Lassen sich die Ergebnisse von IQ-Tests sinnvoll vergleichen?

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die Psychologie irrationalen Denkens
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Auslese 2011Bei vielen persönlichen Gesprächen und nicht zuletzt anhand der vielen Kommentare zu meinem Artikel in Telepolis habe festgestellt, dass immer noch viele falsche Ideen zum Intelligenzquotienten existieren. Selbst einige gestandene Fachleute haben offenbar seltsame Vorstellungen über die tatsächliche Aussagekraft des IQ. So befand der pensionierte britische Psychologe und IT-Forscher Richard Lynn 2006, dass die Deutschen in Europa am intelligentesten seien, ablesbar an ihrem IQ von 107, während die Engländer nur auf 100 kämen. Dieser Vergleich ist jedoch irreführend und unsinnig, wie wir gleich sehen werden.

 

Was misst der IQ?

Die Gelehrten haben bisher nicht einigen können, was man unter Intelligenz versteht, oder ob es sich überhaupt um eine einheitliche Fähigkeit handelt. Während immerhin die meisten Forscher davon ausgehen, dass es einen allgemeinen Intelligenzfaktor (meist als g bezeichnet) gibt, propagiert der Harvard-Professor Howard Gardner die Ansicht, dass im Gehirn viele Intelligenzen wohnen, die sich gegenseitig nur wenig beeinflussen. Wenn er recht hat, hat es keinen Sinn, Intelligenz mit einer einzigen, dimensionslosen Zahl anzugeben.

Die Lebenserfahrung zeigt allerdings, dass isolierte Begabungen eher selten sind. Intelligenz scheint also durchaus ein allgemeines Phänomen der Gehirnfunktion zu sein. Das derzeit verbreitetste Modell (nach den Psychologen Raymond Cattell, John Horn und John Carroll auch CHC-Modell genannt) sieht deshalb eine dreistufige Kombination aus allgemeinen Fähigkeiten und Spezialbegabungen vor. Ganz oben findet sich ein Generalfaktor, darunter zehn Sekundärfaktoren und auf der untersten Ebene tummeln sind 70-80 Einzelfaktoren. Das Modell beruht auf mehreren großen Meta-Analysen und wurde 1997 zuerst von dem amerikanischen Psychologen Kevin McGrew vorgeschlagen. Über die relative Bedeutung der einzelnen Ebenen sind sich die Forscher nicht einig.

Intelligenztests sollen also dieses komplexe System zu einer einzelnen Zahl (den IQ) verdichten – ein ambitioniertes Unternehmen.

Der Urgroßvater der heutigen Intelligenztests stammt von dem französischen Psychologen Alfred Binet. Er sollte vor gut hundert Jahren für die französische Regierung ein Verfahren entwickeln, mit dem sich herausfinden ließ, ob Kinder für den normalen Schulunterricht geeignet waren oder ob sie besondere Förderung brauchten. Er entwickelte aus dem Alltag der Kinder heraus diverse Aufgaben, mit denen er das Intelligenzalter der Kinder bestimmte. Wer also die Tests für sein Alter schaffte, lag im normalen Durchschnitt. Wer daran scheiterte, hatte ein geringes Intelligenzalter, und wer sogar solche Aufgaben löste, die für ältere Kinder gedacht waren, war offenbar seinem Alter voraus.

Der deutsche Psychologe William Stern verfeinerte die Methode, indem er das Intelligenzalter durch das Lebensalter teilte. Dabei kam eine wenig anschauliche Bruchzahl heraus, und so multiplizierte er sie mit Hundert und erhielt den Intelligenzquotienten. Das funktionierte nur für Kinder und Jugendliche, denn ab dem vierzehnten bis achtzehnten Lebensjahr verändern sich die geistigen Leistungen nur noch wenig. Eine Division durch das Lebensalter würde also fälschlich einen immer geringeren IQ ergeben. Die weitere Geschichte der Intelligenzmessung hat Stephen J. Gould in seinem Buch „Der falsch vermessene Mensch“ ganz hervorragend beschrieben. Deshalb möchte ich jetzt darauf verzichten und in die Gegenwart springen.

