Die Geschichte des Krakatau (Teil I.)

BLOG: Geschichte der Geologie

Was die Steine erzählen und wie wir sie verstehen lernten
Geschichte der Geologie

„Tief im Inneren des Berges lebt ein Geist – Orang Alijeh. Wenn er ärgerlich ist, dann speit er aus seinen Nüstern Feuer. Manche sagen, dass er jetzt schläft. Andere behaupten, dass er jetzt nicht schläft, er grollt und ist wütend.”

Am 27. August 1883 explodierte südlich von Sumatra der Vulkan Krakatau. 36000 Menschen ertranken in den Flutwellen oder verbrannten in seinen Glutlawinen, drei Jahre lang trieb die Asche am Himmel um die Erde. Es war die erste Naturkatastrophe, über die binnen Stunden auch der Rest der Welt erfuhr, dank der gerade eingeführten Telegrafie. Es war nicht der erste Ausbruch dieser Art und sollte auch nicht der letzte sein.

Geologische Hinweise und Geschichten lassen vermuten, dass der Krakatau in historischer Zeit mehrere Male ausgebrochen ist. Vor etwa sechzigtausend Jahren existiere ein viel größerer Berg, den einige Geologen als Ur-Krakatau bezeichnen und der in der Mitte einer fast kreisrunden Insel mit einem Durchmesser von etwa vierzehn Kilometern bis auf eine Höhe von knapp zweitausend Metern aufragte. Dieser erste Berg wurde durch einen gewaltigen Ausbruch zerstört. Es blieben nur eine Gruppe von vier kleinen Inseln übrig. Die östliche, knapp fünf Kilometer lange Panjang, der westliche Nachbar Sertung, der Polish Hat, ein Felsen aus Lavagestein, und die Insel von Rakata. In der ausgesprengten Caldera wuchs im Verlauf von Jahrtausenden die eigentliche Insel von Krakatau neu hervor. Krakatau war schließlich zehn Kilometer lang, drei Kilometer breit und bis zu achthundert Meter hoch. Viele Seefahrer nutzten die in der Mitte der verkehrsreichen Sundastraße, zwischen Sumatra und Java, gelegene Insel als Orientierungshilfe. Der südliche höchste Vulkangipfel hieß Rakata, der mittlere Gipfel war der Danan und der nördliche Gipfel nannte man Perboewatan. Die Insel war von dichten Dschungel bedeckt. Frische Lavaablagerungen, heiße Quellen und Schwefelaustritte wiesen allerdings auf ihre vulkanische Natur hin. Auf der Insel gab es kleinere Siedlungen, wo Landwirtschaft betrieben und die lokalen Schwefelablagerungen abgebaut wurden. Der berühmte Captain James Cook besuchte mit seinen zwei Schiffen, die Resolution und der Discovery, die Insel in 1780. Der britische Botaniker Joseph Banks schreibt, wir “Ankerten des Nachts unterhalb einer hohen Insel, die auf den Karten Cracatoa und bei den Ostindern Pulo Racatta heißt.”

John Webbers Zeichnung von der Insel Krakatau, die im Februar 1780 von der Resolution und Discovery besucht wurde.

Alte Quellen lassen vermuten, dass der Vulkan in den Jahren 416 oder 535 und 1680 ausbrach. Um 1860 veröffentlichte der javanische Hofdichter Raden Ngabahi Ranggawarsita das „Buch der Könige“, ein Geschichtstext über das Königreich Java. Dort heißt es für das Jahr 416: “Die ganze Welt erbebte gewaltig, und wütender Donner wurde von heftigen Regen und Sturm begleitet. Doch dieser heftige Regen löschte die Feuersbrunst des Berges Kapi nicht etwa aus, sondern machte sie nur noch schlimmer. Das Geräusch war schrecklich. Schließlich zerbarst der Berg mit einem fürchterlichen Krachen in zwei Teile und versank in den Tiefen der Erde. Das Wasser des Meeres stieg und überschwemmte das Land… Die Bewohner des nördlichen Teils des Sundalandes bis zum Berg Rajabasa ertranken und wurden mit all ihrer Habe fortgespült.“ Ein Berg mit dem Namen Kapi ist heute unbekannt und es gibt keine eindeutigen Belege für einen Ausbruch am Krakatau. Es gibt Ascheschichten die innerhalb des ersten Jahrtausends datiert wurden, aber keine exakten Altersdaten lieferten. Manche Vulkanologen glauben dennoch, dass sich der Hofdichter auf die Vulkaninsel zwischen Java und Sumatra bezieht.
Um 535 gibt es Hinweise auf weitreichende Klimaanomalien. Johannes von Ephesus schreibt im 6. Jahrhundert: „Die Sonne gab ein Zeichen, dergleichen man noch nie gesehen oder vernommen hatte. Die Sonne verfinsterte sich und die Dunkelheit währte achtzehn Monate. Jeden Tag schien sie ungefähr vier Stunden lang und selbst dieses Licht war nur ein schwacher Schimmer. Alle behaupteten, die Sonne würde ihre volle Strahlkraft niemals wieder erlangen. Die Früchte reiften nicht und der Wein schmeckte nach sauren Trauben.“ Manche vermuten, dass es sich dabei um Auswirkungen eines großen Ausbruchs entlang des Äquators bzw. südlich von China (laut zeitgenössischen Quellen wurde dort ein lauter Knall gehört) handelte. Mögliche Vulkane umfassen den Ilopango in El Salvador, den Rabaul in Neubritannien und den Krakatau in Indonesien. Vulkanologen sind sich daher nicht einig, ob der Krakatau um 416, um 535 oder vielleicht auch später tatsächlich ausgebrochen ist.

