Pflanzen, des Geologen beste Freunde (zumindest manchmal)

BLOG: Geschichte der Geologie

Was die Steine erzählen und wie wir sie verstehen lernten
Geschichte der Geologie

“Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – … Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken –” Franz Tursky, “Klimatisch-geologische Abhängigkeit der alpinen Flora”.

Eine ungewöhnliche Färbung des Gesteins, „Lesesteinkartierung“ in Hangschutt unter Felswänden, chemische Ausfällungen in Bächen, der metallische Geschmack von bestimmten Quellen, sowie bestimmte Pflanzenarten können alles Hinweise auf verborgene Erzadern sein. Georgius Agricola, einer der ersten Bergbauspezialisten den wir namentlich kennen, weist in seinem 1556 veröffentlichen Textbuch “De re metallica“ darauf hin, wie Pflanzen (die zum großen Ärger des Geologen oft Gesteine zudecken) den kartierenden Geologen oder Prospektor helfen können: „Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind … auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart … dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden“

Um 1731 beschreibt Georg Grandtegger das Prettauer Kupfer-Bergwerk und gibt auch ein paar Ratschläge, wie man Erz finden kann. „Wenn das Gras oder die Kräuter auf der Erde nicht die rechte Farbe haben oder vor der Zeit verdorren und wenn die Erde kein Gras trägt, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu finden ist …[]… Findet man Bäume in einem Wald, die ihr Laub vor der rechten Zeit färben oder Mißbildungen in den Wipfeln aufweißen, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu suchen ist …[]… Findet man alte Baumstöcke in der Erde, die ganz dürr und noch frisch sind, so ist das ein Zeichen von Erz …[]… Wenn eine Wassergisse ein Gebirge abbläst, soll man schauen, ob ein Baum samt der Wurzel umgefallen ist. Er deckt oft Erz ab.“

Der deutsche Arzt und Botaniker Johannes Thal (1542-1583) beschreibt in seinem “Sylva Hercynica” die Frühlings-Sternmiere, Minuartia verna, als Pflanze, die wiederholt an erzhöffigen Standorten vorkommt. Der Italiener Andrea Cesalapino beschreibt die heutzutage treffend bezeichnete Steinkraut-Art Alyssum bertolonii von Serpentinit-Vorkommen (umgewandelter Basalt, oft mit Erzgestein vergesellschaftet), eine der ersten genauen geobotanischen Beobachtungen. Allerdings wird oft noch kein direkter Zusammenhang zwischen Gestein und Vegetation hergestellt, sondern der Humusgehalt der verschiedenen Böden wird als bestimmender Faktor angenommen.  In 1789 merkt der Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link (1767-1851) an, „…dass die Pflanzen, die auf trockenem Kalkboden vorkommen, von den anderen, die auf feuchtem tonigem Boden entstehen, verschieden sind.“ Der französische Naturforscher Jean-Ètienne Guettard (1715-1786) nutzt diese leicht kartierbare Verteilung der Pflanzen, um in 1780  eine Art geologische Karte (Atlas et Description Minéralogiques de la France) zu veröffentlichen.

Georg Ernst Wilhelm Crome (1781-1831) veröffentlicht in 1812 “Der Boden und sein Verhältnis zu den Gewächsen” als Leitfaden für Bauern und Förstern. Aber erst der österreichische Arzt und Botaniker Franz Unger (1800-1870), stellt in seinem 1836 publizierten Werk “Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse“, einen direkten Zusammenhang zwischen Vegetation, Boden und Gestein fest. Er billigt den chemischen Eigenschaften des Gesteins eine entscheidende Rolle zu und unterscheidet Kalkpflanzen, Tonschiefer- und Kieselpflanzen. Bereits zwei Jahre später veröffentlicht G. F. Ruehle ein umfangreiches Verzeichnis von “kalksteter” und “urgebirgssteter” Arten im Alpenraum. In 1856 schreibt D. Stur in seinem “Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. Als Beitrag zur Kenntniss der Flora von Österreich, der Geographie und Geschichte der Pflanzenwelt” bereits: “Das Gestein erzeugt die Formen der Pflanzen. In der Region des Felsigen können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden ungleichförmig gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die gewisse Gesteinsgruppen zu ihrer Unterlage vorziehen. In der Region des Zertrümmerten können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden gleichförmig (aus Kalkerde, Kieselerde und Thonerde) gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die alle Gesteinsgruppen ohne Unterschied zu ihrer Unterlage wählen können.” Um 1882 wird schließlich der Begriff “Erzpflanzen”, um 1926 “Schwermetallpflanzen“ bzw. um 1963 „Metallophyten“ eingeführt, also Pflanzen die hohe Metallkonzentrationen im Untergrund tolerieren und direkt auf Erzgestein wachsen können.