Die heutigen Intelligenztests wie der Wechsler Test für Erwachsene und der Stanford-Binet-Test sind so geeicht, dass sie einen Mittelwert von 100 und eine Standardabweichung von 15 haben. Dabei entspricht die Verteilung der Werte in der Bevölkerung ungefähr einer Normalverteilung. Die Werte geben aber keine absoluten Leistungen wider, sondern stellen lediglich eine Rangfolge auf. Weil die Tests für jedes Land und für jede Sprache neu kalibriert werden, sind die Tests international nur sehr begrenzt vergleichbar. Auch besagt die Normalverteilung im Test nicht etwa, dass die Ausprägung geistiger Fähigkeiten normalverteilt ist. Zumindest zum Teil kann diese Verteilung auch ein Artefakt der Test- und Bewertungsmethode sein. Ein Beispiel: Nehmen wir an, wir stellen einen Test zusammen, der 100 Fragen enthält, die mit Ja oder Nein (Richtig oder Falsch, Eins oder Null) beantwortete werden müssen. Diesen Test legen wir 1000 Personen vor, die garantiert keine einzige Antwort wissen, sondern raten müssen. Dann bekommen wir ein Ergebnis, bei dem im Durchschnitt 50 Fragen richtig beantwortet sind. Die Verteilung der Anzahl von richtigen Antworten entspricht annähernd einer Normalverteilung. Obwohl also niemand auch nur eine einzige Frage beantworten konnte, entsteht eine normalverteilte Kurve von richtigen Antworten.

Während statistikerfahrene Leser jetzt die Achseln zucken, sollten sich alle anderen darüber klar werden, dass die Normalverteilung des IQ nur eine sehr begrenzte Aussage über die wirkliche Verteilung von geistigen Fähigkeiten erlaubt.

Vor einiger Zeit habe ich einem Artikel für eine wissenschaftliche Zeitschrift darauf hingewiesen, dass Menschen versuchen, Defizite bei bestimmten geistigen Leistungen auszugleichen, indem sie andere Module mit heranziehen. Dadurch entsteht ein sehr individuelles Leistungsmuster, das mit einer einzigen Zahl kaum sinnvoll zu erfassen ist. Deshalb betonen diejenigen Forscher, die den IQ als echtes Maß der kognitiven Leistung ansehen, die starke Stellung des oben erwähnten Generalfaktors.

 

Ist der IQ ein konstantes Persönlichkeitsmerkmal?

Der IQ ist auch kein unveränderliches Merkmal, wie etwa die Schuhgröße. Das gilt sowohl für einzelne Menschen als auch für größere Kollektive. Zwischen den vierziger und den neunziger Jahren ließ sich beispielsweise in allen Industriestaaten ein deutlicher Anstieg des IQ feststellen. Der Anstieg betrug zwischen 5 und 25 Punkten, also ungefähr eine Standardabweichung. In Deutschland beläuft sich der Anstieg auf ca. 20 Punkte zwischen 1954 und 1981.

Das fiel zuerst dem amerikanischen Politikwissenschaftler James Flynn auf, weshalb das Phänomen als Flynn-Effekt bekannt ist. Die gängigen Intelligenztests sind deshalb mehrfach neu justiert worden. Die amerikanische Ausgabe des Wechsler-Intelligenz-Tests erschien beispielsweise 1955, 1981, 1997, 2008 in überarbeiteten und neu justierten Versionen. Wenn es also beispielsweise heißt, der durchschnittliche IQ der Deutschen betrage 107, dann heißt das nicht etwa, dass Deutsche intelligenter sind als Briten, wenn deren IQ nur 100 beträgt. Es bedeutet zunächst einmal, dass der gemessene Wert seit der letzten Justierung angestiegen ist. Ein echter Vergleich ist schon wegen der schnellen Veränderung der Durchschnittswerte nicht möglich. Wie schon erwähnt, sind auch die Tests nicht gleich. Nun gibt es aber einen internationalen Vergleich, der einem Intelligenztest sehr nahe kommt. Er stellt allerdings keine unveränderlichen Intelligenzunterschieden zwischen Völkern und Nationen fest, sondern beurteilt die Qualität des Schulunterrichts: der PISA-Test

