Ernst Haeckel und der Geist in der Materie

Abstammungslehre

„Die Natur liefert immer neue Formen, welche neuen Stoff zum Nachdenken, Zeichnen und Beschreiben geben.“

In 1859 kaufte ein junger Arzt auf Durchreise in Florenz ein neuartiges Mikroskop mit Wasser-Immersions-Objektiv, mit dem man lebende Mikroorganismen betrachten konnte. An der Straße von Messina in Süditalien wollte der junge Gelehrte ein halbes Jahr lang damit verbringen, Quallen, Weichtiere und Plankton zu studieren. Jahrzehnte später sollte am Ende ein Jahrhundertwerk entstanden sein. Der junge Mediziner und Naturbeobachter war Ernst Heinrich Philipp August Haeckel, der am 16. Februar 1834 in Potsdam geboren wurde.
Auf Wunsch seines Vaters studierte er Medizin, aber auf Exkursionen mit dem Anatomen Johannes Peter Müller nach Helgoland und zum Mittelmeer entdeckte er die faszinierende Welt der Meerestiere für sich. Besonders Weichtiere und Radiolarien hatten es ihm angetan. Im Laufe seiner Karriere sammelte, studierte und zeichnete Haeckel weit über 4000 Radiolarienarten. Die filigranen, meist radiärsymmetrischen Skelette aus Siliziumdioxid (Kieselsäure) oder Strontiumsulfat mit denen die auch als Strahlentierchen bekannten Radiolarien ihren weichen Zellkern umgeben, waren erst wenige Jahre zuvor von dem Berliner Medizinprofessor Christian Gottfried Ehrenberg in fossilen Meeressedimenten entdeckt worden. Ehrenberg fand fossile Exemplare sogar in Stäuben, die Charles Darwin auf dem Atlantik an Deck des Forschungsschiffes „Beagle“ zusammengefegt hatte.

Radiolarien Tafel in “Kunstformen der Natur” (1899-1904).

Zwischen 1872 und 1876 entnahm die „Challenger“-Expedition an 354 Stellen des Ozeans Proben des Grundschlamms. Haeckel wurde gebeten die dabei entdecken rezenten Radiolarien zu beschreiben. Am Ende beschrieb Haeckel allein 3500 neue Arten. Heute weiß man, das Radiolarien, eine ausschließlich marine Organismengruppe, mancherorts Hauptbestandteil der Sedimente sind, die den Meeresboden bedecken. Im Laufe der Jahrmillionen können diese Sedimente emporgehoben und verfaltet werden. Auch in den Alpen können solche Radiolarite gefunden werden.

Weltkarte von 1894 mit Verbreitung der verschiedenen Arten Meeressedimente. Radiolarite sind in grün und gelb gehalten.

Radiolarit-Aufschluss an einem Bachufer im Rofan-Gebiet., Nördliche Kalkalpen.

Im Jahre 1862 erschien Haeckels Hauptwerk über die Radiolarien, das nicht zuletzt wegen der von dem Berliner Kupferstecher Wagenschieber angefertigten wunderschönen Tafeln bekannt ist. Die Abbildungen inspirierten sogar den französischen Architekt Renè Binet, der in 1909 das monumentale Eingangstor der Pariser Weltausstellung in Form einer Radiolarie gestaltete. Ein populärwissenschaftliches Werk über Haeckels Forschung folgte in 1899 mit dem Werk „Kunstformen der Natur.“ Hier werden auf über 100 Tafeln zumeist marine Organismen dargestellt.

Haeckel glaubte, dass die Formen von Tieren und Pflanzen auf einfache geometrische Grundformen zurückgeführt werden konnten, wie sie auch Kristalle aufweisen. Dieser Zusammenhang war für ihn ein weiterer Beweis für Charles Darwins Evolutionstheorie, wobei die organische Natur aus der anorganischen Natur hervorgegangen war. Darwin selber freute sich zwar über Haeckels Bemühungen die Evolutionstheorie auch in Deutschland bekanntzumachen, so schreibt Darwin über Haeckel, dass „fast alle Folgerungen, zu denen ich gekommen bin, sind durch diesen Forscher bestätigt, dessen Kenntnisse in vielen Punkten viel reicher sind als die Meinen“, über einigen Aussagen von Haeckel wunderte er sich aber selber. Haeckel glaubte an eine Einheit von Materie und Geist und selbst Kristalle sollten eine Lebenskraft besitzen. Diese Lebenskraft sollte auch die Evolution beeinflussen.

