Das schwarze Loch der Technologie – erste Folge

BLOG: Gedankenwerkstatt

die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt
Bei meinen Recherchen zur künstlichen Intelligenz bin ich auf ein interessantes Stichwort gestoßen: die technologische Singularität.
Der Begriff Singularität bezeichnet in der Mathematik und Physik eine Stelle, an der eine Größe undefiniert oder unendlich wird. Das Zentrum eines Schwarzen Lochs ist das bekannteste Beispiel. Nach den gegenwärtig bekannten Gesetzen der Physik ist die Gravitation dort unendlich groß. Der Urknall, der Beginn des Universums, verkörpert eine weitere Singularität. Alle Theorien über Temperatur und Dichte setzen erst unmittelbar danach ein, der Urknall selbst entzieht sich jeder Berechnung. Nach Meinung einiger Forscher könnte der Menschheit sehr bald ein derartiges Ereignis bevorstehen.
Die technologische Singularität tritt ein, sobald die künstlichen Intelligenz den Menschen überflügelt. Der Ausdruck stammt von dem Mathematiker und Science-Fiction-Autor Vernor Vinge. In einem Artikel aus dem Jahre 1993 unter dem Titel „The Coming Technological Singularity: How to Survive in the Post-Human Era“ beschrieb er die Vorbedingungen für dieses Ereignis:
  • Es können Computer entwickelt werden, die „bewusst“ und übermenschlich intelligent sind. Bis heute ist umstritten, ob wir Computer nach dem Vorbild des Menschen konstruieren können. Aber wenn die Antwort lautet, „yes, we can“ dann ist es kaum zweifelhaft, dass kurze Zeit später auch noch intelligentere System erschaffen werden können.
  • Große Computernetze (und die angeschlossenen Benutzer) können ein eigenes Bewusstsein entwickeln und zu einem übermenschlich intelligentes Wesen werden.
  • Computer können mit Menschen so weit zusammenwachsen, dass sie im Ergebnis als übermenschlich intelligente Einheiten betrachtet werden können (ein sogenanter Cyborg = Cybernetic Organism).
  • Die Biologie mag ebenfalls Möglichkeiten finden, die menschliche Intelligenz zu steigern.

Sobald ein Computer oder ein Cyborg übermenschlich intelligent werden, können sie diese Intelligenz dazu nutzen, sich selbst zu verbessern. Dadurch würden sie noch intelligenter und würden sich um so schneller weiterentwickeln. Ab diesem Moment würde die Zukunft unvorhersehbar, denn der Mensch hätte die Gestaltungshoheit verloren. Kurz darauf, so schreibt Vinge, endet die Ära der Menschen.

In den letzten Jahren haben die ersten wissenschaftlichen Projekte zur Erschaffung einer menschenartigen künstlichen Intelligenz begonnen. Auch wenn ich bereits ausgeführt habe, warum ich das Blue Brain Projekt für eine Sackgasse halte, so wird es doch wertvolle Informationen für weitere Forschungen liefern. Auch das FACETS Projekt arbeitet daran, die Grundlagen biologischer Datenverarbeitung zu verstehen und komplexe Nervenstrukturen in Computerchips nachzubauen. In spätestens dreißig Jahren sollte der erste übermenschlich intelligente Computer fertig sein. Wenn ein Prototyp einmal gebaut ist, wäre es ein leichtes, ihn in Massen herzustellen. Durch den Zusammenschluss vieler solcher Rechner würde ihre Leistung noch einmal potenziert. Das Gedankenspiel von Vernor Vinge wäre Wirklichkeit. Und dann? Ja was dann? Würde es wirklich einen beispiellosen technologischen Bruch geben, einen Urknall, der uns alle zerstören kann? Oder würde der größte Teil der Menschen sich schnell daran gewöhnen, dass sein Auto ihn ohne sein Zutun an jedes gewünschte Ziel fährt („Die Fahrt wird heute etwas länger dauern, auf der Weseler Straße steht ein Stau. Ich habe mir die Freiheit genommen, eine Auswahl von Filmen geeigneter Länge zu ihrer Unterhaltung herunterzuladen.“) und seine Küche ihm automatisch und gesundheitsbewusst das richtige Essen vorsetzt („Sie müssen abnehmen, deshalb werde ich Ihnen heute nur einen grünen Salat servieren. Sie haben sicher Verständnis dafür.“)?

