Ergebnisse der ESA-Ministerratssitzung
BLOG: Go for Launch
Hier läuft gerade der Live-Stream zur Abschlusspressekonferenz der ESA-Ministerratssitzung 2012.
Der Generaldirektor der ESA, J.J. Dordain, hat folgende Ergebnisse verkündet:
- Die ESA wird das Service-Modul für die bemannte NASA-Raumkapsel MPCV entwickeln. (Es wird interessant sein, zu sehen, wie die das nur mit den vorgesehenen 450 Millionen stemmen wollen)
- Die Ariane 5 wird zum Modell Ariane 5 ME ausgebaut
- Gleichzeitig beginnt die Definitionsphase für die Ariane 6. Diese soll in zwei Jahren abgeschlossen sein, sodass eine Entscheidung über das Konzept gefällt wird
- Die Programme des kleinen Startvehikels VEGA und der Erdbeobachtung GMES streten in die nächste Stufe ein
- Es geht weiter auf dem Weg der Umwandlung der ESA zur Raumfahrtagentur der EU
- An Marsforschungsprogramm ExoMars wird weitergearbeitet. Dies umfasst zunächst zwei Missionen, die 2016 und 2018 in Kooperation mit der russischen Raumfahrtagentur gestartet werden sollen
Dordain wurde in der Fragerunde explizit von einem Journalisten von FlightGlobal auf die Aussagen Elon Musks angesprochen. Musk hat in einem Interview mit der BBC behauptet, keine Version der Ariane 5 sei kommerziell mit der Falcon 9 von Musks Unternehmen SpaceX konkurrenzfähig. Dordain tat so, als sei ihm diese Aussage nicht bekannt, unterstrich dann aber die Zuverlässigkeit der Ariane. Er gab die Nutzmassenkapazität der Ariane 6 mit etwas über 6 Tonnen an (gemeint ist die Nutzmasse ins GTO). Ferner sagte er, die Ariane 6 werde auch in den Kosten mit Falcon 9 und Proton konkurrieren können. Die Ariane 6 soll nicht vor 2021 verfügbar sein.
Auf eine Frage von einem italienischen Journalisten antwortet Dordain, der Grund für die Weiterentwicklung der Ariane 5 sei die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Ariane 5 und die Schaffung von Synergien zur Ariane 6, sodass deren Entwicklungskosten gesenkt werden.
Leider wurde nicht dediziert zum Servicemodul für das MPCV gefragt.
Deutschland hat offenbar sein Projekt Ariane 5 ME durchbekommen, musste aber an anderer Stelle Federn lassen: Das vorwiegend von Deutschland unterstützte Projekt eines europäischen Mondlanders kam bei der Ministerratssitzung 2012 gar nicht erst auf den Tisch. Nun hängt die Finanzierung an den Deutschen.
Maximales Ergebnis mit minimalem Impact?
Ariane 5 ME + Ariane 6. Wer könnte sich mehr wünschen von der Esa. Da darf man nur hoffen, dass der Zeitplan eingehalten wird. Eine Verzögerung von nur 5 Jahren für die 5 ME oder Ariane 6 könnte beide obsolet machen. Und Verzögerungen sind doch in der europäischen Raumfahrt die Regel, nicht die Ausnahme. Man denke nur an das System Galileo. Ich kann mich noch erinnern, wie ein Kollege von mir, der selber Software für GPS geschrieben hat sich schon einmal auf ein Galileo-System ab 2008 vorbereitete. Bis Galileo nun komplett fertiggestellt ist dauert es sicher noch bis 2015 oder auch ein bisschen länger.
@Martin Holzherr: Verzögerungen
Verzögerungen entstehen bei Großprojekten genau dann, wenn es politische Einmischung gebt, bzw. wenn der Geldgeber – meist geschieht so etwas auf politischer Ebene – nicht bereit ist, das an Mittel bereitzustelen, was die Funktionalität, die er selber verlangt, nun einmal kostet. Dann kommt es zu endlosen, unproduktiven Schleifen, die das Projekt verzögern, verteuern, aber nie verbessern. Das war bei Galileo so, aber leider wurde daraus nichts gelernt.
“An Marsforschungsprogramm ExoMars wird weitergearbeitet. Dies umfasst zunächst zwei Missionen, die 2016 und 2018 in Kooperation mit der russischen Raumfahrtagentur gestartet werden sollen”
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Wie wollen sie denn das schaffen? Die NASA hat das Projekt doch schon abgeschrieben und hält das Projekt mit den bisherigen Mitteln für unfinanzierbar bzw. einen relaistischen Start erst für 2024 möglich.
Oder hab ich da was falsch verstanden?
ExoMars 2018
Nummer eins: “NASA may also provide software, expert advice and navigation support for the entry, descent and landing system on the rover, which will be comprised of mostly Russian parts. Europe is responsible for the computers and guidance system on the parachute- and rocket-assisted descent apparatus.”
(Quelle: http://www.spaceflightnow.co/news/n1211/21exomars/ )
Nummer zwei: Der ESA fehlen noch bis zu 300 Millionen Euro.
Nummer drei: Das Ding soll in weniger als 5 1/2 Jahren auf der Rampe stehen.
Hallo?
Dordain hat Humor
“Ferner sagte er, die Ariane 6 werde auch in den Kosten mit Falcon 9 und Proton konkurrieren können.”
Laut Spacenews sollen sich die Ariane-6 Entwicklungskosten auf geschätzte 4 Milliarden Euro belaufen.