Kuriosität am Rande, im Japanischen Anime „Ghost in the Shell“ (1995) wird auf Haeckels Philosophie eingegangen und in einer Szene ist auch Haeckels “Baum”, den er für seine Abstammungslehre von einfachen Stammformen bis hin zum Menschen vorschlug, sichtbar.

Haeckels Abstammungslehre.


Veröffentlicht von

David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

24 Kommentare

  1. Der Artikel endet spannend, aber ohne Vollendung, mit den Worten “Haeckel glaube an.”
    An wen oder was glaubte Haeckels denn?
    Das würde gerne erfahren
    der freundliche grüßende
    Andreas Laengner.

  2. Form follows function sagen die Designer. In der Natur wird es wohl so sein, dass die Kräfte, denen die lebende Natur ausgesetzt sind, die Form bestimmen.
    Und die Kugelform ist nun mal stabil, genau wie der Tetraeder. So findet man die meisten Früchte in Kugelform oder als Tetraeder z.B. Buchecker.

  3. “Geist in der Materie”
    Diese Sicht erinnert mich an die Naturreligionen der alten Naturvölker. (Animismus und Totemismus) Für die damaligen Menschen schien alle auf dieser Erde beseelt, alles hatte also einen Geist. Da gab es heilige Bäume, heilige Felsen, heilige Flüsse etc.
    Man projizierte also seine eigene Weltsicht und Gefühlswelt in die im Prinzip leblose Materie und schuf damit die ersten Götter und Rituale. Das Problem bei all dem ist also der subjektive Glaube, die Phantasie des Menschen, einen Felsen als heilig anzusehen.

  4. Interessanter Artikel, wie sonst auch, und danke für den Hinweis auf Ghost in the Shell. Bis jetzt wusste ich nicht das der Lebensbaum am Ende des Filmes eine Reminiszenz auf Haeckel ist.
    Danke für den Artikel.

  5. Golzower
    Der Geist in der Materie ist also eine Projektion des Menschen.
    Woher haben Sie Ihren Geist und Ihre Phantasie?

  6. Zu Bote:
    Also meine Phantasie habe ich -salopp gesagt – aus einem ruhelosen Geist. Ein ruheloser Geist ist, neurowissenschaftlich gesehen, für mich eine Sensibilisierung auf Reize, bedingt durch Reizmuster(Glaubensmuster) die bei einem höheren Arousal schneller assoziieren und bewusst werden. GEIST ist aber auch- siehe den Buddhismus- das beobachtende Element in uns, sprich das, was nicht bewertet, das Nicht-Selbst. Materie kann weder bewerten noch nicht bewerten, da es keine neuronalen Prozesse besitzt und somit auch keinen Geist, keine Konditionierungen…
    Ohne Materie kein Geist (siehe chemische Botenstoffe /Neurotransmitter) aber ohne Geist gibt es Materie.

  7. Zu Bote:
    Hier beginnt das Problem, da es keine wissenschaftliche Definition zu dem Begriff
    GEIST gibt. Für mich ist meine Phantasie ,neurowissenschaftlich gesehen, das Ergebnis eines erhöhten Arousals (Erregung) , was eine vermehrte Assoziationsfreudigkeit auslöst, sprich Erhöhung des neuronalen Geschwätzes ,was wiederum Synapsen dazu veranlasst, sich schneller zu verschalten da sie gemeinsam feuern. Bei dem Begriff GEIST greife ich gern auf die buddhistische Sicht zurück, die diesen Zustand als den beobachtenden Teil in uns sieht.
    Dieses Nicht-Selbst zeigt uns, dass dieser GEIST eigentlich aus einer Aneinanderreihung von Gedanken und Gefühlen besteht, die wiederum aus Glaubensmustern kommen. Materie kann also ohne Geist sein, aber Geist nicht ohne Materie, da Geist in dem Sinne dann auf neuronale Prozesse, sprich auf chemische Botenstoffe in den Synapsen (Neurotransmitter ) angewiesen ist.

