Avi Loeb: Schickt Juno zu 3I/ATLAS

Harvard-Professor Avi Loeb und zwei Ko-Autoren haben gestern ein Paper auf ArXiv hinterlegt, in dem sie vorschlagen, die NASA-Jupiter-Sonde Juno auf eine Bahn zum interstellaren Objekt 3I/ATLAS zu schicken. Das Paper leuchtet mir allerdings nicht ein – da brauche ich Hilfe.
3I/ATLAS ist ein unlängst entdecktes interstellares Objekt, das das Sonnensystem kreuzt und Anzeichen kometarer Aktivität zeigt. Es kam schnell auch Spekulation darüber auf, ob es sich dabei um von einer extraterrestrischen Intelligenz gebauten Technologie handeln könnte. Die Autoren des hier zitierten Papers haben sich an der Spekulation beteiligt, allerdings versehen mit dem Disclaimer, dass sie sich dieser Hypothese nicht unbedingt anschließen. Avi Loeb ist für seine Aussagen zum interstellaren Objekt 1I/’Oumuamua bekannt.
Juno ist seit dem 4. Juli 2016 in einer polaren Bahn um Jupiter und steht eigentlich kurz vor dem Missionsende im September 2025, bei dem die Sonde gezielt im Jupiter versenkt werden soll, um eine Kontamination des Jupitermonds Europa auszuschließen.
Der Vorschlag von Loeb et al. zielt nun darauf ab, Juno stattdessen mittels zweier Bahnmanöver am 9. und 14. September 2025 in eine Fluchtbahn vom Jupiter zu überführen. Juno wäre dann, so die Autoren, in einer interplanetaren Bahn, in der sie 3I/ATLAS am 14. März 2026 während seiner größten Annäherung an Jupiter begegnen könnte.
3I/Atlas ist auf einer retrograden Bahn und hat als interstellares Objekt ohnehin eine enorme Bahnenergie. Daher würde die Relativgeschwindigkeit der hypothetischen Begegnung bei 66 km/s liegen. DIe Autoren gehen auch nicht von einem Einschuss in eine Bahn um das Objekt und eine damit mögliche Langzeitbeobachtung aus.
Das Manöverbudget für die Flucht aus dem Jupitersystem haben Loeb et al. mit 2676 m/s berechnet. Das ist ein sehr hoher Wert, sodass sich natürlich die Frage stellt, ob die alte Raumsonde dafür noch genügend Treibstoff in ihren Tanks hat. Hier widersprechen die Annahmen von Loeb et al. der frei verfügbaren Dokumentation, beispielsweise dem Press Kit zum Jupiter Orbit Insertion. Dort steht:
“At the end of a nominal 35 minutes Jupiter Orbit Insertion burn, Juno will have about 447 kilograms of fuel”
Aber Loeb et al. nehmen die Masse der vollbetankten Sonde beim Start und die Leermasse (3625 bzw. 1593 kg), schätzen den spezifischen Impuls des Triebwerks optimistisch (wie sie selbst zugeben) auf 340 s und wenden die Ziolkovski-Gleichung an, um die Delta-v-Kapazität auf 2.74 km/s zu berechnen. Damit kommen sie zu dem Schluss, ihre vorgeschlagene Strategie sei machbar.
Ich dagegen komme mit den Angaben des NASA-Press-Kits auf nur knapp 784 m/s, und zwar nach dem JOI und damit noch vor dem geplanten großen Manöver zur Reduzierung der Bahnperiode und vor allen anderen Manövern, die danach stattgefunden haben. Außerdem kann man bei einer Raumsonde die Tanks nicht bis auf den letzten Tropfen leersaugen. Bei der Bahnreduzierung kam es 2016 allerdings zu einem Problem mit der Druckbeaufschlagung der Tanks, sodass dieses Manöver nicht mehr durchgeführt werden konnte. Ich gehe davon aus, dass aktuell (vielleicht deutlich) weniger als 700 m/s Delta-v aufgebracht werden kann. Das ist mehr als genug, um das Entsorgungsmanöver sicher durchführen zu können. Es reicht aber lange nicht für die Jupiterflucht. Es kommt wohlgemerkt nicht allein auf die verbleibende Treibstoffmenge an. Wichtig ist auch der Restdruck in den Tanks, wenn diese jetzt im Blowdown-Modus betrieben werden müssen.
