Vorsätze für das neue Jahr
BLOG: Go for Launch
Ich mache eine ganze Menge Öffentlichkeitsarbeit, fast ausschließlich in meiner Freizeit und ganz ausschließlich unentgeltlich. Besonders wichtig – und besonders lohnend – ist die Arbeit mit Kindern. Wenn ich die mal durch ein Teleskop in das nähere oder fernere Weltall schauen lasse, stoße ich immer auf enorm viel Begeisterung, Enthusiasmus und nicht zuletzt auch Dankbarkeit.
Wichtig ist, dass solche Aktionen sorgfältig geplant werden. Tag und Uhrzeit, Standort, Haupt-Beobachtungsziel und alternative Nebenziele, geeignete Beobachtungsgeräte und qualifizierte Helfer zur Bedienung, Überwachung und Erklärung – all das bedarf der Vorbereitung. Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass kaum einer der Zuschauer bereits einen Blick durch ein Teleskop getan hat. Schon gar nicht einen geführten Blick, bei dem zeitgleich erklärt wird, wie man schauen muss und was man gerade sieht.
Wenn man eine Beobachtungsveranstaltung in einer öffentlichen Einrichtung wie einer Schule, einem Kinderzentrum oder einem Kindergarten durchführt, sollte man dort einen Ansprechpartner haben, der auf der anderen Seite die Organisation in die Hand nimmt und sicher stellen kann, dass man zum vorgesehenen Zeitpunkt Zutritt zum Beobachtungsort hat und dass alles vorhanden ist, was man braucht, sei es elektrischer Strom, sei es ein stabiler Hocker, auf den die kleinsten Gäste klettern können, um bequem durch das Okular zu schauen. Nicht zuletzt sind es diese Partner, die sicher stellen, dass die Veranstaltung bekannt gemacht wird, bei den Teilnehmern, aber auch in den Medien.
Ob die Teilnehmer “gebildet” oder “bildungsfern” sind, das spielt kaum eine Rolle. Auch vermeintlich gebildeten Kreisen entstammende Menschen haben in der Regel kein belastbares naturwissenschaftliches Grundwissen. Sie sind deswegen auch nicht wirklich gebildet, auch wenn sie es wahrscheinlich als grobe Unhöflichkeit auffassen würden, wenn man das mal so klar auf den Punkt bringt. Die Wahrheit kommt nicht immer gut an.
Es ist bei blutigen Laien keineswegs erforderlich, immer gleich das schwere Gerät aufzufahren. Das ist noch nicht einmal wünschenswert. Wer noch nie bewusst den Mond wahrgenommen hat, der ist von einer formatfüllenden Ansicht der kompletten Mondscheibe viel mehr beeindruckt als vom Anblick des Mare Crisium durch einen Riesenbrummer mit mehreren Metern Brennweite. Zum Anschauen des Mondes dergestalt, dass man ihn immer noch komplett sieht, aber so vergrößert, dass Krater, Berge, Maria und Wallebenen auch als solche wahrgenommen werden können, reicht schon ein kleiner Refraktor. Oder zwei, wenn man hat. Dann können immer zwei Leute gucken, und die Schlangen werden nicht so lang.
Man sollte nicht sein teuerstes oder empfindlichstes Gerät mitnehmen. Zwar habe ich noch nie erlebt, dass mutwillig Beschädigungen zugefügt werden. Der natürliche Reflex eines Laien ist aber, das Okular anzugrabschen. Wenn bei Auswahl der Gerätschaft auf Solidität geachtet wird, passiert schon nichts. Man kann schon beim Kauf darauf achten – ich habe mir einige Sachen extra für die Öffentlichkeitsarbeit zugelegt. Nach mehrfachen, geduldigen Erklärungen kapieren die meisten, wie das mit der Scharfstellung geht und dass man beim Gucken selbst gar nichts anfassen sollte. Der Schnappschuss oben zeigt sehr schön, wie dynamisch das zugeht, wenn es gut läuft und die Vorbereitung stimmte.
Wesentlich ist doch gar nicht, dass jede/r Gucker/in sich im Detail merkt, was es da zu sehen gab. Viel wichtiger sind die positiven Assoziationen, die hier gebildet werden. Astronomische Beobachtung ist eine Form der wissenschaftlichen Betätigung. Wenn ich eine gelungene Mondbeobachtung durchgezogen habe, dann haben die sich da alle mit mir eine Stunde lang an der frischen Luft wissenschaftlich betätigt, es hat ihnen Spaß gemacht und sie werden sich gern dran erinnern und am selben Abend noch ihren Eltern und Geschwistern ganz aufgeregt davon erzählen. Idealerweise werden sie das dann bei nächster Gelegenheit noch einmal machen wollen und die anderen, denen sie davon erzählt haben, auch.