  8. Golzower
    Danke für die (fast)erschöpfende Auskunft
    hinter meiner Frage nach der Ursache(Herkunft) des Geistes verbirgt sich gleich die zweite Frage, die nach dem Wesen des Lebendigen. Das wissen Sie doch auch.

    Der Materie die Fähigkeit von Geist (innewohnende Gesetzlichkeit) abzusprechen ist nur eine Annahme. Der Philosoph Leibnitz , der die Infinitesimalrechnung erfunden hatte, der war der Meinung, dass jedem Materieteilchen , die Monaden, Geist zukommt.
    Nach der Regel, “Von Nichts kommt Nichts” erscheint mir diese Auffassung logisch, denn wie sollte so etwas wie ein Gedanke aus reiner Materie und deren Reize entstehen, wenn nicht schon vorher diese Möglichkeit in den einzelnen Atomen vorgesehen wäre.
    Die Meineung von Haeckel, dass Geist und Materie eine Einheit bilden ist also durchaus logisch.

  9. @bote19;
    Wie kommt es, dass in einem Fischernetz immer nur Fische oder andere Tiere bestimmter Größe sind – hat das Fischernetz als Materie einen Geist? Die Antwort ist natürlich banal, weil wir täglich Erfahrung mit Netzen, Sieben und Filtern haben und deren Funktionsweise und Funktionszweck kennen. Ebenso banal ist inzwischen die Funktionsweise von Regelsystemen, mit dem Thermostat als prototypisches Beispiel. Der Thermostat verfügt über ein Gedächtnis (Solltemperatur), einen Sensor für den Ist-Zustand und eine Entscheidungsfunktion wie das Fischernetz (Soll-Ist-Vergleich).

    Genauso funktioniert unser Gehirn, indem Moleküle als Neurotransmitter nur zu bestimmten Molekülen als Rezeptoren passen. Auf diese Weise werden Signale entweder blockiert oder weitergeleitet und dabei auch umgeformt. So können interzelluläre Signale bis in den Zellkern gelangen und die Regulation bzw. Expression von Genen beeinflussen.

    Der Geist ist beileibe kein Geheimnis, sondern eine Selbstdeutung der kybernetischen Funktionsweise des Nervensystems. Letztlich ist der Geist nur ein Wort für ein ganzes Bündel von Funktionen und Phänomenen des menschlichen Organismus.

  10. A. Reutlinger
    Das ist mir eine zu mechanistische Deutung von Geist. Ein Regelsystem, wie das genannte, ist von Menschen erdacht. Das Regelsystem weiß nichts von sich, weil es mechanisch abläuft.
    Sie benützen den Begriff “Selbstdeutung”, in dem ist das Geheimnis von Geist und Leben enthalten.
    Wie wir aber zur Selbstdeutung gelangen, und vorallem warum, das bleibt ein Geheimnis.
    Die Frage, warum leben wir, das bleibt das Geheimnis.

  11. @bote19;
    Manche Fragen bleiben tatsächlich für immer ein Geheimnis. Dafür gibt es gute Gründe. Es ist aber sinnlos, dann phantasievolle und willkürliche Behauptungen darüber aufzustellen und die Menschheit damit zu belästigen, bzw. die Menschen damit bevormunden zu wollen.

    Ein Wort zu erfinden und zu behaupten, es stehe für ein Geheimnis, ist dagegen keine Begründung. Der Begriff des Geistes kann geisteswissenschaftlich aufgesplittet werden in seine Einzelteile und diese, z.B. die Wahrnehmung und das Gedächtnis, können naturwissenschaftlich untersucht werden. Gewisse Einzelteile bleiben prinzipiell ein Geheimnis (die Qualia). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Geist ausschließlich ein Produkt der Natur ist.

