Buchbesprechung: Seveneves von Neal Stephenson
BLOG: Gedankenwerkstatt
Was würde die Menschheit unternehmen, wenn sie wüsste, dass die Erdoberfläche in zwei Jahren unbewohnbar würde? Von dieser Prämisse ausgehend, beschreibt Neal Stephensen in seinem fast neunhundertseitigen Buch die heroischen Anstrengungen der Menschen, ein Habitat im All zu errichten, in dem die Menschheit überleben kann.
Die Rezension bezieht sich auf die englische Ausgabe.
Der Roman spielt in einem ungenannten Jahr etwa 10 bis 20 Jahre in der Zukunft. Irgendetwas hat ohne Warnung den Mond gesprengt. Ein „Agent“, am besten übersetzt mit „Agens“ oder „Auslöser“, ist ins Innere des Erdtrabanten eingedrungen und hat ihn in sieben große und sehr viele kleine Stücke zerlegt. Die Explosion war so heftig, dass die Puzzleteile nicht einfach unter dem Einfluss der Schwerkraft wieder an ihren Platz fallen. Statt dessen rotieren sie umeinander und stoßen ständig zusammen. Dabei zerreiben sich die Brocken zu kleineren Steinchen und kosmischem Geröll. Eine Wolke aus Steinbrocken beginnt sich auszubreiten und soll nach zwei Jahren die Erde erreichen. Ein enormer Metoritenhagel dann wird Atmosphäre aufheizen. Städte und Wälder brennen ab, die Gletscher schmelzen oder verkochen. Diese ungesunde Situation wird einige tausend Jahre anhalten, bevor sich die Gesteinswolke wieder lichtet.
Unter Führung der USA versucht die Menschheit, in der Erdumlaufbahn eine selbst erhaltende Kolonie zu errichten, die 1500 Menschen das Überleben ermöglichen soll. Tiere und Pflanzen sollen als DNA-Proben oder Samen aufbewahrt werden, damit man nach dem Ende des Bombardements wieder auf der toten Erde wieder anzusiedeln kann.
Der Astronom und Fernsehprofessor Dubois Harris alias Doc Dubois hat als erster die komplizierten Berechnungen für die Vorhersage der Katastrophe gemeistert. Deshalb wird er einvernehmlich zur Stimme der letzten gemeinsamen Anstrengung der Menschheit ernannt. Auf der Erde und später im Weltraum kommt ihm die Aufgabe zu, die Moral hochzuhalten, und die Arbeiten allgemeinverständlich zu erklären. Offenbar hat Neal Stephenson die Figur nach dem in Amerika äußerst populären Astrophysiker und Fernsehprofessor Neil deGrasse Tyson gestaltet.
Eine Schlüsselrolle bei der Errichtung des Habitats kommt der Besatzung der ISS zu. Anders als derzeit geplant wird die ISS nicht aufgegeben, sondern weiter ausgebaut. Ein etwa 50 Meter messenden Metallasteroid mit Namen Amalthea liegt inzwischen an der Raumstation vertäut und wartet auf bergmännische Erforschung. Jetzt bekommt er noch eine andere Aufgabe: Er schützt die ISS vor dem Steinhagel vom Mond. Um die Raumstation herum erbaut die Menschheit die „Cloud Ark“, die „Wolkenarche“ aus Arklets, Hightech-Metallzylindern von der Form einer Konservendose, in denen die geretteten Menschen erst einmal leben werden. Zwei Jahre sind wenig, und alle Arbeiten wirken improvisiert und verzweifelt.
Aber in der Umlaufbahn gelten anderen Gesetzen als auf der Erde. Jede Bewegung im All erfordert Treibstoff. Wenn man reisen will, muss man Reaktionsmasse in die entgegengesetzte Richtung abstoßen. Der leere Raum stellt eine tödliche Umgebung dar, Menschen müssen sich aufwändig gegen Strahlung und Vakuum schützen. Und natürlich brauchen sie Nahrung, Wasser, Kleidung sowie Ersatzteile für die Arklets.
