Seltsame Verschwörungstheorien in den USA

BLOG: Gedankenwerkstatt

die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt

Die Regierung der Vereinigten Staaten ist stets ein erstrangiges Ziel von Verschwörungstheorien. George Bush soll beispielsweise angeblich die Anschläge auf das World Trade Center selbst in Auftrag gegeben oder wenigsten geduldet haben. Das behaupten zumindest eine Reihe von Buchautoren und eine unübersehbare Zahl von Websitebetreibern.

Bill Clinton hatte mit einem Sonderermittler zu kämpfen, der die absurdesten Beschuldigungen aufnahm, an die Presse weitergab und erst nach jahrelangen sinnlosen Ermittlungen wieder fallen ließ.

Verschwörungstheorien brauchen keinen Anker in der Wirklichkeit, sie beruhen lediglich auf Misstrauen (eine genauere Erläuterung finden Sie hier, eine ganz ausführliche Erklärung in meinem Buch) . Jede Aktion des vermeintlichen Gegners wird als Ausdruck seiner abgrundtiefen Bosheit betrachtet und als Versuch, heimlich seine verwerflichen Ziele voranzubringen. Die Rollen sind dabei klar verteilt:

Die amerikanische Linke den unterstellt den konservativen Präsidenten regelmäßig eine ungesunde Nähe zur Industrie. Sie seien, so heißt es, nur die Marionetten von „Big Business“ und wollten den Konzernen die internationale Vorherrschaft sichern. Dafür opferten sie ohne Skrupel jeglichen Umweltschutz und das Leben von amerikanischen Soldaten, die weltweit nicht etwa für die Sicherheit Amerikas, sondern für die Profite der Konzerne kämpften.

Die konservative Rechte wirft den liberalen Präsidenten vor, mit Hilfe von internationalen Organisationen amerikanische Interessen an das Ausland zu verkaufen. Amerikanische Bürger sollen ihrer Rechte beraubt werden (besonders des Rechts, Waffen zu tragen), die freie Gesellschaft soll durch immer neue Regelungen geknebelt werden, die Steuern sollen erhöht werden. Obskure Bürgerrechtsorganisationen mit Billigung oder gar im Auftrag des Präsidenten sollen aufrechte Bürger ausspionieren und Unmoral verbreiten.

Soweit die gegenseitigen Vorwürfe, die seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit schöner Regelmäßigkeit wieder auftauchen. Seit Präsident Obamas Amtsantritt sind nun eine ganze Reihe von neuen, durchaus originellen Verschwörungstheorien aufgetaucht. Nicht dass die Alten verschwunden wären, nein, die Neuen werden einfach oben aufgesattelt.

Präsident Obama sei heimlich ein Moslem, so heißt es. Da passte es gut, dass die Bürgerrechtsorganisation CAIR (Council on American-Islamic Relations) beschuldigt wird, mit radikalen Moslems oder Moslemorganisationen in Verbindung zu stehen. Ferner soll sie versucht haben, Spione im Parlament zu installieren. Eine Verbindung zwischen Präsident Obama und CAIR besteht allerdings nicht, die Versuche sie konstruieren (z.B. von Daniel Pipes) wirken eher bemüht als überzeugend.

Weiter wird behauptet, Präsident Obama sie nicht in den USA geboren und erfülle damit nicht die Voraussetzungen, in den USA Präsident zu werden. In einigen Blogs gingen Mutmaßungen um, seine Geburtsurkunde solle insgeheim und nachträglich gefälscht werden.

Auch die turnusmäßig am 1.4.2010 anstehende Volkszählung ist Gegenstand zahlreicher Verschwörungstheorien. Laut der amerikanischen Verfassung werden die Bürger der USA alle zehn Jahre gezählt. Weil es keine Meldepflicht gibt, ist die genaue Einwohnerzahl der Städte und Landkreise in den USA nur schwer zu ermitteln. Die Volkszählung ist deshalb die einzige Grundlage für die Bemessung von Bundesmitteln und den Zuschnitt der Wahlbezirke.