  12. anton reutlinger
    Unsere Missverständnisse kommen vom unterschiedlichen Gebrauch der Begriffe.
    Für Sie ist Natur der Oberbegriff, der auch den Geist einschließt.
    Für mich ist Natur ein Produkt des Geistes. Geist ist die Summe aller Naturgesetze, das was den Stein zwingt die Form anzunehmen, die er hat.
    Wenn wir diese Gesetze in Formeln fassen, dann ist diese Formel keine Natur, sie ist eine Abstraktion unseres Geistes und mit dessen Hilfe können wir die Natur nachbauen.
    Wir können mit diesem Wissen radioaktive Nuklide schaffen, die es auf der Erde so vorher nicht gab.
    Beweist das nicht die Dominanz von Geist über Materie?

  13. @bote19;
    Das kann Ihre persönliche Auffassung sein, ich halte es dagegen für unzulässige Wortspielerei. Die Naturgesetze sind ein Produkt des menschlichen Geistes, welches das Geschehen in der Natur beschreiben und widerspiegeln soll. Woher wollen Sie wissen, dass es die erwähnten transuranen Nuklide nie vorher gab? Sie zerfallen so schnell, dass sie in der Natur nicht auffindbar sind, aber sie können durchaus in bestimmten Situationen natürlich entstehen, z.B. bei einer Supernova.

    Wir haben eine sehr statische Vorstellung von der Natur. Wenn man Elektronen individuell markieren könnte, dann würden wir sehen, dass wir selber zu keiner Zeit dieselben Menschen sind wie kurz zuvor, dass wir selber eine Abstraktion der Wirklichkeit sind! Der ewige kosmische Geist ist nur eine Erfindung oder Projektion des menschlichen Geistes.

    Würde man Roboter mit umfassenden Sensoren für den Zustand des Roboters selber ausstatten, dann hätte auch der Roboter ein Bewusstsein, wenngleich ein artspezifisches Bewusstsein über den eigenen, jederzeitigen Zustand. Wir wüssten zwar nicht, wie er fühlen würde, aber er könnte es mit unseren Begriffen mitteilen. Wir wüssten dann zwar nicht, ob unsere Vorstellung davon die richtige wäre, aber das wissen wir auch bei Mitmenschen nicht wirklich oder nicht verlässlich.

  14. anton reutlinger
    Das Beispiel mit dem Roboter ist gut, er wäre aber nur eine Konstruktion des Menschen.
    “Geist” bleibt ein Wort für etwas “Unerklärbares”. Und die Bibel ist so klug im Dekalog dem Menschen zu verbieten, sich Gedanken oder sogar ein Bild von diesem Geist zu machen, der sich den Juden nur einmal vorgestellt hat, als: “Ich bin der da ist”. alles andere ist menschliche Phantasie. https://www.bibleserver.com/text/EU/2.Mose3%2C14
    Wenn Sie allerdings der Meinung sind, dass sich die Natur aus sich selbst heraus erklären lässt, dann werde ich keine Eulen nach Athen tragen.

  15. @bote19;
    Auch die Inhalte der Bibel sind Produkte menschlicher Phantasie, alles andere ist bloße Einbildung! Der Mensch ist ebenso eine Konstruktion der Evolution, wie der Roboter eine Konstruktion des Menschen ist. Das Wesentliche ist das Gedächtnis und die Rückbezüglichkeit kybernetischer Systeme. Deshalb sind autonom fahrende Autos möglich geworden. Dass die Steuerung der Autos vom Menschen programmiert ist, das ist dabei unerheblich.

    Das Problem ist vielmehr, dass die autonomen Autos kaum Information über sich selber haben, außer dem Standort, dem Ziel und dem Bewegungszustand. Hätten sie ein Gedächtnis und ein Bewertungssystem für ihre eigenen Zustände, dann könnten sie diese Zustände miteinander vergleichen und daraus ihr künftiges Verhalten erschließen, um erwünschte Zustände zu realisieren. Dieses Bewertungssystem für angenehme und unangenehme Zustände bildet den Kern des menschlichen Bewusstseins und ist im Verlauf der Evolution mittels Variation und Selektion entstanden.