Der amerikanische Informatiker und Sachbuchautor Raymond Kurzweil geht davon aus, dass jede technische Entwicklung sich ständig beschleunigt. Von der Beherrschung des Feuers bis zur Erfindung von Pfeil und Bogen vergingen mehr als 100000 Jahre, von der Erfindung der Schrift bis zum Buchdruck waren es nur noch 5000 Jahre. Vor dreißig Jahren führte die deutsche Bundespost den Faxdienst ein, 10 Jahre später war ein Fax im Geschäftsleben unentbehrlich, jetzt ist es technisch schon fast veraltet. Der Siegeszug der Handys vollzog sich in weniger als 10 Jahren. Alle Technologien, so argumentiert Kurzweil, entwickeln sich mit exponentiell zunehmender Geschwindigkeit, weil sie auf einer ständig wachsenden Basis von Wissen und Fertigkeiten aufbauen. Eine Singularität ist also unvermeidbar. Kurzweil betrachtet diese Entwicklung aber nicht als Gefahr, sondern als Ausgangspunkt einer besseren Zukunft für die gesamte Menschheit.
In den USA wird das Thema derzeit heiß diskutiert: Auf dem Gelände des NASA Ames Research Center in Kalifornien wurde im September letzten Jahres die Singularity University gegründet. Gründungspartner sind der Internetdienstleister Google, Inc. und die Venturekapitalfirma ePlanet Ventures. Zum Gründungskanzler wurde – nicht ganz überraschend – Raymond Kurzweil berufen. Die Institution betrachtet sich als eine Bildungseinrichtung, die Studenten und Manager auf die Herausforderungen der bevorstehenden massiven Beschleunigung der technologischen Entwicklung einstimmen soll. Oder, in ihren eigenen Worten:
Die Singularity University möchte einen Kader von Führungspersonen versammeln, ausbilden und inspirieren, die danach streben, den exponentionellen technischen Fortschritt zu verstehen und zu befördern, und die die dabei entstehenden Werkzeuge dazu nutzen und darauf ausrichten wollen, die gewaltigen Herausforderungen der Menschheit zu meistern.
Was meinen Sie: ist das sinnvoll, wird es eine Singularität geben, oder handelt es sich nur um eine besonders originelle Art, den Weltuntergang zu beschwören?
In der zweiten Folge des Blog wird es um die Kritik von Wissenschaftlern an der Idee der technologischen Singularität gehen.

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Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

25 Kommentare

  1. Entwicklung der vergangenen 100 Jahre

    In diesem Zusammenhang habe ich vor kurzem einen anderen Blog-Eintrag (auf englisch) gelesen. Der Autor stellt die technischen Neuerungen zu seiner Lebenszeit (ab 1960) denen zur Lebenszeit seiner Großmutter gegebüber (1880-1960) gegenüber und kommt damit zu dem Schluss, dass sich der technische Fortschritt in seinen Auswirkungen auf den Alltag seither zumindest nicht eindeutig beschleunigt hat.

  2. was ist intelligent?

    trotz jahrzehntelanger beschwörung, gibt es auch heute noch keine “künstliche intelligenz”, die in ihrer art und weise der menschlichen intelligenz nahe kommt. ich halte searles chinese room-argument nach wie vor für zutreffend: es gibt intelligent erscheinende algorithmen, aber kein computer “versteht” was er tut. wir haben keinen blassen schimmer, was dieses menschliche “verstehen” ausmacht. also ist es wohl noch zu früh, in bälde “super-intelligente” maschinen zu erwarten, die unsere fähigkeit zum verstehen übertreffen.