Mehr nehme ich mir gar nicht vor, aber zumindest das will ich schon erreichen.
Wenn sich jetzt auch von jeweils vier Guckern einer gemerkt hat, dass der Mond im Vergleich zur Erde in etwa so groß ist wie ein Tennisball im Vergleich zu einem Fußball, oder dass der Mond in etwa zehn Mal so weit von der Erde entfernt ist wie die Strecke, die ich bei einer Weltreise zurücklege, oder dass der Mond bedeckt ist von Einschlagskratern jeder Größe, oder dass die hellen Flächen auf dem Mond Gebirge sind und die dunklen Gestein, das einst so heiß war, dass es flüssig war und von unten hochquoll, nachdem ein schwerer Einschlag ein gewaltiges Loch gerissen hatte, oder dass die Oberfläche des Mondes fast so groß ist wie Nord- und Südamerika zusammen oder noch ein paar andere Sachen, die ich im Hintergrund so erzähle, damit es den Wartenden nicht langweilig wird, dann ist das schon noch das Sahnehäubchen.
Wenn ich dann aber sehe, dass Einzelne sich aus eigenem Antrieb weiter informieren oder vielleicht sogar später selbst astronomisch tätig werden oder gar ein Studium in einem naturwissenschaftlichen Fach angehen, dann ist das für mich das Schokoladenpulver auf dem Sahnehäubchen.
Damit das Ganze nicht gar zu schnell in Vergessenheit gerät, ist ein wenig Nacharbeit erforderlich, beispielsweise wie im Fall der obigen Aufnahme, wo ich ein Gruppenbild mit Dame über eine Aufnahme des an dem Abend beobachteten Vollmonds montierte. Die “Arbeit” ist für den, der eine solche Veranstaltung durchführt, keinswegs schon in dem Moment beendet, in dem die Teleskope wieder verstaut worden sind. Aber auch solche Souvenirs führen zu einem Multiplikatoreffekt. Wer selbst auf so einem Bild ist, wird es vielleicht ausdrucken und in der Klasse oder daheim aufhängen. Wer das Bild an der Wand hängen sieht, schaut es sich genauer an und fragt nach, was es damit auf sich hat. Das führt oft gleich zu einer Anfrage für die nächste Aktion dieser Art …
Viel habe ich mir nicht vorgenommen für 2014, aber eines schon: Auch dieses Jahr werde ich möglichst viele junge Menschen mal eine Stunde lang durchs Weltall wandern lassen. Sicher verfügen etliche unter meinen Lesern über Wissen und Ausrüstung, die man braucht, um mir dabei zu helfen. Sollten auch Sie mit dem Gedanken spielen, so etwas auf die Beine zu stellen, dann machen Sie es doch einfach mal. Wenn die Vorbereitung stimmt, ist so etwas fast schon ein Selbstläufer.
Toll. Gerade für kleine Kinder – Kindergartenkinder – sind Erlebnisse die nachhaltigste, nachwirkendste Form des Lernanstosses. Angestossen werden Interesse und Neugier und das Verlangen nach mehr – nach mehr Wissen und mehr Beobachtungszeit natürlich, nicht nach mehr Gamen. All das kann durch so eine einfache Erfahrung wie hier beschrieben – durch ein Teleskop gucken und sich wundern – geweckt werden.
Jau, ich finde es auch toll, dass Du da soviel Arbeit reinsteckst!
Viel Spass im neuen Jahr!
Sehr schöner Artikel. Dann wünsche ich für die weiteren Unternehmungen dieser Art viel Erfolg.
Übrigens hab ich kürzlich selber festgestellt, das schon der Blick zum Mond durch einen Feldstecher recht beeindruckend ist. Zwar reichte der bei weitem nicht aus, um den Krater Laplace F zu finden, aber immerhin konnte ich die Montes Recti identifizieren. – Okay das ist ja auch ein Grössenunterschied wie zwischen einer Maus und einem Elefanten…
Wenn Sie die Montes Recti nicht nur kennen, sondern auch finden, zählen Sie bereits zu einer verschwindend kleinen Minderheit der Bundesbevölkerung. Zu diesem erlesenen Klub zählen noch nicht einmal alle studierten und promovierten Astronomen und Planetologen. Wahrscheinlich noch nicht einmal die Mehrheit von denen.
