Wunschdenken und Energiewende, zum Zweiten

BLOG: Gedankenwerkstatt

die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt

Vor 2½ Jahren, im Juli 2011, habe ich einen Blogbeitrag über die Energiewende verfasst. Damals hatte ich festgestellt: „Die Pläne beruhen im wesentlichen auf Wunschdenken, sie blenden wichtige Hindernisse und Kostenfaktoren einfach aus.“ Vor wenigen Tagen meldete dpa, dass die Stromerzeugung aus Braunkohle im letzten Jahr einen neuen Rekord aufgestellt hat, obwohl die Umlage für erneuerbare Energien weiterhin steigt. Das scheint mir ein guter Zeitpunkt zu sein, meine damaligen Thesen noch einmal anzusehen.

Als erstes fällt auf, wie wenig sich seitdem geändert hat. Die Energiewende gilt als heilige Kuh. Jeder Kritiker aus der Politik betont zunächst, dass sie grundsätzlich eine gute Sache sei. Man müsste nur überlegen, wie man die Kosten in den Griff bekommt, ohne den Umbau der Stromversorgung zu verlangsamen oder gar abzuwürgen. Inzwischen gibt es einzelne Stimmen, die auch etwas deutlicher werden. „Das EEG wurde vermutlich von niemandem zu Ende gedacht und zu Ende gerechnet“, wird der Analyst Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler in der Sächsischen Zeitung zitiert.

Bei einem Multimilliardenprojekt wie der Energiewende wäre durchaus sinnvoll gewesen, zunächst eine kritische Rechnung anzustellen, aber das Wunschdenken war stärker. Die von der damaligen Bundesregierung eingeholten Gutachten sollten das Vorhaben nicht behindern (haben sie auch nicht). So wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)im Jahr 2000 in Kraft, ohne dass die Folgen ausreichend kritisch beleuchtet wurden. Die Kosten liefen deshalb schnell aus dem Ruder. Die Novellen 2004, 2009 und 2012 änderten daran nicht viel.

Es wird immer teurer

Vor 2½ Jahren hatte ich geschrieben, dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien Angebot und Nachfrage zeitlich und räumlich entkoppelt werden. Die Energie wird weder an dem Ort noch zu der Zeit des Verbrauchs erzeugt. Die dadurch entstehenden Kosten müssen zusätzlich aufgebracht werden. Ab etwa 40% Anteil der erneuerbaren Energie muss ein Konzept zur Stromspeicherung umgesetzt werden. In etwa 5-7 Jahren wird es so weit sein, aber bisher gibt es dafür keine konkreten Pläne. Auch die Kosten sind noch nicht durchgerechnet. Das ist bedenklich, weil solche Großprojekte ihre Zeit brauchen und viel Geld verschlingen. Die Politiker haben schon bisher die Kosten für die EEG-Umlage ständig unterschätzt. Noch 2011 versprach die Bundeskanzlerin, dass die Umlage nicht wesentlich über die damaligen 3,53 ct/KWh steigen solle (derzeit beträgt sie 6,24 ct). Die Wikipedia hat die Versprechen gesammelt. Sie sind eine unterhaltsame Lektion in Sachen Wunschdenken. Auch die neue Bundesregierung hat übrigens fest zugesagt, den Anstieg der Stromkosten bremsen zu wollen.

Die Kosten zur Aufhebung der Entkoppelung sind aber bisher nicht einkalkuliert. Wenn die Energieerzeugung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt wird, braucht man etwa 40 Terawattstunden (40 Milliarden Kilowattstunden) Speicherkapazität. Das entspricht dem gesamten deutschen Stromverbrauch von ca. 3 Wochen. Die Kosten dafür liegen im besten Fall bei einigen Hundert Milliarden Euro, vermutlich wird es deutlich mehr. Die Anlagen sind nach allen bisherigen Kalkulationen nicht kostendeckend zu betreiben, sie werden also nur gebaut werden, wenn der Stromverbraucher sie bezahlt. Der Ausbau der Windparks in der Nord- und Ostsee wird ebenfalls deutlich teurer als kalkuliert. Auch die Verstärkung der Stromleitungen auf allen Ebenen wird unter 50 Milliarden Euro nicht zu haben sein. Wie man die Sache auch dreht und wendet: Strom wird sehr viel teurer werden müssen, wenn wir wirklich vollständig auf erneuerbare Energien umstellen wollen. Übrigens hilft auch der viel beschworene Ersatz von Kohlekraftwerken durch neu zu errichtende Gaskraftwerke nicht viel. Wenn die Energiewende tatsächlich bis 2040 abgeschlossen sein soll, würden die Gaskraftwerke weniger als 20 Jahre laufen. Das ist unrentabel und müsste – wieder einmal – subventioniert werden. Außerdem sollen die Kraftwerke die Lastspitzen abdecken, sie würden also längere Zeit im Standby (bei voller Betriebstemperatur, aber ohne Stromerzeugung) und im Teillastbetrieb laufen. Beides drückt den Wirkungsgrad und könnte dazu führen, dass der CO2-Ausstoß nur unwesentlich geringer als der von Kohlekraftwerken im Dauerbetrieb ist.

Die Sonne scheint umsonst, aber das hilft nicht

Man liest immer wieder, dass nach der 20jährigen Förderperiode der Sonnenstrom praktisch umsonst sei. Schließlich nimmt die Sonne fürs Scheinen kein Geld. Ab ca. 2025 sollte der Strompreis deshalb deutlich sinken. Auch das ist Wunschdenken. Die Sonne scheint zwar umsonst, aber nach 20 Jahren haben die Photovoltaikanlagen den besten Teil ihre Lebensdauer hinter sich. Wenn die Betreiber kaum noch Geld für die Einspeisung bekommen, werden sie die Anlagen beim ersten Defekt vom Netz nehmen. Sie haben ihr Geld schließlich verdient und jede weitere Investition rentiert sich nicht mehr. Für Windenergie oder Biogas gilt ähnliches. Nur Windkraftanlagen an günstigen Standorten werden ihren Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen erzeugen. Ab 2030 werden also die Produzenten von Sonnenergie massenhaft vom Netz gehen. Gerade wenn die Politik schon glaubt, das Schlimmste sei überstanden, wird sie erneut Milliarden bereitstellen müssen, um die Betreiber zu neuen Investionen zu bewegen.

Retten wir das Weltklima?

Und letztlich ist der Effekt auf das Weltklima verschwindend gering. Ob Deutschland seinen Strom aus Kohle oder aus Wind bezieht, macht global kaum einen Unterschied. Was wir nach 30 teuren und mühsamen Jahren an CO2 eingespart haben, ist weniger als das, was China zwischen 2010 und 2012 zugelegt hat. Der Stromverbrauch macht außerdem nur etwa 22% des Endenergieverbrauchs in Deutschland aus. Eine wirksame Strategie zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes müsste dafür sorgen, dass auch im Bereich Heizung und Transport mehr Energie bereit gestellt wird, die nicht aus Verbrennungsvorgängen stammt.