 

Ist der PISA-Test ein internationaler Intelligenzvergleich

Der deutsche Psychologe und Bildungsforscher Heiner Rindermann postulierte in einem Artikel für die Psychologische Rundschau im Jahre 2006, dass die Ergebnisse der PISA-Tests weitgehend mit Intelligenztests übereinstimmen2. Was heißt das? Einfach ausgedrückt: Die Rangfolge der Probanden im PISA-Test wurde in einem gängigen Intelligenztest etwa genauso ausfallen.

Die Schulleistungen, so schreibt Rindermann, seien wie der IQ wesentlich vom Generalfaktor der Intelligenz abhängig. Außerdem sei Intelligenz plastisch, also nicht von Geburt an festgelegt, sondern veränderlich.

Interessanterweise betrachten eigentlich alle Wissenschaftler und Politiker den PISA-Test keineswegs als Vergleich der Intelligenz von Schulkindern in verschiedenen Ländern, sondern als Ansporn zur Verbesserung des Schulsystems. Wenn also der PISA-Test tatsächlich in etwa einem Intelligenztest entspricht, wäre die Erhebung einer „nationalen“ Intelligenz ziemlich unsinnig, weil sie im wesentlichen die Qualität des Schulsystems widerspiegelt.

Der Artikel von Rindermann zeigt auch noch etwas anderes: die Uneinigkeit der Experten. Es gibt mehrere Lager und auch innerhalb der Lager wiederum Differenzen. So schrieben vier deutsche Intelligenzforscher eine Erwiderung auf die Arbeit von Rindermann. Sie sahen keineswegs den Generalfaktor der Intelligenz als entscheidend für das Abschneiden im PISA-Test an. „Internationale Schulleistungsstudien erfassen die Resultate kumulativer Wissenserwerbsprozesse, die durch außerschulische Faktoren, insbesondere schlussfolgerndes Denken moderiert werden“, schrieben sie3.

 

Fazit

IQ-Werte lassen sich kaum sinnvoll vergleichen. Weil sie jeweils auf eine bestimmte Grundgesamtheit zu einer bestimmten Zeit geeicht sind, bieten die Werte nur einen Vergleich mit dieser Grundgesamtheit. Es ist aber nicht klar, was der IQ eigentlich misst. Der aktuelle deutsche Wechslertest beruht beispielsweise auf einem anderen Paradigma als der amerikanische. So ist also die Aussage, der IQ-Test der Westdeutschen habe bei der Wiedervereinigung bei 95, derjenige der DDR-Bürger bei 102 gelegen4, unsinnig und irreführend.

Der anfangs erwähnte Intelligenzforscher Richard Lynn begnügte sich übrigens nicht mit dem ohnehin schon unsinnigen Vergleich der Intelligenz zwischen Deutschen und Engländern, sondern setzte dem Ganzen noch ein pseudowissenschaftliches Glanzlicht auf. Die Londoner Times zitiert ihn wie folgt: „Er beschrieb es als bislang übersehenes Gesetz der Geschichte, dass ‚die Seite mit dem höheren IQ normalerweise gewinnt, wenn sie nicht zahlenmäßig stark unterlegen ist wie die Deutschen nach 1942′.“5

 

[1] Thomas Grüter, Claus C. Carbon. (2010) Escaping attention. Some cognitive disorders can be overlooked. Science 328(5977), 435-436.

[2] Heiner Rindermann. (2006) Was messen internationale Schulleistungsstudien? Schulleistungen, Schülerfähigkeiten, kognitive Fähigkeiten, Wissen oder allgemeine Intelligenz? Psychologische Rundschau 57 (2), 69–86

[3] Jürgen Baumert, Martin Brunner, Oliver Lüdtke, Ulrich Trautwein. (2007) Was messen internationale Schulleistungsstudien? – Resultate kumulativer Wissenserwerbsprozesse. Eine Antwort auf Heiner Rindermann. Psychologische Rundschau 58 (2), 118–145

[4] Thilo Sarrazin. 2010 Deutschland schafft sich ab. DVA München, S. 375

[5] Helen Nugent. (2006) Germans are the brainiest (but at least we’re smarter than the French). The Times 27. März. (Online nur für Abonnenten)

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Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

15 Kommentare

  1. “Die Gelehrten haben bisher nicht einigen können, was man unter Intelligenz versteht, oder ob es sich überhaupt um eine einheitliche Fähigkeit handelt.”