Oh, danke für die Blumen. 🙂
Aber da es mich nun mal auch interessiert, wie erfolgreich die Chinesen mit ihrer Mission sind, und Sie ja an anderer Stelle die ungefähre Position des Landeplazes angegeben haben, interessierte mich doch, ob ich die auch finde. Da ich ausserdem gerade den Hatfield Mondatlas hier habe (zwar nur aus der Bibliothek) hab ich mir die Umgebung darin mal genauer angesehen und dann überprüft, was ich wiederfinde. Und wenn das Wetter mir keinen Strich durch die Rechnung macht, werde ich das beim kommenden Vollmond wieder machen.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls noch ein gutes neues Jahr und viel Erfolg mit Ihren Aktionen. Zumal ich mich dieses Jahr – in bescheidenem Umfang – ebenfalls in Sachen naturwissenschaftliche Bildung engagieren werde.
Wie ich an anderer Stelle schon mal schrieb, wollte ich dieses Jahr einen Ehrenamtlichen auf seinen Nachtwanderungen begleiten, dieser ging aber inzwischen andere Verpflichtungen ein und da ich nebenberuflich selbst in der Erwachsenenbildung tätig bin werde ich die Nachtwanderungen nun alleine leiten. Die Veranstaltung war ursprünglich nur für Kinder gedacht, ich habe nun eine “Naturkundliche Nachtexkursion für die ganze Familie” daraus gemacht, weil ich diese ja nicht in einem Kindergarten oder einer Schule anbiete. Sie wird jedoch ins Ferienprogramm meiner Stadt aufgenommen werden.
Ich habe für die Nachtwanderung 2-3 Stunden veranschlagt und deshalb dürfte es für kleinere Kinder von Vorteil sein, wenn ein oder beide Elternteile mitgehen. Natürlich bleibt man zwischendurch immer wieder mal stehen um zu schauen oder zu horchen. Die Teilnehmer können dabei lernen sich im dunklen Wald zu orientieren. Sie werden den Geräuschen der Nacht lauschen und nachtaktive Tiere kennenlernen wie Fledermäuse oder Eulen. Auch einige Insekten und Spinnentiere sind nachtaktiv und es gibt sogar Pflanzen, die nur nachts blühen. Ein Beispiel hierfür wäre die Nachtkerze, die interessanterweise von einem Nachtfalter bestäubt wird. Des Weiteren werden wir den Nachthimmel betrachten und uns den Mond und einige Planeten und Sternbilder genauer anschauen. Was diesen Teil betrifft, so muss ich mich selbst erst noch gründlicher einarbeiten und ich würde mich freuen, wenn Sie noch einige Ratschläge aus Ihrem Erfahrungsschatz für mich parat hätten. Bisher habe ich es mir so gedacht, dass ich (wenn das Wetter passt) ein Fernglas auf die Wanderung mitnehme. An einer kleinen Holzbrücke werde ich dann einen Halt einlegen, damit sich die Teilnehmer für die Beobachtung mit dem Fernglas aufstützen können. Ich habe vor einen kurzen Überblick über den Sternenhimmel zu geben und den Teilnehmern den fast vollen Mond zu zeigen. In diesem Zusammenhang finde ich Ihre anschaulichen Erklärungen recht hilfreich, wie z.B. “dass der Mond im Vergleich zur Erde in etwa so groß ist wie ein Tennisball im Vergleich zu einem Fußball, oder dass der Mond in etwa zehn Mal so weit von der Erde entfernt ist wie die Strecke, die ich bei einer Weltreise zurücklege”, weil diese besser geeignet sind eine ungefähre Vorstellung vom Größenverhältnis der Erde zum Mond zu bekommenen, als wenn man nur Zahlen bringt. Außerdem weiß ich nicht wie sich die Gruppe zusammensetzt – falls sich überhaupt jemand für das Thema interessiert.
Wann findet denn diese Veranstaltung statt? Im Moment ist ja der Jupiter das prominente Mitglied der Planetenfamilie, das sich am Abend in den Zwillingen die Ehre gibt. Da kann man die Besucher die Monde suchen lassen.