  16. Anton Reutlinger
    Ihre Logik ist schlüssig. Ihr fehlt nur das Fundament. Wer hat das alles gemacht ?
    Diese Frage bleibt offen und deshalb ist Ihr Schluss, dass es keinen Gott gibt, ohne Grundlage.

  17. @bote19;
    Wer das alles gemacht hat, das werden wir nie wissen. Vermutlich ist schon die Frage falsch gestellt. Es übersteigt jedenfalls unser Vorstellungsvermögen. Die Behauptung der Existenz eines Gottes oder Schöpfers entbehrt genauso jeder Grundlage wie die Behauptung der Nichtexistenz.

    Es gibt kein stichhaltiges Argument für die Existenz übernatürlicher Wesenheiten. Es ist eine reine Glaubensfrage, die jedem Einzelnen überlassen bleibt. Absolut inakzeptabel ist jedoch die Missionierung der Menschen bezüglich der Existenz von Göttern und ihrer Einflussnahme auf die Menschen. Kein Mensch hat das Recht, im Namen von Göttern anderen Menschen diesbezüglich Vorschriften zu machen oder Forderungen zu stellen. Das haben schon Leute wie Epikur und Lukrez erkannt. Götter sind Spiegelbilder menschlicher Vorstellungen und Einbildungen.

  18. Anton Reutlinger
    Vor 20 Jahren gab es die AfD noch nicht. Wo kommt sie her ?
    Da haben sich enttäuschte Wähler zusammengefunden und eine neue Partei gegründet.
    Wieso bekamen sie zulauf ?
    Weil dafür ein Bedürfnis entstand, die mussten nicht missionieren.
    Genaus so ist es mit Religionen. Die füllen ein Vakuum, ein Vakuum der Gefühllosigkeit, das die reine Wissenschaft begleitet.
    Religion ist logisch und notwendig. Und sie ist wahr . Das erkennen die Menschen und richten sich nach ihr.
    Die Zwangsmissionierung des Mittelalters ist falsch. Wenn sich die Menschen nicht freiwillig dem Gottesgedanken hingeben, dann entsteht kein echter Glaube.
    Damit lasse ich es jetzt bewenden. Es ist gut, dass Sie die Existenz und auch Nichtexistenz Gottes offen lassen.
    Das kann nur jeder für sich entscheiden. Aber dann, dann haben die Betroffenen auch das Recht sich zusammenzuschließen und eine Glaubensgemeinschaft zu bilden. Die Gemeinschaft der Wissenschaftler, wenn es sie denn gibt, ist auch nur auf dem Glauben der Leugnung jeglichen Geistes begründet.

  19. Andreas Laengner
    17. Februar 2019 @ 18:10

    “Das würde gerne erfahren”

    -> Genial. Das und anderes lässt mich fragen, ob es eine sinnvolle Kommunikation ohne Personalpronomen geben kann.

    Ich meine ja. Denn das Problem, was entsteht, wenn einer von sich schreibt und sagt “ich”, entsteht, wenn ein Lesender ebenso “ich” liesst, obwohl “er” nur gemeint sein kann.

    Und in diesem Sinne beginne ich es zu schätzen, wenn einer in der dritten Person sich selbst beschreibt.

    Was aber erst nur hiesse, dass die erste Person Beschreibung tabu wäre.

    Im Tagebuch für sich mag das erlaubt sein. Aber als Informationssendung an Dritte ist die erste Person für den Lesenden problematisch.

    Gibt es Geist in Materie? Also quasi Geist im leblosen Stein?

    Was, wenn das ein Übersprungdenken ist, wie man es ansonsten überall beobachten kann. Etwa, wenn einer feststellt, aha, Frau/Mann ist so [irgendwie], also sind alle Frauen/Männer so.

    Oder eben: Die Feststellung, dass ohne Materie der eigene Geist nicht existieren würde, führt dann zum Denken, dass Geist immer in Materie auftreten muß.