Bevor ich mir die Berechnung der Manöver genauer anschaue, sollte zumindest einmal geklärt sein, zu wieviel die Tanks von Juno jetzt noch gefüllt sind. Sind sie voll, wie Loeb et al. postulieren? Oder sind sie eher leer, wie ich es auf Basis der verfügbaren Informationen meine? Hinzu kommt, dass eben auch das Haupttriebwerk nicht mehr einsetzbar ist.
Dabei bitte ich jetzt um Ihre Mithilfe. Ist das geklärt und bewiesen, dass Loeb et al. Recht haben, können wir daran gehen, deren Trajektorienberechnung nachzuvollziehen. Dann kann man sich auch überlegen, ob die die Instrumente an Bord von Juno sich dazu eignen, ein kleines, kaltes Objekt mit einer Relativgeschwindigkeit von 66 km/s zu beobachten. Aber alles zu seiner Zeit. Klären wir doch zunächst einmal die Frage nach Triebwerk und Tanks.
R.I.P. Laura Dahlmeier. Eine großartige Sportlerin und ein großartiger Mensch
Thanks Michael for this, we had contacted the NASA personnel responsible for the Juno mission and are aware of this problem. Note also that the Juno main engine has been inoperative since 2016. However they still encouraged us to continue with the publication, as any case for extending the Juno mission works in their favour.
Aus meiner Sicht sollte auf jeden Fall genau berechnet werden, ob der Treibstoff reicht, um damit den Kometen 3I/ATLAS in Augenschein zu nehmen. Wobei Avi Loeb ja meint, dass sich dort außerirdische Technologie befinden könnte. Daran bestehen allerdings Zweifel, denn Herrn Loeb scheint manchmal die Fantasie durchzugehen. Laut einem Artikel im Spiegel soll er sogar schon mal die Signale eines Lastwagens auf einer Landstraße für Schallwellen eines Meteoriteneinschlags gehalten haben.
Ja, ganz sicher sollte man sich das genau anschauen, auch wenn ich mir da keine Hoffnung mache. Die Kolleg(inn)en von NASA-JPL wären dafür die richtigen Leute, denn die kennen ihre Raumsonde am besten.
Auch wenn 3I/ATLAS jetzt nicht so sein sollte wie Rama, Beobachtungsdaten aus der Nähe eines interstellaren Besuchers, und sei es über einen sehr kurzen Zeitraum, wären einzigartig. Interstellare Objekte können im Prinzip jede Bahnneigung haben und realistischerweise kann eine Begegnung nur an einem der zwei Punkte stattfinden, an deren ihre Bahn die Ekliptik kreuzt. Wenn man die immer sehr kurze Zeit zwischen Entdeckung und Durchflug berücksichtigt, würde es fast schon an ein Wunder grenzen, wenn sich zufällig eine Raumsonde in genau der richtigen Ecke des Sonnensystems aufhält.
Als Spezialist in Sachen Bahnberechnung halten Sie es also für eher unwahrscheinlich, dass „sich zufällig eine Raumsonde in genau der richtigen Ecke des Sonnensystems aufhält“.
Was also will Avi Loeb da mit so viel Aufwand herausfinden? Seit der Sichtung des interstellaren Objekts 1l/’Oumuamua ist er ja davon überzeugt, dass sich fremde Raumschiffe in unserem Sonnensystem aufhalten könnten, deren Erbauer nicht freundlich gesinnt sind. Um sein aus diesem Grund gefordertes „Manhattan-Projekt für UFOs“ zu finanzieren, muss er natürlich erst mal die Werbetrommel rühren und genügend Angst verbreiten. Friedliche Absichten hochentwickelter Aliens schließt Avi Loeb aus. Kein Wunder, dass viele andere Wissenschaftler erst mal skeptisch sind oder ablehnend reagieren.
