Amasia – Der zukünftige Superkontinent am Nordpol

“Die Herren sind wie Kontinentalschollen, sie lassen sich nur durch ungeheure, durch geologische Zeiträume wirkende Kräfte bewegen.”

Der dänische Polarforscher Johan Peter Koch, der Alfred Wegener auf zwei Grönlandexpeditionen begleitete, über die heftige Kritik an Wegeners Kontinentaldrift-Hypothese.
In 50 bis 200 Millionen Jahre werden sich die heutigen Kontinente zu einem Superkontinent vereinigen. Wie genau dieser aussehen wird, bleibt Spekulation.

Im Januar 1912 stellt der Meteorologe Alfred Wegener in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel “Die Heraushebung der Großformen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischer Grundlage,” seine Arbeitshypothese über einen Großkontinent namens Pangäa dar, dessen verdriftete Bruchstücke die modernen Kontinente bilden.
Wegener war nicht der Erste, der die Existenz eines ehemaligen Superkontinents vorschlug. Die passenden Küstenformen von Afrika und Südamerika waren schon kurz nach der Veröffentlichung der ersten geografischen Karten aufgefallen. Wie seine Vorgänger konnte aber auch Wegener nicht erklären, wie Kontinente sich bewegen können, und seine Kontinentaldrift-Hypothese und sein Superkontinent Pangäa wurden für fast 50 Jahre vergessen.

Heutzutage spricht vieles dafür, dass Pangäa nicht der erste derartige Großkontinent war – und auch nicht der letzte sein wird.

Laut moderner Plattentektonik ist die Oberfläche der Erde in sieben größere Platten und ein Dutzend Mikroplatten zerbrochen. Diese bis zu 100 Kilometer mächtigen starren Platten schwimmen auf dem verformbaren Erdmantel. Durch den Erdkern aufgeheizt, kriecht bis zu 1.300 °C heißes Mantelmaterial langsam nach oben, kühlt ab und bildet neue Kruste, wobei die tektonischen Platten auseinander gedrückt werden. Entlang der Subduktionszonen tauchen die abgekühlten Ränder der Platten wieder in den Erdmantel ein und werden aufgeschmolzen. Der Kreislauf kann von vorne beginnen.

Der kanadische Geophysiker John “Jock” Tuzo Wilson erkannte um 1974 als Erster, dass die Bildung und Zerstörung von Superkontinenten zyklisch erfolgen muss. Unter der leichten kontinentalen Kruste steigt Mantelmaterial auf und zerreißt den Superkontinent, basaltische Lava füllt die Lücke aus, ozeanische Kruste und ein Ozeanbecken entsteht und beginnt sich aufzuweiten. Da ozeanische Kruste dichter und schwerer als das darunterliegende Mantelmaterial ist, kann ein Ozeanbecken nicht unendlich groß werden. Die Plattenränder biegen sich früher oder später unter ihrem eigenen Gewicht nach unten und werden subduziert. Das Ozeanbecken schließt sich, die Kontinente nähern sich an und kollidieren schließlich miteinander, um einen neuen Superkontinent zu bilden.

Der älteste Superkontinent, von dem wir wissen, war vermutlich um einiges kleiner als spätere Inkarnationen, weil sich auf der eineinhalb Milliarden Jahre jungen Erde noch nicht viel kontinentale Kruste gebildet hatte. Reste dieses Urkontinents, der manchmal als Ur bezeichnet wird, können heute in Australien, Indien und Madagaskar gefunden werden. In den nächsten 300 Millionen Jahre bildet Vulkanismus zusätzliche Kruste – Kenorland – die mit Ur verschmilzt. Nach weiteren 100 Millionen Jahre wird Ur durch die auseinanderdriftenden Platten zerrissen.

In den nächsten drei Milliarden Jahre bilden sich im Abstand von 200 bis 600 Millionen Jahre drei weitere Großkontinente, nämlich Colombia, Rodinia und schließlich vor ungefähr 335 Millionen Jahre Pangäa, der jüngste Superkontinent.

Nach modernen Schätzungen bleibt der Erde noch genug innere Energie um weitere 2 bis 3 Wilson-Zyklen zu durchlaufen, die einen Superkontinent bilden können. Aus der Lage der modernen Plattenränder und Bewegungsraten der Plattenbewegung haben Geologen versucht, sich zumindest den nächsten Superkontinent, der sich in den nächsten 50 bis 200 Millionen Jahre bilden wird, vorzustellen.

