Ein Weltraumbahnhof in Deutschland?

Seit zwei Tagen wird über einen Weltraumbahnhof in Deutschland diskutiert. Der Tenor ist deutschlandtypisch: Man ist erst einmal dagegen. Ich finde allerdings, man sollte die Sache erst einmal durchrechnen. Dann weiß man, was dafür und was dagegen spricht – und vielleicht auch, welche Alternativen sich bieten.  

Leider wurde in der Debatte auch Halbwissen verbreitet. Dazu gehört das Argument, dass eine Raketenstartbasis am Äquator stehen muss, weil eine dort startende Rakete am meisten von der Erdrotation profitiert.

Das würde jedoch nur für Starts in eine äquatoriale Bahn gelten, also eigentlich nur für geostationäre Satelliten, und auch für die nicht zwingend. Das Hauptargument für einen äquatornahen Weltraumbahnhof (Wer hat sich eigentlich dieses Wort ausgedacht?) ist nicht der Schwung durch die Erdrotation, sondern die Tatsache, dass die zwangsläufig erforderliche Inklinationsänderung beim Einschuss in die geostationäre Bahn in knapp 36000 km Höhe geringer ausfällt, wenn schon die Inklination der Startbahn gering ist.

Wohin soll es überhaupt gehen?

Die geostationäre Bahn ist allerdings nicht mehr der Wachstumsmarkt der Zukunft und gewiss nicht der einzige Faktor bei der Wahl eines Standorts für eine Startbasis. Klar, es wird immer noch geostationäre Satelliten geben, aber die erdnahe Raumfahrt der Zukunft wird sich vorwiegend in anderen Regionen abspielen. Da geht es um große Konstellationen:

  • Navigationssatelliten in Kreisbahnen mit Perioden um 12 Stunden in etwas mehr als 20000 km Höhe und mit Bahnneigungen über 50 Grad
  • Kommunikationssatelliten für Netzwerke mit geringer Latenzzeit im niedrigen Erdorbit (unter 2000 km) und mit hoher Inklination, um die Abdeckung der dicht besiedelten Gebiete zu gewährleisten
  • Erdbeobachtungssatelliten verschiedenster Art, die zumeist (aber nicht immer) in Höhen zwischen 700 und 900 km und meist (aber nicht immer sonnensynchron, d.h., bei Inklinationen von mehr als 90 Grad unterwegs sind.

Ein Weltraumbahnhof in Deutschland – wo?

Wichtig bei der Wahl der Startbasis ist zunächst einmal die Frage, ob man für die Bahnen, in die man starten will, ein freies Schussfeld hat. Idealerweise liegt die Basis direkt an der Küste und man hat in der Richtung,  die man braucht, Tausende Kilometer freien Ozean vor sich. Keine Landmassen, keine Inseln.

Die ausgebrannten und abgeworfenen Stufen sollen schließlich niemanden gefährden. Außerdem könnte ja auch die ganze Rakete versagen, schlimmstenfalls kurz nach dem Start, wenn die Tanks noch voll mit explosivem und oft auch noch giftigem oder korrosivem Treibstoff sind. Das soll nicht über Land geschehen.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht in Frage kommt. Dort liegen dänische Inseln und das schwedische Festland gleich gegenüber.

Aber dann ist ja auch noch Nordholz in Niedersachsen erwähnt worden. Eine Raketenstartbasis in Niedersachsen! Da ich in Niedersachsen groß geworden bin, wurde ich gleich hellhörig. Ein Countdown auf Plattdeutsch, oder zumindest Küstendeutsch, das wär’s doch!

Die Gegend von Cuxhaven als Standort einer Raketenbasis – das ist beileibe keine neue Idee, siehe hier.

Zumindest auf der ersten Blick könnte es machbar sein.

Das sollte man mal simulieren …

Genau. Sollte man. Mache ich auch. Da ich nicht weiß, was für eine Rakete gestartet werden soll, setze ich mal so etwas wie die europäische Vega voraus, eine kleine, vierstufige Rakete. Selbst wenn es hier um noch kleinere Raketen gehen sollte – so viel anders kann deren Aufstiegsbahn auch nicht sein.