Ein Milliardär mit privatem Raumfahrtunternehmen entschließt sich, auf eigene Initiative einen wasserhaltigen Kometenkern zur ISS zu holen. Offenbar haben hier Elon Musk oder Jeff Bezos Pate gestanden. Ohne große Mengen Wasser, so argumentiert er, ist die Arche zum Scheitern verurteilt. Menschen brauchen Wasser zum Überleben. Wenn man es in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt, erhält man Raketentreibstoff. Wegen der schwachen, aber merklichen Reibung der oberen Atmosphäre muss die ISS ab und zu beschleunigt werden, sonst stürzt sie auf die Erde. Ein Rest des Kometenkerns gelangt tatsächlich zur ISS, den größte Teil musste allerdings auf dem Weg als Treibstoff herhalten. Die Mission dauert zwei Jahre und kostet viele Menschenleben.
Trotz dieser Heldentat ist das Schicksal der „Wolkenarche“ besiegelt. Die Agitation von unverantwortlichen Politikern spaltet die Gemeinschaft, und der größere Teil verlässt den Schutz der ISS. Das fragile Ökosystem gerät aus den Fügen und bald beginnen die Menschen zu sterben. Am Ende verbleiben nur noch acht Frauen, von denen sieben noch Kinder austragen können – die titelgebenden sieben Evas (seven eves).1 Die letzte überlebende Genetikerin erzeugt auf künstlichem Wege befruchtete Eizellen und optimiert nebenbei das Erbgut der Frauen. So werden die sieben Evas zu Stammmüttern einer neuen, besseren Menschheit.
Fünftausend Jahre später zählt die Menschheit wieder nach Milliarden und hat den erdnahen Raum erobert. Der Gesteinsregen vom Mond hat aufgehört, und die ersten Pioniere lassen sich auf der neu ergrünten Erde nieder. Aber auch jetzt herrscht kein Frieden. Es gibt es zwei Staaten, die untereinander zerstritten sind und sogar Kriege führen: Die Blauen und die Roten. Zufällig sind das die Farben der beiden großen amerikanischen Parteien. Den Demokraten ist die Farbe Blau zugeordnet, den Republikanern Rot. Die Roten sind zum überwiegenden Teil Nachfahren der Frauen, die für die gescheiterte Spaltung vor 5000 Jahren verantwortlich waren. Sie benehmen sich eher intrigant und machtgierig, während die Blauen eher gradlinig und wissenschaftlich-rational agieren. Die Handlung spielt nur im blauen Sektor, der rote hat sich abgekapselt, seine innere Verfassung ist unbekannt. Im Übrigen sprechen die Menschen nach wie vor Englisch. Lediglich einige russische Flektionen haben sich eingeschlichen und unter die lateinischen Buchstaben sind auch kyrillische geraten. Der Umgang der Menschen miteinander entspricht dagegen vollständig dem der liberalen Amerikaner des frühen 21. Jahrhunderts.
Die Handlung ist eher nebensächlich, es geht eigentlich mehr um das technische Problem, wie man von der Umlaufbahn zur Erdoberfläche und zurück gelangt, wenn keine Infrastruktur auf dem Boden existiert und deshalb keine Raketen oder Orbitalflugzeuge starten können. Die Lösungen decken die ganze Spannbreite zwischen plausibel und märchenhaft ab. Das Buch endet mit der Entdeckung, dass auf der Erdoberfläche zwei Menschengruppen die Katastrophe überlebt haben. Sie hatten sich in Bergwerke und auf den Meeresgrund zurückgezogen und dort unter einfachsten Verhältnissen den Steinregen und die jahrtausendelange Gluthitze ausgesessen.
