ExoMars: Unterschallfallschirm erfolgreich getestet
Die europäisch-russische Marslandemission ExoMars hat eine wichtige Hürde genommen: Nach dem Test eines Überschall- und Unterschallfallschirms im Juni 2021 wurden nun beide Kandidaten für den zweite Fallschirm erfolgreich getestet. Dieser 35 m große Schirm soll bei der Marslandung die Abbremsung im Unterschallflug sicherstellen. Bei beiden Tests wurden jeweils zwei Fallschirme getestet, einer vom US-Hersteller Airborne Systems, der zweite von der europäischen Arescosmo.
Beim Test im Juni funktionierte der 15 Meter große amerikanische Überschallfallschirm fehlerlos, aber der europäische Unterschallfallschirm hatte noch gewisse Probleme gezeigt: Es kam damals zu einem Riss, dessen Ausbreitung jedoch aufgehalten wurde. Der Hersteller nahm daraufhin an kritischen Stellen Verstärkungen vor.
Bei der aktuellen Testserie am 21. November und 3. Dezember konzentrierte man sich auf die Unterschallfallschirme. Sowohl die amerikanische als auch die europäische Einheit funktionierten hier zufriedenstellend. Es wäre nun also möglich, bei der Mission, die ab 20.9.2022 mit einer Proton M / Breeze M-Rakete von Baikonur (Kasachstan) aus gestartet werden soll, den amerikanischen Überschall- und den europäischen Unterschallschirm zu verwenden. Weitere Tests stehen noch im Jahr 2022 an.
Jetzt hat also die ESA die nötigen Erfahrungen gesammelt um ein komplexes und extremes Fallschirmmanöver bei der geplanten Marslandung zu absolvieren. Fallschirme für Eintrittskörper scheinen generell nicht auf Anhieb wie gewünscht zu funktionieren wie auch die Erfahrungen von SpaceX bei ihren Fallschirmtests mit der Crew Dragon zeigen (SpaceX reports problem during Crew Dragon parachute test).
Mir scheint China ist mit Tianwen-1 diesen Fallschirmproblemen teilweise ausgewichen indem es seinen Überschallfallschirm nur gerade für eine kurze Phase von 90 Sekunden einsetzte und den Rest des Abstiegs (weitere 90 Sekunden) mit „powered deceleration“, also mit Bremsung über den Raketenmotor, bewältigte. Dennoch finde ich es erstaunlich, dass China schon mit dem ersten Marslandung erfolgreich war. Und dies scheinbar nur mit begrenzter Vorbereitungszeit und damit ohne die Verzögerungen, die ExoMars nun schon hinter sich hat. Denn geplant war der zweite Teil von ExoMars ja gemäss ESA-Site 2020, liest man doch dort (immer noch): Die zweite Mission, die 2020 folgen wird, besteht aus einem Marsrover und einer Landeplattform mit wissenschaftlichen Instrumenten.
Es ist eher die Industrie, die die Erfahrungen gesammelt hat. Es ist ja das Mandat der ESA, die europäische Industrie in der Raumfahrttechnik voranzubringen. Natürlich wird dabei auch Expertise innerhalb der ESA angesammelt.
Alle anderen Marslander, zumindest die der letzten Zeit, haben ein einstufiges System verwendet, wobei dort ein Überschallfallschirm bei etwas über Mach 2 ausgefahren und dann nach Erreichen der Gleichgewichtsgeschwindigkeit abgeworfen wird. Sobald die Gleichgewichtsgeschwindigkeit erreicht ist, macht ein weiteres Dranlassen des Fallschirms nicht mehr sehr viel Sinn, da die weitere Abnahme der Geschwindigkeit dann nur noch langsamer und in geringer Höhe über dem Boden erfolgen würde, was mit der Zunahme der Luftdichte zusammenhängt.
Auch für den ExoMars-Lander wurde eine einstufige Lösung erwogen, man hat sich dann aber für ein zweistufiges System entschieden. Ob diese Entscheidung richtig war, wird die Zukunft zeigen.
Dass China schneller war als die ESA, finde ich keineswegs verwunderlich. Es gibt keinerlei technische Gründe, warum die ExoMars-Mission sich seit der ersten CDF-Studie im Jahr 2001 über nunmehr mehr als 20 Jahre hinschleppen muss, ohne dass es inzwischen gelungen wäre, erfolgreich Hardware weich auf der Marsoberfläche zu landen. Das ursprünglich angepeilte Startfenster war 2009 – das weiß ich deswegen ganz genau, weil ich es im Jahre 2001 selbst berechnet habe. Das wäre auch zu schaffen gewesen, wenn die Mission nicht so aufgestellt gewesen wäre, dass sie zum Spielball politischer Interessen wurde, wobei die beteiligten Länder nur auf den eigenen Vorteil bedacht waren und zu keinem Zeitpunkt ausreichende Finanzierung bereitstellten.
Das war nicht nur “scheinbar” so (Sie meinten wahrscheinlich “anscheinend”, was unverständlicherweise oft verwechselt wird, obwohl “anscheinend” und “scheinbar” gegensätzliche Bedeutungen haben), sondern nachprüfbar. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Historie der Mission. Wäre ExoMars gleich von vorneherein als Bestandteil des Pflichtprogramms und als wissenschaftliche Mission aufgezogen worden, und nicht zunächst als Technologiedemonstrator für eine zukünftige bemannte Marsmission, dann wäre vielleicht einiges anders und besser gelaufen. Vielleicht aber auch nicht, wenn man sich BepiColombo anschaut.