ESA gibt Unterstützung von Phobos-Grunt auf

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Jetzt ist es amtlich: Die ESA hat heute die Unterstützung der russischen Versuche zur Rettung der Raumsonde Phobos-Grunt mangels realistischer Erfolgschancen aufgegeben.

Siehe hier die tweets von @esaoperations, darunter:

Zuerst vor 3 Stunden:

No results from uplinking Russian telecommands via ESA’s #Perth (01.12) & #Maspalomas (02.12) stations #PhobosGrunt

Dann vor zwei Stunden:

In consultation and agreement with #PhobosGrunt mission controllers, ESA engineers will end #ESTRACK ground station support today
 
ESA ground teams remain #available to assist the #PhobosGrunt mission if indicated by any change in situation #estrack
 
We share full understanding in this v. diff situation with our Russian colleagues #phobosgrunt
 
Angesichts der Situation ist die Entscheidung nachvollziehbar. Wenn es nicht gelingt, vollständigen Kommandozugriff zur Raumsonde aufzubauen, dann kann ab einem bestimmten Punkt nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Aufwand sich noch lohnt.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

7 Kommentare

  1. Die ESA gibt zwar auf, die Russen aber noch nicht. Sie wollen versuchen Direktbefehle zum Anlassen der Triebwerke zu schicken und diese dann blind steuern.
    http://de.rian.ru/science/20111203/261667602.html

    [Antwort und etwas Hintergrundinformation hierzu: Üblicherweise kommen Kommandos bei einem Raumfahrzeug auf den Kommandostapel (command stack), der nach und nach vom Zentralprozessor abgearbeitet wird. Das geht bei Phobos-Grunt aber nicht, weil es nicht gelingt, den Zentralprozessor anzusprechen. Deswegen kann die Bedienmannschaft die Sonde nicht auf herkömmlichem Wege steuern.

    Direktkommandos sind ein Weg, um einzelne Komponenten direkt, unter Umgehung des Zentralprozessors, anzusprechen. Das ist in etwa vergleichbar mit einem PC, bei dem eigentlich auch vorgesehen ist, dass die Funktionen über das Betriebssystem aufgerufen werden, einige Dinge wie das Reset oder das Auswerfen einer CD auch durch Drücken eines Knopfs bewerkstelligt werden können, was einem dann aus der Patsche hilft, wenn man ans Betriebssystem nicht mehr herankommt.

    Jetzt wollen die also “die Triebwerke” (gemeint sind wohl die kleinen Raketentriebwerke des Navigations- und Lageregelungssystems, nicht das 20 kN-Haupttriebwerk) per Direktkommandos ansprechen, um die Bahn anzuheben, insbesondere das Perihel, das mittlerweile auf deutlich unter 200 km Höhe abgesunken ist.

    Na, hoffentlich schalten die, falls es ihnen überhaupt gelingt, das richtige Triebwerk ein und hoffentlich kennen sie die inertiale Lage der Sonde zu dem Zeitpunkt gut genug, um sicher sein zu können, dass sie das Perihel wirklich anheben und nicht etwa versehentlich absenken.

    Normalerweise würde ich bei Kollegen voraussetzen, dass sie das Richtige tun. Im gegebenen Fall, nach Allem, was inzwischen so vorgefallen ist, bin ich mir da nicht mehr so sicher. MK]

  2. Danke!

    Sehr gut und anschaulich erklärt, aber wie kann man denn die Sonde ohne Funkkontakt überhaupt “ansprechen”?

    [Antwort: Wenn es überhaupt nicht mehr gelingt, Funkkontakt zur Sonde herzustellen, dann war’s das.

    Bis jetzt war das Problem aber, dass es nicht gelang, Kommandozugriff zu etablieren, also Kommandos in den Kommandostapel zu schreiben und/oder den Zentralrechner dazu zu bringen, diesen Stapel abzuarbeiten.

    Es wurde einige Direktkommandos erfolgreich abgesetzt, damit gelang es zum Beispiel ab dem 23.11., den Transmitter ein- und auf die Low-Gain-Antenne zu schalten.

    Direktkommandos wirken allerdings in der Regel sofort, so wie Ihr Rechner ja auch sofort neu startet, wenn Sie auf den roten Knopf drücken (falls der noch so einen hat). Nur im Kommandostapel kann man die gewünschte Ausführungszeit mit angeben.