    Immerhin 52 Intelligenzforscher in den USA sind sich einig:

    “Intelligence is a very general mental capability that, among other things, involves the ability to reason, plan, solve problems, think abstractly, comprehend complex ideas,learn quickly and learn from experience. It is not merely book learning, a narrow academicskill, or test-taking smarts. Rather,it reflects a broader and deeper capability for comprehending our surroundings -“catching on,” “ making sense” of things, or “figuring out” what to do.
    This statement outlines conclusions regarded as mainstream among researchers on intelligence, in particular, on the nature, origins, and practical consequences of individual and group differences in intelligence. Its aim is to promote more reasoned discussionof the vexing phenomenon that the research has revealed in recent decades. The following conclusions are fully described in the major textbooks, professional journals andencyclopedias in intelligence.
    2. Intelligence, so defined, can be measured, and intelligence tests measure it well. They are among the most accurate (in technical terms, reliable and valid) of all psychological tests and assessments. They do not measure creativity, character, personality, or other important differences among individuals, nor are they intended to.
    3. While there are different types of intelligence tests, they all measure the same intelligence.”

    http://www.udel.edu/educ/gottfredson/reprints/1997mainstream.pdf

    Ähnlich auch Frank Rost in Deutschland:

    “Ein Intelligenztest misst die Fähigkeit, neue Problemstellungen effektiv und schnell zu lösen.”

    http://www.focus.de/wissen/wissenschaft/mensch/tid-18185/modernes-leben-die-unterschiede-werden-groesser_aid_496001.html

  2. @ Jürgen Bolt

    Zu der ersten Ihnen zitierten Stellungnahme: Es stammt von Linda Gottfredson, und sollte nicht so sehr die Definition der Intelligenz vereinbaren, sondern das umstrittene Buch “The Bell Curve” von Richard Herrnstein und Charles Murray unterstützen. Der Titel “Mainstream Science on Intelligence” ist mehr Anspruch als Wirklichkeit. Die Stellungnahme geriet dann ebenfalls in die erhitzte Debatte und ist deshalb keineswegs als ein Konsenspapier anzusehen.

    Die Definition von Detlev Rost ist sicherlich nicht ganz falsch, lässt aber außer acht, dass ein Intelligenztest natürlich auch auf einer Grundidee über Gehirnfunktionen beruht und deshalb bestimmte Gehirnfunktionen und bestimmte Lösungswege stärker wertet als andere.

  3. Intelligenz != intellektueller Erfolg

    Mit den Begriffen IQ-Quotient, PISA, Volksintelligenz (?) bewegt man sich sicher in einem Umfeld, wo klare Abgrenzungen fehlen. Ein wichtiger Grund für die Unschärfe in der Definition und Abgrenzung dieser Begriffe ist sicher, dass die Funktionsweise des Gehirns selbst noch sehr unklar ist und die Bewertung seiner Leistungen ebenfalls in der Luft schwebt.
    Deshalb liegt es nahe, Begriffe wie Intelligenzquotient oder PISA-Test anhand dessen zu beurteilen, was damit beabsichtigt wurde. Der PISA-Test will offensichtlich Schulleistungen vergleichbar machen und geht von der impliziten Annhame aus, dass das Resultat des Tests vor allem etwas über die Qualität des Schulunterrichts und des gesamten Bildungsgangs aussagt. Der Intelligenzquotient dageben will gerade die intellektuelle Leistungsfähigkeit möglichst unabhängig von der Bildung oder sozialen Schicht des Probanden bestimmen. Wie weit diese Absichten erreicht werden ist eine andere Frage.