Wenn ich mal optimistisch davon ausgehe, dass die Entwicklungskosten nicht ansteigen werden, bedeutet das, dass bei 50 angenommenen Starts die Herstellungs- und Startplatzkosten maximal 3 Millionen EURO pro Rakete sein dürften, um mit der Falcon 9 Heavy (83 Mio EUR pro Start) konkurrieren zu können.
Auf 70 Starts umgelegt dürfte eine Rakete + Startplatz 25 Mio EUR kosten.
Beide zahlen kommen mir utopisch vor, daher scheint es unter den gegebenen Rahmenbedingungen unmöglich, dass die Ariane 6 auch bei den Kosten mit SpaceX konkurrieren kann, wenn man Tricks, wie der Vernachlässigung der Entwicklungskosten mal außen vor lässt.
Mit den veranschlagten 4 Mrd ERO könnte ich auch die nächsten 50 Ariane-5 Starts mit je 80 Mio EUR subventionieren. Das sollte den Startpreis merklich senken.
Die Ariane 6 wird also nicht entwickelt, weil die Ariane 5 zu teuer ist, sondern vielmehr um einzelne Unternehmen auszulasten.
Schade nur, dass mit den dafür in die Hand genommenen gewaltigen Subventionen nur eine mittelmäßige Rakete (mittlere Nutzlast, mittlere Kosten) unter politischen Randbedingungen entwickelt wird.
Einige Antworten
@Gustav:
Ja, Sie haben da offenbar etwas missverstanden. Die Missionen, die die ESA 2016 und 2018 mit den Russen machen wird, sind die, die zuvor gemeinsam mit den Amerikanern gemacht werden sollten. Diese Kooperation wurde zwar einseitig von den Amerikanern gekündigt, aber dass die NASA diese zwei Projekte für unrealisierbar und erst im Jahr 2024 machbar hielt, wäre mir neu. Wahrscheinlich verwechseln Sie diese Projekte mit der Probenrückführung vom Mars.
@Julian
Expert advice ist immer willkommen, kostet aber die NASA nicht viel. Hilfe bei der Navigation bedeutet konkret die Nutzung von Bodenstationen. Auch sehr willkommen, aber nicht unbedingt erwähnenswert. ESA und NASA helfen einander oft mit Bodenstationen oder ganzen Baselines für die interferometrische Messung aus. Software – was das wohl sein mag, womit die sich beteiligen wollen, kann ich mir nicht so ganz vostellen, denn immer, wenn es bei irgendeiner amerikanischen Technik in irgendeiner Form anspruchsvoll wird, dann schlagen die ITAR-Regelungen gegen den Technologietransfer zu.
Es stimmt, dass das Startfenster 2018 sich im Mai öffnet. Das Gesamtsystem (Rover, Eintrittsstufe und Transferstufe) muss aber bereits deutlich vorher fertig sein, damit der Transport nach Baikonur, letzte Tests vor Ort und die Integration mit der Proton-rakete vorgenommen werden können. Eigentlich bleiben für Entwicklung, Bau, Komponenten- und Systemtests nur 5 Jahre.
Allerdings ist es so, dass von ESA und europäischer Industrie bereits Jahre in die Entwicklungsarbeit am Rover gesteckt wurden, bevor die NASA der ESA vor einigen Jahren sagte, dass sie allenfalls bereit wäre, im Jahre 2018 europäische Experimente auf einem amerikanischen Rover mitzunehmen. Da wurde die Entwicklungsarbeit in Europa unterbrochen. Letzten Herbst sagten die Amerikaner das ganze Projekt ab. Dann fingen die Europäer wieder da an, wo sie aufgehört hatten.
Es fehlt allerdings in der Tat noch eine Menge Geld. Das könnte viel effizienter als ale technischen Probleme dazu führen, dass es zu einer Verzögerung kommt und das Startfenster verpasst wird.
@Matthias
Dass ein europäisches Projekt einen starken politischen Hintergrund haben muss, ist leider nichts Neues, aber auch nicht auf die Raumfahrttechnik beschränkt. Dass eine Rakete nicht unbedingt unter Berücksichtigung der Marktanforderungen entwickelt wird, sieht man an der VEGA wie auch an der Ariane 5.
Was die Berechnungen der Wirtschaftlichkeit, insbesondere das Umlegen der Entwicklungskosten angeht – da wird immer dem Steuerzahler in die Tasche gegriffen. Auch bei SpaceX, die ja abgeblich die erste privatfinanzierte Rakete beuen und betreiben – nur dass die Entwicklung einerseits direkt finanziert – diese Summe muss nicht zurückgezahlt werden – andererseits aber auch durch Zugang zu Information gestützt wird, was einen beträchtlichen geldwerten Vorteil darstellt.
Die Ariane 6 ersetzt ja nicht nur die Ariane 5, sondern sie soll eine Bandbreite an Nutzlast transportieren können, die das Spektrum von der Sojus bis zur Ariane 5 G andeckt (also bis hin zu 6 Tonnen ins GTO). Man gibt also den High-End-Bereich auf und hat dann eine Rakete für den unteren bis oberen Bereich der mittleren Nutzlasten.
Im Prinzip ist der Schritt hin zu einem modularen, flexiblen System und zu einer erheblichen Reduzierung des Zoos an verschiedenen, untereinander nicht kompatiblen Systemen mit ganz anderem Hintergrund, vollkommen richtig und unvermeidlich. Daran kann man einfach nicht vorbei.
Die Frage ist bei der Ariane 6, ob die Vernachlässigung der schweren Nutzlasten eine gute Idee ist. Ich fürchte, damit manövriert sich Europa in eine Nebenrolle in der Weltraumforschung.
Die Ariane 5 wird übrigens schon in erheblichem Umfang subventioniert. Soweit mir bekannt mit einem dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr.