Bangalore: von einfachen Software-Dienstleistungen zu Forschung und Entwicklung

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Die Entwicklung des suedindischen Software-Clusters in Bangalore, wie im vergangenden Artikel beschrieben, war lange Zeit durch arbeitsintensive Software-Dienstleistungen gepraegt. Erst in juengeren Jahren wuchs der Anteil von forschungs- und entwicklungsintensiven Produkten, die in der Region Bangalore hergestellt wurden; von geringen 1,9% aller Exporte im Jahr 1994/95 auf ca. 18% im Jahr 2002/03. Trotz dieses starken Wachstums, ist der FuE-Sektor in Bangalore noch immer sehr schwach ausgepraegt und stellt somit ein Entwicklungshemmnis fuer die Region dar.

Von Outsourcing zu Forschung und Entwicklung

Forschungs- und entwicklungsintensive Produkte haben sich in Bangalore erst in den vergangenen zehn Jahren herausgebildet. Noch im Jahr 2000 wurde Bangalore nicht als High-Tech Region anerkannt, da (1) technologische Grundlagen fuer Eigenentwicklungen fehlten und (2) keine technologische und organisatorische Zusammenarbeit entlang von Wertschoepfungsketten bestand. Dieses ist jedoch im Begriff, sich grundlegend zu aendern. Den entscheidenden Beitrag hierzu leisteten die, im vorigen Artikel erwaehnten, Rueckkehrer, die infolge der Krise der IT-Industrie im Jahr 2000 zurueck nach Indien kamen.
Die Ursachen fuer geringe FuE-Aktivitaeten indischer Softwareunternehmen liegen darin begruendet, dass die einheimische Nachfrage nach Software-Produkten noch immer sehr gering ist. Es darf nicht vergessen werden, dass in weiten Teilen Indiens hohe Armutsraten bestehen und die Schauplaetze des wirtschaftlichen Booms hauptsaechlich die Metropolen Delhi, Bombay und Bangalore waren. Grosse Teile der Landbevoelkerung verharren weiterhin in Armut. Selbst mittelgrosse Staedte wie Jodphur (800.000 Einwohner), Bikaner (550.000 Einwohner) und Vororte von Delhi verfuegen immer noch nicht ueber eine ausreichende Stromversorgungen.
Weitere Ursachen fuer geringe FuE Aktivitaeten der Unternehmen in Bangalore sind grosse finanzielle Risiken, die in einem Land ohne ausreichende Sicherheitsnetze, sehr schwer wiegen sowie geringe Kooperationen von Privatwirtschaft und oeffentlichen Forschungseinrichtungen und Universitaeten. Gerade indische Wissenschaftler profitierten in der Vergangenheit nur gering bzw. gar nicht von Wissenstransfer oder Kooperationen mit  privaten Unternehmen. Um finanzielle Anreize zu schaffen, hat die indische Regierung neue Gesetze erlassen, die den Wissentransfer aus den Universitaeten beschleunigen soll. Fuer eine erste Evaluation dieses Gesetzes ist es jedoch noch zu frueh.

Forschung und Entwicklung in Bangalore

Den groessten Anteil am FuE-intensiven Produkten in Bangalore haben sog. „eingebundene Systeme“. Diese bilden die Schnittstelle zwischen Hard- und Software und finden haeufige Anwendung in Mobiltelefonen, Autos und Flugzeugen. Viele indische Unternehmen konnten in diesem Segment starke Marktpositionen erlangen. Bangalore insgesamt ist in diesem wachsenden Segment einer der globalen Marktfuehrer mit mitlerweile mehr als 100 Unternehmen in der Region. Auch grosse multinationale Unternehmen wie Intel und IBM verlagern ihre Forschungsabteilungen in disem Bereich nach Bangalore, um am regionalen Wissen zu partizipieren. Dieses ist ein gutes Zeichen fuer den Standort Bangalore, da die Bereiche Forschung und Entwicklung von multinationalen Unternehmen traditionell erst sehr spaet oder gar nicht ausgelagert werden.

Der Literatur ist noch keine eindeutige Aussage zu entnehmen, ob sich Bangalore von einem Anbieter einfacher Outsourcing-Dienstleistungen zu einem Anbieter von FuE intensiven Produkten entwickeln kann. Juengste Erfolgsgeschichten, wie durch InfoSys, Wipro und TATA Systems belegen aber, dass sich durchaus indische Unternehmen in der Region entwickeln koennen, die eine globale Marktfuehrerschaft in einem entsprechenden forschungsintensiven Segment einnehmen koennen.
Der Hauptteil der Wertschoepfung findet in Bangalore aber nach wie vor im Bereich der arbeitsintensiven Software-Dienstleistungen statt.

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Meine Name ist Stefan Ohm und ich bin Geograph. Vor meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Fachinformatiker absolviert und danach bei Electronic Data Systems (EDS) als Lotus Notes Entwickler gearbeitet. Während meines Studiums in Hannover führte mich mein Weg zur Texas State University in San Marcos (USA) sowie zur University of Bristol (UK). Darüber hinaus absolvierte ich zwei Praktika bei NGO’s in Neu Delhi (Indien), mit dem Ziel Entwicklungsprozesse vor Ort genauer zu betrachten und damit ein besseres Verständnis über diese zu erhalten. Promoviert habe ich über den Strukturwandel im Perlflussdelta und Hongkong (China) an der Justus Liebig Universität in Gießen.

1 Kommentar

  1. Ich finde diesen Text sehr anspruchvoll. Man erfährt hier wirklich viel über diese Metropole. Vielen Damk für Ihren Einsatz.
    LG Berbel

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