Gibt es nichts Neues unter der Sonne?

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Der immer noch nicht beendete Störfall in mehreren Blöcken des Kernkraftwerkskomplexes Fukushima 1 hat in vielen Ländern zu Reaktionen geführt. Insbesondere in Deutschland wird, zumindest verbal, dem Einsatz erneuerbarer Energien hohe Priorität eingeräumt.

Neben dem Einsatz lokal verfügbarer Energiequellen wie Wind, Wasserkraft, Biomasse, Geothermie, Solarthermie und Photovoltaik, deren Bedeutung, mit unterschiedlicher Gewichtung, deutschlandweit zunimmt, wurden auch weit reichende Visionen diskutiert. Eine solche Vision ist das Projekt Desertec, das einen Energieverbund zwischen den entwickelten und industrialisierten, aber rohstoffarmen Ländern Europa und den sonnenbeschienenen Flächenstaaten Nordafrikas und des nahen Ostens vorsieht. In diesen Ländern aus Sonnen- und Windenergie produzierter Strom sollte demnach über ein Stromnetz zu den Verbrauchern im Norden geleitet werden.

In diesem Zusammenhang fiel mir wieder ein Konzept ein, von dem ich in den 70ern im Spiegel las. Damals war ich noch Gymnasiast und hatte im Rahmen eines Schulprojekts die Aufgabe, Informationen über die Energieversorgung der Zukunft zu sammeln und vorzustellen.

Nebenbei bemerkt: Obwohl immer so viel über deutsche Schulen gemeckert wird, muss ich sagen, dass dieses Projekt mich weit uber die eigentliche Aufgabe hinaus motivierte und bis ins Studium hinein fesselte. Wenn es einer Schule in diesem Lande gelingt, ihre Schüler so an die Materie heranzuführen, dann machen wir zumindest nicht alles falsch.

Der Spiegel stellte in seiner Ausgabe 8/1974 vom 18.2.1974 eine Idee des deutschen Erfinders Nikolaus Laing vor. Dieses, von seinem Erfinder als “Energiekaskade” bezeichnet, ähnelt in gewisser Weise dem Desertec-Projekt, vor allem darin, dass es das warme und arme Nordafrika und das kalte und reiche Europa in einem Energieverbund zusammenführt.

Der Unterschied zu Desertec, wo Nutzenergie in Form von elektrischem Strom transportiert werden soll, liegt darin, dass die Energiekaskade Heißwasser unter Hochdruck transportieren sollte, also prinzipiell für die Lieferung von Prozess- und Brauchwärme ausgelegt war. Das dazu notwendige Wasser sollte aus unterirdischen, natürlichen Wasserspeichern unter der Sahara kommen – was schon einmal die Frage eröffnet, ob diese lokale Ressource wirklich für den Transport von Prozesswärme sinnvoll eingesetzt wäre.  

Das heiße Druckwasser sollte über riesige Rohrleitungen nach Europa transportiert und dort per Hochtemperaturreaktoren (einer Bauart von Kernkraftwerken, die damals projektiert wurde und in geringen Stückzahlen in den Testbetrieb ging, aber nicht wirklich weiter verfolgt wurde) in Heißdampf verwandelt werden. Ein weitverzweigtes Rohrnetz hätte den Heißdampf zu den Verbrauchern gebracht. Die weniger heiße Abwärme sollte weiter als Brauchwärme genutzt werden.

Zusätzlich zu der Frage nach der Herkunft des Wassers erscheint mir dieses Konzept wirtschaftlich fragwürdig. Wenn schon Hochtemperaturreaktoren gebraucht werden (was wahrscheinlich heute schon ganz allein als Show-Stopper ausreichen würde), wozu dann noch der ganze Aufwand mit Afrika? Wiegt die Vorwärmung allein die Kosten von Aufbau und Betrieb des Heißwasser-Drucknetzes auf?

Vermutlich reichen die Erstellungs- und Unterhaltskosten allein schon aus, um das ganze Konzept zu kippen. Auch lokal erzeugte Prozesswärme kann durchaus als Brauchwärme in einem städtischen Fernwärmenetz verwendet werden – auch ohne horrend teures Langstrecken-Heißdampfnetzwerk.