Noch auf Beschluss der Regierung Bush sind die Helfer mit GPS-Geräten ausgerüstet worden, um die Koordinaten der Häuser aufzunehmen. Daran knüpfen sich jetzt wilde Gerüchte. Nach einem will Präsident Obama die Häuser seiner Gegner markieren, damit er sie von UN-Truppen inhaftieren lassen kann. UN-Truppen sind nach Ansicht der Verschwörungstheoretiker zu blöd, um amerikanische Straßenschilder zu lesen, deshalb brauchen sie GPS-Koordinaten.

Der haltlose Verdacht, die Obama-Regierung plane die Einrichtung von Sondergefängnissen oder Lagern für politische Gegner, war bereits vorher aufgekommen und von konservativen Medien wie dem Fernsehsender Fox News verbreitet worden.

Ob der Mord an einem freiwilligen Helfer der Volkszählung ein Auswuchs des extremen Misstrauens gegen die Obama-Regierung war, ist nach wie vor unklar. In jedem Fall wurde der Mann in einer finsteren ländlichen Gegend von Kentucky tot aufgefunden – mit einem Strick um den Hals an einem Baum aufgehängt. Auf seine Brust waren mit rotem Filzstift die Buchstaben FED gekritzelt. Das steht für Federal Agent – Bundesagent. Der Mordfall ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Feldarbeit für die Vorbereitung der Volkszählung wurde in diesem Distrikt vorsichtshalber eingestellt.

Die Debatte und die gegenseitigen Beschuldigungen lassen auf einen tiefen und lange bestehenden Graben in der amerikanischen Gesellschaft schließen. Ferner zeigen sie auf ein tiefes Misstrauen gegen jede Art von zentraler Macht. Die US-Hauptstadt Washington ist fraglos ein Sumpf, in dem Lobbyisten und Interessenverbände bunte Blüten treiben. Alle diese Gruppen wollen die Entscheidungen der Regierung und des Parlaments offen oder heimlich in ihrem Sinne beeinflussen. Das ist von allen Seiten anerkannt. Es stimmt aber doch nachdenklich, wie einseitig die Kontrahenten die jeweilige Gegenseite der Verschwörung und des Amtsmissbrauchs beschuldigen – und wie viele Menschen ihnen offenbar glauben.

Wer die gehässig geführten Kontroversen im Original nachlesen möchte, kann die zum Beispiel Webseiten von Fox News (Motto: Fair & Balanced), von WorldNetDaily (Motto: A Free Press For A Free People) auf Seiten der Konservativen besuchen und die Huffington Post oder den Website Media Matters for America für die links-liberale Seite anklicken.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

20 Kommentare

  1. Verschwörung oder Realität?

    Man könnte es beispielsweise auch für eine Verschwörung halten, dass ein großer britischer Ölkonzern für saftige Profite Umwelt- und Gesundheitsschäden in Afrika in kauf nimmt und die Presse, die darüber berichten will, per (übrigens geheimem) Gerichtsbeschluss mundtot macht und auf das Parlament, das sich der Sache annehmen will, einwirkt. Oder man könnte sagen, nein, sowas passiert wirklich.

    Das grundlegende Problem ist doch, dass wir, den mächtigen Geheimdiensten, Lobby- und Interessengruppen sei dank, oft nicht die Wahrheit erfahren. Unsere Bundesregierungen sind doch auch in PR und Desinformation geübt (und haben Lobbys am Draht, die ihnen in Krisenzeiten die passenden Antworten liefern). Natürlich kann und soll man die Plausibilität der Theorien kritisch prüfen aber ich hoffe, Sie vertreten nicht den Standpunkt, eine Verschwörungstheorie müsse per se falsch sein.

    Denn es wäre doch historisch naiv, davon auszugehen, dass es keine Verschwörungen gibt, dass also nicht manche Verschwörungstheorie zutrifft und daher der “Vorwurf”, etwas bloß als Verschwörungstheorie zu diffamieren, nicht aufgeht.

