Intelligenz und Gesellschaft

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die Psychologie irrationalen Denkens
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Im September hatte hat Spektrum Akademischer Verlag mein neues Buch „Klüger als wir? – Auf dem Weg zur Hyperintelligenz“ herausgebracht. Die Steigerung der menschlichen Intelligenz ist den letzten Jahren immer wieder kontrovers diskutiert worden und es schien mir an der Zeit, die verschiedenen Aspekte des Themas etwas ausführlicher zu beleuchten. Das kommentierte Kapitelverzeichnis gibt einen Überblick über den Aufbau des Buchs.

Vor einigen Tagen hat mich das Online-Portal Telepolis des Heise-Verlags eingeladen, einen Beitrag darüber zu schreiben. Ich habe mich mit der Redaktion darauf geeinigt, eine Kurzfassung des zweiten Kapitels „Die Intelligenzgesellschaft“ zu erstellen. Es befasst sich mit dem gesellschaftlichen Stellenwert der Intelligenz. Die Bedeutung der messbaren Intelligenz für den beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg wird immer wieder betont. Ist das gerechtfertigt oder ist es nicht eher das Symptom einer Fehlentwicklung?

Die Telepolis-Redaktion hat den Artikel heute Morgen online gestellt. Er hat bereits eine lebhafte Resonanz hervorgerufen. Wer Lust hat, kann seine Kommentare natürlich auch hier schreiben.

 

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Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

11 Kommentare

  1. Bedeutung der messbaren Intelligenz

    Und ich dachte es habe sich längst herumgesprochen, dass bei Kindern der Marschmallowtest ein wesentlich besserer Indikator für den späteren Erfolg im Leben ist als ein IQ Test 🙂

  2. Einfluss von intelligenten Assistenten

    Im kommentierten Kapitelverzeichniss vermisse ich ein Kapitel über den Einfluss von (mehr oder weniger) intelligenten Assistenten auf unser aller Leben. Man hat es ja schon vom Taschenrechner gesagt, dass er die Rechenfähigkeit verkümmern lasse. Ähnliches hört man nun über GPS-assistierte Fahrten mit dem Auto, womit die Orientierungsfähigkeit zurückgehe oder von den im Mobiltelefon abgespeicherten Daten (Telefonnummern, Daten von Geburtstagen etc.) die unser Gedächtnis entlasten, vielleicht aber auch eine neue Abhängigkeit schaffen.
    In Kürze wird sich der Einfluss von intelligenten Assistenten noch stark erhöhen. Apple’s Siri ist ein Vorbote für eine Zeit, in der intelligente Assistenten mitdenken und wo viele sich ein Leben ohne all die Assistenz gar nicht mehr vorstellen können. Wäre doch ein lohnendes Thema gewesen. Ein Thema mit Ausstrahlung in weitere Lebensbereiche gibt es doch über intelligente Helfer auch eine Manipulationsmöglichkeit. Man denke nur an die Empfehlungen in Amazon “Diese Bücher haben die Käufer dieses Buch auch gelesen” oder die personalisierte Werbung überhaupt, die ein halbwegs intelligentes, mindestens durch Informatik hinterlegtes Erfassungs- Auswertungs- und Ratgebersystem voraussetzen.

  3. @ Holzherr

    In Kürze wird sich der Einfluss von intelligenten Assistenten noch stark erhöhen.

    Na, wenn es denn so kommt, dann werden wir wohl so ein Leben wie die Menschen in Wall-E führen.

  4. @Martin Holzherr

    Die intelligenten Assistenten sind sicher ein wichtiges Thema, aber in meinem Buch ging es eher darum, warum Menschen unbedingt intelligenter werden wollen, und wie das eventuell zu bewerkstelligen ist. Übrigens ist die Diskussion um intelligente Assistenten schon sehr als. Bereits die Erfindung der Schrift führte dazu, dass die Menschen wesentlich weniger im Kopf behalten mussten. Die mehr als 10000 Zeilen der vedischen Hymnen wurden jahrhundertelang mündlich weitergegeben, bevor sie aufgeschrieben wurden. Aber zugegeben: auf so umfangreiche Assistenzsysteme wie heute konnten die Menschen noch nie zurückgreifen.