Ich habe danach von der Energiekaskade nie wieder etwas gehört, und ich muss sagen, das wundert mich auch nicht wirklich.

Weitere Information

Spiegel-Artikel “Traum ohne Grenzen” vom August 1974. Hier derselbe Artikel im Text-Format, ohne Bilder, aber dafür leserlicher

Webseite der Desertec-Foundation

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. Muss Energie billig sein?

    Vermutlich reichen die Erstellungs- und Unterhaltskosten allein schon aus, um das ganze Konzept zu kippen.

    Die meisten Vorschläge für neue Energiequellen und -systeme scheitern an den Gesamtkosten. Das gilt auch für bereits mehr oder weniger fest verankerte Energievisionen wie Strom aus Wind+Sonne und nicht nur für abgehobene Grosprojekte wie das oben vorgestellte Wärmenetz kontinentalen Ausmasses.

    Desertec würde zwar konkurrenzlos billigen Sonnenstrom – im Vergleich zu Deutschland – liefern, das heisst aber nicht unbedingt, dass die Gesamtkosten immer noch konkurrenzlos tief sind – denn neben den einige dutzend Milliarden teuren Hochspannungsgleichstromübertragungleitungen müssten wohl auch politische Kosten in Betracht gezogen werden – etwa in der Form von Sandzinsen und Transportzöllen. Dazu kommen dann noch Verträge mit lokalen Machthabern, die sich zu einem Entgelt um die Sicherheit der Anlagen kümmern – nicht etwa um die Betriebssicherheit zu gewährleisten wie bei Atomkraftwerken, sondern um die Bemühungen um Sicherheit vor Anschlägen und “Geiselnahmen” solcher Anlagen im Falle von Konflikten abzugelten

    Es gibt jedoch auch immer wieder Stimmen, die Energie heute für zu billig halten, machen ihre Kosten doch nur wenige Prozent des BIP aus. Doch erstens gilt das nur für die reichen Industrieländer und zweitens steht Energie ganz unten in einer Pyramide von Verwertungsketten und eine Verteuerung würde sich in der Pyramide bis ganz nach oben auswirken.
    Wie würde sich beispielsweise der Vorschlag auswirken, die Stromkosten zu verdoppeln – im Sinne einer Besteuerung mit dem Nebeneffekt des erzwungenen Stromsparens? Die meisten Privathaushalte könnten mit den erhöhten Strompreisen schon zurecht kommen. Ganz anders sieht es bei energieintensiven Industrien aus oder bei Industrien, die einen grossen Stromkostenanteil am Produktpreis haben. Letzlich müsste der Konsument über höhere Preise nicht nur seinen eigenene Stromkonsum bezahlen, sondern über höhere Produktepreise auch den Stromkonsum der Produzenten und Dienstleister. Das würde viele Lebensbereiche betreffen: Eine Fahrt mit der elektrifizierten Bahn würde dann wohl einige zweistellige Prozente teurer werden. Insgesamt wären die Auswirkungen schwer abzuschätzen. Sicher scheint mir nur, dass sie von den meisten unterschätzt werden.

    All das gilt noch viel mehr für Entwicklungs- und Schwellenländer. Billige Energie steht dort oft am Anfang der Entwicklung und billiger Strom kann beispielsweise darüber entscheiden, ob ein Landwirt sein Feld bewässern und damit seinenen Wohlstand steigern kann oder nicht.

    Mein Gefühl sagt mir also, dass Energie – auch Strom – nicht zu teuer werden darf. Ich bin aber gespannt ob jemand Gegenargumente findet.

  2. @Martin Holzherr

    Ich denke, solange die politischen Verhältnisse sich nicht grundsätzlich wandeln, macht eine Investition in etwas wie Desertec wenig Sinn.

    Ob Investitionen in etwas wie die Heißwasser-Energiekaskade von 1974 unter wie auch immer gearteten politischen Konstellationen sinnvoll wäre, lasse ich mal dahingestellt.