    Dabei geht er nur daraus hervor. Ein emergentes Phänomen. Kein implizites.

    Wenn ich aber feststelle, dass das Gehirn deswegen funktioniert, weil es Spannungspotentiale erzeugt (etwa, weil wegen der Integrierung von Metallen unterschiedlicher Art in gewissen Säure-/Base-Umgebungen), müsste ich dann auch sagen, dass eine Batterie “Geist” hat?

    Oder zumindest davon ausgehen, dass eine Batterie “belebt” ist?

    Physikalisch wenigstens.

    Ich gehe mal davon aus, dass die gegenwärtige Kategoriesierung und der Inhalte der Wissenschaftsdisziplinen noch unzureichend ist, sich solcher Fragen hinreichend hilfreich anzunähern.

    Die Assoziation zur Batterie ist dabei nicht abwegig. Die chemischen Botenstoffe (Neurotransmitter) haben ausser einer speziellen Informationsauslösung auch eine Funktion, die den PH-Wert beeinflusst, woraufhin energetische Potentiale entstehen, die notwendig sind, damit ein Gehirn tun kann, was es tun kann/soll.

    Wenn also eine Batterie ein Energiepotential enthält, ist der Weg, sie als “belebt” zu erkennen, darüber nicht weit.

    In diesem Sinne wäre also das erhöhte “Arousal” nur dann möglich, wenn diese schon in der Batterie wesendlichen Bedingungen erfüllt sind:

    funktionale Strukturform, Metalle, PH-Wert relevantes Umfeld und ein Entladungsauslöser.

    Elektrischer Strom wäre dann durchaus schon “Geist”, wenn man davon ausginge, das für Geist ein Informationsgehalt vorrausgesetzt werden soll. Denn Strom ist auch Information – neben dem Energeigehalt. Nämlich I/O, 1/0…ein / aus…ja/nein.

    Also ist in einer Batterie auch Geist enthalten.

    Dieser Logik nach.

    Schön zu sehen, wie man inzwischen überall davon ausgeht, das Nervenvgifte die neuronalen Bereitschaftspotentiale erhöhen. Und nun wäre nur noch der Schritt dahin notwendig, anzuerkennen, wie fundamental wir am Fundament unserer Existenz als geistige Wesen (das Gehirn) manipuliert werden, wenn diese Giftanwendung auf den Feldern und anderswo unkritisch übertrieben wird, sodass davon verhältnismäßig viel in unserer Nahrung enthalten ist – selbst unterhalb der üblicherweise “großzügig” angesetzten Grenzwerte.

    Und noch dieser Hinweis:
    Es geht hier nicht um Krebs als Folge von Gidten in unserer Umwelt/Nahrung. Es geht um das Fundament unserer geistigen Existenz: Um unser Gehirn.

    Und ich kann aus Erfahrung berichten, dass über 10 Jahre subjektiv maximales “Arousal” keine Wohltat sind, sondern der reinste Terror.

    Mir würde die natürliche, impulsive, affektgesteuerte Erregung des Nervensystems vollkommen ausreichen. Und niemandem ist zu wünschen, was ich durchgemacht habe.

  20. Ich habe auch jahrelang versucht den Begriff GEIST für mich zu analysieren. Alles, was ich gelesen habe, hat mich nicht richtig überzeugt, bis ich auf die buddhistische Sicht gestoßen bin. Beim meditieren sehen sie das Wechselspiel zwischen Empfindungen, Gedanken und Gefühlen. So lösen Empfindungen, die im übrigen Erfahrungswerte des impliziten Gedächtnisses sind, oft ungewollt wirre Assoziationsketten in Form von Gedanken und Gefühlen aus und das immer und immer wieder. Oft verbergen sich dahinter unbewusste Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kindheit, die sich dann in Form von unerklärbaren Gefühlen (Ängsten) manifestieren. Letzteres ist dann auch mit Spannungen ,also einem höheren Arousal verbunden und Menschen können ,da sie das alles nicht erklären können, darunter leiden. Geist ist dann für mich in dem Sinne der erkennende Teil in uns, der Teil der in der Meditation die Ursachen für diese Leiden erkennen kann. Letztlich geht es bei allem darum, dass das Subjekt seinen inneren Frieden findet und das die Programme (Glaubensmuster) die diesen inneren Frieden massiv stören , aufgelöst werden. In dem Sinne hat Buddha hier, so meine Sicht, richtige Ansätze geliefert…( Andere können diese Ansätze auch im christlichen Glauben finden wo es auch heißt :Friede sei mit dir ) Für mich kann dieser Geist nur arbeiten, wenn eine neuronale Aktivität möglich ist. Letzteres bedeutet, dass -siehe die Gehirnwellen- eine bewusste Sicht auf die innere Realität erfolgt.