  5. Der Mensch intelligenter als eine Robbe?

    Eine monotone Steigerung der Qualität “Intelligenz” als eine irgend geartete zeitabhängige Funktion innerhalb einer Gesellschaft kann es objektiv nicht geben. Zu viele Teilnehmer nehmen am Experiment teil. Wo findet Intelligenz statt, was ist das eigentlich, wer verfügt über sie, welchen Einfluß übt Intelligenz unter welchen Umständen in welcher Gesellschaft aus? Wer will das – außerhalb reiner Spekulation – beantworten? Insofern ist das ein Thema für wortreiche soziologische Betrachtungen – kein Thema der Wissenschaft – es sei denn, man liest gerade Galapagos von Kurt Vonnegut.

  6. @ Jörg Schütze

    Sie gehen davon aus, dass es keine sinnvolle Definition von Intelligenz gibt, und man demnach auch keinen Anstieg messen kann. Tatsächlich gibt es mehrere Definitionen des Begriffs Intelligenz, die alle mit der Fähigkeit zu tun haben, bestimmte Aufgaben zu lösen. Natürlich lässt sich damit nur eine Rangfolge von Menschen bestimmen. Die bisherigen Intelligenzmaße geben keinen absoluten Wert an. Deshalb eignen sie sich allesamt nicht zum Vergleich von Fähigkeiten über Artgrenzen hinweg, bei Menschen sogar meist nicht einmal über Kulturgrenzen hinweg. Die z.B. hier aufgestellte Behauptung über den IQ eines Schimpansen ist schlicht unsinnig. Deshalb wäre auch der Vergleich zwischen Menschen und Robben nicht sinnvoll (oder eben zwischen Mensch und dem aus ihm evolutionär entstandenen Robbenwesen in Kurt Vonneguts Buch “Galapagos”).
    Ferner schreiben Sie, wenn ich das richtig verstehe, dass es aufgrund der zu großen Population keinen monotonen Anstieg der Intelligenz über die Zeit geben kann. Von den Problemen der Messung mal abgesehen: Monotone Anstiege bestimmter Eigenschaften in Populationen sind sicherlich die Ausnahme. Andererseits verstehe ich nicht recht den Bezug zu meinem Beitrag über die Bedeutung von messbare Intelligenz in der heutigen westlichen Gesellschaft.

  7. Mythos, Magie, Heilserwartungen, Trans-

    Die Rezensionen und Besprechungen dieses Buches deuten darauf hin, dass auch dieses Buch wie die anderen von Thomas Grüter dem zuzordnen sind, was man Parareligiosität nennen könnte. Im engeren Sinne ist parareligous definiert als Term applied to sects that have some religious purpose but are mainly concerned with some other pursuit, like politics, health, or social change.. Im weiteren Sinne sind wir alle parareligiös, insoweit wir Sinnsucher sind und viele von uns eine transzendentale Ader haben und somit alles in einen tieferen uns selbst und unsere materielle Begrenztheit übersteigenden Zusammenhang stellen.
    Bei Klüger als wir und dem Begriff Hyperintelligenz geht es dabei auch in ein Gefilde, das es bis vor kurzem noch gar nicht gab: Den Glauben an die Transzendenz durch überlegene Technik. Eine Technik, die uns intelligenter und vielleicht sogar unsterblich machen soll wie das die Transhumanisten erwarten.