Beurteilung
Ich fand das Buch etwas zäh. Die Handlung ging oft nur langsam voran und der Autor verwendet viele Seiten darauf, die Grundlagen der Himmelsmechanik und der Raumfahrttechnik zu erklären. Der staunende Leser erfährt, wie fremdartig der Weltraum tatsächlich ist, und wie schwierig es wird, dort Außenposten oder ganze Städte aufzubauen und zu unterhalten. Stephenseon schreibt plastisch und farbig, etwa im Stil einer guten Zeitungsreportage.
Die Entwicklung der Figuren kommt allerdings zu kurz. Die Menschen im Buch bekommen feste Eigenschaften zugewiesen, die sich im Laufe der Handlung nicht verändern. Im Grunde agieren sie wie Schachfiguren, ihre Züge sind von ihren Eigenschaften vorgegeben, Überraschungen bleiben aus. Alle Protagonisten agieren hoch professionell. Wenn nötig, opfern sie sich ohne zu zögern für das Gemeinwohl. Auch die Antagonisten sprengen niemals den Rahmen, den ihr anfänglich gezeichneter Charakter vorgibt. So spaltet die intrigante Politikerin bei erster Gelegenheit aus reiner Geltungssucht die kleine Gemeinschaft der Überlebenden und führt sie ins Verderben. Sie wird trotzdem eine der sieben Evas. Ihre Nachkommen erben zum großen Teil ihre Charakterfehler und spalten wiederum die Gemeinschaft in Rote und Blaue. Glaubt Stephenson an den anhaltenden Fluch, der von den Eltern bis ins 100. Glied vererbt wird? Oder hat er das Böse im Menschen einfach auf eine externe Gruppe ausgelagert?
Während der Autor im Sinne echter Hard-SF die Gesetze der Himmelsmechanik genau beachtet, hat er offenbar gewisse Probleme mit der Genetik. Die von der einzig überlebenden Genetikerin Moira vorgenommenen Verbesserungen des Gencodes einschließlich der Neusynthese des Y-Chromosoms sind ungefähr so realistisch wie Laserschwerter und Todessterne. Ebensowenig könnten acht Menschen eine komplexe technische Zivilisation aufrechterhalten. Und schließlich verändert sich die Zusammensetzung der Erdatmosphäre deutlich, wenn die Erdoberfläche heiß und steril wird. Der O2– und der CO2-Zyklus brechen zusammen, Sauerstoff wird nur noch absorbiert, aber nicht mehr erzeugt. Sollte alles Brennbare in Flammen aufgehen, würde der CO2-Gehalt der Atmosphäre stark zunehmen, während der Sauerstoffgehalt abfällt. Die Kontinentalschelfe würde ihre enormen Vorräte an Methanhydrat in die Atmosphäre entlassen. Wenn auch noch die Meere zu verdunsten beginnen, würde ein beispielloser Treibhauseffekt einsetzen, und die Erde würde für sehr lange Zeit unbewohnbar. Diese Überlegungen bleiben im Buch aber unberücksichtigt.
Neal Stephenson schreibt seit vielen Jahren spekulative historische Romane, Cyberthriller und Fantasy-Romane. In seiner langen Karriere hat er fast alle Preise abgeräumt, die es in der Science-Fiction-Literatur zu gewinnen gibt, unter anderem den Hugo Award und gleich viermal den Locus Award. Von einem so erfahrenen Schriftsteller hätte ich eigentlich mehr erwartet.
Zusammenfassung
Wer anhand eines Romans viel über Raumfahrt und Himmelsmechanik lernen will, ist mit Seveneves gut bedient. Wer auf eine wendungsreiche Handlung und komplexe Charaktere Wert legt, wird eher enttäuscht werden.
Anmerkung
[1] Diese Besprechung bezieht sich auf die englische Ausgabe, nicht auf die unter dem Titel „Amalthea“ erschienene deutsche Übersetzung. Der Titel Seveneves spielt auf das von Brian Sykes verfasste Buch „The Seven Daughters of Eve“ an. In diesem Sachbuch vertritt der Humangenetiker Sykes die Theorie, dass alle Europäer von nur sieben Urmüttern abstammen, die anhand ihrer mitochondrialen DNA eindeutig unterscheidbar sind.
