Apophis – Problembär oder harmloser Besucher? (Teil 1)
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Im Jahre 2004 verursachte die Entdeckung eines Asteroiden großen Wirbel – man hatte eine nicht zu vernachlässigende Chance berechnet, dass dieser Asteroid im April 2029 mit der Erde kollidieren könnte. Grund genug, diesen Burschen – inzwischen wurde er “Apophis” getauft – unter die Lupe zu nehmen. Im ersten Teil soll zunächst geklärt werden, worum es überhaupt geht.
Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass das Kroppzeug im Sonnensystem, die Asteroiden, eine Gefahr für die Erde darstellen kann. Eine solche Gefahr geht freilich nicht nur von Asteroiden aus, sondern auch von Kometen, aber um die soll es jetzt nicht gehen.
Als Faustregel kann man ansetzen, dass bereits der Einschlag eines Objekts von nur 800 Metern Durchmesser bereits globale Konsequenzen nach sich ziehen und sogar das Ende unserer Zivilisation herbeiführen kann. Ein 500 Meter großes Objekt kann einen Kontinent verwüsten und ein 200 Meter großes Objekt ein mittelgroßes Land. Und selbst ein noch deutlich kleinerer Asteroid kann schon eine Stadt zerstören, selbst wenn er nicht einmal den Boden erreicht, sondern schon in der Atmosphäre zerplatzt. Wesentlich ist dabei die Eintrittsgeschwindigkeit, die bei Asteroiden typischerweise um die 15 km/s und mehr beträgt – deutlich über 50000 km/h!
Asteroiden finden sich vorwiegend im “Hauptgürtel” zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter. Dort verhinderten Störungen durch die Anziehungskraft des Jupiters, dass sich diese Trümmer zu einem Planeten zusammenklumpten. Es gibt einen ganzen “Zoo” verschiedener Arten von Asteroiden, die von Astronomen folgerichtig auch in “taxonomische Klassen” unterteilt werden.
Rund drei Viertel derer, deren Klasse bekannt ist, werden der Klasse C zugerechnet. Sie sind kohlig, bestehen also überwiegend aus teerigen Kohlenwasserstoffverbindungen und sind deswegen pechschwarz. Viele dieser Asteroiden sind vermutlich alte Kometen, deren gesamtes Eis verdampft ist.
Knapp ein Fünftel gehört zur Klasse S. Sie sind silikatisch, bestehen also aus Gestein und sind deswegen deutlich heller als die C-Asteroiden. C- und S-Asteroiden machen bereits fast 95% der Asteroiden aus. Die meisten übrigen gehören zur Klasse M, sie sind metallisch und haben einen hohen Eisen-Nickel-Anteil. Gerade diese eher seltenen M-Asteroiden sind allein schon deswegen nennenswert, weil sie eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, selbst wenn sie selbst nicht allzu groß sind, beim Eintritt in die Erdatmosphäre nicht zu zerplatzen. Wenn ein kleiner Brocken den schweren Weg vom Eintritt zum Boden weitgehend intakt übersteht, ist er meist metallisch – Ausnahmen gibt es natürlich immer, wie wir gerade wieder gesehen haben. Geringe Anteile der Asteroiden sind noch einer Anzahl weiterer Klassen zuzurechnen, auf die ich hier nicht eingehen will.
Neben ihrer Zusammensetzung kann man Asteroiden auch nach der Art ihrer Bahn um die Sonne klassifizieren. Von den mittlerweile weit über 300000 erfassten Asteroiden ist die überwiegende Mehrzahl in stabilen Bahnen zwischen Mars und Jupiter, sie stellen, solange die diese Bahn nicht verlassen, beispielsweise infolge einer Kollision, keine Gefahr für uns dar.
Es gibt allerdings auch Asteroiden, deren Bahn sie der Erdbahn naheführt. Auch da hat man Unterklassen eingeführt. Die Asteroiden des Amor-Typs, benannt nach dem Asteroid 1221/Amor, kreuzen die Erdbahn nicht. Ihr Perihel liegt höher als das Aphel der Erdbahn, also über 1.017 astronomische Einheiten.