Entwurfsaufgabe also wie folgt: Start einer Vega-ähnlichen vierstufigen Rakete in eine sonnensynchrone Bahn mit einer Höhe von 700 km und einer Inklination von 98.3 Grad. Das bedeutet, dass die Rakete in nord-nordwestlicher Richtung abfliegen muss. Das könnte gerade noch passen – Nach Norden starten geht nicht, denn da liegt Norwegen und nordöstlich geht sowieso nicht.

Erste Erkenntnis: Eine Startbasis an der deutschen Nordseeküste wäre allenfalls für Starts von Erdbeobachtungssatelliten in sonnensynchrone Bahnen geeignet.

Zunächst einmal die Aufstiegsbahn:

Flugbahnhöhe als Funktion der zurückgelegten Distanz vom Startort (Rakete: rot, ausgebrannte Stufen: blau) für die angenommene vierstufige Beispielrakete bis zum Ausbrennen der Oberstufe

Die erste Stufe, die Nutzlastverkleidung und die Zweitstufe plumpsen nicht allzu weit vom Startort entfernt herunter, die Drittstufe erst sehr viel später.

Ein Blick auf die Weltkarte:

Weltkarte mit Subspur der Aufstiegsbahn (rot) sowie des ersten Umlaufs der Nutzlast nach dem Aussetzen (blau) für einen Start von einer fiktiven Startbasis in Nordholz (Niedersachsen)

Erststufe fällt in die Nordsee, Zweitstufe in den Nordatlantik, Drittstufe in den Pazifik, überfliegt davor allerdings Alaska. Das sollte man verhindern. Es würde halt die Nutzlast etwas verringen. Die Zusatzrechnung spare ich mir hier, weil es mir um die grundsätzliche Machbarkeit geht, nicht um die Feinabstimmung.

Was sagt uns die Subspur?

Schauen wir uns die Karte der Abflugregion an:

Karte mit Subspur der Aufstiegsbahn und die Aufschlagsorte der Erst- und Zweitstufe und der Nutzlastverkleidung für einen Start von einer fiktiven Startbasis in Nordholz (Niedersachsen)

Der Abflug erfolgt aus Nordholz, vorbei an Sylt und Dänemark, aber dann streift die Subspur Norwegen und die Erststufe fällt direkt vor der Küste ins Meer – das geht gar nicht, und daran dürfte es auch scheitern. Auch der Absturzort der Zweitstufe wäre problematisch, denn dort gibt es Ölbohrplattformen. Danach ist es eher unkritisch, aber das hilft auch nichts mehr. Man kann den Standort auch nicht einfach weiter westlich verlagern, denn dort sind die ostfriesischen Inseln der Küste vorgelagert.

Wenn ein Standort noch nicht einmal für Starts in sonnensychrone Orbits taugt, weil die Anforderungen an die Sicherheit bewohnter Gebiete nicht erfüllt werden können, dann war’s das. Ende Gelände.

Und wo könnte ein Weltraumbahnhof in Deutschland stehen?

Ein Weltraumbahnhof in Deutschland scheint nicht machbar zu sein, aber eine deutsche Startbasis wäre schon zu realisieren. Sollte man so etwas wirklich brauchen, könnte man von einer umgebauten Ölbohrplattform aus starten, die in der Nordsee positioniert wird. Damit könnte man alle Sicherheitsprobleme zufriedenstellend lösen und hätte auch nicht mit Klagen wegen des Lärms zu tun.

Der Start von einer solchen Plattform aus ist beileibe nichts neues. Die Firma Sea Launch macht das schon seit langem, und nicht nur mit kleinen Raketen. Schon in den 60ern haben die Italiener die San Marco-Plattform vor der Küste von Kenia betrieben.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

20 Kommentare

  1. Die Ariane startet in Kourou, aber auch für private Raketenfirmen gibt es bis jetzt keinen europäischen Startort – geplant ist aber (gemäss deutschsprachiger Wikipedia) einer in Schottland für die britisch-dänische Rakete Prime und die US-amerikanisch-neuseeländische Rakete Electron.
    Für die bayerische Rakete Spektrum seien Nordwegen und Schweden im Gespräch.