    Die folgenden Zitate aus dem Folienset Future Trends in Education verschmilzt Erwartungen und Technologie zu einer neuen Mensch-Maschinen-Zukunft:

    We live in an age of remediation of the body and are on the verge of brain remediation of the brain via brain chips

    According to Stephen Hawking, making humans smarter is essential, if we are ever to travel to the stars

    The future will move to a true machine/mind interface – specifically the brain would be modified by an array of bio-chips, which will mediate cognition an emotion

    Tatsächlich glaube ich, dass in den nächsten Jahrzehnten brain-chips und Maschine-Mensch-Schnittstellen eine grössere Rolle bekommen werden. Allerdings nicht über den Gesunden und Normalsterblichen sondern über medizinische Eingriffe wie retina-transplants, Brainchips für die Behandlung von Parkinson und Epilepsie und um Paraplegikern Kontrolle über ihren Körper zurückzugeben. Doch irgend etwas davon wird auch für die Gesunden abfallen.

  8. Wie bitte?

    ‘Monotone Anstiege bestimmter Eigenschaften in Populationen sind sicherlich die Ausnahme.’

    Stark vereinfacht hatte ich Evolution bisher so verstanden, dass sich bestimmte Eigenschaften, welche die Überlebnschancen/Forpflanzungsraten von Individuen, oder auch der gesamten Population verbessern, in der Population allmählich anreichern. Wäre ja auch irgendwie logisch. Hab ich da was falsch verstanden?
    Lasse mich gerne eines besseren belehren.

  9. Robben

    @Thomas Grüter

    “Tatsächlich gibt es mehrere Definitionen des Begriffs Intelligenz, die alle mit der Fähigkeit zu tun haben, bestimmte Aufgaben zu lösen.”

    Meine Skepsis war, ob diese Definitionen sinnvolle Kategorien bedienen (daher als quasi polarer Vergleich die Robben: in welche Kategorie gehört ein qua test hyperintelligentes Wesen, wenn es doch nur eine banale Insel ist und alles darum kaputtmacht – was eine “dumme” Robbe nicht zu tun imstande ist, auch wenn wir ihr das (fälschlicherweise) nicht als Intelligenzleistung anrechnen).

    Indem ich aber Ihrem Artikel und den Schlussabsatz gelesen habe, “Die Überbetonung der Intelligenz und der falsche Glaube, sie lasse sich mit dem IQ zuverlässig bestimmen, bergen damit die ernste Gefahr falscher Weichenstellungen für unsere Zukunft.”, muß ich apologieren und mich vermutlich auf Ihrer Seite wähnen.

  10. Telepolis

    Zu Ihrer Stellungnahme zu den Sarrazin-Thesen möchte ich anmerken, dass Ihre Argumentationsketten mindestens ebenso fraglich sind wie Sarrazins “sonderbare Argumentationsketten”. Ihre opportunistisch anmutende Parole, gewisse Sichtweisen seien konservativ, ist ebenfalls kein gültiges Contra-Argument – schließlich lässt sich “konservativ” nicht mit “unwahr” gleichsetzen. Dies ist nur ein Beispiel – ich könnte weitere anführen, um viele Ihrer paraphrasierten Argumente zu überholen, revidieren, als obsolet zu erklären.

  11. @ Welli

    Zunächst einmal: Ich habe keine Argumentationsketten aufgebaut, sondern nur die von Anderen vorgestellt und deren Schwachstellen beschrieben. Ich habe auch keine Sichtweise als konservativ bezeichnet, ich habe lediglich Stephen J. Gould zitiert, weil er der prominenteste Kritiker ist. Ich selber halte die Idee einer Vereinfachung der Gesetzgebung auf das Niveau der 10 Gebote nicht für konservativ, diese Vorstellung ist für mich eher gruselig. Ich denke, ich werde noch einmal in einem eigenen Artikel erläutern, was ein Intelligenztest eigentlich misst, und warum es sinnlos ist, die Zahlenwerte zweier unterschiedlicher Tests in verschiedenen Populationen als Vergleichsmaßstab zu nehmen.