Da Sie von 2-3 Stunden Dauer sprechen, nehme ich aber an, dass die Wanderung nicht jetzt, sondern in den Sommermonaten stattfindet. Da ist das mit den Planeten natürlich nicht so gut, aber wenn der Mond zu sehen ist, ist er immer ein dankbares Objekt. Die Sommersternbilder und helle Sterne wie Vega, Atair und Capella sowie (bei dunklem Himmel) die Milchstraße bieten sich an. Eine Idee wäre auch, per heavens-above zu checken, ob es nicht einen Überflug der ISS gibt. Wenn die zu sehen ist, dann ist sie sehr hell und beeindruckend.
In der Tat ist gründliche Vorbereitung das A und O bei solchen Veranstaltungen. dass sich jemand dafür nicht interessiert, kann ich mir nicht vorstelle und das habe ich noch nie erlebt. Wer eine geführte Nachtwanderung macht, anstatt sich vor die Glotze zu hocken, interessiert sich für alle Aspekte der Nacht. Wenn Sie auf nachtaktive Tiere und Pflanzen und dann auch noch über Astronomie und vielleicht menschengemachte Objekte eingehen, dann wird das eine ganz runde Sache. Da würde ich mir gar keine Sorgen machen.
Der Winter ist für Naturbeobachtungen, wie ich sie geplant habe, natürlich schlecht. Der Hochsommer wäre zwar ideal, aber leider wird es in den Sommermonaten sehr spät dunkel, deshalb stehen die Nachtwanderungen nun für Frühjahr und Spätsommer auf dem Programm. Danke auch für den Tipp mit der ISS, da schaue ich beizeiten mal nach.
Ob jemand eine solche Exkursion aus freien Stücken mitmacht lässt sich schwer sagen. Ich bin in Bezug auf ein diesbezügliches Interesse etwas desillusioniert, weil ich auch die Statistiken diverser Bildungsträger kenne. Entweder gehen die Leute von reinen Nützlichkeitserwägungen aus und fragen Abnehmkurse, Gymnastikkurse oder Computerkurse nach. Oder sie möchten etwas über “alternative Verfahren” wissen und rennen in Kurse über Bachblüten, Schüßler-Salze oder Homöopathie. Ich weiß nicht warum, aber das Interesse an der realen Natur scheinen viele Leute bereits im Kindesalter verloren zu haben. Obwohl sich kleinere Kinder für Naturbeobachtungen durchaus noch begeistern lassen. Später steht dann allerdings das vollaufgerüstete Handy oder der Computer an erster Stelle. Ich spreche da leider aus Erfahrung!
In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas zu Ihren Ausführungen im Artikel sagen, Sie schreiben da: “Ob die Teilnehmer “gebildet” oder “bildungsfern” sind, das spielt kaum eine Rolle. Auch vermeintlich gebildeten Kreisen entstammende Menschen haben in der Regel kein belastbares naturwissenschaftliches Grundwissen. Sie sind deswegen auch nicht wirklich gebildet, auch wenn sie es wahrscheinlich als grobe Unhöflichkeit auffassen würden, wenn man das mal so klar auf den Punkt bringt. Die Wahrheit kommt nicht immer gut an.”
Die “blutigen Laien” mit denen Sie es in Kindergarten oder Schule zu tun haben lassen sich ja noch nicht in die Kategorie “gebildet” oder “bildungsfern” einteilen, das kommt erst später, wenn die Kinder in verschiedene Schulen gehen, bzw. diese absolviert haben. Sie sprechen hier auch von “gebildeten Kreisen”, wie es sie meines Erachtens nur noch unter den Älteren gibt, die sich vermutlich in erster Linie über Bildung definier(t)en. Heutzutage definieren sich die Leute fasst ausschließlich über ihren Beruf. Egal ob der die Naturwissenschaften mit einschließt oder nicht. Man darf zudem nicht vergessen, dass auch das Geld eine zentrale Rolle spielt. Wenn man die Leute anschaut, die heute beispielsweise als prominent gelten, dann überkommt einem oft das kalte Grausen. Da ist in der Regel nix mit Bildung!
Laut OECD-Studie sind die Deutschen sowieso nur mittelmäßig gebildet: http://www.deutschlandradio.de/deutsche-nur-mittelmaessig-gebildet.331.de.html?dram:article_id=264524
Vielleicht gibt es unter den Hochgebildeten Leute, die eher ein naturwissenschaftliches Wissen besitzen und solche die eher den “Schwätzerwissenschaften” zugetan sind, aber das sollte einem nicht stören. Wie definieren Sie eigentlich ein “belastbares naturwissenschaftliches Grundwissen”?