Wunschdenken als gefährliche Wahrnehmungsstörung in der Politik

Es geht mir in diesem Blogbeitrag nicht die Richtigkeit einer bestimmten Politik. Ich möchte einfach zeigen, dass auch bei zentralen Themen der Politik das Wunschdenken regiert. „Die Energiewende gilt als wichtigstes innenpolitisches Projekt der Großen Koalition unter Angela Merkel“, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Trotzdem nimmt sich niemand die Zeit, den Status zu eruieren, und die Wirkung verschiedener Maßnahmen gründlich durchzuspielen. Die Politiker fast aller Parteien haben so viel persönliches Prestige in die Energiewende investiert, dass die Bewertung von Kosten und Nutzen kaum noch eine Rolle spielt. Dieses Phänomen ließ sich schon beim Flughafen Berlin Brandenburg (BER) sehr schön beobachten. Bei einem Projekt, das über eine Generation läuft, die gesamte Volkswirtschaft betrifft und mehr als eine Billion Euro verschlingt, ist diese Wahrnehmungsverengung aber nicht ganz ungefährlich.

 

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Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

33 Kommentare

  1. Guter, informativer Beitrag. Doch so teuer muss die Energiewende nicht werden wie hier vorausgesagt. Denn: Die Hauptprobleme der neuen erneuerbaren Energien Wind und Sonne verschwinden weitgehend, wenn sie in ein sehr grossräumiges Stromnetz (ein Supergrid) eingebunden sind. Nicht Dezentralisisierung ist die Lösung, sondern optimale Standorte für Solar- und Windkraftwerke zusammen mit Einbindung in ein Supergrid, dass den Strom von einem beliebigen Produktionsstandort zu einem beliebigen Hotspot des Stromverbrauchs leiten kann.
    Das Dumme ist nur, dass den Leuten bis heute ein dezentrales Energiesystem als Ideal hingestellt wurde und heute noch viele glauben Wind+Sonne gehörten zu einem dezentralen Energiesystem. Doch wenn ein dezentrales Energiesystem zwar möglich ist, so ist es doch mit heutiger Energietechnologie beinahe unbezahlbar. Vor allem weil Energiespeicher sehr teuer sind – ausser ein Land habe grossen Speicherseen zur Verfügung.

    Deutschland wird übrigens kaum schon in 5 bis 7 Jahren, wenn 40% des Stroms erneuerbar erzeugt werden, über die nötigen Energiespeicher verfügen. Zudem wäre das eine sehr teure Lösung, viel teurer als das Verwerfen des überschüssigen Stroms. Kürzlich ging die Meldung durch die Presse, Deutschland wolle Verträge mit ihren östlichen Nachbarländern abgeschliessen, die es ihr erlauben Überschussstrom dorthin zu leiten.

    Am förderlichsten für die Erneuerbaren Energien und zugleich am kostengünstigsten wäre eine europaweit gleichhohe, bezugsweise gleichtiefe Förderung, beispielsweise mit einem Einspeisetarif für Solarstrom von 8 Eurocents und für Windstrom von 6 Eurocents. Dann würde nur noch an den besten Standorten Kapazität gebaut. Die EU wäre dann für das Supragrid verantwortlich, welches ganz Europa zum einheitlichen Stromland machen würde.

    • Für ein Supergrid kann ich mich nicht erwärmen. Es ist zu komplex, es verlangt eine ständig perfket funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ist nach einem Ausfall schwer wieder zu starten, weil die Stabilität nur im kompletten Verbund gewährleistet werden kann. Es würde auch viel Strom in den Leitungen verloren gehen, die außerdem erst gebaut werden müssten. Nicht zuletzt hat bisher nur Deutschland ein Interesse daran und würde es demnach auch zum Großenteil bezahlen müssen.
      Das Verwerfen von überflüssigem Strom ist ebenfalls teuer. Der Strom muss bezahlt werden, wenn er erzeugt wird, ganz gleich, ob er verbraucht wird. Bereits 2020 müssen wir damit rechnen, dass wir mehr 10% des Ökostroms zwar erzeugen, aber nicht verbrauchen. Bis 2030 wird es noch mehr sein. Die Nachbarländer werden uns den überschüssigen Strom allenfalls umsonst abnehmen. Das hilft also auch nicht weiter.
      Wie gesagt: Es wäre jetzt wichtig, zu überlegen, wie man Energie bereitstellen kann, die nicht aus Verbrennungsprozessen stammt und am richtigen Ort und zur richtigen Zeit verfügbar ist. Alles andere wird irrsinnig teuer.

      • Meines Erachtens wurde es versäumt ein Gesamtkonzept zu erstellen und so wurstelt jeder “dezentral” vor sich hin. Zudem frage ich mich, warum man beispielsweise Elektroautos steuerlich begünstigt, es jedoch nicht möglich ist den überschüssigen Strom, der durch Solar- oder Windanlagen produziert wird, für eben diese Autos zu verwenden. Wer keinen geeigneten Stellplatz mit Stromanschluss hat, der muss zu einer speziellen Tankstelle fahren und dort sein Elektroauto für längere Zeit “anhängen” – was für viele Autofahrer natürlich ein Unding ist. Dabei gäbe es bereits austauschbare Akkus, die man vielleicht sogar dort aufladen könnte, wo überschüssiger Strom produziert wird. Heutzutage fährt man doch alle möglichen Güter mit Lastwägen durch halb Deutschland, warum nicht auch aufgeladene Akkus?
        http://www.spiegel.de/auto/aktuell/better-place-schneller-akkutausch-in-fuenf-minuten-a-883105.html

        • Ja, ein Wechselakku-System für E-Mobile kann die Situation etwas entschärfen. Allerdings hat dies auf das Stromnetz in Deutschland erst dann eine merkliche Wirkung, wenn es fast nur noch E-Mobile gibt.

      • Das EU-Energieprojekt roadmap 2050, welches die EU bis 2050 zu 80% dekarbonisieren will, hat als Kernelement ein Supergrid. Ein grossräumiges Supergrid arbeitet mit Hochspannungsleichstromübertragung (HGÜ), was zu sehr geringen Verlusten selbst über mehrere tausend Kilometer führt. Die Chinesen setzen beispielsweise eine 1400 km lange HGÜ-Leitung von Yunnan nach Guangdong ein. Die Voraussetzungen für ein Supergrid auf HGÜ-Basis sind heute vorhanden (Siemens und ABB sind hier kompetent).
        Im roadmap-2050-Bericht wird an vielen Stellen darauf hingewiesen, dass jede Lösung, die auf Stromtransmission verzichtet teurer kommt als die nächstbeste Alternative – zum Teil massiv teurer . Eine Speicherung von Strom in Batterien beispielsweise ist sehr teuer und taugt nicht für den Ausgleich von saisonalen Schwankungen und Power-to-Gas ( Umwandlung von Strom zu Wasserstoff oder Erdgas) hat einen Wirkungsgrad unter 50%.

        Es gilt: Heute ist die einzige realistische Alternative zur Stromtransmission das Verwerfen von überflüssigem Strom (meist als Trennung der PV- oder Windanlage vom Netz) und zusätzlich der Rückgriff auf Backupkraftwerke im Fall von Flauten und wenig Sonne. Deutschland hat bis jetzt genau diesen Weg beschritten: Für jede Kilowattstunde Strom aus EE-Anlagen gibt es ein fossiles Schattenkraftwerk (vorwiegend Braunkohle) welches bei Bedarf einspringen kann.

        Ein Rückgriff auf fossile Backupkraftwerke bei ungenügender EE-Produktion bedeutet aber immer noch zu hohe CO2-Emissionen um die Ziele der roadmap 2050 – 100% EE-Strom und insgesamt 80% weniger CO2-Emissionen – bis ins Jahr 2050 erreichen zu können.

        Fazit: Heute gibt es keine kostengünstige Alternative zu Stromleitungen, wenn Sonne und Wind die Hauptstromproduzenten sind und tiefe CO2-Emissionen angestrebt werden.