Häufig ist in unmittelbarer Umgebung von Erzlagerstätten die Bodenchemie verändert. Sulfide oder Schwermetalle, die aus den Erzgestein gelöst werden, verseuchen den darüber liegenden Boden. Es kann daher in solchen Bereichen zu Kümmerwuchs von Pflanzen, schütteren Gras oder das Fehlen von anspruchsvollen Baumarten, wie Lärche, Tanne und Buche, kommen.
Metallophyten können dagegen mit den giftigen Schwermetallen im Boden fertig werden. Sie sind auch nicht recht wählerisch, was den Standort angeht, sogar Abraumhalden ehemaliger Bergwerke werden besiedelt. Wichtige Erzpflanzen im Feld, die auch der Geologe kennen sollte, sind das Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris und – inflata), die Schaumkresse (Arabidopsis halleri), das Stiemütterchen (Viola sp.), die Grasnelke (Armeria sp.) und die Frühlingsmiere (Minuartia sp.).

Viola sp. auf Silikatgestein.

Kurioserweise sind heute Erzpflanzen selten und sogar schutzwürdig, aufgrund strenger Naturschutzbestimmungen. Untersuchungen an Eisproben aus Grönland zeigen eine bis zu 25-fache Zunahme des Bleigehalts ab dem Jahre 800 v. Chr. Dies ist ein Hinweis auf weitverbreitete Erzverarbeitung in Europa, bei der Stäube mit hohen Schwermetallanteile in die Atmosphäre gelangten. Noch heute gibt es im Schwarzwald Böden, die Grenzwerte für Blei deutlich überschreiten. So hinterließ der mittelalterliche Bergbau in Staufen, Salzburg und Münstertal Konzentrationen von über 1100 Gramm Blei pro Tonne Boden, zehnmal höher als für Klärschlamm zugelassen. Küster schreibt in seinem Buch „Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa“: „Der Bergbau auf Erz und andere Schwermetalle setzte eine Lawine von Umweltverschmutzung in Gang. Auf den Abraumhalden starben die meisten Gewächse ab, weil der Schwermetallgehalt des Bodens toxisch auf sie wirkte. Nur ein paar Spezialisten unter den Pflanzen überlebten, zu denen zum Beispiel das Galmeiveilchen* gehört.“ Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurden die Verordnungen, die den Bergbau regeln, fast überall in Europa deutlich verschärft. Abraum konnte nicht mehr so einfach in die Landschaft gekippt werden. Als Folge wurden Standort für Erzpflanzen, die nicht sehr konkurrenzfähig gegenüber anderen Pflanzen sind, selten. Bei Goslar wurden ganze Abraumhalden des ehemaligen Harzbergbaus, und die auf ihnen vorkommenden Erzpflanzen, daher unter strengen Schutz gestellt.

*Das Gelbblühendes Galmenveilchen (Viola calaminaria), ein metallophytischer Endemit der nur in der Region um Aachen (Schlangenberg bei der Ortschaft Breinigerberg) vorkommt. Der Name nimmt Bezug auf das Zink-Karbonat Smithsonit (früher „Galmei“), denn die Pflanze ist botanisch ein sogenannter Zink-Anzeiger.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

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