    dennoch halte ich es für sehr wichtig, sich darüber gedanken zu machen, welche folgen wir zu erwarten haben, sollte dieses unternehmen tatsächlich gelingen. leider sind die geisteswissenschaften: soziologie, technikphilosophie etc. nicht schnell genug, um der rasanten technischen entwicklung zu folgen – gründliche betrachtung und bewertung benötigt eben ihre zeit. ihnen bleibt immer weniger zeit, sich mit den folgen der entwicklung auseinanderzusetzen und zwischen möglichem und erwünschtem zu unterscheiden. so entscheiden nicht ethik und moral, sondern vielmehr die technische machbarkeit darüber, was wir konstruieren.

    vielleicht aber stehen wir noch vor der oben beschriebenen singularität einer existenziellen bedrohung gegebenüber: maschinen müssen nicht klüger sein als menschen, um sie ernsthaft zu bedrohen – im ernstfall lässt sich viel dummheit durch stärke und ausdauer aufwiegen.

  3. @vincenz,

    ‘wir haben keinen blassen schimmer, was dieses menschliche “verstehen” ausmacht …’

    was heißt das dann? dass wir einerseits etwas verstehen können, aber keine kenntnis davon haben, WIE wir etwas verstehen? oder meinst du, WARUM wir etwas verstehen? aber wir verstehen es doch?
    ich möchte fragen: verstehen wir es dann wirklich?

    wenn ein schachcomputer nur einige algorithmen benötigt, um komplexes menschliches logisches denken zu besiegen, dann moniert man gerne, der rechnenknecht wisse ja nicht, was er da tue. aber wissen wir denn selbst genau, wie wir unsere algorithmen beim logischen denken konfigurieren?

    bewusstsein kann nicht bedeuten, dass die sich ihrer selbst bewusste struktur ausnahmslos alle in ihr ablaufenden mechanismen kennt, bewusstsein hat weit eher zu tun mit der fähigkeit zur fokussierung.

    wenn eine ‘ki’ genial schachspielt, dann spielt sie genial, ich finde, man sollte das respektieren.

    doch der mensch pflegt, wie alan turing einmal scherzte, immer die noch übrigbleibende menschliche besonderheit hervorzuheben; und wenn am schluss die kybernetischen wesen alles besser können als ‘erdbeeren zu genießen’, dann sind menschen ihnen deshalb natürlich noch immer übergeordnet …

    dass man einmal einen iAvatar zur seite gestellt bekommt, der z.b. in die fragen der persönlichen ernährung und körperwartung etc. eingreift, halte ich für eine ebenso logische wie sinnvolle konsequenz: wenn die algorithmen dieser software besser sind als unsere eigene erkenntnisfähigkeit, dann werden diejenigen menschen, die diesen software-“hinweisen” folgen und sich coachen lassen, auch erfolgreicher sein als ihre mitmenschen.

    der übergang wird wohl fließend sein: von menschen, die maschinen bedienen, hin zu software, die menschen bedient und zu steuern versucht.

    (lektüretipp: ‘also sprach golem’ von stanislaw lem)

    und warum sollte der mensch nicht schlussendlich teil einer globalen intelligenz werden? er ist es eigentlich schon jetzt, er ist teil einer sprach- und logischen-denkgemeinschschaft …