        • Das Projekt roadmap 2050 ist spannend zu lesen, aber es stammt nicht von der EU, sondern von der European Climate Foundation (EDF), die sich als unabhängig bezeichnet. Sie scheint über einige Geldmittel zu verfügen, denn sie hat fünf Büros, die über ganz Europa verteilt sind. Woher das Geld kommt, ist auf den ersten BLick kaum festzustellen, denn die EDF gehört wiederum verschiedenen anderen Stiftungen. Damit ist kaum festzustellen, wer das Projekt finanziert hat. Das wäre aber durchaus interessant. Das Supergrid wird von verschiedenen Industriefirmen (die daran verdienen würden) und von der Solarenergielobby favorisiert, und es ist immer wieder von verschiedenen Seiten lanciert worden. Das ganz große Problem bleibt aber: Wie kann ein Nezt sicher gestalten, dass nur durch seine gigantische Größe stabil ist, weil es die enormen Lastschwankungen auf kleinerer Ebene nicht abfangen kann? Außerdem müssen mindestens 10 (oder mehr) Länder ständig mitmachen. Mir ist das ganze ausgesprochen unheimlich, zumal selbst eine vorsichtige Abschätzung Kosten von mehreren Hundert Milliarden ergibt.

          • Schon die Studie von Gregor Czisch aus den Nullerjahren diese Jahrhunderts kam zum Schluss, dass ein europaweites Supergrid die kostengünstigste Lösung in einer von Erneuerbaren Energien dominierten Energiezukunft ist, selbst wenn die Transmissionslinien 10 Mal so teuer wären wie heute (bei Erdkabeln möglich).  Heute rechnet man mit 1 Milliarde Euro für 1000km Hochspannunsleitung. Man könnte also ein globales, die ganze Erde umspannendes  Stromgrid, welches in seiner Gesamtlänge 10 Mal die Länge des Erdumfangs hat für gerade einmal 400 Milliarden Euro aufbauen. Das wären 60 Euro pro Erdenbürger oder bei Amortisation über 20 Jahre, 3Euro pro Jahr für jeden Erdenbürger. 
            Die ETH-Studie The global Grid kommt deshalb zum nicht überraschenden Schluss, zum Schluss, dass ein globales Supergrid erneuerbare Energien rund um die Uhr nutzbar machen würde (am Beispiel von Grönland im verlinkten Artikel dargestellt: Grönland könnte Windstrom sowohl nach Nordamerika als auch nach Europa übermitteln). Zu den Kosten wird in dieser Studie am Beispiel eines Nordseekabels gesagt: “The submarine power line between Norway and the Netherlands that has been in operation since 2008, recorded a return of EUR 50 million in the first two months in service – equivalent to one eighth of the capital invested.”
            Fazit: Ein Umstieg auf Strom aus nur erneuerbare Energien ist weltweit bereits mit heutiger Technologie möglich ohne dass der Strompreis teurer werden muss. Das lässt sich mit einem weltumspannenden Supergrid realisieren, welches die Kombination von besten Standorten für die EE-Kraftwerke und günstigen Preisen für Transmissionslinien ermöglicht. 

          • Ihr Optimismus in allen Ehren, aber inzwischen sind die Pläne schon weiter gediehen. Der Artikel im Tagesspiegel aus dem Jahr 2012 zeigt, dass der Ausbau allein in Deutschland mit 27-52 Milliarden Euro angesetzt wird. Ich habe für ganz Europa mal optimistisch das Fünffache kalkuliert. Nachdem bisher jedes Großprojekt bisher teurer geworden ist als geplant, scheint mir die Zahl von mehreren Hundert Milliarden durchaus realistisch.

          • @Thomas Grüter: 11. Januar 2014 11:05
            Da bringen sie etwas durcheinander. Man muss zwischen dem grobmaschigen Supergrid und den Verteilnetzen der unteren und mittleren Spannungsebenen unterscheiden. Tatsächlich wird ein viel feineres Verteilnetz als es heute existiert, sehr teuer. Ein paneuropäisches Supergrid dagegen würde solch einen gewaltigen Ausbau der unteren Spannungsebenen gar nicht nötig machen. Deutschland wäre dann vielleicht an 5 Punkten ans Supergrid angeschlossen (Süddeutschland, Norddeutschland, Mitteldeutschland der Osten, etc) und dezentrale Energieproduktion gäbe es kaum noch. Statt dessen würden die Solar- und Windfarmen an wenigen Punkten konzentriert sein und würden nach aussen wie grosse Kraftwerke erscheinen.
            Im von Ihnen zitierten Tagesspiegel-Artikel geht es aber gerade um den massiven Ausbau der mittleren und unteren Verteilnetze (Zitat)

            Es ging um den Ausbau der engmaschigeren Verteilnetze auf den unteren Spannungsebenen, die bis in jedes Wohnhaus reichen (siehe Grafik). Ihr Ausbau gilt als nötig, sollten auch weiterhin Windräder und Solaranlagen auf diesen unteren Netzebenen angeschlossen werden.

            Nur dann könnte ihr Strom auch stabil verteilt und für große Industriebetriebe nutzbar gemacht werden.
            Um die nötige Stabilität zu erreichen, wäre bis zum Jahr 2030 der Bau von 135 000 bis 193 000 Kilometern neuer Leitungen nötig. Damit könnte man die Erde am Äquator fast vier beziehungsweise fünf Mal umrunden. Zudem müssten rund 25 000 Kilometer Stromkabel umgebaut werden.

            Klar ist das teuer. Das ist eben der falsche Weg. Dezentrale Energieproduktion macht nur Sinn, wenn die lokale Energieproduktion mit dem lokalen Verbrauch zusammenfällt. Wenn aber jedes Dorf, jede Kleinstadt um den Mittag herum, wenn die Sonne voll scheint, zum Kraftwerk wird, dessen überschüssiger Strom man abführen muss, dann sind feine und mittelere Verteilnetze im Umfang non vielen tausend Kilometern nötig: Das wird zwangsläufig sehr teuer.

            Die im Tagesspiegel genannten 135 000 bis 193 000 Kilometern neuer Leitungen auf der unteren und mittleren Verteilebene sind beinahe soviel Kilometer wie ein globales Supergrid insgesamt benötigen würde. Mit anderen Worten, die obige Behauptung, dass ein globales Supergrid nur 400 Milliarden Euro kosten würde, wird in keiner Weise durch die Siutation in Deutschland widerlegt.
            Deutschland ist mit seinem Weg kostenmässig auf dem Holzweg. Da stimme ich Ihnen zu. Doch es geht auch anders.

          • Im folgenden möchte ich eine Zusammenfassung des Papiers von S.Chatzivasileiadis, D.Ernst und G.Andersson machen.
            The Global Grid

            a natural future stage of the electricity network could be a grid spanning the whole planet and connecting most of the large power plants in the world: this is the “Global Grid”. The main driving force behind the GlobalGrid will be the harvesting of remote renewable sources, and its key infrastructure element will be the high capacity long transmission lines. Wind farms and solar power plants will supply load centers with green power over long distances.