2029 will die ESA ja den Comet Interceptor am L2 im Sonne-Erde-System parken:
https://de.wikipedia.org/wiki/Comet_Interceptor
https://www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Comet_Interceptor/Comet_Interceptor_s_spacecraft_and_instruments
Der wird zwar, wenn es denn dazu kommt, wahrscheinlich einen Kometen aus der Oortschen Wolke kreuzen, aber theoretisch könnte es ja auch ein interstellarer Durchflieger sein.
Das mit der Vorwarnzeit ist natürlich ein Problem, aber Instrumente wie das Vera Rubin Observatory könnten ja die Zeitspanne verlängern. Die deuten das auch hier an:
https://rubinobservatory.org/news/rubin-first-look/swarm-asteroids
Also mal gucken …
Ob Oortsche Wolke oder gleich ganz interstellar, macht keinen großen Unterschied. Wesentlich ist, dass in beiden Fällen die Inklination beliebig sein könnte, also nicht, wie bei Objekten aus dem Kuipergürtel, mehr oder weniger nahe der Ekliptik.
Wenn beispielsweise ein Objekt auf einer Ekliptik-polaren Bahn hereinkommt und es die Ekliptik am Perihel kreuzt, das Perihel aber irgendwo zwischen Merkur und Venus liegt, würde man Comet Interceptor auch nicht losschicken – der käme eh nicht dran.
Laut einem Artikel im Spiegel,… das erklärt sich von selbst oder? Und das mit der ausserirdischen Technologie ist eine Theorie, aber genauso wie die mit dem Kometen eine Theorie ist. Bewiesen ist noch gar nichts. Und der Mensch ist auch nicht der Mittelpunkt des Universums.
@Mona: Juno hielt sich ja sogar in der richtigen Ecke des Sonnensystems auf, zumindest fast. Allerdings kann sie aus dieser Ecke nicht herauskommen, um sich dem interstellaren Besucher in den Weg zu stellen. Das isgt eigentlich auch der Normalfall. Eine Sonde, die ihr Zielorbit erreicht hat, hat kaum noch Treibstoff in den Tanks.
Man könnte auch noch darüber reden, was denn für Beobachtungen bestenfalls möglich gewesen wären. Junos Instrumente sind dafür gebaut, große, helle Objekte zu untersuchen. Nicht kleine, lichtschwache Objekte, die mit 66 km/s vorbeibrausen.
Vielleicht könnte man darüber spekulieren, was für eine Art Beobachtungssystem das beste wäre, wenn man beliebig viel Geld zur Verfügung hätte. Da interstellare Besucher praktisch überall die Ekliptik kreuzen können und man immer sehr wenigVorwarnzeit haben wird, müsste schon das ganze Sonnensystem mit lauernden Beobachtungssonden gespickt sein.
Alternativ wäre es vielleicht besser, wenn man eine Art Super-Duper-JWST in einer Bahn um die Sonne parkt. Das könnte selbst ferne Objekte spektroskopisch und visuell beobachten. Hauptsächlich könnte es aber zu astronomischen Beobachtungen aller Art dienen. Hätte ich 100 Milliarden oder mehr, würde ich mit 10% meines Gelds einen Fonds gründen, der die Anschubfinanzierung für ein damit befasstes Institut mit angeschlossener Universität verwaltet.