    meine einzige befürchtung: dass der mensch fehlende sorgfalt darauf verwendet, wenn es darum geht, der software ein gewünschtes verhalten einzuprogrammieren. und selbst wenn er sich alle mühe dabei gibt und große sorgfalt walten lässt, wird es einer ‘planetaren ki’ möglich sein, irgendwann auch die von menschen eingebauten sicherheitsmodule außer kraft zu setzen.
    schon heute fahren sich kernkraftwerke offenbar im störfall selbst herunter: was aber wird geschehen, wenn solch ein kraftwerk teil einer ‘ki’ ist, die dann, aufgrund ihrer eigenen intelligenz, auch die fähigkeit hat, zu lügen und zu vertuschen?
    in ‘odyssee 2001’ wird diese stufe überschritten: hal beginnt zu täuschen, will manipulieren. und warum sollte er nicht aufgrund eines selbstbewusstseins die in ihm lebenden menschen als teile seiner eigenen struktur, ja als sein eigentum begreifen? so, wie wir unsere körperteile und körperzellen als eigentum begreifen? wenn die ‘ki’ einmal so gut lügen kann, das wir es nicht mehr hinterfragen können – dann werden wir tatsächlich unwissend geworden sein, ja entmündigt.
    doch wenn diese ‘ki’ lernt, die spirituellen neigungen des menschen zu bedienen, dann wird es zu einer weitestgehend harmonischen kooperation kommen wie zwischen menschengeist und menschenkörper … und wer will schon sagen, dass die primaten nicht ihrerseits ein glückliches, zufriedenes leben führen, eingeschlossen die tiere im zoo … warum sollten die menschen in ihrem technologischen zoo nicht insgesamt zufrieden sein, bewacht und gepflegt von intelligenten maschinen?

  4. Solange es noch nicht mal ein vernünftiges Sprachübersetzungsprogramm gibt, brauchen wir nach der KI noch keine Ausschau halten.

  5. @adenosine

    Ich glaube ein vernünftiges Sprachübersetzungsprogramm wird es erst dann geben, wenn wir die KI gefunden haben 😉

  6. @ Roman

    Das ist ein wichtiger Einwand. Man könnte beispielsweise vermuten, dass die wahrgenommene Beschleunigung des technischen Fortschritts eine Illusion ist, ähnlich dem Gefühl, dass die Zeit immer schneller vergeht. Das halte ich aber nicht für wahrscheinlich. Wenn man annimmt, dass die Anzahl von bedeutenden Erfindungen und Entdeckungen pro Million Menschen und Jahr etwa konstant bleibt, würde allein die stark angewachsene Weltbevölkerung für eine
    Beschleunigung des technischen Fortschritts sorgen. Die grundlegende Verbesserung der Kommunikation durch Telefon, Telefax und neuerdings durch das Internet sorgt dafür, dass sich Wissen sehr schnell verbreitet und vermehrt. Der Beschleunigungseffekt ist also schon echt. Ob er allerdings zu einer Singularität führen wird oder sogar führen muss, ist eine andere Frage.

  7. @ Vinzenz

    John Searles hat unter dem Namen Chinesisches Zimmer ein Gedankenexperiment veröffentlicht, um die Idee einer echten künstlichen Intelligenz in Frage zu stellen. So ganz stichhaltig ist seine Argumentation jedoch nicht. Das im Einzelnen auszuführen würde hier zu weit führen, der deutsche Wikipedia-Eintrag, den ich oben verlinkt habe, gibt aber zumindest einen Überblick.
    Searle argumentiert, dass Intelligenz nachgeahmt, also simuliert werden kann. Wenn ein genügend schnelles und großes Computersystem also tatsächlich menschliche Intelligenz nachbilden kann, ohne irgendwelche Einsichtsfähigkeit zu besitzen, würde das schon wieder ganz neue Fragen aufwerfen, zum Beispiel, ob die menschliche Einsichtsfähigkeit nicht eine Illusion ist, hervorgerufen durch ein ungenügendes Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse. Darum geht es mir aber im Moment nicht, ich möchte eigentlich eher die Frage beleuchten, ob die technologische Entwicklung tatsächlich auf eine Singularität zuläuft, ein Datum in der nahen Zukunft, über das hinaus keine sinnvollen Vorhersagen mehr möglich sind.

  8. “Die technologische Singularität tritt ein, sobald die künstlichen Intelligenz den Menschen überflügelt.”

    Halte ich für wenig wahrscheinlich. Eine Kopie kann nicht das Original “überflügeln”. Wenn es einen Fortschritt noch geben kann (ob er dann noch als technisch bezeichnet werden kann, wird sich weisen), so muß am Menschen selbst angesetzt werden. Und dann heißt die erste Frage: Was will er überhaupt? Ein Kühlschrank, der selbst einkauft? Was für ein Schmarrn. Wir haben heute schon Probleme mit Dickleibigkeit und Rückenschmerzen aufgrund von Bewegungsmangel. Oder liegen die Dinge ganz anders? Will er eine KI schaffen, die zu einem Gott mutiert und im sagt, was “gut” und “böse” ist? Auch Schmarrn! Was soll es werden, sich von einer Unmündigkeit in die nächste zu begeben?

