Innovation dank Stress? Wie uns digitale Stressoren in unserer Technologie-Nutzung beeinflussen

Die Arbeit mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gehört für die meisten Arbeitnehmer längst zum betrieblichen Alltag. Dabei ist es im besonderen Interesse der Unternehmen, dass die Nutzung der IKT reibungslos verläuft, denn dies spiegelt sich in effizienten Arbeitsabläufen wieder. Dass die IKTs gut genutzt werden, kann sich in zwei Verhaltensweisen äußern: routinierte Nutzung und innovative Nutzung von IKTs. Arbeitnehmer, die routiniert im Umgang mit den IKTs sind, wissen implizit, wie sie Aufgaben mit einer IKT lösen. Die routinierte Nutzung der IKT verlangt keine große Anstrengung und ermöglicht ein effizientes und effektives Abarbeiten der Aufgaben. Innovative Nutzung bedeutet, dass die vorhandenen IKT für neue Aufgaben, in neuen Gebieten oder auf innovative Weise genutzt werden, um eine Aufgabe effizienter zu erfüllen, als es bisher möglich war.

Inwiefern es Arbeitnehmern gelingt, IKTs routiniert oder innovativ zu nutzen, hängt von ihrer eigenen Motivation ab, wird aber zum Großteil durch das Arbeitsumfeld bestimmt. In einem Arbeitsumfeld, welches den Umgang mit IKTs erfordert, bleibt es unausweichlich nicht aus, dass es auch Belastungen durch die IKTs geben kann, vor allem, wenn man ein hohes Arbeitsaufkommen hat oder Systeme nicht funktionieren. Diese Stressoren können sich in zweierlei Weise auf den Umgang mit den IKTs auswirken: Auf der einen Seite können Stressoren die Leistung mindern, weil sie negativen Einfluss auf den Arbeitnehmer und dessen Arbeitsweise nehmen. Die Literatur bezeichnet diese Stressoren als Hindrance IS Use Stressors, also Stressoren, die die Nutzung von Informationssystemen (IS), also IKTs, behindern. Auf der anderen Seite wird aber auch beobachtet, dass Stressoren einen belebenden Effekt auf Arbeitnehmer und ihre Arbeitsweise haben können, zum Beispiel, wenn eine herannahende Deadline uns dazu motiviert, noch konzentrierter und effizienter zu arbeiten. Diese Stressoren werden als Challenge IS Use Stressors bezeichnet, also als Stressoren, die die IKT-Nutzung positiv herausfordern. Doch wie beeinflussen diese beiden Arten von Stressoren nun routinierte und innovative Nutzung von IKTs?

Untersuchungen mit 178 Teilnehmern zeigen, dass sich Hindrance IS Use Stressors erst dann negativ auf die routinierte und innovative Nutzung von IKTs auswirken, wenn sie vom betroffenen Arbeitnehmer auch als Bürde bewertet werden, also wenn sich der Arbeitnehmer von der Konfrontation mit den Hindrance IS Use Stressors ein Risiko in Form einer persönlicheren Niederlage, Verlust oder Bestrafung erwartet. Bekommt ein Arbeitnehmer beispielsweise nach Dienstschluss verstärkt Emails, kann er dies als Bedrohung für sein Privatleben erleben, bei dem ein Verlust von Erholungszeit droht. Auf der anderen Seite sehen wir auch, dass sich Challenge IS Use Stressors nur dann positiv auf die routinierte und innovative Nutzung von IKTs auswirken, wenn sie vom betroffenen Arbeitnehmer auch als positive Herausforderung bewertet werden, also wenn sich der Arbeitnehmer von der Konfrontation mit den Challenge IS Use Stressors eine Chance in Form einer persönlicheren Entwicklung, Wachstum, Anerkennung oder Belohnung erwartet. So kann die Einführung einer neuen IKT eine Chance sein, sich zu profilieren, wenn man den Umgang mit ihr schnell beherrscht und anderen helfen kann. Für eine besonders innovative Nutzung der IKTs sind die Challenge IS Use Stressors und die Bewertung als Chance sogar zwingend notwendig, da sie den Arbeitnehmer erst anstacheln, innovativ zu sein.

Was bedeutet das nun für die Arbeitnehmer und ihre IKT-Nutzung? Im Umgang mit Stressoren sollten Unternehmen besonders darauf achten, dass Hindrance IS Use Stressors vermieden werden, da sie sich negativ auf die Arbeitnehmer und ihre Nutzung der IKT auswirken. Dennoch gibt es auch „gute“ Stressoren, die den Arbeitnehmern die Möglichkeit bieten, über sich hinauszuwachsen und routinierte, aber insbesondere auch innovative Nutzung von IKT fördern. Bei der Bekämpfung von digitalem Stress ist es daher wichtig, die Arbeitnehmer dieser Möglichkeiten nicht zu berauben, in dem man das Arbeitsumfeld überreguliert. Wie so oft im Leben läuft es also auf dieselbe Weisheit hinaus: alles mit Maß und Ziel – auch die Reduzierung von digitalen Stressoren.

Bitte zitieren als: Maier, Christian; Reis, Lea; Weitzel, Tim (2020). Innovation dank Stress? Wie uns digitale Stressoren in unserer Technologie-Nutzung beeinflussen. 15.02.2020. Online verfügbar unter: https://scilogs.spektrum.de/gesund-digital-leben/innovation-dank-stress-wie-uns-digitale-stressoren-in-unserer-technologie-nutzung-beeinflussen/

Weitere Infos:

Maier, C., Laumer, S., Tarafdar, M., Mattke, J., Reis, L., and Weitzel, T. (2021)
Challenge and hindrance IS use stressors and appraisals: Explaining contrarian associations in post-acceptance IS use behavior
Journal of the Association for Information Systems (JAIS), forthcoming

Zugriff auf diesen Artikel erhalten Sie hier:

https://www.uni-bamberg.de/isdl/veroeffentlichungen/preprint-manuskripte/

Bei Fragen können Sie die Autoren kontaktieren: christian.maier@uni-bamberg.de

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Veröffentlicht von

Tim Weitzel ist Professor für Wirtschaftsinformatik und Inhaber des Lehrstuhls für Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen an der Otto-Friedrich Universität Bamberg. Er forscht und bloggt zum Thema „Ansteckungspotenziale von digitalem Stress“ im Rahmen des bayerischen Verbundprojekts „Gesunder Umgang mit digitalen Technologien und Medien“ (ForDigitHealth).

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