Vely nice, vielen Dank für die Rezension.
Spannendes Thema, wobei dann “Hard Science Fiction” in der Tat oft nicht individuen-spezifisch und gesellschaftlich vielschichtig ist.
Wer die (US-)amerikanische SciFi der Sechziger zK genommen hat, weiß ein Lied davon zu singen.
Die Anmerkungen zu ‘gewisse Probleme mit der Genetik’ müssten passen.
Das Werk müsste überladen sein.
An sich wäre die heutige Menschheit bei diesem Szenario chancenlos.
MFG
Dr. W
Es gab in den sechziger Jahren in den USA sicherlich eine Welle von Science Fiction, die einen großen technischen Optimismus verbreiteten, gesellschaftliche Probleme aber eher ignorierten. Andererseits schrieben in dieser Zeit auch Ray Bradbury (Mars-Chroniken, Fahrenheit 451), Walter M. Miller (A Canticle for Leibowitz), Wilson Tucker (The year of the quiet sun), John Brunner (Sheep look up) und Ursula K. LeGuin (The left hand of darkness). Sie alle greifen in ihren SF vorrangig gesellschaftliche Probleme auf. Die Bücher von Wilson Tucker sind nur noch schwer zu bekommen, die übrigen gibt es zumindest noch im englischen Original.
Das aktuelle Buch seveneves ist zwar sehr breit angelegt, aber eher nicht überladen. Es konzentriert sich auf die technischen Aspekte des Thema, die es sehr ausführlich abhandelt. Andere Probleme werden allenfalls angerissen.
Danke für die Ergänzung, gemeint war ‘Wer die (US-)amerikanische technische SciFi der Sechziger zK genommen hat’, da fehlte das ‘technisch’.
MFG
Dr. W
Während einer apokalyptischen Krise wirkt (Zitat)”Die Agitation von unverantwortlichen Politikern”. Neal Stephenson könnte ein britischer Autor sein, habe ich da gedacht. Doch Politiker werden wohl fast überall als Egoistisch, Unverantwortlich und Kriminell gesehen, nicht nur in Grossbritannien, sondern auch in Seattle, USA, wo Neil Stephenson momentan sein Habitat hat.
Romane mit apokalyptischen Krisen wie Seveneves – also Katastophenromane – wollen nicht selten eine Diagnose für die ganze Menschheit stellen – für ihre Stärken, Schwächen und ihre schlimmsten Übel. Zu den schlimmsten Übeln scheint Neal Stephenson die Machtkämpfe zwischen Politikern und ihren Anhängern zu zählen, denn nicht nur während den 2 Jahren kurz vor der Fast-Apokalpyse sondern auch während der Zwischenzeit – dem Interregnum – bekämpfen sich 2 politische Fraktionen. Damit könnte Stephenson Bezug nehmen zu den tiefen weltanschaulichen Konflikten zwischen US-Republikanern und US-Demokraten. Gestern las ich ein Interview mit dem britischen Starautor Robert Harris, der gerade einen grossen Wälzer schreibt über Cicero und zwar über die Phase des Übergangs von einer römischen Demokratie/Republik zur Kaiserherrschaft und was für eine wichtige Rolle bei diesem Übergang verfeindete politische Lager spielten, politische Lager, die völlig unterschiedliche weltanschauliche und politische Vorstellungen hatten. Die USA stünden jetzt genau an derselben Stelle meinte er und wie im alten Rom könne die Republik abeglöst werden durch ein Regime, das Sicherheit verspricht, aber keine Mitsprache mehr erlaubt.
Die von Ihnen (Holzherr) angesprochene Polarisierung scheint mir ab einer gewissen Gruppengröße eine anthropologische Konstante zu sein. (Vgl. a. Dunbar Number, und die Hypothese dass es Diskontinuitäten (der Struktur, Organisation, persönlichen Bindung, etc.) gibt bei bestimmten (stark von den Umständen bestimmten) Schwellen der Gesellschaftsgröße; diese liegen grob um 5, 15, 50, 150, 500, 5000 — also etwa bei jeder Verdreifachung). (Hier ist mir aber solides Material nicht bekannt, wäre dankbar für jeden Tip.)