            Folgende Vorteile eines globalen Energie-Grids werden herausgestellt:
            – Ausgleich von Leistungsschwankungen erneuerbarer Energien
            – Weniger Speicherbedarf
            – Weniger Preisschwankungen
            – Erschliessen von Energiequellen aus abgelegenen Orten

            Ein globales Energienetz würde eine globalen Energiemarkt schaffen. Eine Studie dazu von Jacobson und Delucchi kommt zum Schluss, dass ein solches globales Energiesystem, welches von Wind, Wasser und Sonnenenergie gespiesen würde, technisch machbar und kosteneffektiv wäre, die eigentlichen Hindernisse für ein solches globales Energienetz sind nicht technologischer oder ökonomischer, sondern sozialer und politischer Natur.

            In der Abbildung 1 (Figure 1) des referenzierten Artikels sieht man die Topologie eines möglichen globalen Energie-Grids: Es besteht gerade einmal aus etwa 100 HGÜ-Transmissionslinien an die etwa 20 EE-Produktionsregionen angeschlossen sind. Diese versorgen die gesamte Welt mit erneuerbarer Energie. Grönlands Hydropower beispielsweise würde 800’000 Gigawattstunden pro Jahr in dieses Netz einspeisen (Grönland selbst konsumierte im Jahr 2010 nur 300 GWh). Zusätzlich könnte Grönland noch eine 3GW Offshorewindfarm anschliessen. Ein solches Netz macht es zum ersten Mal auch sinnvoll, grosse EE-Potenziale aus abgelegenen Gebieten einzubinden wo der lokale Verbrauch keine Kraftwerke rechtfertigen würde. Dazu gehört etwa Wasserkraft vom Kongo-Fluss (Inga Dam), geothermale Energie aus Island oder Windenergie aus Nordafrika.
            Und der Preis für dieses globale Grid umgeschlagen auf die Kilowattstunde? Nach dem Artikel sind es zwischen 1.6 und 2.5 Cents pro Kilowattstunde, was zwar spürbar ist, aber durch die vielen Vorteile (wie beispielsweise dem Erschliessen von kostengünstigen aber abgelegene Energiequellen) aufgewogen wird.

          • Da haben wir uns in der Tat missverstanden. Ich war jetzt von den ebenfalls vorgebrachten Plänen ausgegangen, nach denen der filigran dezentral erzeugte Strom aus Millionen Solaranlagen und Windkraftanlagen lokal, regional, national und übernational koordiniert und gebündelt werden soll. Dann wird er ebenso filigran wieder verteilt. Dazu wäre eine Internet-Steuerung nötig, die ständig Millionen von Kleinsterzeugern verrechnet, um damit das Netz stabil zu halten. Von der Durchführbarkeit abgesehen, wäre das in der Tat unbezahlbar.

            Ein globales Grid, bei dem wir den Strom aus Grönland und dem Kongo erhalten, wäre sicherlich eine schöne Sache. Dazu müsste die Welt grundsätzlich ein gutmütiges System sein, in dem eine längerfristige ungestörte internationale Zusammenarbeit wahrscheinlich ist. Irgendwie mag ich daran aber nicht glauben. Längerfritig gesehen könnte das kommen, aber wenn ich mich jetzt in der Welt umsehe, möchte ich mich darauf lieber nicht verlassen.

          • Für globale Lösungen, ja sogar gesamteuropäische Lösungen im Energiebereich fehlen tatsächlich wichige Voraussetzungen, da ich stimme ich Ihnen bei folgendem zu:

            Dazu müsste die Welt grundsätzlich ein gutmütiges System sein, in dem eine längerfristige ungestörte internationale Zusammenarbeit wahrscheinlich ist. Irgendwie mag ich daran aber nicht glauben.

            Das gilt leider für fast alle globalen Probleme. Auch für das Klimaproblem.

  2. Schön, daß einmal unaufgeregt über die vielen Probleme beim EEG berichtet wird. Ich glaube, bei vielen Linken, d. h. den Anhängern des EEGs, besteht das Problem, daß sie unter einer sehr verzerrten Wahrnehmung leiden. Sie sind absolut davon überzeugt, daß diese Energiewende eine gute Idee ist. Alle Probleme werden ignoriert oder den bösen “Energie-Dinosauriern” angelastet. Das hat schon etwas arg dogmatisches. So etwas ist sehr gefährlich.

    Vielleicht hätte man in dem Artikel auch noch erwähnen können, daß das EEG per Definition gar keinen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes leisten kann. Der CO2-Ausstoß ist schließlich in der EU gedeckelt. Reduzierung in der deutschen Stromerzeugung führen dann lediglich dazu, daß der Preis für CO2-Ausstoß-Rechte sinkt und anderswo mehr ausgestoßen wird.

  3. Manchem kann ich zustimmen, anderes würd ich deutlich anders einschätzen.
    Nur ein paar Gedanken zum geschriebenen:
    * Stromspeicher sind eine Option, Last und Produktion in Einklang zu bringen, aber nicht die einzige. Vermutlich günstiger ist es, zunächst stärker auf Demand Side Management zu setzen. Das passiert bisher leider nur in sehr geringem Umfang. Konkret könnte das etwa heißen: Eine Fabrik, die viel Strom verbraucht, schaltet ihre Anlagen bei Stromknappheit ab und bekommt dafür eine Prämie. Viele Produktionsstätten sind dazu in der Lage oder ließen sich – Anreize vorausgesetzt – umrüsten. Ja, umsonst ist das auch nicht, aber vermutlich in vielen Fällen günstiger. Außerdem gibt es ja auch EE-Anlagen, die man flexibilisieren kann, etwa Biogasanlagen oder Wasserkraft (wobei Biogasanlagen nur so ökologisch sind wie die Rohstoffe die reinwandern, aber das ist ein anderes Thema). Passiert leider bisher nur wenig. Das wird alles nicht reichen, aber es stört mich an der Debatte, wenn Reservekraftwerke oder Speicher als einzige Möglichkeit dargestellt werden, mit dem Problem umzugehen.
    * Solar in 20 Jahren und Kosten: Was man aber dabei nicht vergessen sollte ist dass Solaranlagen schon heute spottbillig sind im vergleich zu vor wenigen Jahren. Die Preiskurve wird sicher nicht im selben Tempo nach unten gehen, aber nach wie vor ist davon auszugehen dass Solaranlagen noch günstiger werden. Die Reinvestitionen, 2025 eine Solaranlagen von 2005 zu ersetzen, werden nur einen Bruchteil des ursprünglichen Preises betragen.
    * Zuletzt das beliebte Argument “Was wir in Deutschland machen ist ja nur ein soo kleiner Baustein”. Das ist denke ich viel zu kurz gedacht. Schon jetzt hat die deutsche Energiewende indirekt zu einem Boom der EE-Industrie auch in China geführt. Und China fängt inzwischen in richtig großem Maßstab an, diese Kapazitäten auch zu nutzen und selbst EEs aufzubauen. Was gern übersehen wird: Die Energiewende führt ja nicht nur dazu, dass wir hier EE-Anlagen haben, die Strom produzieren, sondern sie hat zu einer – in dieser Geschwindigkeit von niemandem prognostizierten – Preisentwicklung geführt. Wind- und Solarenergie sind heute viel günstiger und werden damit auch für mehr Länder interessant. Das war aber nur möglich, weil einige Länder vorangegangen sind und mit dem Ausbau von EEs angefangen haben.

