Heilpflanzen gegen Armut

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altDer Berliner Verein Sarsarale engagiert sich bereits seit vielen Jahren im Süden des Senegals, um mit unkonventionellen Maßnahmen die dortige Spirale aus Krankheit und Armut zu durchbrechen. Mit dem Anbau von traditionellen Heilpflanzen sollen Krankheitsraten in der Region gesenkt und den Menschen gleichzeitig Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden. Ein blutiger Unabhängigkeitskonflikt hat zur Folge, dass Investitionen im Gesundheitssystem ausbleiben und die Casamance ihrem Entwicklungspotential hinterherläuft.

 
Konfliktregion und Gesundheitssituation in den Casamance

Seit mehr als 30 Jahren herrscht in den Casamance, dem südlichen Teil des Senegals zwischen Gambia und Guinea-Bissau, ein blutiger Konflikt, der bereits viele tausend Opfer und zahlreiche Verletzte forderte. Nach Schätzungen der UN vertrieben die Kampfhandlungen bisher weit mehr als 100.000 Menschen aus ihrer Heimat.
Worum geht es in diesem Konflikt eigentlich genau? Die Rebellen der Unabhängigkeitsbewegung Movement des Forces Démocratiques de la Casamance (MFDC) fordern vorrangig die Unabhängigkeit der Region Casamance vom Senegal. Im Kern spielen aber auch unterschiedlich gelagerte Interessen an Bodenschätzen, Ressourcen oder Landnutzungsrechten eine gewichtige Rolle.

Die Wurzeln des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit des Senegals zurück, in der die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien willkürlich Grenzen zwischen unterschiedlichen Volksgruppen zogen. Die Entstehung des Staates Gambia ist ein Paradebeispiel für diese Absurdität. Die Grenzen Gambias wurden durch die Entfernung von Kanonenschüssen auf dem schiffbaren Bereich des Flusses Gambia bestimmt. 

Erste militärische Auseinandersetzungen in den Casamance flammten daher bereits zum Ende der französischen Kolonialzeit in den 1950ern und 1960ern auf. Eine konsistente Bewegung bildeten die Rebellen um die MFDC aber nicht, vielmehr ist diese eine vielgliedrige, oft in sich gespaltene Bewegung aus einem zivilen und militärischen Flügel, der aus Nord- und Südfront besteht. Die eigentliche militärische Bewegung etablierte sich nach der brutalen Niederschlagung von friedlichen Schülerdemonstrationen in Ziguinchor, der Hauptstadt der Casamance, am 18. Dezember 1983. Dieses Ereignis trägt seitdem den Namen „roter Sonntag“, da mehrere hundert Menschen starben. Gewaltsame Übergriffe sowohl durch staatliche Militärs als auch durch Rebellen verschärften sich seitdem und fanden einen blutigen Höhepunkt während der Amtszeit Abdou Dioufs (1980–1999) in den 90er Jahren.
Die Ziele der MFDC entfernten sich immer mehr vom Willen der lokalen Bevölkerung, die sich in weiten Teilen dem Senegal zugehörig fühlen und die den Rebellen nur einen geringen Rückhalt bieten. Die geringe Unterstützung schwindet zudem immer mehr, da die MDFC häufig Gehorsam mittels Gewalt einfordert.

Seit den senegalesischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr dieses Jahres begann wieder eine neue Runde der Friedensverhandlungen. Erste Gespräche zwischen senegalesischer Regierung und MFDC wurden am 13./14. Oktober in Rom geführt. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob damit der Konflikt befriedet werden kann. Denn immerhin ist der Konflikt einer der größten Entwicklungshemmnisse für die gesamte Region. 

Der langanhaltende Waffengang führte dazu, dass das Gesundheitssystem in den Casamance sehr fragil und unterfinanziert ist. Doch nicht nur im Gesundheitssystem bleibt die Region hinter ihren Möglichkeiten; der einst umsatzstarke Tourismus ist fast zum Erliegen gekommen. Wirtschaftliche Einbußen in der Landwirtschaft sind seit Jahren zu beklagen. Auch die Bereich Erziehung, Justiz und Infrastruktur liegen weit hinter anderen Regionen im Senegal zurück.
Der Mantel des Konfliktes verhinderte daher sämtliche positiven Entwicklungen der letzten Jahre. Dieser Effekt ist insbesondere bei der Malaria zu beobachten, da sich nur wenige Ärzte oder Gesundheitsorganisationen zwischen die Fronten begeben wollen.

Malariainfektionen und Behandlungsmöglichkeiten

Die WHO registrierte 2010 weltweit 216 Mio. Malariainfektionen, die in 655.000 Fällen tödlich endeten. Die meisten Todesfälle sind Kindern unter fünf Jahren. Am höchsten sind die Infektionsraten in Afrika südlich der Sahara. Die meisten Todesfälle ereignen sich in den afrikanischen Tropen, wobei jeder fünfte Kindstod auf Malaria zurückzuführen ist. Die Mortalität betreffenden Zahlen schwanken allerdings sehr stark, da die statistische Erfassung dieser Fälle in vielen betroffenen Staaten mangelhaft ist.
In den Casamance sind die Infektions- und Sterberaten, laut WHO, seit Jahren unverändert hoch. Die finanziellen Mittel zur Eindämmung der Malaria in dieser Region sind seit Jahren sehr gering. Einzig 2009 egagierte sich die WHO mit einem Millionenschweren Gesundheitsprogramm. Hintergrund dieses Engagements waren stark ansteigende Infektionsraten in 2008. Diese internationalen Hilfen wurden seitdem aber wieder zurückgefahren. Signifikant Veränderungen bei den Krankheitsfällen wurden jedoch nicht herbeigeführt. (siehe link)