Natürlich kann man nicht die Kinder selbst als gebildet oder bildungsfern definieren. Es geht da um das Elternhaus. Meine Erfahrung ist, dass es in Bezug auf naturwissenschaftliche Kenntnisse weitgehend egal ist, ob es sich um Kinder von Eltern handelt, die einen hohen formalen Bildungsgrad ihr eigen nennen oder um Kinder von Eltern, deren formale Bildung nicht über die Hauptschule hinausgeht. Naturwissenschaftliche Kenntnisse oder gar irgendwelche astronomischen Erfahrungen darf man von den einen ebenso wenig erwarten wie von den anderen. Nun kann man natürlich einwenden, dass es sich ja um Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter handelt. Stimmt. Nur sieht das auch bei älteren Schulkindern auch nicht anders aus. Die Maximilian-Alexanders und Lara-Eleonores bringen in Bezug auf grundlegendes Wissen genau so wenig mit wie die Kevins und Chantals, haben aber schon eher Ballettunterricht, Reitstunden oder Geigenunterricht genossen. Dagegen will ich ja auch nichts sagen. Musikalische Bildung ist wichtig. Aber naturwissenschaftliche Bildung ist eben auch wichtig.
Neulich habe ich einer Gruppe von Schülerinnen von einem Gymnasium die Theorien zur Entstehung des Erde-Mond-Systems erläutert und mal nachgefragt, wie alt denn die Erde sei. Die anwesende Lehrerin, formal sicher hochgebildet, riet “Eine Million Jahre”. Das heißt, sie hatte keine Ahnung von Erdzeitaltern, sie wusste nicht, von wann die frühesten gefundenen Überreste von Hominiden stammen oder wann die Altsteinzeit begann. Sie wusste nicht, wann Dinosaurier die Erde bevölkerten und noch eine ganze Menge anderer Sachen auch nicht.
Nun gut, wozu muss man das wissen? Es steht doch irgendwo, udn man kann nachschauen, wenn man so eine Zahl mal braucht. Das Problem ist aber, dass das Nicht-Wissen solch fundamentaler Dinge nur ein Indiz ist. Im Prinzip hätte man die irgendwas aus dem naturwissenschaftlichen Bereich fragen können, das Ergebnis wäre immer genau so katastrophal ausgefallen.
Und das ist genau deswegen ein Problem, weil Naturwissenschaft eben nicht unwichtig ist. Naturwissenschaften sind zentral. Gerade in einer technisierten Welt, in der unser ganzes Leben von Dingen bestimmt ist, zu deren Einschätzung naturwissenschaftliche Kenntnisse erforderlich sind, kann man sich nicht einfach ausklinken und sich dafür nicht interessieren. Das führt einfach nur dazu, dass man seine Umwelt nicht versteht und sie nur durch einen Zerrspiegel des Nichtwissens wahrnimmt und nicht in der Lage ist, eine Behauptung, die irgendjemand macht, als plausibel oder unplausibel einzustufen.
Das Beispiel mit der Lehrerin finde ich sehr traurig, weil ja gerade Lehrer und Lehrerinnen den Kindern ein Grundwissen über die Welt vermitteln sollten. Da wundert es einem nicht, dass Kinder aus “bildungsfernen” Elternhäusern später ebenfalls “bildungsfern” werden – trotz Schule.
Ich habe meinem viereinhalbjährigen Sohn am Sonntag zum ersten Mal Jupiter im Teleskop gezeigt. Das ist sein Lieblingsplanet. Weil er der größte ist. Im Kosmos Himmelsjahr 2014 ist er Monatsthema, und mein Sohn hat ihn sofort erkannt.
Vom Anblick im Teleskop war er aber doch enttäuscht. Der größte Planet, und dann sieht man nur ein kleines Scheibchen mit vier Punkten darunter. Das sieht auf seinem Sonnensystem-Puzzle viel imposanter aus.
Michael und Mona, ich finde Euer Engagement großartig. Daß man nicht alle begeistern kann, ist normal. Aber einige wird man erreichen, und dafür lohnt es sich.