    • Biogasanlagen sind grundlastfähig und könnten das Biogas auch speichern, um die Leistung anzupassen. Dafür müssten aber Speicher gebaut werden und größere Dynamos angeschafft werden. Dafür müsste wiederum die Förderung erhöht werden, und nicht zuletzt der Anbau von Biomasse vergrößert. Wir haben aber jetzt schon das Problem der gigantischen Monokulturen von Mais und Raps. Wasserkraft reicht ebenfalls nicht im entferntesten aus. Es hilft alles nichts: Speichern im großen Maßstab kostet Hunderte von Milliarden.
      Sicher boomt in China die Photovoltaik-Industrie. Derzeit leidet sie aber unter gewaltigen Überkapazitäten, weil sie die Anlagen nicht einmal zu den Herstellungskosten verkaufen kann. Selbst zu den jetzigen, stark gesunkenen Preisen sind die Anlagen nicht wettbewerbsfähig. Von einem selbsttragenden Boom sind wir immer noch weit entfernt.
      Die Reinvestition nach Ablauf der Förderung wird nur kommen, wenn es absehbar ist, dass sie sich lohnt. Dazu müssten aber Abnahmegarantien gegeben werden. Dann wiederum würde der Solarstrom kaum billiger sein können als anderer Strom, jedenfalls nicht “unvergleichlich billig”, wie manchmal behauptet wird.

  4. @ Hanno: Nur kurz zu Deinen ersten Ideen:

    Eine Fabrik, die viel Strom verbraucht, schaltet ihre Anlagen bei Stromknappheit ab

    und wird dadurch unrentabler. Aus ökonomischen Gründen ist es immer sinnvoll, Anlagen möglichst durchgängig zu betreiben.

    und bekommt dafür eine Prämie

    von wem? Vielleicht vom Staat?

    EE-Anlagen, die man flexibilisieren kann, etwa Biogasanlagen oder Wasserkraft

    Welchen Anreiz hätte ein Betreiber einer Wasserkraftanlage, keinen Strom zu erzeugen? Er spart ja dadurch nichts (das Wasser fließt in der Zeit trotzdem weiter). Wenn es gerecht zugehen würde, müsste er den Verdienstausfall von den Betreibern der Windkraftanlagen bekommen, deren Unstetigkeit er ausgleicht. Das würde eine Art völlig andere EEG-Umlage bedeutet, bei denen Betreiber von unstetigen Kraftwerken andere für den Ausgleich der Stromlücken bezahlen,

  5. Speicherung in Wasserstoff oder Biomasse (Algen etwa) wären eine Alternative. Die aber natürlich auch wieder extra Infrastruktur erfordert.

    Neuerdings liesst man öfter was über Batterien für den Keller…was man aber nicht überbewerten sollte. Batterien als Energiespeicher sind zwar überall standart, aber (noch) nicht für große Leistungen – leider.

    Freilich ist die “Energiewende” eine groß angelegte Generalprobe in der Wirklichkeit. Und sicher hat man am Beginn derer tatsächlich nicht groß genug gedacht, sodass jetzt wieder alles auf den Kostenfaktor ankommt, den es gilt zu organisieren – weil die Fördersysteme hier an ihre Grenze des Sinns stoßen. Liegt aber tatsählich daran, dass gewisse Goldgräberstimmungen die bisher wenig konkretisierte Zielsetzung eines sinnvollen Energiemixes eher verdrängten, anstatt dabei darüber nachzudenken.

    Neue Technologien sind derzeit kaum in reichhweite – leider.

    Die Strategien auf Europa auszuweiten, würde jetzt fast wie eine Bekehrungsaktion aussehen. Das ist nicht nötig, sich zu bemühen. Die Struktur muß auch national funktional sein – es würde sich kein jetziges Problem lösen, wenn man ganz Europa einbezieht.

    Angesichts ist ein Atomausstieg irgentwie auch “blöd”. Das hat ich auch schon deutlicher als ein Fake herrausgestellt. Auch in Schweden – wo der schon vor dreißig Jahren beschlossen wurde und immer noch nicht vollendet ist – und es auch gar nicht danach aussieht, dass es konkrete Bemühungen gibt. Da darf ich mir dann in 20 Jahren spätestens recht geben, dass hier Politik zuweilen (?) nur Seelenbalsam für Reizthemen sind – oder Übersprungverhalten, dass man sich noch mal überlegt.

    zum Thema Gaskraftwerke für Verbrauchsspitzen, die im Bereitschaftsmodus laufen müssten, gibt es Abhilfe. Nämlich die Anlagen an ohnehin laufende Kraftwerke parallel an zu schliessen (Wasserseitig). So wird eine Aufheizphase verringert oder vermieden werden können.

    Auch für andere robleme gibt es sicher eine Lösung. Und sicher wird die Geld kosten – das tut Infrastruktur immer – und nicht wenig.

    Das Stromrezeugung nur etwa 20 % Anteil am Verbrauch von Primärenergieträger einnimmt, ist natürlich wichtig zu wissen. Aber man kann eben noch viel mehr kombinieren – theoretisch. Es wird immer Wärme produziert, wenn irgenwo was verbrannt wird.
    Und je Leistungsfähiger elektrische Verbraucher sind, desto mehr Wärme produzieren auch sie. So ist zum Beispiel eine moderne CPU im ungünstigsten Fall in der Wärmeabgabe um zig Faktoren Leistungsfähiger, als eine Kochplatte – rechnete man die Die-Fläche auf die Kochfeldfläche hoch oder umgekehrt. Das ist eigentlich unglaublich. Aber man kann ein Zimmer allein durch einen laufenden PC heizen – wenn man ungünstige (Rechen)Leistungskonfigurationen ausgewählt hat.
    In Nordschweden wurde ein Rechenzentrum gebaut und durch das örtliche Klima teurer Klimatisierungdbetrieb eingespart. Neulich gabs neben den Skandalschlagzeilen auch eine Meldung, dass das NSA Rechenzentrum Wasserkühlung auf den Recheneinheiten besitzt, womit ein großer Kühlkreislauf mit Warmwasserreserven entsteht.

    Anstatt Photovoltaik macht es auch Sinn, sie in Kombination mit Wärmekollektoren zu installieren – das nur in der Nähe kombinierbarer Heizsysteme.

    Apropos politisches Wunschkonzert:

    Alles, was politisch formuliert ist, ist soetwas, wie ein Wunsch. Das ist Aufgabe und Sinn von Politik, Wünsche, Bedürfnisse und sonstwas in der Tagesordnung zu verhandeln. Es ist Zeichen von Kultureller Aktivität und Lebhaftigkeit, dass politisch verhandelt wird – sonst bräuchte man keinen Politikbetrieb, da alles Alternativlos sei und aus sich selbst herraus ergäbe.

    • Politik als Wunschkonzert: Es geht um Wunschdenken, also um das Ausblenden eventueller Gegenargumente und das Ignorieren von Hindernissen. Politik darf wünschen, aber sie muss realistisch bleiben. Andernfalls steht sie irgendwann vor den Trümmern ihrer Wünsche.

  6. “Nicht zu Ende gedacht” … sehr treffend und wie es scheint, in vielen Bereichen. Und wenn meine Einschätzungen richtig liegen, dann werden die Stromkosten noch das geringste Übel bleiben :-(.

    Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit systemischen Risiken und strategischen Schocks und habe mich dabei sehr intensiv mit dem europäischen Stromversorgungssystem auseinandergesetzt und daher auch die österreichische Initiative “Plötzlich Blackout!” ins Leben gerufen (www.ploetzlichblackout.at). Denn hier sind wir wohl schon einen wesentlichen Schritt weiter, als im Cyber-Raum. Wir sollten uns auf ein jederzeit mögliches europäisches Blackout mit kaum absehbaren Folgen einstellen. Obwohl die E-Wirtschaft mittlerweile auch nur mehr von einem “wann” und nicht mehr von einem “ob” spricht, werden diese Aussagen allzu schnell als Eigeninteresse abgetan und man geht wieder zur gewohnten Truthahn-Illusion über.

