Geheimnis Erdbebenlichter – Unfug oder Blitze aus dem Boden?

BLOG: Geschichte der Geologie

Was die Steine erzählen und wie wir sie verstehen lernten
Geschichte der Geologie

Mulder: Sie glauben so fest an ihre Wissenschaft, Scully. Aber die Dinge, die ich gesehen habe gibt es in ihrer Wissenschaft gar nicht.
Scully: Nichts kann im Widerspruch zur Natur existieren, sonder nur im Widerspruch zu dem, was wir darüber wissen. Und an dem Punkt werden wir anfangen. Dort gibt es Hoffnung.
Akte X, 1996

Angebliche Erdbebenlichter über Mexiko City, die sich letztendlich als Reflexionen an den Wolken herausgestellt haben.

Erdbebenlichter sind seltsame Leuchterscheinungen die kurz oder während eines Erdbebens auftreten sollen und unterschiedlich beschrieben werden. Beschreibung von Augenzeugen reichen von weiß-rötlich-blauen diffusen Licht, Wolken oder Streifen am Himmel, zu “Lichtkugeln” mit rötlich-weißer Farbe.

Dokumentiere Berichte reichen mehrere hundert Jahre zurück. Der Irische Ingenieur Robert Mallet (der die seismischen Zonen im Mittelmeer erkannte) publizierte zwischen 1851 und 1855 einen Katalog, in dem er solche Leuchtphänomene sogar bis zurück ins Jahr 1606 vor Christus datierte (wobei er Beschreibungen von Feuersäulen als Erdbebenleuchten interpretierte). Der frühe Geologe James Hutton berichtet von einem Erdbeben um 1888 bei Christchurch (Neuseeland), wo verschiedene Leuchterscheinungen beobachtet wurdenwobei Hutton allerdings keinen Zusammenhang zwischen beiden Phänomene sieht.
Der italienische Naturforscher Ignazio Galli verfasst um 1910 schließlich eine erste Klassifizierung für Erdbebenlichter. Da lange Zeit jedoch nur Geschichten vorlagen, wurden Erdbebenlichter von Seismologen mehr als Folklore denn als reales Phänomen angesehen. Im Jahre 1973 präsentierte der japanische Geologe Yutaka Yasui, neben einer Sammlung von Augenzeugenberichten, allerdings erstmals Fotos, die rote und blaue Farbstreifen am Himmel über der japanischen Stadt von Matsushiro (Präfektur Nagano) zeigten. Die Lichter sollen zeitgleich mit einem Schwarm kleinerer Beben aufgetreten sein. Die Fotos sind aber nicht unproblematisch. Belichtungszeit und Abfolge der Aufnahmen, so wie sie von Yasui angegeben werden, stimmen nicht überein. Die Aufnahmen könnten daher verfälscht sein.

Angebliche Erdbebenlichter beim japanischen Vulkan Kimyo, Präfektur Nagano, aufgenommen im September 1966  von dem japanischen Geologen Y. Yasui.

Ein großes Problem ist die angebliche Vielfalt des Phänomens. Leuchtphänomene wurden hunderte Kilometer entfernt vom Epizentrum des Erdbebens und auch Monate vor dem eigentlichen Erdbeben beobachtet. Bereits sieben Monate vor dem Erdbeben von L´Aquila (Italien, 6. April 2009) wurden seltsame Lichterscheinungen am nächtlichen Himmel beobachtet bzw. sogar fotografiert. Eine große Anzahl hat sich allerdings im Nachhinein als Planet Venus entpuppt. Als wahrscheinliche echte Erdbebenlichter blieben immerhin Berichte von diffusen Wolken, Flammen und Blitze, sowie Feuersäulen während des eigentlichen Erdbebens, übrig.