Da Problem sind Verfügbarkeit und Kosten der Medikamente. Die medikamentöse Malariabehandlung für eine Kind kosten zwischen US$ 10 und 15. Bei durchschnittlich drei jährlichen Infektionen stoßen viele Familien, insbesondere kinderreiche, häufig an finanziellen Grenzen. 
Die Hoffnungen der WHO liegen seit einigen Jahren auf einer traditionellen Heilpflanze, die derzeit das potenteste kurative Malariamittel ist und den Wirkstoff Artemisinin enthält. Die günstigste Herstellungsmethode von Artemisinin ist die Extraktion aus den oberirdischen Pflanzenteilen der Artemisia annua. Der kommerzielle Anbau der Pflanze hat sich in Asien und Afrika als Einkommensquelle für lokale Bevölkerungsgruppen etabliert. Zahlreiche Forschungseinrichtungen, darunter auch die Bill und Melinda Gates Stiftung forschen daran, den Wirkstoffgehalt in den Pflanzen zu erhöhen. Trotz großer Erfolge ist das Angebot des Wirkstoffes in den Ländern des Südens aber geringer als die Nachfrage.
Der chinesische Beifuß (A. annua) wird als Tee seit 340 v. Chr. in der chinesischen Medizin als Therapeutikum gegen Malaria angewendet. Wildpflanzen weisen allerdings entweder einen niedrigen Artemisiningehalt auf oder lassen sich in den Tropen nicht kommerziell anbauen. Durch Hybridzüchtungen ist es allerdings gelungen hohe Konzentrationen von Artemisinin als auch Eigenschaften die den Anbau in den Tropen ermöglichen zu vereinen.

Lange galt das Wissen über die Wirksamkeit dieser Pflanze als verschollen. Erst 1968 wurde diese wiederentdeckt, als die chinesische Regierung eine systematische Suche nach Heilpflanzen aus der Traditionell Chinesischen Medizin vornahm. Denn während des Vietnamkrieges erbat die vietnamesische Regierung Hilfe bei einem Heilmittel gegen Malaria, da mehr nordvietnamesische Soldaten an Malaria verstarben als an kriegerischen Auseinandersetzungen. 1972 konnte Artesiminin zum ersten Mal isoliert und identifiziert werden. Erste klinische Tests folgten 1979.
Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde Artemisinin offiziell von der WHO als Mittel gegen Malaria zugelassen. Der Wirkstoff wurde daraufhin von der Pharmaindustrie patentiert und der kommerzielle Anbau ausgeweitet.
Die Wildformen der A. annua sind nicht an die Umweltbedingungen in den Tropen angepasst und haben einen geringen Anteil an Artemisinin. Die NGO Anamed (Aktion natürlicher Medizin in den Tropen) gelang es 1996 einen Hybriden mit hohem Artemisingehalt und Eignung für den Anbau in den Tropen für den Vertrieb bereitzustellen.

Mit Heilpflanzen helfen

Seit einigen Jahren versucht Sarsarale mit Hilfe von freiwilligen Studenten aus dem Forschungsinstitut DITSL in Witzenhausen die Pflanze an die Umweltbedingungen im Senegal anzupassen. In den vergangenen Jahren gab es in diesem Feld große Fortschritte. Gemeinsam mit lokalen Gesundheitseinrichtungen und Ärzten werden Wirkstoffe aus der Pflanze extrahiert. Dadurch werden einerseits Krankheitsfälle gesenkt und andererseits eine Einkommensmöglichkeit für die lokale Bevölkerung geschaffen.
Aber die Vereinsarbeit konzentriert sich nicht nur auf den Anbau von Malariamitteln. Im Heilpflanzengarten in Kafountine werden zahlreiche unterschiedliche Pflanzen angebaut, die auf unterschiedliche Weise Krankheiten und Beschwerden lindern können. Solange die lokale Bevölkerung keinen Zugriff auf wirksame Medikamente hat, sind diese Heilpflanzen der einzige Weg, um die hohen Krankheitsraten in der Region zu senken und den Menschen vor Ort ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Weiterführende Literatur

Clark, Kim Mahling 2011: Ripe or Rotting: Civil Society in the Casamance Conflict. In: African Conflict & Peacebuilding Review, Volume 1, Number 2, pp. 153-172.

 

Foto: pixelio.de

 

 

 

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

1 Kommentar

  1. Das war ein umfangreicher Artikel. Wie so oft ziehen die kriegerischen Konflikte das Elend nach sich. Geldspenden von uns reichen Länder helfen da auch nicht großartig weiter. Sehr bemerkenswert

    Einzig 2009 egagierte sich die WHO mit einem Millionenschweren Gesundheitsprogramm. Hintergrund dieses Engagements waren stark ansteigende Infektionsraten in 2008. Diese internationalen Hilfen wurden seitdem aber wieder zurückgefahren. Signifikant Veränderungen bei den Krankheitsfällen wurden jedoch nicht herbeigeführt.

    Da ist die Hilfe mit den gezüchteten Heilpflanzen doch wesentlich erfolgsversprechender. Eine gute Nachricht, daß auch mal was klappt.

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