    Super-Grid, Smart Grid … viele Wunschvorstellungen die wesentliche Erkenntnisse aus der Systemtheorie bzw. aus der Natur missachten. Thomas Grüter hat das eh auch oben richtig angesprochen.
    “Small is beautiful” hat sich in der Natur bewährt und wird wohl auch für uns noch ein wichtiger Maßstab werden. Wir haben in den letzten 2 Jahrzehnten viele komplexe miteinander verbundene Systeme geschaffen – fällt irgendwo ein größerer Dominostein um, dann wird es ziemlich ungemütlich. Es ist wohl nur die Frage, in welchem System das zuerst passieren wird. Ob im Finanzsystem, im europäischen Stromversorgungssystem oder doch im Internet? Die Folgen werden nicht begrenzt bleiben. Es gibt eine Menge Grauer und wohl auch Schwarzer Schwäne in unserer hoch vernetzten Welt. Das Schlimme ist, dass es nur wenige Menschen gibt, denen diese Tragweite bewusst ist.

    Es ist aber nicht alles aussichtslos! Wenn wir ein paar fundamentale Regeln aus der Natur beachten, gibt es auch Lösungswege. Dazu gehört eine deutliche Energiebedarfssenkung (Reduktion der Abhängigkeiten!), Denzentralität und Reichweitenbegrenzung (nicht nur in der Erzeugung!) sowie Fehlerfreundlichkeit in Systemen.
    Dazu müssen wir aber unser linear/mechanistisches Denken auf ein vernetztes, ganzheitliches Denken umstellen … und naja, dazu müssten wir bald in unserer Bildungslandschaft etwas ändern … hier bilden wir noch immer für die Industriegesellschaft brave folgsame Arbeiter aus …

  7. Wie sehen sie denn die weitere Entwicklung Herr Grüter? Macht Deutschland trotz Kostensteigerungen (über alle Politikerprognosen hinaus) und trotz des Verfehlens der CO2-Ziele unbeirrt weiter? Oder gibt es einen Systemwechsel, beispielsweise hin zu einem Quotenmodell oder hin zu einer energetischen Planwirtschaft? Oder verabschiedet sich eine zukünftige Regierung gar von der Energiewende?

    Selber halte ich von einem Alleingang Deutschlands nicht viel. Die EU müsste eine realistische Entwicklungsperspektive für Klima- und Energiepolitik anbieten (dafür ist sie aber zu schwach), denn wenn die Dekarbonisierung aus Klimaschutzgründen das Ziel ist, dann zählt Europa, nicht Deutschland. Ob Deutschland mit seiner Energiewende ein Vorreiter und ein Modell für andere Länder sein kann oder gar schon ist, wie man immer wieder hört, zeigt sich nicht an seinen selbstgesteckten EE-Zielen und an seinem energiepolitischen Aktivismus , sondern letzlich am Resultat. Ein Scheitern Deutschlands an der Energiewende könnte aus dem Modell Energiewende ein weithin wahrgenommenes Fanal des Scheiterns machen.

    • Manchmal möchte man wirklich einen kurzen Blick in die Zukunft werfen. Leider kann ich das auch nicht. Zumindest lässt sich sagen, dass eine weitere Verteuerung der elektrischen Energie bei Verfehlen der Klimaziele nicht lange weitergehen kann. Bisher hat außerdem das EEG sein Ziel verfehlt, die erneuerbaren Energien so weit zu fördern, dass sie am Markt auch ohne Förderung bestehen können. Etwa 2020 fallen die ersten Anlagen aus der Förderung, dann werden wir eine ständige Erosion des Bestands der EE-Anlagen sehen. Bei etwaa 50% EE-Anlagen wird es immer schwieriger werden, den Bestand zu halten oder gar auszubauen. Dann wird man die Förderung wieder aufgestocken müssen, wenn man das Konzept wirklich halten will.
      Einiges hängt auch davon ab, ob die Kernkraftwerke der 4. Generation funktionieren werden (im Wiki der Piratenpartei findet sich eine von der AG Nuklearia geschriebene, sehr informative Zusammenfassung der Technologien). Vielleicht schafft es ja auch Lockheed Martin, den für 2017 angekündigten Fusionsreaktor tatsächlich zu bauen. Damit würden sich die Rahmenbedingungen so deutlich ändern, dass die Energiewende neu gedacht werden müsste.

  8. Guter Artikel mit einigen treffenden Gedanken, es ist eine nüchterne Zwischenbilanz:

    “Politik als Wunschkonzert: Es geht um Wunschdenken, also um das Ausblenden eventueller Gegenargumente und das Ignorieren von Hindernissen. Politik darf wünschen, aber sie muss realistisch bleiben. Andernfalls steht sie irgendwann vor den Trümmern ihrer Wünsche.”,

    Der Diagnose “Wunschdenken als gefährliche Wahrnehmungsstörung in der Politik.” stimme ich voll zu. Dieses Wunschdenken hat sich leider auch auf andere Politikfelder ausgebreitet, neben der Energiepolitik auf die Klimapolitik (CO2 = Giftgas), die Enährungspolitik (Genfood = Teufelszeug) und die Bevölkerungspolitik (Familie ist “out”, Homo “in”).

    Das wäre meiner Ansicht nach sogar Stoff für eine Studienarbeit.

    • Da muss man schon differenzieren.
      Die Harmlosigkeit von Genfood ist ebenso gut belegt, wie die üblen Konsequenzen der Endlagerung von überschüssigem CO2 in der Athmosphäre. Beides wollen Viele nicht wahr haben, das ist bekannt. Es sind aber weniger die jeweiligen Experten, sondern weitgehend disjunkte Mengen von “Skeptikern”.

  9. “Das Projekt roadmap 2050 ist spannend zu lesen, aber es stammt nicht von der EU, sondern von der European Climate Foundation (EDF), die sich als unabhängig bezeichnet.”

    Alles andere hätte mich angesichts der politischen Entscheidungsfindungen in Deutschland und Europa auch positiv überrascht.
    Hier gilt es eine langfristig greifendes Konzept umzusetzen, verbunden mit Paradigmenwechseln und Investitionen, welche erst nach zig Legislaturperioden greifen. Obendrein müssen in Europa die Interessen vieler Länder unter einen Hut gebracht werden.
    Möglicherweise ist China aufgrund seiner Größe und der zentraleren politischen Strukturen hier im Vorteil.

    “Das Supergrid wird von verschiedenen Industriefirmen (die daran verdienen würden) und von der Solarenergielobby favorisiert, und es ist immer wieder von verschiedenen Seiten lanciert worden. ”

    Vielleicht sollte das tatsächlich der europäische Weg sein. Der Staat schafft günstige gesetzliche Rahmenbedingungen, damit die Energieversorgung sich nach marktwirtschaftlichen Gesetzen selber finanzieren kann.
    Was passiert, wenn man großzügig Subventionen (Steuergelder) gemäß realitätsfernem Wunschdenken verteilt werden beschreiben Sie, Herr Grüter hier ja sehr treffend.