    Ein Vergleich der “Intelligenz” verschiedener Völker will oft den Erfolg eines Volkes (der Deutschen oder Engländer) im gegenseitigen Konkurrenzkampf mit intellektuellen Unterschieden begründen. Es scheint mir nicht abgwegig, die aussenpolitisch und wirtschaftlich unterschiedlichen “Leistungen” beispielsweise Deutschlands oder Spaniens nicht nur in historisch zufälligen Konstellationen zu suchen sondern auch den psychologischen, intellektuellen Bereich zu berücksichtigen. Hier sehe ich selber aber den entscheidenden Faktor eher darin, wie ein Land die Fähigkeiten seiner Bevölkerung bündelt und nach aussen zum Tragen bringt.

    Es gibt also sicher Abgrenzungsprobleme. Trotzdem scheint der Intelligenzquotient etwas über eine Person unabhängig von ihrer Bildung oder ihrem sozialen Status auszusagen. Vor allem wenn der Intelligenquotient sehr weit vom Durchschnitt entfernt ist. Inzwischen gibt es ja auch Versuche Intelligenztests für Tiere zu entwickeln und damit zu erforschen welche geistigen Konzepte bei verschiedenen Tieren vorhanden sind und damit Tiere in intellektueller Hinsicht auf einer Skala einzuordnen.

  4. Ihre Kritik, daß sich verschieden geeichte Skalen nicht miteinander vergleichen lassen, leuchtet mir unmittelbar ein.

    Was mir aber an der Intelligenztestung imponiert, ist: “they are among the most accurate (in technical terms, reliable and valid) of all psychological tests and assessments.” Ähnlich steht es, wenn ich mich recht erinnere, auch bei Zimbardo. Der IQ korreliere stärker mit dem beruflichen Erfolg als z.B. Schulnoten. So schlecht scheinen mir die Tests nicht zu sein.

    Daß Intelligenz gar nicht einfach zu definieren ist, spricht ja nicht gegen ihre Existenz. Menschen sind ständig damit beschäftigt, andere zu beurteilen, inklusive ihrer Intelligenz. Den Tea Party Vertretern fehlt sie, Einstein hatte sie überreichlich, etc.

    Den Intelligenzquotienten verstehe ich als einen Versuch, diese Alltagspsychologie möglichst objektiv, reliabel und valide zu quantifizieren.

    Daß Gould Intelligenztestung in ‘The mismeasure of man’ in eine Tradition des Rassismus stellte, empfand ich, als ich das Buch las, nicht nur nicht überzeugend sondern unangenehm demagogisch.

  5. @Martin Holzherr

    “Trotzdem scheint der Intelligenzquotient etwas über eine Person unabhängig von ihrer Bildung oder ihrem sozialen Status auszusagen. Vor allem wenn der Intelligenquotient sehr weit vom Durchschnitt entfernt ist.”
    Das ist schon möglich, andererseits: Welche Aussage würde man über eine solche Person treffen, außer, dass sie Aufgaben des Typs, wie der Intelligenztest sie verwendet, besser oder schlechter lösen kann? Alles weitere wäre schwierig.

  6. @ Jürgen Bolt

    “Was mir aber an der Intelligenztestung imponiert, ist: “they are among the most accurate (in technical terms, reliable and valid) of all psychological tests and assessments.” Ähnlich steht es, wenn ich mich recht erinnere, auch bei Zimbardo. Der IQ korreliere stärker mit dem beruflichen Erfolg als z.B. Schulnoten.”
    Angesichts der enormen Drift (Flynn-Effekt) scheint die Aussage über die besondere Genauigkeit der Tests doch etwas optimistisch. Die Korrelation mit dem Berufserfolg gibt Detlev Rost mit etwa 0,5 an. Das ist rein statistisch nicht schlecht, es reicht aber nicht aus, um im Einzelfall eine verlässliche Prognose zu stellen. Man könnte also nicht sagen: Diese Person hat einen hohen IQ, sie wird höchstwahrscheinlich in ihrem Beruf Erfolg haben.
    Dabei ist auch zu beachten, dass Berufserfolg eher noch schlechter zu fassen ist als Intelligenz. Zwei Beispiele: Ist ein Rechtsanwalt schon von Berufs wegen erfolgreicher als ein Dachdecker? Nach wievielen Jahren kann man überhaupt beurteilen, ob jemand in seinem Beruf Erfolg an, und wie misst man das?
    Der Begriff Intelligenz verbindet sich in der alltäglichen Sprache mit bestimmten Eigenschaften. In meinem Buch habe mir den Spaß gemacht, einige Stereotype zu analysieren, die mit dem Begriff “intelligent” in Büchern und Filmen verbunden sind. Dabei zeigt sich sehr wohl, dass im normalen Sprachgebrauch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale als intelligent gelten. Leider hat die Wissenschaft sie bisher nicht zuverlässig fassen können.