Dann wäre es zwingend, das *jede* Sci-Fi die eine entsprechend große Population thematisiert dieses Topos enthält wenn sie homo sapiens sapiens abbilden will.
Die in der Literatur aufgegriffene Spaltung sieht man übrigens ganz gut diachron unter folgenden Links; klar, dass die zeitgenössische Literatur das nicht ignorieren kann:
http://www.mamartino.com/projects/rise_of_partisanship/ und
https://xkcd.com/1127/ .
Und noch mehr: http://skyeome.net/wordpress/?p=604
(BTW: Kennt jemand ähnliches für Deutschland und Europa?)
Interessant, dass sie die Polarisierung als anthropologische Konstante/Tendenz sehen und nicht als Resultat einer lokalen, historisch gewachsenen Entwicklung. Deshalb fragen sie wohl, ob jemand analoge Entwicklungen in Deutschland und Europa kennt.
Die Idee erinnert mich an Isaac Asimovs Psychohistory
Die Idee zur Pschohistory kamm Asimov übrigens beim Studium von Decline and Fall of the Roman Empire, also einer der ersten Grossstrukturen
Ah, danke für den Hinweis auf Asimov und seine Inspiration!
“Anthropologische Konstante” ist nur die pauschale Fernperspektive, imo. Aus der Nähe dürfte es sich um kleinste Inhomogenitäten handeln, die — ermöglichende Umstände vorausgesetzt — durch verstehbare Mechanismen verstärkt werden. Ein Beispiel; fefe hat eine Zusammenfassung für solch einen Mechanismus: http://blog.fefe.de/?ts=a8d61537.
In Seveneves bleibt Stevenson nur bei der Genetik als Begründung; ein minimaler psychologischer Einfluss ist aber denkbar, als ungleiche Behandlung der Kinder der ersten Generationen durch die verschiedenen (Groß-)Mütter je nach deren Vorgeschichte. Später auch durch deren Geschichte als Guppenidentität stiftenden Vorfahren-Mythos; Beispiel dafür ist nach längster Zeit noch das Foto durch den Ring.
Diese Polarisierung kommt von dem Spannungsfeld zwischen Altruismus und Egoismus.
Das gilt innerhalb von einzelnen Individuen, zwischen Individuen, und zwischen Gruppen von Individuen.
Ein Weltraumhabitat ausgerechnet im Inneren einer Trümmerscheibe zu bauen, ist keine gute Idee.
Es wäre viel sicherer, einen erdnahen Asteroiden zu besiedeln, der der Trümmerscheibe nicht zu nahe kommt.
Anstatt das Baumaterial in die Umgebung der Erde zu transportieren, transportiert man die Menschen zum Baumaterial.
. Dieser Beurteilung kann ich nur zustimmen. Mir will sich auch nicht so recht erschließen, wie Menschen in einer Art Blechdose den massiven Trümmerhagel überleben sollen. Stephenson geht davon aus, dass der Metallasteroid Amalthea, an den die ISS vertäut ist, den größten Teil der kleineren Trümmer abfängt. Da habe ich aber durchaus Zweifel, weil die Umlaufbahnen der Trümmer nach einigen Kollisionen immer unberechenbarer werden.
Sich kräftig einzugraben, wäre die Variante, die als Reaktion auf das geschilderte Szenario auf der Hand liegt.
Womöglich gab es Gründe, die im rezensierten Werk vielleicht auch näher beschrieben worden sind, sich in die “Trümmerscheibe” zu begeben, aber bereits der Reise und deren Vorbereitung steht der Variante, nämlich sich “kräftig” einzugraben, entgegen, vom Aufwand her und das angestrebte Biotop meinend.