  2. @all: wilde Germanen

    “Denn es wäre doch historisch naiv, davon auszugehen, dass es keine Verschwörungen gibt, dass also nicht manche Verschwörungstheorie zutrifft und daher der ‘Vorwurf’, etwas bloß als Verschwörungstheorie zu diffamieren, nicht aufgeht.”

    Obwohl ich sonst mit Stephan selten einer Meinung bin, hat er nach meiner Ansicht hier definitiv recht: Als Caesar Geld für seine Feldzüge im damaligen Gallien bewilligt haben wollte, erfand die Sage von den bösen Barbaren im Norden, vor denen Rom sich schützen müsse.

    Und unser Wissen über die Wikinger wird heute noch dominiert von Berichten, die damals diejenigen Mönche verfassten, deren Klöster von den Wikingern gelegentlich geplündert wurden. Daß diese nicht sehr objektiv berichteten, kann man sich leicht vorstellen.

    Daher fängt alles damit an, Lüge und Wahrheit auseinander zu halten – sei es nun in Bezug auf den Golf von Tonkin, die Baby’s die 1991 angeblich in kuwaitischen Krankenhäusern von irakischen Soldaten aus den Brutkästen gerissen wurden oder die Atomwaffen im Irak – bevor es Sinn macht, über die psychologischen Profile der Kontrahenten zu spekulieren.

  3. @ Stefan Schleim

    Verschwörungen und Intrigen gibt es immer und überall, sie gehören zur persönlichen Erfahrung aller Menschen. Nur deshalb können Verschwörungstheorien so viele Anhänger gewinnen. Eine ausführlichere Stellungnahme zu dem Thema finden Sie in meinem Artikel für Spiegel Online.

    Eine Verschwörungstheorie ist sogar dann glaubwürdig, wenn sie komplett erfunden ist. Sie muss nur dem Stereotyp einer als gegnerisch oder feindlich empfundenen Gruppe genau genug entsprechen.

    Sie schreiben: “Man könnte es beispielsweise auch für eine Verschwörung halten, dass ein großer britischer Ölkonzern für saftige Profite Umwelt- und Gesundheitsschäden in Afrika in kauf nimmt und die Presse, die darüber berichten will, per (übrigens geheimem) Gerichtsbeschluss mundtot macht und auf das Parlament, das sich der Sache annehmen will, einwirkt.”

    Hier handelt es sich eher um eine Auswirkung des berüchtigten englischen “Libel Law”. Es bietet natürlichen und juristischen Personen einen sehr weitgehenden Schutz gegen Beleidigungen, wird aber häufig missbraucht, um geschäftsschädigende Behauptungen zu unterbinden, ganz gleich ob sie wahr sind oder nicht. Ein weiteres Beispiel dafür finden Sie hier.

    Simon Singh war wegen einer Passage in seinem Buch “Trick or Treatment? Alternative Medicine on Trial” von der British Chiropractic Association verklagt worden. Wohlgemerkt: die Vereinigung machte sich nicht die Mühe, ihre umstrittenen Behandlungsmethoden zu verteidigen, sondern griff lediglich eine Formulierung in dem Buch an. Das Verfahren läuft noch. Sollte die Vereinigung Erfolg haben, könnte sie Schadenersatz für Geschäftsschädigung geltend machen. Die dabei in England verhängten Strafen sind oft genug so hoch, dass sie auch wohlhabende Menschen ruinieren können.

  4. @ Elmar Diederichs

    Wie gesagt: Verschwörungen und Intrigen gibt es überall. Man sollte sich aber doch hüten, jede einseitige Darstellung gleich als Verschwörung zu bezeichnen. Eine Verschwörung beinhaltet eine heimliche Verabredung zu entweder moralisch verwerflichen oder verbrecherischen Zwecken.