  7. @Th. Grüter:”Prognosecharakter” des IQ’s

    Ein hoher IQ spielt beispielsweise bei der Hochbegabtenabklärung eine grosse Rolle. Dort soll er beispielsweise helfen zu entscheiden ob ein schwieriges Kind zugleich auch hochbegabt ist (siehe hier). Wäre die Aussage eines hohen IQ nur gerade, dass die betreffende Person gut ist im Lösen von IQ-Test-Aufgaben, wäre diese Art der Abklärung sinnlos.

    IQ-Tests sind sicher – wie sie schreiben – auf eine bestimmte Populationen geeicht und damit nicht von vornherein über Populationsgrenzen hinweg verwendbar. Aber im Prinzip lassen sich auch Tests designen, die weltweit andwendbar sind.
    Ich sehe das ähnlich wie in anderen Bereichen. Ob ein Physiker gute Arbeit liefert oder nur durchschnittliche liegt nicht daran ob er Spanier oder Deutscher ist oder ob er nur chinesisch spricht. Für andere Disziplinen wie das Tennisspiel ist der kulturelle Hintergrund ohnehin kein Kriterium.

    Ebenso sollte die intellektuelle Leistungsfähigkeit, die der IQ ja messen will, nur wenig von kulturellen Faktoren abhängen.
    Falls real gemessene IQ-Werte aber tatsächlich keinerlei “globale” Bedeutung haben, dann hat die ganze IQ-Testerei nicht das erreicht, was sie eigentlich erreichen wollte.

  8. IQ Nutzwert

    Damit kein Missverständnis entsteht: Ich will hier nicht behaupten, dass die Bestimmung des IQ sinnlos ist. Wenn es um kindliche Hochbegabung geht, kann ein IQ-Test durchaus nützlich sein. Wenn ein Kind sehr gut abschneidet, sollte es in der Schule auch gute Leistungen zeigen. Wenn also eine deutliche Diskrepanz vorliegt, liegt vermutlich ein Problem vor, dem man nachgehen sollte. Die Vergleiche zwischen Staaten, Berufsgruppen oder Generationen sind aber wegen der deutlichen Verschiebungen (siehe Text) und möglicher anderer Einflussgrößen nicht aussagekräftig. Weil solche Zahlen aber immer wieder in der Presse auftauchen (z.B. bei Thilo Sarrazin) sollte man schon wissen, wie wenig damit eigentlich ausgesagt ist.