  21. @ Anton_Reutlinger,
    ich bin sehr positiv überrascht und verblüfft, wie Ihre hier geäußerten ansichten zum thema den meinigen entsprechen, bis in einzelheiten sogar ! Sie scheinen “die kunst” der evolution und kybernetik wirklich verstanden zu haben. Sie erwähnen sogar prof. dürrs oft gebrauchtes beispiel vom fischernetz, welches, oh wunder, immer nur fische bestimmter größe einfängt …
    auch Ihre schilderung zu robotern und selbst-bewusstsein ist zutreffend.

    vielleicht sollten wir in kontakt treten, um uns in gegenseitigen sach-diskussionen gemeinsam weiterzubringen?, denn ich arbeite naturwissenschaftlich auf diesen themen. und leute mit so klaren und durchblickenden ansichten wie Sie sind leider nach meiner erfahrung selten.
    falls Sie interesse an einem kontakt mit mir haben sollten, meine email: waha3103x@googlemail.com

  22. @ anton reutlinger, Sie schrieben oben:

    “Gewisse Einzelteile bleiben prinzipiell ein Geheimnis (die Qualia). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Geist ausschließlich ein Produkt der Natur ist …”

    deshalb sollten wie beide zb in diskussion treten, denn auch dieses “geheimnis” entpuppt sich als trivial, indem es de natura keine reale dichotomie zwischen quantität + qualität gibt, so wenig, wie zwischen materie + geist.
    stellen Sie sich zb einen apfel vor. aus was besteht der apfel für unsere wahrnehmung? er besteht lediglich aus “eigen-schaften”, und das sind “qualia” = semantiken, ein apfel ist für uns eine zeitlich und räumlich stationäre “summe” von eigenschaften, beweis: denken wir uns diese eigenschaften weg, bleibt nicht etwa ein eigenschaftenloser “urapfel” übrig, sondern garnichts, und dies trifft auf aristoteles’ intrinsische + extrinsische qualia gleichermaßen zu. unser zugriff auf “welt” erfolgt, und exklusiv, in form wahrnehmbarer, wahrnehmungs-generierter eigenschaften, und, nun physik, eigenschaften sind die resultate von wechselwirkungen = wechselwirkungen generieren eigenschaften, und nicht zufällig leben wir real in einer planck-diskreten wechselwirkungen-welt, obwohl “welt” in unserer wahrnehmung, unserem erleben, als kontinuum erscheint.
    die uns erlebbare welt ist eine eigenschaften-welt, und dies “genügt” für lebewesen, die bio-kybernetisch sog. selbst-referente systeme sind = es konnte keinen evolutionären druck, keine selektion geben, diese biokybernetischen funktionen anders gestaltet zu implementieren.
    letztlich folgt diese (ganze) bio-kybernetik simpel den betreffenden naturgesetzlichen thermodynamischen grundlagen, und was wie zauberei erscheint, entpuppt sich als fast ihr gegenteil.

    historische anmerkung: auch der vermeintliche gegensatz “geist versus materie” resultiert letztlich daraus, dass man sich vor ca 1000 jahren, am ausgang der scholastik, auf den sog. “nominalismus” als scheinbar-korrekte welterlebens-weise geeinigt hatte, dieser nominalismus (im gegensatz zur platonischen ideen-lehre) trug bis vor ca 120 jahren sehr gut, seit planck, einstein, RT und QM allerdings erweist sich auch dieser nominalismus als welt-erfahrensweise als nicht korrekt = haben wir ein problem? ja, wir haben ein sogar massives !