In 1680 gibt es einige Augenzeugenberichte von Seeleute die von einem Ausbruch am Krakatau sprechen. Seltsamerweise gibt es aber keine offiziellen Berichte. Eine Radierung aus dem achtzehnten Jahrhundert des holländischen Kartografen Jan van Schley zeigt einen Vulkan, der aber nur als “Die brennende Insel” betitel wird. Die Abbildung könnte den Krakatau, sogar den Ausbruch von 1680, darstellen, wobei eine genaue Bestimmung wegen der phantasievollen Darstellung unmöglich ist.

Van Schley: “Het Brandende Eiland.”

Erst der Ausbruch im 19. Jahrhundert ist gut dokumentiert. Am 20. Mai 1883 beobachtete der Marinepfarrer Heims von Bord der Korvette „Elisabeth“, die 30 Kilometer nördlich am Krakatau vorbeidampfte, „eine enorme glänzend weiße Dampfsäule mit reißender Schnelligkeit [], in kurzer Frist die kolossale Höhe nicht unter 11000 Meter erreichend und in fast schneeiger Helle von dem klaren blauen Himmel sich abhebend. Allmählich mischten sich dunklere Farben in die weißschimmernde Helle der Wasserdämpfe, bis nach und nach eine breite blaugraue Wand, gleich einer mächtigen, finsteren, fächerförmigen Gewitterwolke alles überdeckte. … [Das Schiff] dick und lückenlos mit dem graulichen haftenden Staub belegt. … Über all diesen Aschenregendesaster wölbte sich der Himmel wie eine große Glocke aus recht mattem Milchglas, in der die Sonne wie eine hellblaue Kugellampe hing.“ Der Krakatau war wieder erwacht.

Die letzte Karte, die je von Krakatau gezeichnet wurde. Hauptmann H.J.G.Ferzenaar skizzierte sie sechzehn Tage vor dem Kataklysmus, bei dem alles bis auf einen Teil des südlichsten Gipfels Rakata verschwand. Der westliche Teil der Insel konnte wegen den dichten Aschewolken, die über den Vulkanschloten lagen, nicht aufgezeichnet werden.

Veröffentlicht von

David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

1 Kommentar

  1. Die große Völkerwanderung der Germanen wurde ja auch durch eine Klimaverschlechterung in Mitterleuropa im Zeitraum um das Jahr 400 ausgelöst.Da dieser Ausbruch des Krakatau zeitlich nicht konkret eingegrenzt werden kann,könnte dieser auch Grund für diese Völkerwanderung gewesen sein.Hundertausende Menschen zogen damals in Richtung Südeuropa und brachten das Römische Reich damit indirekt zu Fall.Der Krakatau könnte also durch das Verursachen von Migrationsströmen zum Untergang einer hochentwickelten Zivilisation beigetragen haben. Ähnliches vermutet man ja auch mit dem Untergang der Mayas und dem Vulkan Ilopango bzw. durch den Ausbruch des Tambora ausgelösten “Jahr ohne Sommer(1816)” und den Hungersnöten in Europa mit der nachfolgenden Auswanderungswelle nach Amerika.Vulkane haben also wesentlich die Geschichte der Menschheit mitbestimmt…

Schreibe einen Kommentar


E-Mail-Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren.
-- Auch möglich: Abo ohne Kommentar. +