  9. IQ Nutzwert

    Alles was Sie schreiben ist nachvollziehbar und für mich plausibel.
    Dennoch hatte ich ein zwiespältiges Gefühl nach der Lektüre ihres Beitrags und zuvor des Artikels in Telepolis.
    Zum einen kommt nach meinem Gefühl der Nutzwert etwas zu kurz. Ihr (erst) im Kommentar genanntes Beispiel kenne ich aus der eigenen Familie. Mein Neffe fiel in der Grundschule durch Stören des Unterrichts auf. Er wurde getestet, daraufhin in die nächst höhere Klasse versetzt. Damit war allen geholfen. Jetzt ist er gerade 18 geworden und macht sein Vordiplom in Maschinenbau. Er ist seit Jahren in seinem Rythmus, in dem er weder über noch unterfordert ist.
    Für mindestens so wichtig halte ich den Nutzwert bei der Ermittlung von Defiziten, sofern damit sachgerecht verfahren wird: Hat man Hinweise über spezielle Schwächen, so kann man sehr viel zielgerichteter mit den (eigenen) Schwächen umgehen und so manchem Schüler und Lehrer unnötigen Frust ersparen.
    “Menschen versuchen, Defizite bei bestimmten geistigen Leistungen auszugleichen, indem sie andere Module mit heranziehen”
    Und vielen gelingt dabei auch erstaunliches. Ein sehr wichtiger und ermutigender Punkt in diesem Zusammenhang.
    Zum anderen las ich vor Jahren in einem SPEKTRUM Artikel von der erstaunlichen Korrelation zwischen den (gemessenen) kognitiven Leistungen von Adoptivkindern und ihren leiblichen Eltern.
    Wohingegen es keine nennenswerte Korrelation mit ihren Adoptiveltern ermittelt wurde. Es scheint also durchaus Komponenten dieser ‘gemessenen Fähigkeiten’ zu geben die zumindest vom Erziehungs- und Bildungsumfeld unabhängig sind. Das widerspricht nicht direkt ihren Aussagen, relativiert sie aber ein wenig.
    Ich gehe davon aus, dass Sie solche Studien kennen. Nun frage ich mich, ob diese Studien inzwischen widerlegt sind (ich hatte damals nicht dein Eindruck sie seien unseriös), oder ob Sie diese nicht erwähnen, da Sie befürchten es könnte missverstanden und ideologisch/propagandistisch ausgeschlachtet werden. Falls Letzteres der Fall ist bleibt bei mir ein gewisses Unbehagen.

  10. @RD

    Mein Beitrag sollte aufzeigen, dass IQ-Vergleiche nur sehr begrenzt aussagekräftig sind, nicht etwa, dass eine IQ-Bestimmung grundsätzlich nicht aussagekräftig ist. Auch zur Erblichkeit von kognitiven Leistungen habe ich dabei nichts gesagt. Das Problem bei Büchern wie dem von Thilo Sarrazin oder dem von Herrnstein und Murray ist, dass sie unzulässige Vergleiche als Argumente anführen, wobei sie Forschungsergebnisse zusammenwerfen, die nur getrennt richtig gewürdigt werden können. Zum Beispiel gibt es in der Tat seriöse Untersuchungen, die zeigen, dass sich nahe Verwandte in ihren kognitiven Leistungen weniger unterscheiden als nicht miteinander verwandte Personen. Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ableiten, dass sich Völker in ihren kognitiven Fähigkeiten unterscheiden, weil Angehörige eines Volkes untereinander näher verwandt sind als mit den Menschen eines anderen Volks.

  11. Ich bin der Meinung das es nicht nur sehr schwer sondern sogar unmöglich ist die Ergebnisse von verschiedenen IQ-Tests miteinander zu vergleichen. Ein Intelligenztest hat ja immer den Sinn ein möglichst genaues Bild über den Wissensstand der Testperson zu bekommen. Zwangsläufig bedeutet dies immer das dabei bestimmte Themenbereiche ganz gezielt abgefragt werden. Je nach dem angewendeten Test sind diese Inhalte aber verschieden. Es gibt nicht nur unzählige IQ-Tests für Kinder sondern auch für alle Altersstufen und jedes Geschlecht. Wer einen falschen Test verwendet wird zwangsläufig auch ein falsches Ergebnis erhalten das sehr weit von der Realität entfernt sein kann.

  12. iq, cq,eq

    Sicher gibt es viele menschliche Intelligenzen welche noch immer von den iq tests unberücksichtigt sind, wie beispielsweise die Kreativität oder die Emotionale Intelligenz.

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  15. Zitat: In Deutschland beläuft sich der [IQ-]Anstieg auf ca. 20 Punkte zwischen 1954 und 1981. Ab den späten 1970er Jahren scheint sich der IQ wieder reduziert zu haben und die norwegische Studie Flynn effect and its reversal are both environmentally caused wollen aus adiministrativen Registern und Militäraushebetests belegt haben, dass beides – der IQ-Anstieg und IQ-Abstieg auf Umweltfaktoren zurückgeführt werden muss.