Wie ein Sandstrand den Verlauf des Zweiten Weltkriegs bestimmte

Bei der Erstürmung der “Festung Europa” am 6. Juni 1944 spielte nicht nur die militärische Überlegenheit der Alliierten, sondern auch die Sandstrände der Normandie eine Rolle.Operation Overlord“ sah vor, mittels einer Flotte den Ärmelkanal zu queren und Infanterie sowie Kriegsmaterial in die französische Normandie zu bringen, um so die Westfront gegen das Nazi-Regime zu eröffnen.

Die deutschen Strategen gingen davon aus, dass eine Invasion an der engsten Stelle des Ärmelkanals, bei Calais, erfolgen würde. Die Briten wollten nicht in eine so offensichtliche Falle laufen und beschlossen die Invasion an einer anderen Stelle, wo zwar der Seeweg länger, aber der zu erwartende Widerstand geringer war, durchzuführen. Die Normandie erschien günstig. Ein Blick auf eine geologische Karte (hier eine Ausgabe von 1933) zeigt auch warum. Im Westen der Normandie stehen Paläozoische kristalline Gesteine (hauptsächlich Metamorphite und Magmatite, in Rot und Rosa) an. Wenn diese Gesteine verwittern bildet sich ein sandiger Grus aus Quarz und Feldspat. Verschiedenen Flüsse zwischen den Küstenorten Le Havre und Cherbourg haben hier reichlich Sand aus dem Inland entlang den Kalksteinklippen (in Blau) abgelagert. Im Osten stehen Kreidezeitliche Sedimentgesteine (in Grün) an, die eher schlammige Sedimente liefern. Flache Sandstrände waren aber eine Voraussetzung, um eine Landung zu wagen und schweres Kriegsmaterial an Land zu bringen.

Fast eine Million Luftbilder wurden ausgewertet und fünf Monate vor D-Day wurden von einem britischen Spezialkommando überall entlang der Küste der Normandie Sandproben gesammelt. Geologen sollten die Luftbilder und diese Proben untersuchen und eine genaue geologische Karte der Küstenregion erstellen. Der Grund am Strand musste nämlich in der Lage sein tonnenschwere Panzer und andere Fahrzeuge zu tragen. Ohne schweres Gerät wären die Verteidigungsanlagen und Bunker der Deutschen, die entlang der Küste verborgen waren, nur unter schweren Verlusten oder gar nicht zu knacken. Sandige Bereiche waren besser geeignet als Bereiche mit feinkörnigen, tonigen Ablagerungen, wo Gefahr bestand das Mensch und Maschine steckenblieben. Die so erstellten „Top Secret“ Karten, hier ein Ausschnitt um die Ortschaft Asnelles-sur-Mer, zeigen neben den Strandbereich auch natürliche Hindernisse im Hinterland, wie Klippen, Moore und Sümpfe.

Die Invasion erfolgte schließlich an fünf ausgewählten Strandabschnitten mit den Bezeichnungen “Utah”, “Omaha”, “Gold”, “Juno” und “Sword”. Hier stehen Kalkgesteine des Jura (200 Millionen Jahre alt) an. Das Kalkgestein spielte ebenfalls eine kriegswichtige Rolle. Kalkgestein ist wasserdurchlässig und bildet zumeist flache, trockene Karstlandschaften an der Oberfläche aus. Das Plateau von Calvados war daher für den Bau der britischen Flugplätze geeignet, ein Umstand der es den Alliierten nach der Invasion ermöglichte die Versorgung und Verstärkung der Truppen sicherzustellen. Elf Wochen nach der erfolgreichen Landung in der Normandie war Paris befreit und in weniger als ein Jahr sollten die ersten Soldaten der Alliierten in Berlin einmarschieren.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

2 Kommentare

  1. David Bressan schrieb (6. Juni 2018):
    > […] „Operation Overlord“ sah vor, mittels einer Flotte den Ärmelkanal zu queren und Infanterie sowie Kriegsmaterial in die französische Normandie zu bringen, um so die Westfront gegen das Nazi-Regime zu eröffnen.
    > […] Millionen von Luftbildern wurden ausgewertet [… um genaue] Karte[n] der Küstenregion [zu] erstellen.

    Wesentlich besser mehr, als die andernorts referierten

    Nearly one million aerial photographs of the shores of Normandy [which] were studied to find the best landing sites for the invasion and establish a western front against Nazi Germany.

    > die Ortschaft Asnelles-sur-Me

    Gemeint ist offenbar die Ortschaft Asnelles-sur-Mer.

    p.s.
    SciLogs-Kommentar-HTML-Test:

    “SiO<sub>2</sub>” wird dargestellt als: “SiO2”.

  2. DB
    was viele Leute nicht wissen, es gibt sogar sinking sand, wo kein Fahrzeug mehr durchkommt.
    Von außen ist das nicht sichtbar, nur die Einheimischen wissen Bescheid.

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