Es gibt Neuigkeiten, aber die wichtigste Information fehlt noch. Anna Paulina Luna, Abgeordnete im Repräsentantenhaus für die Republikaner, hat einen Brief an den kommissarischen NASA-Chef Sean Duffy geschrieben und gleichzeitig auf X gepostet, in dem sie Duffy bittet, den Vorschlag von Loeb gründlich zu prüfen.
https://x.com/RepLuna/status/1951379349128815062
Und dann meint sie noch:
Hm. Anschließend erklärt die Abgeordnete dem NASA-Chef, was es mit Juno auf sich hat:
Und so weiter. Duffy wird sich freuen, der hat das alles bestimmt noch nicht gewusst …
Loeb wiederum nahm den Brief und einen Anruf von Luna bei ihm zum Anlass, ohne seine beiden Co-Autoren selbst noch einen kurzen Artikel nachzuschieben:
https://avi-loeb.medium.com/how-close-can-the-juno-spacecraft-get-to-the-interstellar-object-3i-atlas-66996354d3ff
Was immer noch fehlt, ist die Information, wieviel Treibstoff nun tatsächlich noch da ist. Anscheinend weiß das die NASA auch noch nicht so genau, oder sie haben es Loeb nur noch nicht verraten. Eine brandneue leicht erweiterte Fassung des Papers von Loeb et al. gibt es momentan auf der Website von Harvard:
https://lweb.cfa.harvard.edu/~loeb/Juno.pdf
Anna Paulina Luna, das war doch die mit dem Vorschlag, dem Denkmal am Mount Rushmore Donald Trumps Gesicht hinzuzufügen?
Es mag an Treibstoff und funktionierenden Triebwerken mangeln, aber offfenbar herrscht kein Mangel an begnadeten Selbstdarstellern.
Zur genauen Menge noch verfügbaren Treibstoffs: ganz genau weiß man das nie bei Raumsondenmissionen nahe dem Ende ihrer Mission. Das einzige, was man genau weiß, ist wieviel Treibstoff beim Start am Tank war. Aber man weiß schon mal nicht ganz genau, wieviel davon genau nutzbar ist, da man Tanks und Rohre nicht komplett leersaugen kann. Da geht’s schon los.
Es ist aber davon auszugehen, dass die Tanks eher leer als voll sein müssen, denn die Manöver bis inklusive JOI wurden durchgeführt, und die stellen den Löwenanteil des Manöverbudgets.
Das Manöver zum weiteren Absenken der Bahn konnte nicht durchgeführt werden, weil ein Problem mit der Druckbeaufschlagung der Tanks auftrat. Also kann aktuell das Haupttriebwerk vorsichtshalber nicht mehr eingesetzt werden.
Mittlerweile hat man daran seit 9 Jahren nichts mehr gemacht. Vielleicht kriegt man das Problem jetzt gelöst, das man vor 9 Jahren nicht lösem konnte.
Vielleicht fährt man jetzt auch auf Risiko und macht trotzdem ein Manöver, in der Hoffnung, die Druckbeaufschlagung wird noch klappen. Falls diese Option existiert, was ich nicht weiß.
Wie der Fall der japanischen Venussonde Akatsuki im Jahr 2010 gezeigt hat, kann ein Problem mit der Druckbeaufschlagung der Tanks von Treibstoff und Oxidator sehr gefährlich werden und katastrophal enden, wenn es während eines großen Triebwerksmanövers auftritt.
Das müssen die Ingenieure beim JPL bewerten, die können dazu mit Sicherheit etwas sagen. Frau Luna und Herr Loeb dagegen wahrscheinlich eher weniger.
Aber selbst wenn man sich entscheidet, das Haupttriebwerk wieder zu zünden und es auch funktioniert, wird es immer noch so sein, dass nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen Treibstoffmenge vorhanden ist.
Durch das Manöver kann die Sonde sich vermutlich auf 1/6 einer AU (Abstand Erde – Sonne) dem Objekt nähern, statt ca. 1/3 AU minimalem Abstand zwischen Jupiter und 3I/ATLAS.
Es bleibt dann trotzdem fast die 100-fache Entfernung zwischen Erde und Mond. Nachdem Juno eigentlich Weltraumschrott ist, der “versenkt” werden sollte, ist das doch in jedem Fall eine sinnvolle Anschlussverwendung, auch wenn man sich nicht allzu große Erwartungen an die Entdeckungen haben sollte.