    Zwei kleine Korrekturen am Rande:

    Caesars Truppen in Gallien wurden nicht vom Senat bezahlt. Als Statthalter musste er für die Truppen selbst aufkommen. Er hatte sich vor der Übernahme der Statthalterschaft in Gallia Cisalpina mit dem Senat dermaßen überworfen, dass er nicht mal einen Hosenknopf bewilligt bekommen hätte.

    Unser Wissen über die Wikinger stammt keineswegs vorwiegend von Mönchen, sondern hauptsächlich von umfangreichen archäologischen Ausgrabungen. Die Raubzüge der Wikinger richteten sich auch nicht vorwiegend gegen Klöster, sondern genauso gut gegen größere Städte (Paris, Köln, etc.).

    Kriegspropaganda ist übrigens so alt wie die Menschheit. Schriftliche Zeugnisse über sehr einseitige Darstellungen finden sich bereits in jahrtausendealten Keilschrift- und Hieroglypheninschriften. Als Verschwörungstheorien würde ich sie nur dann bezeichnen, wenn sie eine heimliche Bedrohung behaupten.

  5. @ Grüter: Carthago delenda est

    Kriegspropaganda […]. Als Verschwörungstheorien würde ich sie nur dann bezeichnen, wenn sie eine heimliche Bedrohung behaupten.

    War dann die Zerstörung Karthagos das Ergebnis einer Verschwörungstheorie? Und wie ist das mit den Massenvernichtungswaffen und dem zweiten Irakkrieg?

    Ist es nicht eine altbewährte Strategie, einen Krieg mit dem Argument zu rechtfertigen, wenn wir jetzt nicht zuschlagen, wird der Gegner bald so stark sein und uns vernichten. Ich würde mich nicht wundern, wenn diese Figur in der Argumentationstheorie sogar einen eigenen Namen hätte.

    Jetzt sprechen wir aber über Geschichte. Ich wollte mit meinem Beitrag nur eine Antwort auf die Frage provozieren, ob Sie jede Verschwörungstheorie per se für falsch halten. Die Antwort habe ich ja nun bekommen.

    Bei meiner eigenen Arbeit, in der es am Rand manchmal um die Praktiken in der Pharma-Industrie geht, habe ich selbst auch schön den Vorwurf bekommen, einer Verschwörungstheorie anzuhängen. Damit sollte mein Standpunkt unterminiert werden. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass schon aus logischen Gründen, so lange es Verschwörungen gibt, auch manche Verschwörungstheorien wahr sein können.

  6. @Grüter: thx

    Dann scheine ich ja nicht auf dem neusten Stand zu sein.

    Danke für den Hinweis. 🙂

  7. @ Stephan Schleim, Karthago und Irak

    War dann die Zerstörung Karthagos das Ergebnis einer Verschwörungstheorie? Und wie ist das mit den Massenvernichtungswaffen und dem zweiten Irakkrieg?

    Die Zerstörung Karthagos im dritten punischen Krieg war nicht die Folge einer Verschwörungstheorie. Die Römer nutzten zwar einen Vorwand für den Krieg, aber sie unterstellten keine Verschwörung. Catos (angeblich) ständig wiederholter Satz “ceterum censeo Cartaginem esse delendam” hat zwar sicherlich die Kriegsbereitschaft gefördert, war aber wohl nicht entscheidend.

    Der zweite Irakkrieg beruhte sicherlich auf einer Fehleinschätzung der amerikanischen Regierung. Wie Richard A. Clarke, der ehemalige Sicherheitsberater der US-Regierung, schrieb, war die Bush-Regierung überzeugt, dass Saddam Hussein gemeinsam mit Osama Bin Laden die Terror-Anschläge gegen US-Einrichtungen zu verantworten hatte, obwohl die CIA keinerlei Beweise dafür beibringen konnte. Eine große Rolle spielte dabei die Verschwörungstheorie von Laura Mylroie, die sie in ihrem Buch “Study of Revenge: Saddam Hussein’s Unfinished War Against America” ausgebreitet hatte. Die dort vorgetragenen Thesen bezeichnet Clarke als “vollkommen unwahr”. Er muss es wissen, denn er war, wie gesagt, zu dieser Zeit Sicherheitsberater der US-Regierung mit Zugang zu allen Geheimdienstberichten.