Ich plane, dieses Jahr mit meinem Sohn einen Vortrag im Astropeiler-Stockert zu besuchen. Und natürlich, wieder einmal, das Radioteleskop Effelsberg mit seinen Planeten-, Milchstraßen- und Galaxien-Wanderwegen. Das scheint mir deutlich lohnender als Casting-Shows im Fernsehen zu gucken.
Ein gewisser Grad an Enttäuschung ist bei der Astronomie unausweichlich. Ich gebe offen zu, dass ich auch oft entäuscht war. Beispielsweise, als ich erwartete, dass die Plejaden oder der Orion-Nebel im Okular so aussehen wie auf den Bildern von Hubble. Und dann sah ich nur etwas verwaschenes, blasses, und nicht einmal in Farbe. Inzwischen habe ich ein bisschen mehr Erfahrung und weiß eine gute Aufnahme zu würdigen.
Beim ersten Anblick von Jupiter war ich allerdings beeindruckt, nicht enttäuscht. Den sah ich durch einen fetten Dobson in einer knackig kalten Nacht mit rekordverdächtigem Seeing. Rattenscharf und detailreich, mit den vier galileischen Monden in sichtbar unterschiedlicher Farbe, sogar mit deutlichem Schattenwurf auf den Jupiter.
Astronomische Einsteiger müssen langsam angefixt werden. Dazu eignet sich der Mond sehr gut. Den sieht man durchs Teleskop eigentlich immer besser als der Anblick, den man sonst so kennt. Ich habe noch nie erlebt, dass davon jemand unbeeindruckt blieb. Im Gegenteil, manche Besucher machten erst einmal erschreckt einen Schritt zurück und trauten sich erst ganz langsam wieder ‘ran. Die klebten dann aber förmlich am Okular.
Der Vollmond geht immer, auch wenn der objektiv gesehen unbestreitbar flau ist. Aber jeder andere Mondphase geht auch. Einfach mal auf terminatornahe Krater hinweisen, bei denen man zuschauen kann, wie die Nacht oder der Tag auf dem Kraterboden voranschreiten. Oder der Schattenwurf einer Gebirgskette.
Wer davon nicht beeindruckt ist, der ist halt immun. Aber so jemand ist mir noch nicht untergekommen. Im Gegenteil, meist bin ich noch nicht mal fertig mit dem Aufbauen, da ist schon der erste Spaziergänger da und will gucken. Meist nehme ich noch ein kleines Skop mit und stelle das als erstes auf, wenn ich sonst noch etwas Ambitionierteres vorhabe. Dann können die Leute sich damit vergnügen und stören mich nicht.
Man sollte sich nicht vornehmen, alle zu begeistern. Ich habe mir vorgenommen, zu verhindern, dass irgendwelche Langweiler denen, die Enthusiasmus mitbringen, das Interesse an der Wissenschaft vermiesen. Die sollen ja ruhig ihre Casting-Shows gucken. Hab’ nichts dagegen. Solange sie akzeptieren, dass es eben auch solche gibt, die noch was lernen wollen.
Das Radioteleskop Effelsberg ist eine großartige Sache. Allein schon der Anblick dieser Riesenschüssel haut einen um. Man muss noch nicht einmal etwas verstehen von Janskys und dem elektromagnetischen Spektrum. Dieses Ding steht einfach da, so überwältigend groß und weiß, und sagt “Ich bin ein technisches Wunderwerk. Ich bin metallgewordene Präzision. Mir mir kann man quer durch das Universum lauschen.”
@Jürgen Bolt
Sie schreiben über Ihren Sohn: “Vom Anblick im Teleskop war er aber doch enttäuscht. Der größte Planet, und dann sieht man nur ein kleines Scheibchen mit vier Punkten darunter. Das sieht auf seinem Sonnensystem-Puzzle viel imposanter aus.”
Michael Khan hat dazu ja schon recht ausführlich geantwortet. Bei so einem kleinen Kind könnte man es vielleicht erst mal mit etwas Größerem versuchen, bevor man ins Detail geht. Mich haben als Kind die Sternbilder immer sehr beeindruckt. Es gibt sogar ein Sternbild mit Namen “Luftpumpe”. Nein, ich schwindle nicht!
http://www.youtube.com/watch?v=BI4lONJXw2M
Florian Freistetter stellte über die Sternbilder auch mal ein tolles Buch vor.