Nun könnte noch postuliert werden, dass dieses Eingraben nicht ginge, blöderweise haben dies einige, wie im Werk geschildert, erfolgreich umgesetzt.
Aber egal, die Kompetitivität scheint im beschriebenen Werk eine wichtige Rolle zu spielen, auch weil vom Autor erkannt worden ist, dass es gerade diese Kompetitivität ist, die erkennenden Subjekten eigen ist oder eigen sein sollte.
Die einen gehen halt in den Orbit, die anderen buddeln, die einen sind halt “rot”, die anderen “blau”, Kommentatorenfreund Martin Holzherr hat es regelmäßig mit einer irgendwie geeinten Welt, wenn auch nicht notwendigerweise in diesem kommentarischen Beitragsstrang, andere ebenfalls, blöd halt, dass Konformität immer Stagnation bedeuten muss.
MFG
Dr. W
*
die Variante, nämlich sich “kräftig” einzugraben, entgegen
MFG
Dr. W (der nichts gegen eine Vorschau oder eine nachträgliche Korrekturmöglichkeit hätte, es wird im WebLog-Wesen ja (zumindest: mittlerweile) nicht mehr in der “Steinzeit” gelebt – vielleicht sollte sich hier einem spezialisierten Anbieter von Systemen der Kommentatorik anvertraut werden; die gibt es und die sind -eben wegen ihrer Zentriertheit- regelmäßig besser als “Interne”; rechnen sich auch langfristig, also wirtschaftlich)
Auch in einer geeinten Welt ist wissenschaftlicher Fortschritt möglich.
Möglicherweise stagniert in einer geeinten Welt die Waffentechnik.
Hängt davon ab: wie ‘geeinigt’.
Florian Freistetter lobt Seveneves in den höchsten Tönen. Gerade die Orbitalmechanik hat es ihm angetan, Trümmer und Asteroiden in Erdnähe (was in an sein eigenes Buch “Asteroid Now” erinnert) und die Beschreibung der Welt nach der Katastrophe.
Auffallend für mich, dass Florian Freistetter praktisch keine Worte verliert über die hier von Thomas Grüter angedeuteten politischen Intrigen und die Menschen, die im Roman vorkommen.
Laut Thomas Grüter fällt das Buch in dieser Bezihung ab: Charaketere entwickeln sich nicht sondern sind statisch.
In der Wikipedia wird der Handlungsstrang und werden die verschiedenen Phassen von Seveneves dagegen sehr ausführlich beschrieben. Auch die Vision Stephens einer zukünftigen postapokalyptischen Gesellschaft werden vorgestellt.
Schon interessant, dass Stephens keine geeinte Menschheit voraussieht sondern eine zweigeteilte mit Rot und Blau, den Farben, die sowohl für die (frühere) Sowjetunion und die USA stehen als auch für die beiden Parteien der USA; die Republikaner (Rot) und die Demokraten (Blau):
Jeder setzt eigene Schwerpunkte bei einer Rezension. Für mich ist es wichtig, dass die Auswirkung einer solchen Katastrophe auf die Menschen stärker berücksichtigt wird. Hier hat das Buch deutliche Schwächen. Wenn wir schon spoilern: Der Wikipedia-Beitrag lässt leider aus, dass Stephenson die post-apokalyptische Zukunftswelt ausschließlich aus der “blauen” Perspektive vorstellt. “Rot” beschreibt er dagegen als rätselhaft und abgeschottet.
Samenzellen, Eizellen, befruchtete Eizellen und Embryonen im Frühstadium kann man nach dem Einfrieren mit gutem Erfolg wiederbeleben.
In einen Liter Volumen passen rund 300 Millionen menschliche Eizellen ((100mm/0,15)hoch3).
Für den Weltraum benötigt man noch eine möglichst dicke Umhüllung für den Strahlungsschutz, und einen Sonnenschild aus sehr dünnem Blech.
Im Schatten des Sonnenschildes herrscht die Kälte des Weltraums, und wenn der Schild die Form eines Kegelmantels mit großem Öffnungswinkel hat, dann dreht er sich durch den Strahlungsdruck immer in die Richtung zur Sonne.