    Das nur als Antwort auf Ihre Fragen (die, wie ich annehme, nicht rein rhetorischer Art waren).

  8. Was ist realität?

    Wenn man war von falsch zu unterscheiden versucht, sollte man erst klären, ob und wodurch diese frage entschieden werden kann. Unentscheidbare sätze sollten als solche benannt werden.
    Dann folgen überlegungen zur beweislast: in der regel werden für den Fehler-erster-Art höhere hürden aufgestellt. Ehr akzeptiere ich also, eine wahre vermutung fälschlich für unwahr zu halten, als die gefahr einzugehen, eine falsche aussage fälschlich für wahr zu halten. Im rechtwesen entspricht dies der gründsätzlichen unschulds­vermutung.
    Dann sollte man vorher vereinbaren: Wann werde ich die these für widerlegt akzeptieren.
    schliesslich sollten alles; beweise genauso wie gegen-beweise, unvoreingenommen und gleichwertig gesammelt werden. Wenn man merkt, dass man zu einer richtung neigt, sollte man eine dritte partei zum suchen von gegenbeweisen ermuntern.
    Dann sind überlegungen zur würde zu machen: wer wird durch eine behauptung verletzt, was ist gut für uns menschen, die natur und was nicht.
    Eine verschwörungstheorie haben in der regel ein beweisbarkeitsproblem. Häufig folgen wir nur lieb gewonnenen feindbildern. Oft hilft es oft schon mal eine gegenthese zur eigenen lieblingsthese auszuprobieren.

  9. Was ist die Realität?

    Was ist die Realität?

    In der rein hypothetischen Realität ist nur entscheidend, was diese Realität für mich bewirkt.

    Selbstverständlich ist es freundlich und günstig, wenn man den anderen Wesen ebenfalls helfen will, denen so etwas ähnliches ebenfalls passiert ist.

    Diese Auslegung des “sogenannten Guten” versuche ich nun einmal zu realisieren.

    Für Kritiker:

    Ja, da gibt es noch einige unlogische Komponenten, aber das kriegen wir schon hin.

  10. @ Grüter: Nochmal Krieg

    Meines Wissens war der Vorwand für die Kriege und die letztliche Auslöschung Karthagos doch die Furcht vor der Seeflotte; und wenn ich mich nicht irre, wurde die Zerstörung letztlich damit begründet, wenn man jetzt nicht zuschlage, werde der Feind bald so stark werden, dass man ihn nicht mehr besiegen könne und dann umgekehrt einen selbst angreifen. Da es für eine derartige Aufrüstung auf Seiten der Karthager aber meines Wissens keine Hinweise gab, hat man die Flotte unter falschem Vorwand losgeschickt — das meinte ich mit der Verschwörung, eine Verschwörung gegen die Karthager zur Ausdehnung der römischen Macht im Mittelmeer.

    …und wenn es vor dem zweiten Irakkrieg keine Hinweise auf Massenvernichtungswaffen im Irak gab, man der Öffentlichkeit gegenbar aber die Notwendigkeit des Kriegs unter Berufung auf eben solche (Fantasie-) Hinweise erklärt hat (hat das nicht damals sogar noch Tony Blair gedeckt?), hat man auch hier unter einem falschen Vorwand angegriffen. Würden Sie widersprechen, dies als Verschwörung gegen Saddam Hussein zu bezeichnen?

  11. @Irakkrieg

    Eine Alternative zur Verschwörungstheorie schlägt Gunnar Heinsohn vor: Die US-Regierung hatte die geheimdienstlichen Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag der Taliban nicht ernstgenommen und dadurch die Attentate vom 11.9. nicht verhindert. Diesen Fehler wollte sie nicht wiederholen, als geheimdienstliche Hinweise eingingen, daß Sadam Husseins Behauptungen, er verfüge über Massenvernichtungswaffen, zutreffend sein könnten, und intervenierte unverzüglich militärisch. Ich kann mich bisher zwischen beiden Hypothesen nicht entscheiden.