    Wenn das ganze nicht ohne endloses Bakschisch und Schutzgeld hochgezogen werden kann, ist die Zeit einfach noch nicht reif dafür. Eines Tages wird es soweit sein, wenn die Relation zur arabischen Welt so sein wird wie zwischen den meisten EU-Ländern. Das wird zwar kommen, aber realistischerweise nicht unbedingt sofort.

    Zu Ihrer Frage. “Billig” ist m.E. nicht eindeutig genug, “bezahlbar” trifft es vielleicht eher. Immerhin steht Energie an zentraler Stelle jeglicher Produktion, und das wird in der Zukunft eher noch zunehmen. Energie künstlich teuer zu machen, kann allenfalls als zeitweise Maßnahme vetrtetbar sein, um Benutzer zu einem Technologiewechsel zu bewegen. Das wird aber immer umstritten sein- Grundsätzlich aber sollte doch der Markt die Preise regeln, der Staat die Verteilungsmodalitäten, die Umstände der Produktion und den Umweltschutz,

  3. Desertec

    Ich denke wir werden in naher Zukunft nicht mehr drum kommen auch “etwas” kostenintensivere Energiequellen ernsthaft in unsere Energiebilanz einbeziehen zu müssen. Tatsache ist doch , wie lange geben wir den Ölkonzernen noch die Bedeutung und Macht, die sie im Moment über uns haben. Eines sollte aber Jedem, gerade nach Japan, doch klar geworden sein. Dass wir uns in eine Energieabhängigkeit hinein manöviert haben, aus der wir im Moment nicht mehr raus so schenll rauskommen. Und ich denke wir befinden uns sehr bald an einen Punkt an dem sich die Frage nicht mehr nach den Kosten der Energie stellt, sondern wie und wo bekommen wir diese her, denn ohne gehts einfach nicht mehr! Ich lebe in einem der sonnigsten Länder (Ägypten) und es ist ein Armutszeugniss, dass es hier so gut wie keine Sonnenenergienutzung gibt, auch nicht von den westlichen Investoren, die es sich wirklich leisten könnten!!!

  4. @Paula

    Das sind alles wichtige Punkte, nur stelle ich die Gegenfrage, ob die Energiekaskade, um die es in meinem Artikel primär ging, oder auch das neue Projekt “Desertec” wirklich geeignet sind, das Grundproblem zu lösen.

    Selbst wenn die hier beschriebene “Energiekaskade”, so wie sie sich jemand in den 70ern ausgedacht hat, funktionieren würde (selbst das ist keinesfalls sicher), wäre es mir erheblichen Umweltbelastungen in den Erzeugerländern verbunden. Das kann ja wohl nicht Sinn der Sache sein.

    Bei “Desertec” sieht es nicht wirklich anders aus. Es scheinen ja hier wirklich immer alle Befürworter davon auszugehen, dass es einfach so möglich sein würde, in den nordafrikanischen Staaten die Landschaft mit Solarkraftwerken zuzupflastern. Ist das so? Hat jemand die Menschen dort gefragt?

    Was ist mit dem Transport der ungeheuren Strommengen von dort zu den Verbrauchern in Mitteleuropa? Wir kriegen doch in Deutschland schon jede Menge Protest, Klagen, Demonstrationen und Widerstand, wenn einige wenige neue Stromtrassen gebaut werden sollen. Für Desertec würde man riesige neue Trassen von Nordafrika und dem nahen Osten nach Europa brauchen. Was ist denn mit den Ländern, durch die diese Trassen führen? Hat jemand die ganzen Betroffenen gefragt?

    Der Punkt Abhängigkeit: Also, eine größere Abhängigkeit als mit Desertec kann ich mir schon gar nicht vorstellen.

    Nutzung lokaler Ressourcen wie Wind und Sonnenenergie ist gut und wichtig. Ich kann mir vorstellen, dass beispielsweise Ägypten lokale erneuerbare Energien für den Eigenbedarf nutzt. Aber das ist etwas anderes als Desertec.

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