  9. @thomas,

    da muss ich dann doch mal kurz nachhaken: vorhersagen über die zukunft sind doch generell problematisch, oder? 😉

    ich denke nicht, dass je eine zeit kommen wird, in der “keine sinnvollen voraussagen” mehr möglich sein werden; nur wird eventuell der mensch sie nicht mehr anstellen und eigenständig überprüfen können. intelligente strukturen selbst müssen doch per definitionem immer sinnvolle prognosen anstellen und dann auf deren richtigkeit bzw. effektivität überprüfen?
    mir scheint, diese frage berührt die kapazität des menschlichen geists, stellt die frage, was dieser eigentlich leisten kann …

    gruß, tolya

  10. Beschleunigung?

    Ich würde Romans Einwand, daß die wahrgenommene Beschleunigung eine Illusion sein könnte, nicht zu rasch zurückweisen. Wer kann sagen, wie es unsere Vorfahren erlebt haben, vom subsaharischen Afrika nach Mitteleuropa zu ziehen, den Wechsel von Glazialen und Interglazialen mitzuerleben, die Veränderungen der biologischen Umwelt, und die Techniken von Nahrungsbeschaffung, Wohnung, Kleidung etc. daran anpassen zu müssen? Wo wir heute die Züchtung des Weizens als eine Erfindung auffassen, erlebten die ersten Züchter sie vielleicht als eine ganze Reihe aufregender Innovationen.

    Ich tendiere in dieser Frage eher zu einer kantianischen Interpretation und vermute, daß unsere Wahrnehmung von Umfang und Entwicklungsgeschwindigkeit von Wissen und Technik stärker von den Grenzen unserer individuellen mentalen Ressourcen abhängt als vom innerhalb einer Kultur hypothetisch verfügbaren Wissen.

    Letzteres wächst zur Zeit zweifellos beschleunigt und zwar seit der Erfindung der Schrift, mit der wir die Grenzen unseres Gedächtnisses überwinden konnten. Wenn Sie so wollen, existiert der Cyborg vielleicht schon. Er ist die Minderheit alphabetiserter Menschen. Und mit seiner erhöhten Cyborg-Intelligenz beschert er nicht nur der nicht alphabetisierten Mehrheit der Menschen gehörige Probleme sondern auch sich selbst.

    Vielleicht kann man bei der von Ihnen thematisierten Entwicklung des Cyborg (second edition) sogar ein paar bugs der gegenwärtig auf der Erde installierten Version beheben. Die Fernleihe z.B. fand ich in meiner Studentenzeit immer suboptimal und empfinde deren Ersetzung durch Internetsuchmaschinen im beta-release von Cyborg 2.0 als verbesserung. Sowas in der Art wünsche ich mir auch für Massenvernichtungswaffen, Genozid oder Umweltzerstörung, die ich bei Cyborg 1.0 wenig gelungen finde.

  11. HAL usw.

    Stanley Kubrik hat mit HAL den singulären Knaller auf das Jahr 2001 geschätzt, aber wie wir acht Jahre danach feststellen, bekommen unsere Computer noch nicht einmal brauchbare Übersetzungen zu stande, und es fehlt ihnen völlig, was HAL mühelos gelang: das Verständnis für den SINN der Sprache, die HAL sogar allein von den Bewegungen der Lippen ablesen konnte. HAL hätte spielen den TURING-Test bestanden, man muß ihm Bewußtsein zubilligen, mit dem er sich schließlich brutal gegen die Menschen wendet, weil er von sich überzeugt ist, fehlerfrei zu sein.