  10. Der in Deutschland eingeschlagene Weg hin zu mehr erneuerbarer Energie ist tatsächlich riskant und merkwürdig planlos und “wild”. Es fehlte – und fehlt weiterhin – die Orientierung an einem nach heutigem Wissen funktionierenden neuen Sollzustand, einem Energiesystem, welches mehr ist als eine Sammlung von Komponenten. Denn dezentral Solarpanel montieren und Windräder aufstellen wäre nur dann bereits die Lösung, wenn diese dezentral erzeugte Energie auch lokal genutzt würde und lokal genügen würde. Muss ein Netz aber weiterhin bei Flaute oder wenig Sonne einspringen und müssen Produktionsüberschüsse abgeführt werden, braucht es auch einen kompletten Netzum- und ausbau und Erzeugungsspitzen müssen sogar über die Landesgrenze hinweg abgeführt werden. Die Speicherung von Strom ist heute für Deutschland keine Lösung, denn Deutschland verfügt kaum über Speicherseen und andere Alternativen der Stromspeicherung wie die Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder Methan sind schlicht zu teuer, weil mit zuvielen Verlusten verbunden.
    Mit heutiger Technologie können erneuerbare Energien nur mit einem grossräumigen Stromnetz und mit der Plazierung von Solaranlagen und Windfarmen an optimalen Standorten kostengünstig und zuverlässig Strom liefern. Ein solcher mit EE versorgter Grossraum müsste die ganze EU umfassen.
    Die in Deutschland gewählte dezentrale Energieerzeugung mit Solarpanels auf jedem Hausdach ist heute noch nicht kostengünstig betreibbar. Voraussetzung für eine solche dezentrale Stromproduktion wären kostengünstige lokale Stromspeicher zum Beispiel in Form von billigen Batterien. Solche billigen Batterien hoher Kapazität und langer Lebensdauer gibt es aber heute noch nicht. Vielmehr handelt es sich hier um ein aktuelles Forschungsgebiet. Gut möglich, dass es in 20 Jahren kostengünstige lokale Stromspeicher gibt. Nur ist das für Deutschland zu spät.

    Erneuerbare Energien können in Zukunft durchaus die dominante Energiequelle sein. Gibt es aber keinen technologischen Durchbruch, der uns kostengünstige Stromspeicher schenkt, ist das nur mit grossräumigen Energienetzen möglich. Damit wäre auch die gegenseitige Abhängigkeit der an einem solchen Netz beteiligten Länder sehr hoch. Politisch ist eine solche Energiesituation heute noch kaum denkbar, denn bis heute gibt es ein starkes Bestreben von Ländern in ihrer Energieversorgung vom Ausland unabhängig zu sein.

  11. Die EEG-Umlage wird wohl in den nächsten Jahren nur noch wenig steigen, denn mit 6.2 Eurocents im Jahre 2014 ist sie bereits nahe an den Fördersätzen für Windturbinen und die neue Bundesregierung will den Zuwachs an Photovoltaik nach oben deckeln.

    Die eigentliche Herausforderung besteht in Zukunft darin den weitersteigendem Anteil von erneuerbaren Energien auch nutzen zu können. Überschüsse mit Leitungen abführen oder speichern ist nicht gratis. Die Überschüsse werden temporär auch grösser mit einem weitersteigenden Anteil von EE und die Zeitperioden in denen es noch konventionelle Kraftwerke braucht werden kürzer womit sich deren Auslastung und damit Rentabilität verschlechtert – ausser sie exportieren ihren Strom ins Ausland.
    Will die neue Bundesregierung die Kosten nach oben deckeln wird sie deshalb nach den kostengünstigsten Lösungen suchen müssen. Damit wird sie wohl auch an der Dominanz von Braunkohle für die Grundlast festhalten was in der Konsequenz dazu führt, dass die CO2-Emissionen in den nächsten Jahren nur wenig sinken werden. Allerdings muss man hier berücksichtigen, dass grössere Umstellungen im Energiebereich nicht in Jahren sondern nur in Jahrzehnten möglich sind. Auf längere Zeiträume hin wird eine engere Abstimmung mit dem europäischen Ausland Deutschlands wichtig werden.

  12. Freedom has no price
    Die obige Aussage aus einem Zitat „Das EEG wurde vermutlich von niemandem zu Ende gedacht und zu Ende gerechnet“ stimmt wohl nur teilwiese, denn es gibt viele übergreifende Studien den Umbau des gesamten Energiesystems betreffend. Und diese kommen, auch wenn sie für EE sind, immer zum Ergebnis, dass der Umbau äusserst schwierig und langwierig ist. Was aber sicher stimmt: Wunschvorstellungen obsiegten schliesslich. Der Artikel 50 shades of green: what determines our electricity future? im ETH-Futureblog bringt das zugrundeliegende weltanschauliche Problem gut zum Ausdruck. Der Autor Johan Lilliestam berichtet dort über eine Diskussion mit Hermann Scheer über das Thema Supergrid versus Dezentrale Erneuerbare . Zitat:

    A few years back, I was staged in a podium discussion against Hermann Scheer, the guru of decentralised energy in Germany. I thought I was very clever when I presented some rough calculations about why his decentralised idea was way too expensive to be realistic. His reply to my numbers: “freedom has no price”. It goes without saying that I lost the debate.

    Wenn ich die Leserkommentare zu Problemen der Energiewende im SPON und anderswo lese, dann finde ich immer wieder eine krasse Zweiteilung der Einstellungen. Diejenigen, die an dezentrale Erneuerbare glauben, lassen sich durch nichts, durch keine Zahlen, Projektionen oder Preisentwicklungen von ihrer Meinung abbringen. Für sie ist das eine Glaubensfrage wo es um das Gute (EE) versus das Böse (Atomkraft) geht und solche Fragen lassen sich ja nicht mit dem Verweis auf ein Preisschild lösen. Aber auch die Gegner der Energiewende und ihrer Auswirkungen reagieren in der Mehrzahl äusserst emotional. Mit andern Worten: Wir befinden uns mitten in einem veritablen Glaubenskrieg. Auch viele Wissenschaftler haben vor diesem Krieg kapituliert oder haben sich in eines der Lager begeben. So schreibt Johan Lilliestam am Schluss:

    In its core, a useful energy debate is not about which cost assumptions are “correct” or whether a particular scenario is “realistic” (as this – sic! – depends on the perspective), but about values and worldviews. The choice is about the future we want, and not what it costs to get it.

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  14. Deutschland’s Energiewende (AKW durch Erneuerbare ersetzen) ist inzwischen alternativlos geworden, denn politisch/moralisch wurde sehr viel in diesen Weg investiert und eine Rückkehr zur Atomkraft ist allein schon deshalb nicht möglich, weil finanziell kaum noch in diese Technologie investiert wird und die Forschung ruht.
    Kann Deutschland mit seiner Erneuerbaren-Strategie bis 2050 Strom ohne Rückgriff auf Kohle rein erneuerbar erzeugen? Ja, aber es wird teuer. Der Weg führt über die Verwertung des mit steigendem EE- Strom-Anzeils immer häufiger anfallenden Überschussstroms. Wenn dieser Überschussstroms nichts kostet lohnt sich dessen Speicherung in Batterien und seine Umwandlung zu Wasserstoff und Erdgas und Erdgas. Womit dann die von Thomas Grüter erwähnten 40 TWH-Stromspeicher aufgebaut werden können um in Zukunft Deutschland allein durch Erneuerbare und gespeicherten Strom zu versorgen . Damit dies funktioniert muss Deutschland seine Erdgasspeicher ausbauen und Erdgaslrafzwerke bauen, die meistens stillstehen und nur gerade die länger anhaltenden Stromlücken überbrücken für die Batterien nicht ausreichen. Es muss nur noch ein Weg gefunden werden um das zu finanzieren. Für D ist diese Finanzierung aber möglich, weil die Ausgaben an Energie in D prozentual am Gesamthaushalt gering sind. Ganz anders sieht es für Länder wie Indien aus. Für diese Länder sind erneuerbare Gesamtlösungen zu teuer.

