Urbane Entwicklung am Beispiel Ahmedabad (Indien)

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AhmedabadIn Entwicklungs- und Schwellenländern nehmen Urbanisierungprozesse in der Stadtplanung eine große Bedeutung ein. Der Grund hierfür liegt in der weit verbreiteten ländlichen Armut, hohem Bevölkerungswachstum und der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Stadt, das vielerorts verbreitet ist. Die Zunahme der Bevölkerung stellt die ohnehin überforderten Stadtverwaltungen vor schier unlösbaren Aufgaben. Anhand der westindischen Metropole Ahmedabad lässt sich die diese Problematik beispielhaft aufzeigen.

Wachstum und Transformation Ahmedabads

Ahmedabad, Hauptstadt der indischen Provinz Gujarat, ist ein typischer Vertreter eines boomenden regionalen Zentrums, dessen Bevölkerung schneller wächst als es der Stadtverwaltung lieb ist. Beherbergte die Stadt 2001 noch 3,76 Millionen Einwohner, wird die Bevölkerung in den Stadtgrenzen bis 2025 auf mehr als zehn Millionen anwachsen. Diese Hyperurbanisierung transformiert das Erscheinungsbild der Stadt in den nächsten Jahren nachhaltig. Die Stadtverwaltung steht vor gewaltigen Aufgaben. Wichtige Projekte sind aktuell die Schaffung von ausreichendem Wohnraum, der Umgestaltung der Industriestruktur und die Vorsorge vor naturräumlichen Gefahren. Trotz vieler Baustellen hat sich die Stadtverwaltung auf die Fahne geschrieben, dass die Entwicklung Ahmedabads nachhaltig gestaltet werden soll. Keine leichte Aufgabe für eine Stadt, in der große Slumgebiete existieren, die kontinuierlich anwachsen und häufig kein bzw. wenig Zugang zu Versorgungsinfrastukturen wie der Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen bieten.

Zusätzlich befindet sich Ahmedabad in einer Region, die häufig Naturgefahren ausgesetzt ist. Während der Sommermonate herrschen regelmäßig Dürren; in der Monsumzeit entstehen järliche Überschwemmungen. Wäre diese Situation nicht schon schlimm genug, befindet sich die Stadt auch in einer Region, in der es regelmäßig zu Erdbeben kommt. In den vergangenen Jahren gab es zwar nur geringfügige Beben, eine große Erschütterung ist jedoch nicht ausgeschlossen. Diese geographische Lage führt zu unkalkulierbaren Risiken für die Bewohner der Stadt.

Zu den Naturgefahren gesellen sich noch Risiken, die vom Menschen verursacht werden. Luft-, Wasserverschmutzung,  Korruption, städtische Armut und religiöse Spannungen zwischen Hindus, Jainisten und Moslems üben einen permanenten Druck auf das Leben in der Stadt aus. Diese Risiken werden in der Literatur als „slow motion urban desaster“ bezeichnet. Durch planerische Konzepte müssen diese Probleme behoben werden, vor allem da sich diese im Falle von Naturkatastrophen potenzieren können.

Schwierigkeiten der Stadtplanung

Aufgrund einer starken Prägung der Textilindustrie, wurde Ahmedabad lange Zeit als „Manchester Indiens“ bezeichnet. Eine Transformation der Wirtschaftsstruktur setzte in den vergangenen Jahren ein, da Ahmedabad von der wirtschaftlichen Entwicklung Indiens profitierte. War die Textilindustrie bis weit in die 1990er prägend für die Stadt, kam es in den letzten Jahren zu einem starken Wachstum von Unternehmen aus der Pharmazie und der Kommunikationsindustrie. Die Stadtverwaltung fördert diesen Strukturwandel massiv, da diese Industrien viele Vorteile für die Stadt schaffen; besonders im Bereich der Steuereinnahmen und der Herausbildung einer wohlhabenden Mittelschicht.
Die Reduzierung der Textil- und Schwerindustrie in der Stadt führt auch dazu, dass sich sowohl die Luft- als auch die Wasserqualität verbessert. Besonders der Fluss Sabarmati, der durch die Stadt fließt profitiert von dieser Entwicklung, dessen Wasserqualität sich in den vergangenen Jahren stetig verbesserte. Es ist zwar immer noch eine stinkende Kloake, wie ich im Frühling 2007 beobachten konnte, aber zur Situation zuvor, in der sämtlichen Abwässer ungeklärt in den Fluss eingeleitet wurden, eine geringe Verbesserung.

Die Ahmedabad Municipal Corporation (AMC) forciert die Politik einer nachhaltigen, ökonomischen Entwicklung weiter. Besonders die Versorgung der Slumgebiete mit Elektrizität, Wasser- und Abwassersystemen steht im Vordergrund. Dennoch organisierte sich in den vergangenen Jahren massiver Widerstand gegen die Pläne der Stadt, da noch ungelöste soziale und religiöse Spannungen bestehen. Die dringlichsten Probleme liegen in den religiösen Konflikten zwischen Hindus, Moslems und Jainisten. Zuletzt kam es im Jahr 2002 zu massiven Ausschreitungen zwischen den unterschiedlichen Religionsgruppen, in deren Folge mehr als 300 Menschen den Tod fanden.
Die Stadtverwaltung reagierte zwar mit einer strikten Trennung der unterschiedlichen Gruppen, in deren Folge es auch zu Zwangsumsiedelungen kam, konnte die Spannungen aber nie ganz schlichten.
Es wird sich zeigen, ob die Stadtverwaltung das Wachstum der Stadt in geordnete Bahnen manövrieren kann, damit auch neue Migranten eine Zukunft in der Stadt haben, die aktuell noch für viele von ihnen eine Illusion bleiben wird, da hauptsächlich Landbewohner aus Gujarat in die Stadt ziehen. Ein Aufstieg in die Mittelschicht wird nur den wenigsten von ihnen gelingen, da viele nur über eine sehr geringe Schulbildung verfügen, die allerdings notwendig ist, um in den neuen Industrien einen gut bezahlten Arbeitsplatz zu erhalten.

Quellen

BAAS, C.; TERMINE, P.; POZANY, P.; DIONNE, G. 2005: Organization of the Poor: Conditions for success. Conference Paper: Membership-Based Organizations of the Poor: Theory, Experience, and Policy. Ahmedabad Januar 2005.

DAS, AK.; TAKAHASI, LM. 2009: Evolving Institutional Arrangements, Scaling Up, and Sustainability Emerging Issues in Participatory Slum Upgrading in Ahmedabad, India. In: JOURNAL OF PLANNING EDUCATION AND RESEARCH, 29(2), S. 213-232.

SWAMINANTHAN, R. 2008: Gujara, perspectives of the future. Academic Foundation: New Delhi.

 

 

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

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