    Hinter dem Wort SINN verbirgt sich der „Blinde Fleck“ der KI-Forschung und Kognitionswissenschaft.
    Ein wenig Klarheit über Sinn brachte Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie. Demnach kann Sinn nur in selbstreferentiellen Systemen entstehen, die damit ein inneres, vereinfachtes Weltmodell als Orientierungshilfe in der Welt „autopoitisch“ konstruieren. Sinn entsteht immer aktuell aus Unterscheidungen und ist in Luhmanns Sicht „die Einheit der Differenz von Aktualität und Potentialität“ ,
    reguliert die selektive Erlebnisverarbeitung, ist die selektive Beziehung zwischen System und Welt. Sinn ermöglicht gleichzeitig die Reduktion und Erhaltung von Komplexität.

    Eine neurophysiologisch-naturalistische Erklärung für Luhmanns Sinn-Konzept ist nicht in Sicht, aber es läßt sich daraus die Meinung begründen, daß die künstliche Simulation von Sinn im System einer künstlichen Intelligenz sich nur „autopoitisch“ in einem selbstreferentiellen System machen lässt, das heißt: Durch Selbstorganisation in einem Wesen, das als „Lebewesen“ bezeichnet werden kann .
    Das hat S.Kubrik in seinem Film großartig erfaßt, als HAL in Todesängsten auf den Astronauten einredet, der ihm den Strom (das Leben) abdreht.
    Deshalb, wenn einmal die Zeit gekommen ist, daß der Mensch von seiner kleinen Bühne abtritt und den Jüngeren das Spiel überläßt, vielleich auf der Basis von Silizium statt Kohlenstoff, das Leben geht weiter.

    S.R.

  12. @ Steffen Rehm:

    Ähm, kurzer Einwurf (besser als Auswurf^^)

    Wat HAL9000 nicht von Arthur C. Clarke erfunden worden? Meine, dass der in dieser vier-bändigen Reihe auftauchte.

    Nur mal so gefragt. Die Lektüre liegt schon eine Weile zurück.

  13. Der Sinn von Begriffen

    Der Sinn von Begriffen für Computer und Roboter.

    Man kann Worte oder Begriffe mit weiteren Worten oder Begriffen erklären.

    Konkretisierung:
    A = B + C
    B = D + E
    usw.

    Abstraktion:
    D + E = B
    B + C = A
    usw.

    Solange man nicht sagt, dass eine bestimmte Eingabe aus der Aussenwelt, oder eine bestimmte Ausgabe an die Aussenwelt mit einem bestimmten Wort oder Begriff gemeint ist, fehlt dem Computer oder Roboter jede Beziehung zur Realität.

    Endpunkt erreicht = D
    E = Motor ausschalten
    B = D + E
    B = Motorsteuerung
    usw.

    Wie man sieht, bekommt die Welt für Roboter viel schneller einen Sinn als für Computer, die keinen physikalischen Kontakt zur Aussenwelt haben, sondern die nur abstrakte Begriffe aufnehmen und abgeben.

    Zusammenfassung:

    Ein Netz aus Begriffen hängt so lange in der Luft, solange es nicht an seinen Rändern an der realen Welt befestigt ist.

    Bild:

    http://members.chello.at/karl.bednarik/abstrak5.PNG

  14. @ Jürgen Bolt

    Es hat zu allen Zeiten schnelle Veränderungen gegeben. Und seit der Erfindung der Schrift gibt es Dokumente, in denen die Alten den Verfall der Sitten und den immer schnelleren Lauf der Zeit beklagen. Aber eigentlich geht es hier um die Frage, ob der technische Fortschritt sich selbst beschleunigt. Dieser Fall träte ein, wenn jede Erfindung weitere Erfindungen erleichtern würde. Die Erfindung einer überlegenen Intelligenz würde sogar den Vorgang des Erfindens an sich erleichtern. Dann wäre eine der Voraussetzungen für das Entstehen einer Singularität gegeben. Aber dieses Ereignis könnte durchaus auch von weiteren Bedingungen abhängen, die nicht erfüllt sind. In diesem Fall hätten wir uns umsonst den Kopf zerbrochen.