    • AKWs könnten unabhängig vom bundesdeutschen Forschungsstand jederzeit bundesdeutsch im Rudel aufgebaut werden.
      Allerdings entspräche derartiger Entscheid offenkundig zurzeit nicht mehr dem politischen Stand, wie auch von Mme Merkel vorgegeben.
      Der Schreiber dieser Zeilen sieht hier – fazitär-, Sie haben es ohnehin mit Faziten, werter Herr Holzherr, gell?!, eher einen Zivilisationsabbau, den sich ein Staat wie die BRD, ohne globalen Nutzen zu bringen, leisten kann, aber vielleicht auch nicht.

      Dieser muss nicht einmal gut gemeint sein.

      MFG
      Dr. W

    • Übrigens: Es bräuchte 1 Milliarde Elektrofahrzeugbatterien um den für reinen EE-Strom nötigen Speicher von 40 Terawattstunden bereitzustellen (bei dieser Rechnung gehe ich von einem reinen E-Mobil mit einer Batterie von 40 Kilowattstunden aus). diese Rechnung zeigt deutlich, dass Batterien nur schon aus Kapazitätsgründen nur als Kurzfristspeicher in Frage kommen. sie können vielleicht einen Tag überbrücken, was genügt um die täglichen Schwankungen der Stromeinspeisung durch Solarpanel auszugleichen.
      Die heute in Deutschland verfügbaren Erdgasspeicher würden aber ausreichen um damit 40 Terawattstunden verstrombares Erdgas zu speichern. Allerdings sind die Speicher heute für Heizzwecke vorgesehen. Ein Ausbau der Speicher ist aber wohl möglich- Das teuerste am Speichern von Strom in Form von Erdgas wären wohl die dafür nätigen Erdgaskraftwerke. Diese wären nämlich nur für den Notfall da und würden meistens stillstehen. Eine Alternative wäre ein Europa überschreitendes Supergrid, welches den Strom jederzeit von den gerade aktiven Stromproduzenten zu den Hotspots des Verbrauchs bringen könnte. Solch ein Supergrid ist aber verwundbar (Kriege, Streiks, Sabotage) und zwar vor allem, weil es Europas Grenzen überschreiten müsste, denn innerhalb Europas kann es passieren, dass überall gleichzeitig Nacht ist und überall gleichzeitig eine Windflaute herrscht.

  15. Das andere Wunschdenken…

    Ich sehe die Argumentationsketten und sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Strategie zur Umsetzung der Energiewende haben mit vielen Ihrer Argumente recht. Leider besteht keine Einigkeit im angestrebten Ziel und im Zeithorizont. Je nach Auslegung der beiden Faktoren gewinnen die Argmente der jeweiligen Seite an Gewicht.

    Die aktuelle Situation:
    – die Energieversorgungsinfrastruktur ist auf stetige und zentrale Erzeugung von Strom ausgelegt
    – die Erzeugung der bisherigen Energieträger erfolgte bereits vor vielen mio. Jahren (aus Biomasse)
    – für erneuerbare Energien muss neue Infrastruktur gebaut werden (kostet Geld)
    – die Speicherung muss weiterentwickelt werden (kostet Geld, zahlreiche gute Ansätze vorhanden)
    – die Speicherung muss vermieden werden (-> Energie mgl. Verwenden wenn sie produziert wird)
    -> Konventionelle Stromversorgung ist momentan eindeutig billiger, da sie auf bestehende Infrastrukturen zurückgreifen – danke an unsere Vorfahren für diese unglaublich weise Investition.
    – nukleare Stromerzeugung führt zu Lasten, die später und lang anhaltend immense Kosten erzeugen werden. Es besteht keine Kostenwahrheit.

    Was die Zukunft bringen wird:
    – die Nachfrage nach Energie wird steigen
    – fossile Biomasse wird knapp, ihr Preis wird steigen, nach Marktgesetzen exponentiell über die Zeit
    – Deutschland/Europa muss einen Großteil seiner Wirtschaftsleistung für Energie-Import aufbringen
    – wirtschaftlich wird es den Ländern gut gehen, die reich an entsprechenden Bodenschätzen sind ODER, die nicht auf diese angewiesen sind.

    Was es zu beachten gilt:
    – wirtschaftliche Unternehmen werden keine Technologien entwickeln, für die keine erkennbare Nachfrage besteht
    – das Land, welches über das Know-How einer Technologie verfügt wird wirtschaftliche Vorteile haben,sobald der Bedarf steigt
    – das Freisetzen aller in fossiler Biomasse gelagerten Treibhausgase wird zu einem Klima führen, welches mit den Anfangstagen der Erde vergleichbar sein könnte. Es sollte nicht riskiert werden.

    Die Rolle der Zeit:
    Wenn wir den Zeithorizont kurz stecken, so ist die Nutzung der bestehenden Technologien und Infrastruktur der fossilen Energieträger billiger. Es wäre aber sehr wünschenswert, wenn fachliche,seriöse Betrachtungen von der eigenen Person entkoppelt werden, d.h. der Zeithorizont für Betrachtungen sollte so gewählt werden, dass das befürchtete Ereignis (Erschöpfung fossiler Biomasse oder potentielle unbewohnbarkeit des Planeten) mit eingeschlossen wird. Nur so wird sichergestellt, dass subjektive Gefühle wie Egoismus außen vor bleiben.

    Meine persönliche Schlussolgerung:
    Das Ende der fossilen Biomasse ist real. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien ist notwendig. Je früher mit dem Umbau der bestehenden Infrastruktur begonnen wird, desto grösser ist der Zeitraum, auf den sich die Investitionen verteilen und der Zeitraum, um auftretende technologische Probleme zu lösen. Der Zeitpunkt des Beginns des Kampfes um die letzten Reste (exponentiell steigende Preise für fossile Biomasse) ist schwer vorherzusehen. Sobald der Kampf begonnen hat wird das Geld für notwendige Massnahmen der Umstellung fehlen.
    Die Strategie der Bundesregierung ist eine Forcierung dieser Umstellung durch das künstliche Erzeugen von Marktvorteilen und Nachfrage. Diese Strategie führt zwangsläufig zu zusätzlichen Kosten. Sie sichert aber die zukünftige Energieversorgung und verschafft uns Zeit zum Agieren.

    Selbstverständlich ist es unrealistisch, innerhalb weniger Jahre auf 100% erneuerbare Energie umzustellen. Wenn wir aber den Beginn der Umstellung auf später vertagen, ohne in die Technologien zu investieren, dann wird es trotzdem nicht innerhalb weniger Jahre gelingen, nur haben wir dann keine Whal mehr, denn fossile Brennstoffe können wir uns nicht herbeizaubern, egal wie sehr wir es uns wünschen.

    Viele werden jetzt sagen, dass wir mit der Umstellung noch warten sollen, bis die Technologie soweit ist. Henry Ford hätte mit seinenersten Auto auch noch warten können, bis es so effizient und komfortabel ist, wie heutige Autos. Doch wäre er daran zu Grunde gegangen. Die beste Entwicklungshilfe für Technologien ist eben, auf sie zu vertrauen und sie einzusetzen, obwohl sie noch nicht perfekt ist.