    Mir scheint jedenfalls, dass Weltraumbahnhöfe häufig nur gerade Raketen weniger Firmen/Unternehmen starten. Der Grund, dass heute überall von potenziellen neuen Weltraumbahnhöfen gesprochen wird, hängt eng mit dem Einstieg diverser privater Firmen in den Raketenbau zusammen.

    Die Spectrum-Rakete, 27m lang, 2m Durchmesser, 1Tonne Nutzlast, mit engine-out Fähigkeit wird von Isar Aerospace (Sitz in Gilching bei München) gebaut, das erst gerade im März 2018 gegründet wurde.

    Gemäss englischsprachiger Wikipedia begann das Zeitalter der privaten Weltraumfirmen erst In den 1980ern, 1990ern. Aber erst in den 2010ern schiessen private Weltraumfirmen wie Pilze aus dem Boden. Und die brauchen letztlich alle einen Startort.

    • Neben dem bereits von Daniel Fischer genannten Standort Andøya in Norwegen ist auch Sutherland in Nordschottland ein durchaus geeigneter Standort sowohl für sonnensynchrone als auch für polare Bahnen. Damit stechen sie Nordholz aus, das beides nicht kann. Norwegen ist allerdings nicht in der EU und Schottland bald nicht mehr (langfristig vielleicht doch? Wer weiß …), aber das Problem sollte mit gesonderten Vereinbarungen zu lösen sein.

  2. Kleine Korrektur: es müsste heissen: „ Aber erst seit dem Jahr 2000 schiessen private Weltraumfirmen wie Pilze aus dem Boden.“ Grund: Blue Origin wurde im Jahr 2000 gegründet, SpaceX im Jahr 2002, Rocket Lab 2006.

  3. Die oben erwähnte San Marco Plattform vor der Küste Kenias ist einer von 2 je in Afrika lozierten Startplatformen. Europa hat bisher keinen Startort, Russland hatte insgesamt 4 und benutzt auch den in Baikonur, Kasachstan. Im Raum Japan, Südkorea, Nordkorea und räumlich benachbart in China drängen sich die Weltraumstartplätze und dann gibt es an der US-Atlantik und Pazifikküste sehr viele und im Norden Südamerikas 2. Sogar Australien hat einen Weltraumbahnhof

    Fazit: Die weissen Flecken auf der Landkarte der Weltraumbahnhöfe ( Link zu Wikipedia ) sind Afrika (keine heute aktiven Standorte), Europa, Kanada und das südliche Südamerika. Hier gehört also einmal Europa zu den unerschlossenen Gebieten. Vielleicht steht das ja symbolisch dafür dass Europa in einigen wichtigen Gebieten entweder den Anschluss verpasst hat (Halbleiter) oder nur halbherzig in ein neues Feld eingestiegen ist (Raumfahrt).

  4. Ich weiß jetzt nicht wie das bei anderen Standorten ist, aber ein Startplatz in Nordeuropa würde fast immer zu Subspuren quer durch die am häufigsten befahrenen Schiffs-und Flugrouten der Welt führen. Wäre das nicht ein grundsätzliches Gegenargument, allein schon versicherungstechnisch?

    • Es hängt natürlich von der Startfrequenz ab. Das Hauptargument für lokale, kleine Startbasen ist ja gerade, dass man kurzfristig planen kann. Da sollte man natürlich auch ohne lange Vorwarnzeiten starten können. Im Fall von Nordholz, wo (mal abgesehen vom Überflug von Stavanger und Bergen, was schon ein hinreichendes Ausschlusskriterium ist) das Mündungsgebiet der Elbe überflogen Stufen in den Ausgang des Skagerraks plumpsen würden oder weiter oben in die Öl- und Gasfelder, wäre das bestimmt ein Problem.