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/11/21/sternbilder-wissenschaftlich-uninteressant-aber-trotzdem-ziemlich-cool/
Und was mein Engagement betrifft, so habe ich mir dazu eine besonders schöne Wegstrecke ausgesucht. Aus naheliegenden Gründen kann ich Sie Ihnen jedoch nur bei Tag zeigen. 😉
http://www.youtube.com/watch?v=-XL50eUrxqM
Ja, mit dem Mond haben wir angefangen, und der hat mächtig Eindruck gemacht. Michael Khans Antwort an mich stimme ich vollkommen zu.
Schöner Weg bei Ihnen, Mona. Ich bin ja mehr hier unterwegs:
http://www.youtube.com/watch?v=CXAWLsrVOLg
Ab 0:38 sieht man den Astropeiler auf dem Stockert. Unterhalb liegt ein im Video nicht gezeigter Steinbruch, in dem man Fossilien sammeln kann. Die etwas älter als eine Millionen Jahre alt sind.Haben wir auch schon gemacht.
Ich glaube, ich sollte nächstes Mal versuchen, meinem Sohn Tatooine im Teleskop zu zeigen, der begeistert ihn auch sehr.. Aber dafür bräuchte ich eine Aufsuchhilfe.
Oh ja, dass würde mich auch noch interessieren, wo man Tatooine finden kann…
Ich hab ja irgendwo mal eine Sternkarte gesehen, die zeigte, wo es angeblich liegen soll, so es denn wirklich existieren würde. Aber ich weis nicht mehr, in welchem der zahlreichen Star Wars Bücher ich danach suchen muss.
Eine schöne Gegend, und auch für Himmelsbeobachtungen durchaus tauglich. Allerdings hatte ich im Vergangenen Jahr das Gefühl, dass von den 365 Tagen nur maximal 15 bis 20 wirklich klar genug waren, um den Sternenhimmel wirklich geniessen zu können. Die Nachtwanderung, die Sie planen, stelle ich mir spannend vor. Wenn Sie auch die Höhle auf dem Weg haben, könnte man sicher die eine oder ander Überraschung erleben. Was sicher auch spannend aber nicht für jeden (schon gar keine Kinder unter 10) geeignet ist, ist eine Nachtwanderung bei Vollmond vom Parkplatz zu einer ca. 6km entfernten und etwa 500m höher gelegenen Berghütte; die Tour hab ich bisher nur bei Tag gemacht, aber eine Kollegin hat sie gemacht und fand sie sehr beeindruckend.
Mit dem Pessimismus bezüglich des Wetters könnten Sie recht haben. Ich möchte die Nachtwanderung aber auch ganz allgemein als Appell an die Eltern verstanden wissen, dass sie eine solche Wanderung mal mit ihren Kindern machen könnten. Wie auf dem verlinkten Video von @Jürgen Bolt zu sehen, gibt es überall schöne Wanderwege, die man auch nachts mal abgehen kann. Für kleine Kinder ist es meist ein grandioses Erlebnis, die Nacht mit allen Sinnen zu erleben.
Die “Höhle”, die man auf meinem Video sieht, ist übrigens ein Stollen, der vor knapp 200 Jahren für die Trift, das Holzflößen, erbaut wurde. Früher wurden die Baumstämme ja in den Flüssen transportiert und weil die Ilz dort einen sehr großen Bogen macht (als erstes Bild im Video zu sehen) grub man zur Abkürzung einen Stollen. Heutzutage wird das Holz ja auf Lastwagen transportiert und so wurde der Stollen Teil des Wanderweges.
http://www.territorioscuola.com/wikipedia/de.wikipedia.php?title=Fl%C3%B6%C3%9Ferei
‘..mal nachgefragt, wie alt denn die Erde sei. Die anwesende Lehrerin, formal sicher hochgebildet, riet “Eine Million Jahre”.’
Autsch. Habe ähnliches schon bei Lehrerfortbildungen erlebt. Aber immerhin war ja der Wille zur Fortbildung da. 😉
Davon abgesehen: Ein Hoch auf all die (leider recht wenigen…) Lehrer, die verstehen, ihre Schüler für das Weltall zu interessieren. Auch solche gibt es ja.
Natürlich gibt es motivierte und qualifizierte Lehrer, die an der Materie selbst interessiert sind und denen es wichtig ist, die Schüler dafür zu begeistern. Der Kontakt zu diesem Kindergarten, an dem ich die Mondbeobachtung machte, kam genau über so eine Lehrerin zustande. Die ist in der Ausbildung von Kindergärtnerinnen tätig.