE tatsächlich bis zum Wiedereintritt seine Lage relativ zur Anströmung beibehalten und auch mit der Schnauze voran seine letzte Reise antreten.

Das ist jetzt mal nur eine Schätzung von mir, und wenn Sie das anders sehen, können Sie dem gern Ihre eigene Meinung gegenüber stellen.

Gemessene (blau) und prognostizierte (rot) mittlere Bahnhöhe von GOCE bezüglich dem Erdäquatorradius, jeweils am Morgen des betreffenden Datums.
Credit: Michael Khan Gemessene (blau) und prognostizierte (rot) mittlere Bahnhöhe von GOCE bezüglich dem Erdäquatorradius, jeweils am Morgen des betreffenden Datums.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

6 Kommentare

  1. GOCE scheint tatsächlich aerodynamisch passiv stabilisiert zu sein, wie man in GOCE (Gravity field and steady-state Ocean Circulation Explorer) liest:

    – Centre of Pressure (COP) behind Centre of Mass (COM) for passive aerodynamic stability (with winglets)

    Wenn das Druckzentrum hinter dem Massenzentrum liegt wie bei GOCE und eben auch bei Wiedereintritskapseln, dann braucht es keine aktive Kurskorrektur um den Satelliten lagestabil zu halten.
    Das ändert sich erst, wenn Teile des Satelliten weggerissen werden was in tieferen Schichten durchaus zu erwarten ist.

    • Soweit mir bekannt – und ich habe auch nach dedizierter Nachfrage bei Leuten, die es wirklich wissen, nichts Gegenteiliges gehört – ist die passive Lagestabilisierung bei operationellen Bahnhöhen nicht ausreichend, um die Lagestörungen auszugleichen. Sie wirkt da allenfalls unterstützend mit.

      Dass es auch sein kann, dass die passive aerodynamische Stabilisierung ausreicht, um die Lage beizubehalten, wenn die Störmomente nicht groß genug sind, ist damit nicht ausgeschlossen. Das ist wie beim Fußball. Da reicht ja auch ein schlechter Torwart aus, wenn die gegnerische Mannschaft es nie bis zum Torschuss schafft oder das Tor nicht trifft. Aber daraus folgt deswegen noch lange nicht, dass ein schlechter Torwart grundsätzlich ausreicht.

      GOCE ist kein passiv lagestabiliserter Satellit. Die Magnetotorquer wurden aus gutem Grund eingebaut, undb es gibt einen triftigen Grund, warum sie während der ganzen Mission aktiv waren und auch jetzt noch aktiv sind.

      Erst ab sehr niedrigen Bahnhöhen, wo die Luftdichte um eine Größenordnung höher ist als selbst auf der niedrigsten operationellen Bahn, ist das stabilisierende Moment der Flossen ausreichend, um die selbst dort zu erwartenden Störmomente zuverlässig auszugleichen. Möglicherweise wird bei GOCE genau dieser Fall eintreten.

      • Ja. Die passive Lagestabilisierung durch die aerodynamische Form, die Massenverteilung und die Flügelchen des Satelliten wirkt scheinbar nur grob und ist zudem abhängig von der Lufdichte in der Flughöhe. Bei allzugeringer Luftdichte wirkt die passive Stabilisierung kaum noch. Genau das war wegen geringer Sonnenaktivität im Jahr 2009 (schon bald nach Beginn der Mission) der Fall als sich der Winkelfehler relativ zur Flugrichtung immer weiter vergrösserte.
        “The anomaly was found to be due to a lower than foreseen level of aerodynamic drag caused by the exceptionally low solar activity at the time of launch. It was also found that the aerodynamic properties of the S/C differed from what had been assumed. In combination, this resulted in the FPM controller settings as established before launch being inadequate for controlling the spacecraft in the environment encountered.”
        Dieses Problem konnte scheinbar durch das Aufspielen neuer Software für den DFACS Fine Pointing Mode (FPM) Controller behoben werden.

        • Dass die aerodynamische Ausrichtung nur “grob” wirken würde, ist nicht das Problem, sondern, dass die Rückstellmomente einfach ab einer gewissen Bahnhöhe nicht ausreichen, um eine erhebliche Lageabweichung zu korrigieren.

  2. Hm… – Gemäss Ihrem Artikel vom 22. Oktober (GOCE: Der Sprit ist alle) müsste der Satellit dann noch in Betrieb sein, wenn man mal vom Triebwerk absieht, und immer noch Daten senden. Sehe ich das richtig? – Und wenn ja, was sendet er denn dann noch? – Statusdaten anhand derer man die Flugbahn besser verfolgen kann oder was?

    • Siehe aktueller Statusbericht. Die wissenschaftlichen instrumente sind noch im Betrieb und natürlich enthält die Telemetrie auch Tausende von Parametern zum Satelliten selbst, aus denen man beispielsweise Aussagen über die aktuelle Lage, das Funktionieren des Lageregelungssystems und den Luftwiderstand herleiten kann. Auch die Daten der GPS-Receiver, aus denen man die Bahn bestimmen kann.

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