      Wenn ich mir allerdings diese Karte anschaue oder diese oder beliebige andere karten der Schiffahrtsdichte, die man leicht im Web findet, dann erscheinen Kourou und Cape Canaveral auch durchaus problematisch – eine Basis auf einer schmimmenden Plattform in der nördlichen Nordsee mit Starts in nördlicher Richtung wáre da sogar vorteilhaft gegenüber den etablierten Standorten.

  5. Wenn man unbedingt in (Nord-)Europa auf polare Orbits starten wollte, warum würde man dann nicht das bewährte Andøya Space Center dafür ausbauen? Die Lage bei Andenes am Nordende einer Insel vor der nordnorwegischen Küste schiene doch perfekt. In den USA sind ja auch Basen für Suborbitalraketen später für Orbitalstarts verwendet worden, die Wallops Flight Facility und der Pacific Spaceport Complex – Alaska.

  6. “Ein Weltraumbahnhof in Deutschland?” Nein.

    Überall von den Boulevardmedien bis in die Fachpresse plappert man vom Weltraumbahnhof. Nirgends hingegen kann man über das wieso & warum etwas lesen.

    Hier eine Zusammenfassung über die Aussichten einen W. in D. (Link)

  7. Dann hätten wir aber wenigstens ein hochtrabendes verkehrstechnisches InvestruinenTrio zusammen:
    – Raketenverkehr: Altmaier-Weltraumbahnhof wohin?
    – Flugzeugverkehr: BER-Flughafen Berlin
    – Eisenbahnverkehr: Stuttgart 21

    Oberleitungs-Lkw’s auf Autobahnen nicht gezählt, ist ja Strecke, könnte aber langer Parkplatz werden.

  8. Warum kommt Mecklenburg-Vorpommern nicht in Frage ? Ich erinnere hier an Peenemünde auf Usedom. Sie haben hier, wenn sie die Richtung Osten nehmen mehrere hundert Kilometer freie Ostsee vor sich. Im Dritten Reich wurden hier bereits durch Wehrner von Braun erfolgreich Raketen getestet(A1). Außerdem hätten sie hier auf Grund den geringe Bevölkerung, weite unberührte Gebiete mit ausreichenden Flächen, also nicht zersiedelt wie im Westen. Des weiteren wäre eine solche Aktion für diese strukturschwache Region ein wichtiger Arbeitgeber. Warum also alles immer in den Westen legen, wo es bereits ausreichend Arbeitsplätze gibt ?!

    • Warum Mecklenburg-Vorpommern sich nicht als Standort für Raketenstarts in ein Erdorbit eignet, steht im Artikel. Es kommt aber auch kein Standort im Westen Deutschlands infrage.

  9. Ich denke es ist möglich von Deutschland aus einen Satelliten in einen Orbit zu bringen. Allerdings nicht mit den Mitteln die derzeit vorhanden sind.
    Boeing wollte die Delta IV durch ein Projekt namens X-37 ablösen. X-37 sollte als SSTO (single-stage-to-orbit) entwickelt werden. Und dementsprechend hat man dort keine Stufen die “unterwegs entsorgt” werden müssen.
    Und es sollte Aufgabe der Politik sein, solche Entwicklungen zu fördern.

    • Woher stammt die Information, das X37 sei als SSTO-Startvehikel geplant gewesen? Das X37 gibt es. Es handelt sich dabei um ein unbemanntes Weltraumflugzeug. Es ist bereits fünf Mal gestartet worden (vier Mal auf einer Atlas V / Centaur und das letzte Mal auf einer Falcon 9). Davon, dass diese Raumfähre nun nicht nur rückkehrfähig, sondern auch noch ohne Rakete alleinstartfähig gewesen sein sollte, ist mir nichts bekannt.