Die vom Apollo-Typ, benannt nach 1862/Apollo, haben ein Perihel, das niedriger als das Aphel der Erde ist. Sie brauchen mehr als 1 Jahr für den Umlauf, halten sich also vorwiegend außerhalb der Erdbahn auf. Im Gegensatz dazu steht die Aten-Gruppe, benannt nach 2062/Aten, deren Aphel größer als das Perihel der Erdbahn (0.983 astronomische Einheiten) ist, die Periode weniger als ein Jahr. 99942/Apophis, der Held dieses Artikels, ist ein Aten, zumindest noch bis 2029. Atens und Apollos sind Erdbahnkreuzer und damit diejenigen Asteroiden, auf die wir sehr gut achten sollten.
Bei Asteroiden handelt es sich wahrscheinlich zumeist nicht um kompakte Körper, sondern um mehr oder weniger instabile Gebilde, die durchaus auch Hohlräume enthalten können – also fliegende Geröllhalden. Ein Hinweis darauf ist die fast durchweg langsame Rotation dieser Körper, mit Ausnahme der ganz kleinen. Diese kann man aus der beobachteten Lichtkurve ableiten, die sich aus der unregelmäßigen Form ergibt. Die Fliehkräfte schneller Rotation würden sie zerreißen. Bei Asteroiden mit Durchmessern unter 150-200 m hat man in letzter Zeit jedoch auch sehr schnelle Rotationen beobachtet, offenbar gibt es unter den Winzlingen also auch nicht wenige Monolithen.
Was passiert, wenn ein solches Objekt die Erde trifft? Dann wird seine gesamte kinetische Energie innerhalb kürzester Zeit umgesetzt – ob sie kompakt sind oder nicht, ist dabei ebenso nebensächlich wie die taxonomische Klasse. Beispiel: Ein Asteroid von 1 km Durchmesser kann eine Masse von über einer Milliarde Tonnen haben. Wenn diese Masse mit 15 km/s einschlägt, beträgt die kinetische Energie über 100 Milliarden Gigajoule. Die Wirkung ist durchaus mit der Explosion thermonuklearer Waffen zu vergleichen (allerdings ohne die Radioaktivität), nur dass besagtes Objekt einer nuklearen Sprengkraft von über 20 Gigatonnen TNT entspricht, etwa 500 mal so viel wie die größte je gezündete Fusionsbombe. Man bedenke: es gibt durchaus erdbahnkreuzende Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer, die Einschlagsgeschwindigkeit kann auch höher liegen – und die Energie nimmt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zu. Apophis, der kleiner ist und auch etwas langsamer einschlagen würde, würde uns “nur” eine Sprengkraft von 400-800 Megatonnen TNT verabreichen, was immer noch mehr als genug wäre, nämlich 25000-50000 Hiroshima-Bomben.
Die Folgen eines schweren Einschlags mit einer solchen Energie kann man sich vorstellen. Sie sind anschaulich in der “einschlägigen” Literatur (wenn mir das Wortspiel erlaubt ist) beschrieben und werden auch im diesjährigen ZDF-Doku-Drama “Armageddon – der Einschlag” drastisch dargestellt. Alle Sorgen um ein solches Ereignis sind berechtigt.
So viel zum Hintergrund, mehr in Apophis II.
Anmerkung:
Die beeindruckenden Nahaufnahmen im Artikel sind nicht etwa Computersimulationen, sie stammen von der AMICA-Multiband-Kamera der japanischen Asteroidensonde Hayabusa, die 2005 den Asteroiden 25143/Itokawa besuchte. Sämtliche wissenschaftlichen Daten dieser Mission wurden inzwischen zugänglich gemacht.
Weitere Informationen:
Webseite der NASA zu erdnahen Asteroiden
Webseite der astorb-Datenbank des Lowell-Observatoriums
“Zielscheibe Erde” von Duncan Steel