Zurzeit gibt es noch keine befriedigende Erklärung wie es zu diesen Erscheinungen kommen könnte. Die plausibelste Arbeitshypothese nimmt an, dass es sich um einen elektromagnetischen Effekt handelt. Dazu würde passen, das angeblich elektrische Glocken von Telefonen bei Erdstößen anfangen zu läuten bzw. ein Knistern in der Luft zu hören ist. Elektrische Felder regen, so die Theorie, Luftmoleküle an, das resultierende Plasma erscheint als Leuchterscheinung. Eine in 2014 veröffentlichte Studie (THERIAULT et al. 2014) hat die wesentlichen Beobachtungen und Theorien zu Erdbebenlichtern nochmals zusammengefasst und das Verhältnis tektonische Störungen und Leuchterscheinungen untersucht. Gesteine sind normalerweise Isolatoren und leiten keinen elektrischen Strom, der nötig ist um ein Feld aufzubauen oder Ionen zu erzeugen. Werden aber Gesteine unter Druck gesetzt, bzw. bei tektonischen Bewegungen verformt, kommt es zu einem piezoelektrischen Effekt der einen schwachen Stromfluss erzeugen kann. Allerdings ist dieser Stromfluss vernachlässigbar klein. Der deutschstämmige Physiker Friedemann T. Freund publizierte in 1993 die p-Hole-Theory“, die eine effektivere (wenn auch hypothetische) Möglichkeit beschreibt. Durch tektonische Verformung kommt es zu Gitterfehlstellen in den Quarzkristallen von Gesteinen. Diese Fehlstellen konzentrieren sich entlang der Kristalloberfläche, wo diese elektrischen Löcher vorbeiziehende Atome ionisieren. Diese so gebildeten freien Ionen wandern entlang von Störungszonen zu Oberfläche, wo sie aufsteigen und letztendlich Luftmoleküle ionisieren können. Am Ende entsteht ein glühendes Plasma, das in den Himmel aufsteigt.
Dazu würde passen das die Leuchterscheinungen, so die 2013 Studie, eher an steilstehenden Störungssystemen (die vielleicht die vertikalen Bewegung der Ionen erleichtert) und an kristallinen (quarzreichen) Gesteinen gebunden zu sein scheinen. Die Leuchterscheinungen treten bevorzugt entlang von Störungssystemen auf, wie sie in Grabenbrüchen und bei Seitenverschiebungen zu finden sind. Im Jahre 1911 wurde zum Beispiel ein Erdbeben bei Ebingen von Leuchterscheinungen begleitet, die sich entlang des östlichen Abhangs des Rheingrabens und im kleineren Hohenzollern Graben konzentrierten.

Die 2014 Studie scheint einige Punkte früherer Theorien zu bestätigen, ist aber bei weitem nicht eindeutig. Wie die Autoren selbst einräumen, ist es schwer von mündlichen Beschreibungen allein eindeutig zu bestimmen, ob es sich um ein echtes Erdbebenlicht handelt oder um etwaige Fehlinterpretationen durch den Augenzeugen (z.B. Sterne, Brände, gewöhnliche UFO). Erdbebenlichter werden auch sehr (zu sehr?) unterschiedlich beschrieben, von einfachen diffusen Verfärbungen zu Kugelblitzen zu Feuersäulen. Möglicherweise werden hier unterschiedlichste Phänomene, die nichts mit seismischer Aktivität zu tun haben, in einen Topf geworfen. Auch die angeblichen Erdbebenlichter die während des Erdbebens in Mexiko letzte Woche gefilmt wurden, stellten sich später als Lichtreflexionen heraus. Zahlreiche Kurzschlüsse und kleinere Explosionen in den Straßen haben für Sekunden die Umgebung erhellt, ein Beobachter von Weitem sieht aber nur die Reflexion des Lichts in den tiefhängenden Wolken. Keine der angeblichen Aufnahmen von Erdbebenlichter der letzten Jahre (Christchurch 2016, Sichuan 2008, Peru 2016) werden als echt angesehen.
Es scheint auch seltsam, das ein Phänomen das in Zusammenhang mit Zusammenpressen von Gesteinen steht, gerade in tektonischen Gebieten auftreten soll, die durch divergente, also auseinanderstrebende Kräfte, wie es bei Grabenbrüchen der Fall ist, gekennzeichnet sind.

Erdbebenlichter bleiben also – noch – geheimnisvoll.

Veröffentlicht von

David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

3 Kommentare

  1. In der deutschsprachigen Wikipedia erfährt man unter Erdbebenlicht über viele behauptete Beobachtungen und eine Reihe von Erklärungen (elekt. Entladungen entlang Druckflächen, Plasmaleuchten von freigesetzten Gasen, Stromfluss durch durch Druckbelastung ummineralisiete, eletkrisch leitfähig gewordene Mineralien).
    In der englischsprachigen Wikipedia befindet isch unter Earthquake light zusätzlich ein Unterkaptiel Kritik, in dem an der Zuverlässigkeit von Berichten über dieses Phänomen gezweifelt wird.

    Wenn diese Leuchterscheinungen genug deutlich sind müssten sie eigentlich auch von Satelliten beobachtet werden können. Eine systematische Auswertung aller Satellitenaufnahmen von Gebieten mit aktiven Erdbeben könnte viellicht Aufschluss über dieses behauptete Phänomen geben.

    • Ja, es mangelt einfach an überprüfbare Aufnahmen. Wobei, anscheinend wurden mittels Satellitenaufnahmen Veränderungen im Infrarotbereich (also Wärme, auch eine Art von Licht oder Strahlung ) beobachtet.

  2. Tribolumineszenz tritt auf, wenn Quarze aneinander gequetscht/gerieben werden. Bereits kleine Quarzstücke ergeben deutliche Leuchterscheinungen (Blitze).
    (dieser Effekt wurde z.B. von indianischen Schamanen genutzt um bei nächtlichen Sitzungen Blitze zu erzeugen – und um so die eigenen Fähigkeiten(Macht) zu demonstrieren)

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