    Also muss, damit es funktioniert, per Direktkommandos mit den Lageregelungstriebwerken die Bahn anzuheben, eine ganze Menge gleichzeitig gegeben sein: Erstens muss die Raumsonde über Russland und im Sendebereich einer russischen Bodenstation sein. Zweitens muss sie nahe an ihrem Apogäum sein, denn am Apogäum kann man das Perigäum am ehesten anheben. Drittens muss sie so ausgerichtet sein, dass die eine für den Empfang geeignete Low-Gain-Antenne Sicht zur Erde hat und auch noch so, dass zumindest ein Lageregelungstriebwerk in die richtige Richtung zeigt. Viertens gilt offenbar auch, dass die Sonde sich gerade im Sonnenlicht aufhalten muss, weil auf den Ladezustand der Batterien kein Verlass mehr ist. Und fünftens muss, selbst wenn das oben alles gegeben ist, was bei der Sonde schon mal nicht wie selbstverständlich vorauszusetzen ist, auch noch das angesprochene Triebwerk wie befohlen zünden.

    Man kann mich jetzt Pessimist schimpfen, aber ich sage trotzdem offen, dass ich mich einer gewissen Skepsis nicht erwehren kann. MK]

  3. @Michael Khan

    In dieser Sache wird Sie wohl niemand einen Pessimisten schimpfen. Nachdem die ESA die Unterstützung des Projekts wegen fehlender Erfolgschancen aufgegeben hatte, die Russen es aber per “Direktbefehl” trotzdem nochmal versuchen wollten, da beschlich mich kurz der Gedanke, ob das nicht mit der gerade stattfindenden Parlamentswahl in Russland zusammenhängt. Unangenehme Wahrheiten machen sich vor und während einer Wahl immer schlecht und werden daher gerne auf später verschoben. Ich hätte den Russen einen Erfolg zwar gegönnt, aber nach Ihren Erklärungen ist wohl mehr als nur Skepsis angebracht. Oh, gerade lese ich, dass das Ding anscheinend auseinander fällt.

    P.S. Einen roten Knopf hat mein Computer zwar nicht mehr, aber dafür eine grüne Spezialtaste 😉

    http://us.123rf.com/…u-sagen-ich-danke-ihnen.jpg

  4. Nachtrag

    Auseinanderfallen ist die Raumsonde Phobos-Grunt offensichtlich noch nicht. Wie hier schon erwähnt hat sie zwei Teile verloren und man weiß offensichtlich auch welche das sind. Die Zeitung RIANOVOSTI schreibt, dass die Fragmente im NORAD-Katalog unter den Nummern 37940 und 37947 erfasst sind.
    Wer einen solchen Katalog zur Hand hat kann also nachsehen um was es sich da handelt.

    http://de.rian.ru/space/20111205/261695463.html

    [Antwort: Schon auf Russianspaceweb (siehe Link in meinem Kommentar von gestern – orangefarbener Text ist immer ein Hyperlink) konnte beobachtet werden, dass die zwei Teile schnell an Höhe verloren. Das bedeutet, dass sie eine große Oberfläche im Vergleich zu ihrer Masse haben müssen.Ich tippe auf relativ kleine Stücke von MLI. MK]

  5. Energieversorung/Heizung Phobos Grunt

    Ich finde nur wenig Informationen zur Energieversorgung und zur Heizung der Phobos-Grunt Sonde.
    Kann zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen werden, dass Phobos-Grunt doch eine “Radionuklid-Batterie” an Bord hat?
    Immerhin hat “Curiosity” eine solche Energiequelle für die lange und dunkle Reise dabei und zu dieser Technik gehören ebenso 4,5kg Plutonium in Oxid-Form.

    [Antwort: Ja, man kann ausschließen, dass es ein RTG an Bord gibt. Für einen Mars-Orbiter macht ein RTG gar keinen Sinn. Schon mal gar nicht, wenn er, wie hier, auf einer relativ weiten Bahn, in etwa der des Phobos, den Mars umkreisen soll. Da sind die Schattendurchgänge viel seltener als auf einer Mars-nahen Bahn.

    Der Mars-Rover “Curiosity” hat in der Tat einen RTG, aber nicht für den Transfer zu Mars, denn die ist keineswegs dunkel, sondern komplett im Sonnenlicht – da braucht man eher Maßnamen zur Vermeidung lokaler Überhitzungen als zur Heizung.

    MSL hat den RTG für die Versorgung mit Strom und Wärme während seiner eigentlichen Mission auf der Mars-Oberfläche. Ein Rover ist etwas ganz anderes als ein Orbiter. Mehr dazu finden Sie in diesem Kommentar zu einem anderen Artikel von mir. MK]

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