    Übrigens fand ich Pinkers Bemerkung sehr erhellend, daß Verschwörungstheorien die Macht der Verschwörer überschätzen. Dummerweise sind sie, wie Stephan Schleim bemerkt hat, dennoch manchmal richtig.

  12. @ Stephan Schleim

    Zum dritten punischen Krieg: Für Ihre These der Verschwörung habe ich keine Belege finden können. Cato hatte wohl in einer scharfen Rede vor dem Wiederaufstieg Karthagos gewarnt, aber zunächst (drei Jahre lang) kein offenes Ohr beim Senat gefunden. Der Vorwand für den Krieg war der (von Rom behauptete) Bruch des Friedensvertrages von 201 v. Chr, nicht etwa ein Wiederaufbau der karthagischen Kriegsflotte.

    Über die tatsächlichen Motive streiten sich die Gelehrten, wie üblich wird es wohl ein ganzes Bündel gewesen sein, je nach Interessenlage der einzelnen Parteien.

    Zum Thema Saddam Hussein: Im täglichen Leben der Menschen gibt es ständig Intrigen und Verschwörungen. Auch in der internationalen Politik spielen sie eine bedeutende Rolle. Vor der Besetzung des Irak suchte die amerikanische Regierung krampfhaft nach akzeptablen Begründungen für die Intervention und nahm auch offensichtlich gefälschte Dokumente dafür zu Hilfe. Das kann man als Verschwörung ansehen. Aber wie gesagt: Verschwörungen sind in der internationalen Politik absolut alltäglich.

  13. @ Grüter: alltägliche Verschwörung

    Verschwörungen sind in der internationalen Politik absolut alltäglich.

    Gut — das impliziert meines Erachtens, dass Verschwörungstheorien ebenso “absolut alltäglich” sind.

    Vielleicht widersprechen wir uns da auch gar nicht?

  14. Im Dschungel

    Meiner Meinung nach funktionieren Verschwörungstheorien wie “Leitplanken”, wie Begrenzungen der Pfade durch den Dschungel. Rechts und links des Pfades ist es unheimlich, schaurige Geräusche, Schatten, Bewegungen. Dort ist die Heimat der Verschwörungstheorien. So geht man immer weiter auf dem Pfad, gedanklich zwar auf Abwegen, aber letztendlich dann doch am Ziel: im Irakkrieg. Beispielsweise. Einige bleiben unterwegs im Dschungel hängen.

    Es ist die hohe Kunst der Manipulation großer Gruppen 🙂

  15. Was ist das tema?

    Es geht doch nicht darum, ob es verschwörungen gibt! Das ist doch klar, dass verschwörungen existieren.
    Für mich haben verschwörungstheorien jedoch in der regel ein beweisbarkeitsproblem. Man kann zu allem alle möglichen plausiblen theorien entwerfen, die, obwohl sie vieleicht falsch sind nicht wiederlegt werden können. Deshalb ist so wichtig sich darüber gedanken zu machen, wodurch eine these, wenn sie falsch ist, wiederlegt werden kann.
    In der wissenschaft wird sich deshalb dazu entschieden eine these beiseite zu legen, wenn sie aus strukturellen gründen nicht wiederlegbar ist, auch wenn sie vielleicht richtig ist.

    Es gibt daneben aber auch ethische probleme menschen möglicherweise falsches zu unterstellen.