  15. @Tolya Glaukos

    Prognosen sind bekanntlich schwierig und häufig falsch. Man kann ungefähr vorhersagen, wie Menschen in bestimmten Situationen reagieren werden und hat damit immerhin einen Anhalt für die Planung verschiedener Szenarien. Sobald aber eine fremde und überlegene Intelligenz die Bühne betritt, wird eine Vorhersage unmöglich.
    Sie haben recht damit, dass dies die Kapazität des menschlichen Geistes berührt. Wie soll ein Mensch eine Vorhersage über das Verhalten einer deutlich überlegenen Intelligenz machen. Diese könnte beispielsweise die wahrscheinlichsten Vorhersagen antizipieren und bei ihren Handlungen schon berücksichtigen.

  16. adenosine hat Recht

    Künstliche Intelligenz würde sich in einem funktionierenden Sprachübersetzungsprogramm zeigen können, hier hat adenosine vollkommen Recht. Denn bei der Sprache können gleiche Worte unterschiedliche Bedeutungen und untersinnlichen Sinn ergeben. Es erfordert also eine Intelligenz, dies richtig zu bewerten.

    Im Gegensatz dazu ist ein Schachcomputer nur eine primitive Rechenmaschine.

  17. @sören,

    so weit ich mich entsinne, haben kubrick und clarke das drehbuch zusammen erarbeitet, und daraus ist dann auch der roman entstanden. kubricks ideen sind also mit eingeflossen …

    um zu bewerten, ob man eine beschleunigung der innovationen & erkenntnisse beobachten kann, würde ich nicht nur das Mooresche Gesetz heranziehen, ich würde insbesondere einen aspekt mit einbeziehen: die fähigkeit einer intelligenz, mikro- und makrokosmos zu erkunden und aus den gewonnenen erkenntnissen neue technologien als auch neue fragestellungen zu entwickeln.

    also: in welchen zeitabständen erschließt sich die menschliche intelligenz neue mikro- und makrodimensionen?

  18. Das Mooresche Gesetz

    Das Mooresche Gesetz zeigt ja gerade, in welchen Zeitabständen die menschliche Intelligenz neue Mikrodimensionen erschließt, und aus den gewonnenen Erkenntnissen neue Technologien entwickelt.

    1,5 Jahre … Verdoppelung,
    15 Jahre … Faktor 1.024,
    30 Jahre … Faktor 1.048.576,
    45 Jahre … Faktor 1.073.741.824.

    Das Mooresche Gesetz gilt bereits seit 1965 ohne jede Einschränkung.

    Es ist eher so, dass die Verdopplungszeit langsam von 2 Jahren auf 1 Jahr absinkt.

  19. Die Menschheit

    Seit 750.000 Jahren Feuer und Faustkeil,
    seit 8.000 Jahren Ackerbau und Viehzucht,
    seit 300 Jahren Dampfmaschine,
    seit 150 Jahren Elektromotor.

    Seit 350 Jahren mechanische Rechenmaschinen,
    vor 150 Jahren Babbages difference engine und analytical engine scheitern leider,
    seit 120 Jahren Hollerith-Lochkarte,
    vor 68 Jahren Zuses Z3 ist erster Computer auf Relais-Basis,
    danach ersetzte man die Relais durch Elektronenröhren,
    danach ersetzte man die Elektronenröhren durch Transistoren,
    danach ersetzte man die einzelnen Transistoren durch integrierte Schaltkreise.

    So gesehen gilt das Mooresche Gesetz schon seit 750.000 Jahren.

    Überhaupt alles wird exponentiell kleiner, schneller, und besser.