Für einen erdähnlichen Strahlungsschutz mit mehr als 1 kg / cm2 würde man eine Schichtdicke von 10 m bei Wasser oder 127 cm bei Eisen benötigen.
Deshalb ist es besser, das empfindliche Material auf einem Asteroiden im äußeren Sonnensystem möglichst tief zu vergraben (Ceres hat rund -106°C).
Das Y-Chromosom mit 59 Megabasen ist bereits sequenziert, und das erste synthetische Genom von Mycoplasma laboratorium soll ungefähr 0,58 Megabasen haben.
Das Einfrieren von Samenzellen ist natürlich viel einfacher, als ein Y-Chromosom zu synthetisieren.
Die 3,27 Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms passen bequem auf einen USB-Stick, aber dann hätte man viel zu synthetisieren.
Was machen sie mit 300 Millionen eingefrorenen befruchteten Eizellen nach einer Apokalypse, die nur ein paar hundert Menschen überleben?
Sollen die Überlebenden Embryos in Brutkästen heranziehen. Bei 100 Überlebenden wäre dann jeder Überlebende für 3 Millionen Embryos/Babys verantwortlich.
Bei sieben gesunden Frauen taut man jedes Jahr nur vierzehn befruchtete Eizellen auf, und implantiert sie.
Nach etwa achtzehn Jahren hat man dann mehr gesunde Frauen zur Implantation.
Auf diese Weise bleibt die genetische Vielfalt der Menschheit erhalten.
ich kann mir schwer vorstellen, dass eine Bevölkerung, in welcher es sieben oder auch 100 gesunde Frauen gibt, in der Lage ist, eine medizinische Infrastruktur aufrecht zu erhalten, in der Implantationen vorgenommen werden können.
Selbstreproduzierende Nanomaschinen wären dabei hilfreich.
Eventuell erzeugt man mit dem 3d-Drucker ganze menschliche Körper aus in Kultur gezüchteten Zellen.
und die Infrastruktur dafür ?
Nanomaschienen sind sowas wie Viren, die aber auf Zuruf das tun , was sie sollen ?
Eine kleine Gruppe von Menschen steuert eine große Gruppe von Großrechnern.
Jeder Großrechner steuert eine riesige Anzahl von Nanomaschinen.
Die Produktionsmaschinen, die makroskopischen Roboter, und die meisten Fertigprodukte bestehen ebenfalls aus Nanomaschinen.
Medizinische Diagnosen, technische Vorgänge, und Teile der Wissensvermittlung sind grundsätzlich automatisierbar.
@Karl Bednarik
Ja, mit einer Art Arche von Pflanzensamen und Tierembryonen könnte man auch einen Grossteil der Erdlebewesen auf fremde habitable aber unbelebte Exoplaneten verfrachten ( evtl in einer rein robotischen Mission). Heute nehmen wir ja (zu Recht?) an, dass sich auf erdähnlichen Planeten Leben von selbst entwickelt. Doch wir wissen es nicht. Es könnte auch sein, dass es zwar unendlich viele belebte Planeten gibt, die aber alle fast unendlich weit voneinander entfernt sind. Das wäre möglich, falls wir in einem unendlich grossen Universum leben und die Wahrscheinlichkeit für die spontane Entstehung von Leben sehr, sehr klein, nicht aber 0 wäre. In so einem Fall könnten die Menschen zuerst die Milchstrasse, dann einen immer grösseren Teil des sichtbaren Universums mit Ihresgleichen bevölkern.
“Was würde die Menschheit unternehmen, wenn sie wüsste, dass die Erdoberfläche in zwei Jahren unbewohnbar würde?”
Das ist eine klare Angelegenheit: Sie würde die Erdoberfläche in noch kürzerer Zeit zerstören, damit sie die Deutungshoheit behielte.
“Die Menschheit” als Phänomen sind übrigens nur ein paar Wenige.
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