  16. @ Stephan Schleim

    Sowohl Verschwörungen als auch Verschwörungstheorien sind alltäglich. Da sind wir in der Tat nicht weit auseinander. Meine These dazu ist allerdings nicht ganz alltäglich: Verschwörungstheorien sind ausschließlich ein Ausfluss des Misstrauens gegen andere Gruppen. Sie können zwar (zufällig) wahr sein, aber für ihre Glaubwürdigkeit ist das absolut gleichgültig. Ein aktuelles Beispiel ist die Debatte um das angebliche Wundermittel “Regividerm”. Die Fernsehsendung beruht auf dem weit verbreiteten Verschwörungsglauben, dass Pharmafirmen erstens stets multinationale Giganten und zweitens ein verschworener Insiderverein sind. Daraus strickte der Autor der Fernsehsendung die Verschwörungstheorie, dass Regividerm seit Jahren aus dem Markt herausgehalten werde, obwohl (nein, gerade weil) es eine einfache und preiswerte Heilung für alle möglichen Hautkrankheiten verspreche. Diese Darstellung ist doch etwas naiv und inzwischen weitgehend dekonstruiert. Eine ausführliche Darstellung kann man zum Beispiel auf Esowatch
    finden.

  17. @ Jan

    Viele Verschwörungstheorien haben nicht nur ein Beweisbarkeitsproblem, sondern sie schotten sich gegen externe Argumente aktiv ab. So liest man in den entsprechenden Büchern, dass wichtige Beweise von Insidern stammen, die man nicht nennen will, um sie nicht zu gefährden. Dokumente sind angeblich verschwunden, nachdem man sie eingesehen hat oder Gesprächspartner haben zwar die Theorie bestätigt aber sagen plötzlich das Gegenteil, usw. Jeder, der mit entschlossenen Anhängern von Verschwörungstheorien diskutiert hat, kennt diese Art der Argumentation. Jeder Gegenbeweis wird als gefälscht abgetan, mangelnde positive Beweise auf die Vernichtung aller Spuren durch die übermächtigen Verschwörer erklärt. Wer ein unterhaltsames und nachdenkliches Buch über die Psyche von Verschwörungstheoretikern lesen möchte, sollte sich vielleicht das Buch “Radikal: Abenteuer mit Extremisten” von Jon Ronson ansehen. Es lohnt sich.

  18. @Thomas Grüter

    Da gebe ich Ihnen recht. Die aktive abschottung ist aber nicht nur ein ergebnis der verliebtheit in die eigene argumentation, ihrer befangenheit.
    Xenophobie wird in vielen fällen eine rolle spielen.

    Mich interessiert aber auch wie ich mich davor schützen kann selber in diese falle zu tappen.
    Ein weg wäre der perspektivwechsel: Wie würde ich argumentieren und fühlen, wenn ich auf der “anderen” seite stünde.
    Ein anderer weg wäre die rein formale betrachtung über die struktur der argumentation: wodurch könnte ein beweis oder eine widerlegung gelingen.
    Ich möchte ihnen nicht wiedersprechen: Die angst vor dem “anderen” ist eine sehr starke quelle, für desinformation und hass.

  19. Ötzi, Nebra-Scheibe

    Als damals der ´Ötzi´ am Similaun-Gletscher gefunden wurde, gab es kurz darauf einige Bücher – die sich gut verkauften – in denen er als Fälschung ´entlarvt´ wurde.
    Ähnliches gab es bei der Nebra-Scheibe. Auch diese wurde bald ´detailliert´ als Fälschung beschrieben.

    In beiden Fällen hatten diese Leute – welche Ötzi/Nebra-Scheibe als Fälschung beschrieben – diese Objekte nicht einmal persönlich untersucht; d.h. Ferndiagnose.

    Und das ist ein wesentlicher Grund für Verschwörungstheorien: Von den wirklichen Ötzi-/Nebra-Forschern verlangte man detaillierte Nachweise – von den Anderen übernahm man ungeprüft(!!!) Behauptungen aus Ferndiagnosen.

  20. Verschwörungen und Intrigen gibt es überall. Man sollte sich aber doch hüten, jede einseitige Darstellung gleich als Verschwörung zu bezeichnen. Eine Verschwörung beinhaltet eine heimliche Verabredung zu entweder moralisch verwerflichen oder verbrecherischen Zwecken.