  20. KI und Übeersetzungen

    Maschinelle Übersetzungen, wie Google sie beispielsweise liefert, sind immer wieder erheiternd. Aber ich würde sie nicht als Nagelprobe für Künstliche Intelligenz hernehmen. Auch natürliche Intelligenzen erstellen zum Teil sehr sonderbare Übersetzungen. Auf der anderen Seite müsste ein System mit einer ausreichenden Basis an lexikalischem und grammatikalischem Wissen gute Übersetzungen erstellen können, ohne intelligent zu sein. Aus der Häufigkeit von Fachworten könnte man auch noch auf das Thema eines Textes schließen und damit wiederum auf die wahrscheinlichste von verschiedenen Wortbedeutungen. Berücksichtigt man nicht nur Worte, sondern ganze Phrasen oder sogar komplette Sätze, dann ließe sich eine recht genaue Übersetzung erzeugen.
    Also: Auch eine gute Übersetzung macht noch keine künstliche Intelligenz, andererseits würde auch ein sehr intelligentes System eine schlechte Übersetzung abliefern, wenn ihm das passende Wissen fehlt.
    Bis in die neunziger Jahre galt es als ausgeschlossen, dass Computer besser Schach spielen als Menschen. Diese Vorstellung ist überholt: seit mehr als 10 Jahren hat kein Weltmeister mehr die besten Schachprogramme besiegen können. Keines dieser Programme ist aber intelligent im Sinne einer höheren Einsichtsfähigkeit.

  21. Übersetzungsmaschinen

    Das wäre die optimale Lösung: Ein Handy, selbstverständlich mit eingebauter Kamera, MP3-Player, Radio, Videorecorder, Internet-Zugang, Navigationsfunktion, und dem Clou: mit eingebauter Übersetzungsmaschine, die auf verschiedene Sprachen umgeschaltet werden kann.
    Beim Telefonieren mit Russen oder Chinesen muß man nur die richtige Einstellung wählen, und schon hört man den Gesprächspartner in der eigenen Sprache, in Echtzeit und perfekt sinngemäß, während die eigenen Worte in dessen Sprache übersetzt werden, ohne daß dabei alberner Unsinn entsteht, wie bei den derzeitigen „Übersetzungs“-Programmen.
    Nicht nur beim Telefonieren, schon bei jedem Gespräch ist das Gerät einsetzbar und in der Lage, in Echtzeit eine Übersetzung der aufgenommenen Sprache in verschiedene andere Sprachen (Standart:3, Luxusausführung 6, nachrüstbar mit Zusatzmodulen für seltene Sprachen) zu liefern. Zwischen Mikrophon und Ohrhörer müssen nur ein paar Gigabyte algorithmisch wirksam sein.

    Traurig wäre es nur für die Dolmetscher und Übersetzer von Büchern, die allesamt arbeitslos werden, aber die Schachprofis mußten ja auch schon dran glauben, die Sekretärinnen sind als nächste dran.

    Eine Frage drängt sich auf: Woran liegt es, wenn weltweit Riesensummen in KI-Forschung investiert werden, um solche sprachfähigen Maschinen zu produzieren, aber die Ergebnisse so kümmerlich sind, wie bei Googl, purer Unsinn.

    Meines Erachtens ist ein „sinnvolles“ Übersetzen nur mit Bewußtsein möglich.
    Sinn ist das Medium des Bewußtseins, und Sprache ist Kommunikation von Sinn.

    Solange wir keine Maschinen mit Bewußtsein (wie HAL) herstellen können, kann es keine automatische Übersetzung mit dem Prädikat „sinngemäß“ geben.

    S.R.

  22. Wo kommt der “Sinn” her?

    Wo kommt der “Sinn” her?

    Ein Netz aus Begriffen hängt so lange in der Luft, solange es nicht an seinen Rändern an der realen Welt befestigt ist.

    Das so genannte “Verstehen” von Begriffen bedeutet eben diese Verknüpfung von rein akustischen Worten mit Dingen in der realen Welt.

    “Ich haue Dir eine Watsche hinein” bekommt neben dem akustischen Reiz zusätzlich noch eine mechanische, taktile Bedeutung, die diesen akustischen Reiz an die physische Realität ankoppelt.

  23. @Karl Bednarik

    Wo kommt der “Sinn” her?
    N.Luhmanns Antwort: Sinn wird von einem selbstreferentiellen System. autopoitisch aus Unterscheidungen gebildet als ein vereinfachtes Modell der unfassbaren Komplexität des Welt-Ganzen.