      Vielleicht verwechseln sie das X37 mit der Lockheed Martin X-33. Das war ein Demonstrator für die VentureStar, die tatsächlich SSTO sowie Rückkehr können sollte. Als das VentureStar-Programm eingestellt wurde, endete auch die Entwicklung der X-33.

      Selbst wenn SSTO realisierbar sein sollte, wäre es immer noch keine gute Idee, den Start über bewohnte Gebiete, dichtbefahrene Schiffahrtsrouten oder viel genutzte Flugrouten hinweg durchzuführen, denn ein Start kann immer schief gehen. Wenn so ein Startvehikel mit noch fast vollen Tanks abstürzt und beim Aufschlag explodiert, dann doch wohl lieber über dem offenen Meer. Ich sehe wirklich nicht, warum es ein Problem sein sollte, wenn man eine existierende Basis in Nordnorwegen noch etwas ausbaut und denn für den Start kleiner Satelliten ins Orbit nutzt.

      Der Vorschlag des BDI bezieht sich auf “Micro Launcher”, die kleine, preiswerte, kommerzielle Satelliten im wachsenden Markt der Erdbeobachtung starten sollen, ohne jedes Mal den Aufwand des Transports nach Kourou zu haben. Siehe u.a. dieser Artikel in der Welt, einer der wenigen informierten Artikel zum Thema, den die hiesige Presse zustande gebracht hat. Diese Microlauncher sind klein, preiswert, vielseitig. Es gibt sie jetzt schon, und der Markt wächst:

      Drei potenzielle deutsche Nutzer gäbe es bereits: Das Start-up Isar Aerospace, Hyimpulse und Rocket Factory Augsburg (RFA), eine Tochter des großen Bremer Raumfahrtkonzerns OHB, der in der Branche als Haupttreiber für die Initiative gilt. OHB-Konzernchef Marco Fuchs betonte auf dem Berliner Weltraumkongress sein Interesse sowie das Potenzial des Projekts.

  10. @Ariane Schäfer (Zitat): Und es sollte Aufgabe der Politik sein, solche Entwicklungen [wie eine single-stage-to-orbit Rakete] zu fördern.
    Grossbritannien macht(e) das tatsächlich. Dazu liest man in der Wikipedia (Zitat):
    The British government partnered with the ESA in 2010 to promote a single-stage to orbit spaceplane concept called Skylon.[11] This design was developed by Reaction Engines Limited,[12][13] a company founded by Alan Bond after HOTOL was cancelled.[14] The Skylon spaceplane has been positively received by the British government, and the British Interplanetary Society.[15] Successful tests of the engine precooler and “SABRE” engine design were carried out in 2012, although full funding for development of the spacecraft itself had not been confirmed.
    Inzwischen interessiert sich Rolls Royce und Boeing ( https://www.bbc.com/news/science-environment-43732035 ) für das SABRE-Triebwerk.

    Mir scheint, in Grossbritannien werden überhaupt mehr unkonventionelle Technikansätze von der Regierung gefördert. In Grossbritannien wird etwa die Entwicklung eines sphärischen Tokamaks für die Kernfusion mit staatlichen Mitteln unterstützt.

    Allerdings bin ich über die Forschungs- und Entwicklungs-Programme Deutschlands nicht besonders gut informiert. Vielleicht schaffen es visionäre deutsche Projekte einfach nicht in die Medien.

  11. Unter der Annahme, dass Kommunikationsatelliten, d.h. Satelliten für Internet-Usescases
    a) im Satelliten-Markt künftig eine entscheidende Rolle spielen (konkret: Ein Großteil des zu erwartenden Marktwachstums erfordert Kommunikationssatelliten)
    b) Diese Satelliten eine Inklination von 50-70 Grad haben
    c) Die Nordsee nur “Startinklinationen” von ca 90 Grad zulässt
    d) Eine Inklinationsänderung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist,

    stellen sich folgende Fragen:

    a) Sind die Kosten für eine Inklinationsänderung (relativ zu den Gesamtkosten) wirklich so hoch wie es scheint? Konkret: Sind die Kostennachteile größer als die Kostenvorteile, die sich insb. für geringere Logistik-Kosten für deutsche Anbieter ergeben? Um wie viel Prozent steigen die Kosten pro Mission (Annahme viele kleine Satelliten) für die erforderliche Inklinationsänderung?

    b) Welche Möglichkeiten gibt es, die Manöverkosten zur Inklinationsänderungen zu reduzieren, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Nordsee sicherzustellen?