  23. @ Golzower,
    was ist “geist” ?
    “geist” ist sprachlich ein sog. “reflexionsterminus”, der rein-denkökonomisch eine gruppe von -beobachtbaren- eigenschaften in form einer “platonischen idee” summarisch zusammenfasst, analog wie begriffe “gerechtigkeit”, “das gute an sich”, usw.
    analysiert zerfällt “geist” in eine gruppe neurologischer + neurophysiologischer funktionen, deren wichtigste das “selbst-bewusstsein” ist = das bewusstsein seiner selbst. und biologische systeme (sind kybernetisch ECHTE systeme) als selbst-referente systeme MÜSSEN ein bewusstsein ihrer selbst besitzen = als funktionenkomplex implementiert haben, , um als selbstreferente systeme funktionsfähig = mit wahrscheinlichkeiten P temporär überlebensfähig sein zu können.
    deshalb werden zukünftige wirklich dann autonome roboter ebenfalls “geist” besitzen müssen = bewusstsein ihrer selbst. wird natürlich dann wieder eine “erz-beleidigung” für mensch sein, der seinen geist (auch wieder historisch mitbedingt) für völlig einmalig hält.

    der “geist” = das bewusstsein ihrer selbst, erscheint übrigens in lebewesen (und zwar aus eben biokybernetischen gründen in allen!) immer erst nach abschluss der frühkindlichen phase, nämlich dann, wenn eigene individuelle immunsysteme etabliert sind, welche das ab dann als selbstreferent-funktionierende lebewesen von aussenwelt unterscheiden = die erfindung der aussenwelt, und damit der gegensatz zwischen ich-hier und welt-dort ist eine immunologische erfindung, ebenfalls wieder im dienst des überlebens selbstreferenter systeme, krass ausgedrückt: physikalisch/per natura existiert ein solcher unterschied nicht, er wird rein immunolgisch-funktional erst aufgebaut und dann lebenslang (hoffentlich, wenn man immun-gesund bleibt) aufrecht erhalten, ohne diesen individuell überlebenswichtigen immunologischen funktionenkomplex würden wir im animismus des “alles ist einheit” steckenbleiben, wir würden nicht zu individuell autonomen wesen werden können, usw.
    das heißt: mensch und welt als unterscheidbare = selbstreferente lebewesen und ihre aussenwelten, sind immunologische inszenierungen,
    deshalb, wenn wir “welt” erleben, erleben wir lediglich uns selbst, unsere eigene immunologische inszenierung, und es gilt das altbekannte “nosce te ipsum” = erkenne dich selbst (in form dessen, das du in diesem fall als aussenwelt erlebst)

  24. @ demolog,
    ob batterien belebt sind …

    das ist keine frage, selbstverständlich sind batterien lebendig, sieht man daran, dass sie immer das gegenteil davon machen, was man als mensch will: braucht man eine volle batterie, murphys law, ist sie fast garantiert leer, lagert man volle batterien klug auf vorrat, sind sie meist leer, sobald man sie benutzen will.
    soziologen sprechen deshalb, nicht nur bzgl batterien, von der “widersetzlichkeit der realität”, das reale bietet immer widerstand gegen menschliche intentionen, und falls selten manchmal nicht, erneut murphys law, so hat man den widerstand oder die sich anbahnende katastrophe lediglich noch nicht entdeckt …

    aber im ernst:
    es gibt physikalisch 4 grundkräfte, eine davon ist die elektromagnetische, und leben findet hauptsächlich auf der elektromagnetischen (em) grundkraft statt, ist daher fast komplett ein em-phänomen, zb die gesamte chemie, biochemie, molekulare elektronik, welche in lebewesen installiert ist = wir sind elektromagnetische systeme, unser hirn ist nur eines der beteiligten sub-systeme

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