Wieder ein Proton-Fehlstart

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
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Nach einem Fehlstart von vor fast genau einem Jahr, der zwei Satelliten im falschen Orbit stranden ließ, hat eine russische Rakete vom Type Proton-M/Breeze-M gestern wieder einen Fehlstart hingelegt.

Dazwischen hatte es immerhin elf erfolgreiche Starts dieser Rakete (plus einen der älteren Proton K) gegeben. Beide Fehlstarts, sowohl der vom letzten August wie auch der neue, sind darin begründet, dass die Breeze-M-Oberstufe nicht die vorgesehene Manöversequenz absolvierte. Die Panne vom August 2011 war kein technisches Versagen, sondern ein Bedienungsfehler – bzw. eigentlich ein organisatorischer Fehler. Damals war eine falsche Timeline für die Sequenz vorgegeben worden. Die Frage ist doch aber, wieso die Kommandos nicht zuerst an einem Simulator auf der Erde ausprobiert werden.

Diesmal brach die Breeze-M Oberstufe – in einer neuen Variante mit technischen Modifikationen, ein Manöver nach 7 Sekunden anstatt der vorgesehenen 18 Minuten Brenndauer ab. Es handelt sich offenbar um das dritte Manöver der Breeze-Stufe. Laut Proton-Benutzerhandbuch, Kapitel 2, Seite 2-13, ist es bei einer typischen Sequenz für den Einschuss ins geostationäre Orbit aber das zweite Manöver, das eine dauer von etwas mehr als 18 Minuten hat. Auf das zwölfminütige dritte Manöver folgt das Abtrennen des toroidalen Tanks, dann sofort das vierte Manöver, das das Apogäum bis auf knapp 36,000 km anhebt und die Inklination leicht verringert.

Wenn nun wirklich der Ausfall zu  Beginn des dritten Manövers geschah, dann sind Stufe und Nutzlast in einem Orbit von 270×5000 km gestrandet, sofern die übliche Sequenz befolgt wurde und die Angabe in der Pressemittilung von Roscosmos, nach der das dritte Manõver 18 Minuten und 5 Sekunden nominale Dauer haben soll, ein Fehler ist. Wenn aber die Sequenz so verändert wurde, dass das zweite Manöver kürzer und das dritte länger ist (aber warum hätte man das machen sollen?), dann sind die Module sogar auf einer noch niedrigeren Bahn gestrandet. Auf jeden Fall sind Stufen und Nutzlast jetzt Weltraumschrott mit mehreren Jahren Lebensdauer.

Zur Ursache des Problems habe ich noch keine Aussagen gefunden.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

4 Kommentare

  1. Hatten Sie

    nicht Ende letzten Jahres geschrieben, dass die ESA die russische Raumfahrtagentur um eine Proton für ihre Marsmission anschnorren wollte? Ok, Sie haben es vielleicht etwas anders ausgedrückt. 😉

  2. Proton und ExoMars

    In der Wikipedia liest man zum ExoMars-Projekt:
    “Dies führte dazu, dass die ESA mit Roskosmos Verhandlungen aufnahm, um Russland als Projektteilnehmer [für ExoMars] zu gewinnen.[11] Diskutiert wird darüber, den Start 2016 mit einer Proton-Rakete erfolgen zu lassen, für den im Gegenzug Russland Nutzlasten zur Verfügung stellt und Zugang zu wissenschaftlichen Daten erhält.”

  3. Proton-M für ExoMars

    Dass die ESA Russland um eine Rakete anschnorren will, habe ich so bestimmt nicht geschrieben. Richtig ist, dass die ESA der russische Raumfahrtagentur eine Partnerschaft bei der ExoMars-Mission im Jahre 2016 angeboten hat.

    Die russische Seite zeigte großes Interesse, aber nicht an einer bloßen Teilnahme an der bereits weitgehend festgelegten Orbiter-Mission 2016, sondern an einem langfristig ausgelegten Kooperationsprogramm, das die gemeinsame Erforschung des Mars und eventuell auch andere gemeinschaftlich durchgeführte Missionen umfasst. Zumindest aber die Orbiter-Mission 2016 und die Mars-Rover-Mission 2018.

    Allerdings ist jetzt noch abzuwarten, wie die ministerielle Konferenz Ende des Jahres entscheidet.

  4. ZumMarsEinfacherAlsRelaunch roskosmos

    Die sich häufenden Zwischenfälle in der russischen Raumfahrt verweisen darauf, dass rosokosmos den von Putin gegebenen Auftrag die russische Raumfahrt wieder zu einem Glanzstück wie in den besten Sowjetzeiten zu machen, mit den bereitgestellten Mitteln nicht realisierbar ist.
    Es ist den Entscheidern wohl auch zuwenig bewusst, dass die Ära der sowjetischen Raumfahrt nicht einfach weitergeführt werden kann, sondern dass – wenn schon – eine Rundumerneuerung ansteht.
    Das Budget für das geradezu grössenwahnsinnige Program 2006 bis 2015 sieht weniger als 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr vor will aber trotzdem folgendes verwirklichen:
    – Soyuz ersetzen
    – Rus-M für bemannnte Flüge (gestoppt Okt.2011)
    – Rückkehr zum Mond 2014
    – Mars: Fobos-Grunt, Mars 500, ExoMars, – Venus: Venera D (2016)
    – Angara launcher
    – Russisch.Segment für ISS
    – GLONASS-Ferrtigstellung
    – Erde: Resurs DK, Resurs P, Smotr, Arkon
    – Wiss.Missionen: Koronas Foton,Spektr R, Spektr RG, Spektr UV, , Bion, – Wettersatellit Elektro L

    Die folgenden beiden Artikel verweisen auf den desolaten Zustand der gegenwärtigen russischen Raumfahrt.

    In For Russia’s Troubled Space Program, Mishaps Mount wird über Missmanagement bis zu Diebstahl und über Brain Drain berichtet.

    In Russia takes action for reviving space exploration industry
    gibt es ein paar aussagekräftige Zitate von Yuri Karash:
    “They talk about Moon, they talked about Mars. But from my standing point, you can’t really combine both. If you want to go to the Moon, you have to develop a total new space probe for the Moon; it will not be applicable to the exploration of Mars. I don’t see how Russia will find any financially, technological and industrial resources to do both, fly to the Moon, and then fly to the Mars in a pretty short period of time”
    “Russia has brains, Russia has enough money, Russia has specialists who are willing to make another breakthrough in space. But the system is the major obstacle in their way to doing it.”

    Die letztere Aussage – Russland habe genug Geld – bezweifle ich aber. Wenn er damit meint, Russland habe insgesamt genug Geld mag das stimmen, es stimmt aber nicht, wenn er damit meint, Russland stecke genug Geld in die Raumfahrt. Mit den bewilligten Mitteln kann das vorgesehene Raumfahrtprogramm bis 2015 jedenfalls nicht realisiert werden.

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