    • Nehmen wir eine kreisförmige Bahn von 500 km Höhe. Da kostet eine Änderung der Bahnneigung um 20 Grad (Also von 90 auf 70 Grad) ein Geschwindigkeitsinkrement (Delta-v) von 2.64 km. 40 Grad Änderung kosten 5.21 km/s. Vielleicht kann man das etwas reduzieren, indem man in eine hochexzentrische Bahn geht, dort die Bahnneigung ändert und dann wieder zurück auf die niedrige Bahn geht. Vielleicht ist so aber auch keine Einsparung mehr zu erreichen – ich habe es nicht überprüft, weil es ganz egal ist – es fallen auf jeden Fall absurd große Manöver an, die einen Showstopper darstellen.

      Der Standort Nordsee konkurriert nämlich mit anderen Standorten auf der Welt, an denen aufgrund des freien Schussfelds keine Änderung der Inklination notwendig ist, d.h., es fallen dort Null Zusatzkosten an. Wenn es also um den Wettbewerb um Starts in solche Inklinationen geht, dann ist der Standort Nordsee schon draußen.

      Die Frage ist allerdings, ob man wirklich von einer deutschen Startbasis in der Nordsee um gerade diesen Markt konkurrieren will. Gerade Megakonstellationenn brauchen doch sehr viele Satelliten, d.h., selbst wenn die individuellen Satelliten klein sind, wird man immer noch eine ziemlich große Rakete brauchen. Beim Start einer großen Rakete fällt aber ohnehin viel Aufwand an. Da fällt der Vorteil der ortsnahen Startbasis nicht mehr so sehr ins Gewicht.

      Ich denke mal, für etwas anderes als sonnensynchrone oder polare Bahnen wird eine Startbasis in der Nordsee nicht nutzbar sein. Das aber ist immerhin noch kein kleiner Markt, der einen Großteil der Erdbeobachtungssatelliten (zivil und militärisch) und vielleicht noch einige Kommunikationssatelliten umfasst.

      Ich sehe den Einsatzzweck der lokalen Startbasis beim Start von kleinen, in Deutschland gebauten Satelliten von Startups mit einer kleinen, ebenfalls in Deutschland gebauten Rakete. Gerade bei den kleinen Satellitenmissionen mit niedrigem Budget macht es sehr viel aus, wie viel Aufwand und Kosten in die Startvorbereitungen fließen. Wenn man aber wirklich vor Ort startet, kann man dem Techniker sagen: “Wir haben da möglicherweise ein Problem mit der Elektronik unseres Cubesat, der nächste Woche hoch soll. Vorsichtshalber sollten wir die austauschen. Hier ist die neue Platine – steig ins Auto und fahr da mal eben hin und tausch die aus. Ach, und bring auf dem Rückweg noch ein paar Sachen von Conrad Elektronik mit. Und ein Pfund Kaffee … wir haben gerade keinen mehr.”

      Das würde wirklich einen deutlichen Kostenvorteil bringen. Nicht die Sache mit dem Kaffee, aber die Tatsache, dass man kein Team nach Kourou oder Neuseeland oder Cape Canaveral schicken muss, keine Tonne von Zollformularen auszufüllen hat und auch keine Hardware für einen interkontinentalen Transport zu verpacken braucht. Ganz so einfach wie oben wird es nicht mehr gehen, wenn man nun zu einer Plattform in der Nordsee muss. Auch die Transportkosten werden deutlich steigen, wenn auf ein Schiff oder einen Hubschrauber umgeladen werden muss. Der Vorteil mit dem Papierkram aber besteht nach wie vor.

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