Im Jahre 1982 schlug der amerikanische Geologe Christopher Scotese den Namen “Pangea Proxima” für seine Rekonstruktion vor. Aufgrund der Verteilung heutige Subduktionszonen und Bewegung der Kontinente, rekonstruiert Scotese einen ringförmigen Superkontinent, bei dem sich die heutigen Kontinente um die Reste des nun fast vollständig subduzierten Atlantiks sammeln. Laut dem britischen Geophysiker Roy Livermore, der seine Rekonstruktion in den späten 1990-er Jahren veröffentlicht, wird der Atlantik dagegen völlig verschluckt, wobei sich “Aurica” bildet, ein Großkontinent der sich durchgehend vom Nordpol bis zum Südpol erstreckt.

Neueste Modelle von 2012 und 2021, die berücksichtigen was wir heute über Mantelkonvektion wissen, kommen dagegen zu etwas anderen Zukunftsszenarien. Hier bleibt der Atlantik nicht nur offen, er weitet sich aufgrund einiger ortsfeste Zonen mit aufsteigendem Mantelmaterial in seiner Mitte sogar aus, wobei Nord- und Südamerika nach Westen hin gedrückt werden. Die Subduktionszone, an der die Pazifische Platte unter die beiden amerikanischen Platten abtaucht, wirkt allerdings wie eine unüberwindbare Grenze, an der entlang Nord- und Südamerika nach Norden hin abgelenkt werden. Zeitgleich wandern auch Afrika, Asien und Australien nach Norden, da sich der Indische Ozean aufweitet. Afrika verschmilzt mit Europa und Asien zu einem kleineren “Megakontinent.” Rund um den Nordpol kollidieren schließlich die beiden amerikanischen Kontinente mit diesen Megakontinent und Australien, es bildet sich der Superkontinent “Amasia” der fast das gesamte Festland umfasst. Nur die Antarktis, von Spreizungszonen umgeben, bleibt noch weitere hundert Millionen Jahre lang am Südpol isoliert.

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David Bressan ist freiberuflicher Geologe hauptsächlich in oder, wenn wieder mal ein Tunnel gegraben wird unter den Alpen unterwegs. Während des Studiums der Erdwissenschaften in Innsbruck, bei dem es auch um Gletscherschwankungen in den vergangen Jahrhunderten ging, kam das Interesse für Geschichte dazu. Hobbymäßig begann er daher über die Geschichte der Geologie zu bloggen.

3 Kommentare

  1. Unsere Nachkommen werden in einer Amasia-Welt leben. Mit einem völlig anderen, viel eintönigeren, im Durchschnitt kälteren und im Innern des Kontinents wasserärmeren Klima. Oder wie man im verlinkten Artikel What will the climate be like when Earth’s next supercontinent forms? liest:

    Im Amasia-Szenario, bei dem das Land um beide Pole herum angehäuft ist, unterbricht das fehlende Land dazwischen das ozeanische Förderband, das derzeit Wärme vom Äquator zu den Polen transportiert. Die Folge wäre, dass die Pole kälter und das ganze Jahr über mit Eis bedeckt wären. Und all dieses Eis würde die Wärme in den Weltraum reflektieren.

    Mit Amasia “bekommt man viel mehr Schneefall”, erklärt Way. “Man bekommt Eisschichten, und man bekommt diese sehr effektive Eis-Albedo-Rückkopplung, die dazu neigt, die Temperatur des Planeten zu senken.”

    Zusätzlich zu den kühleren Temperaturen vermutet Way, dass der Meeresspiegel im Amasia-Szenario wahrscheinlich niedriger wäre, da mehr Wasser in den Eiskappen gebunden wäre, und dass die schneebedeckten Bedingungen bedeuten könnten, dass nicht viel Land für den Ackerbau zur Verfügung stünde.

    Aurica hingegen wäre wahrscheinlich etwas strandiger, sagte er. Das Land, das sich näher am Äquator befindet, würde das stärkere Sonnenlicht absorbieren, und es gäbe keine polaren Eiskappen, die die Wärme aus der Erdatmosphäre reflektieren – daher die höhere globale Temperatur.

    Die Simulationen zeigten, dass die Temperaturen für die Existenz von flüssigem Wasser auf etwa 60 % von Amasias Land richtig waren, im Gegensatz zu 99,8 % von Auricas

    Fazit: Das Klima im zukünftigen Superkontinent Amasia dürfte sogar schlimmer sein, als das vom Menschen geschaffene in einer zukünftigen Heisszeit. Nur Landfläche gäbe es insgesamt wohl sogar mehr als heute, denn der Meeresspiegel läge tiefer, wären doch riesige Wassermassen in den Polen als gewaltige Eisschilde gespeichert.

    Und das alles bereits in 50 bis 200 Millionen Jahren. Allerdings: in 200 Millionen Jahren scheint die Sonne bereits deutlich stärker als heute und ein stärker vereister Nordpol könnte das gerade ausgleichen. Nach heutigem Wissen wird es wegen der alternden, grösser werdenden Sonne schon in 500 Millionen Jahren zu heiss werden auf der Erde.

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