Wie wurden 200 aktive Schwarze Löcher im jungen Universum gefunden?

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Spurensuche im jungen Universum
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In den vergangenen Wochen berichteten verschiedene Zeitungen sowohl in Deutschland (z. B.: Wissenschafts-Online; FAZ; Die Welt) als auch im Ausland von der Entdeckung von etwa 200  aktiven Schwarzen Löchern. Diese Schwarzen Löcher wurden in massereichen Galaxien mit intensiver Sternentstehung, die ihr Licht vor 9 – 11 Milliarden Jahr  ausstrahlten, von einem Forschungsteam um den italienischen Astrophysiker Emanuele Daddi vom Commissariat à l’Energie Atomique, in Saclay bei Paris,  mit Hilfe der Forschungssatelliten Spitzer (Infrarot)  und Chandra (Röntgen) gefunden. In den Meldungen konnte man lesen, dass diese Schwarzen Löcher in Galaxien mit einem Überschuss an Infrarotstrahlung entdeckt worden sind.

Aber wie konnten die Forscher diese Objekte überhaupt finden, da ja Schwarze Löcher nicht selber elektromagnetische Strahlung emittieren? Und wie konnten sie nachweisen, dass dieser Überschuss an Infrarotstrahlung sich durch die Existenz von aktiven Schwarzen Löchern in ihren Zentren  erklären lässt? Das internationale Forschungsteam wählte etwa 200 massereichen Galaxien, die sich durch aktive Sternenstehung auszeichnen, aus. Diese ausgewählten Galaxien haben  Sternentstehungsraten bis zu einigen hundert Sonnenmassen pro Jahr; im Vergleich dazu entsteht in unserer Milchstraße etwa eine Sonnenmasse pro Jahr. Deren  Sternentstehungsrate schätzte das Forschungsteam mit voneinander unabhängigen, verschiedenen Methoden ab. Dabei stellten sie fest, dass alle  Abschätzungen – außer einer! – miteinander konsistente Sternentstehungsrate innerhalb der Fehler ergaben. Die Wissenschaftler nutzten Beobachtungen bei 24 Mikrometern mit der MIPS Kamera an Bord des Infrarotsatelliten Spitzer und schätzten eine wesentlich höhere Sternentstehungsraten im Vergleich zu all den anderen Methoden ab. Dies interpretierten Emanuele Daddi und sein Team als mögliches Indiz für die Existenz von „versteckten“ Schwarzen Löchern in diesen massereichen Galaxien mit intensiver Sternentstehung. 

In der Umgebung eines Schwarzen Loches befinden sich Sterne, Gas und Staub. Die in ein Schwarzes Loch einfallende Materie erhitzt sich durch die Akkretion (→Reibungsenergie) und gibt elektromagnetische Strahlung ab. Der Staub wird durch UV-Strahlung erhitzt und strahlt im Infraroten seine Wärmeenergie ab. Im Röntgenbereich wird auch ein Teil der freigesetzten Reibungsenergie der einfallenden Materie abgestrahlt, die aufgrund ihrer für Schwarze Löcher typischen Charakteristik eindeutig dieser Objektklasse zugeordnet werden kann. Die untersuchten Galaxien mit aktiver Sternentstehung wurden aber so ausgesucht, dass in den individuellen Objekten keine Röntgenstrahlung zu detektieren ist. Die vermuteten Schwarzen Löcher sind demzufolge stark von Staub, der die Röntgenstrahlung vollständig  absorbiert, eingehüllt.

Wie konnten nun die Astrophysiker trotzdem zeigen, dass die beobachtenden Galaxien stark von Staub verdunkelte (nicht gleich offensichtliche) Schwarze Löcher enthalten? Sie wendeten die so genannte „Stacking“ Technik, die  seit einigen Jahren in der Astrophysik sehr gebräuchlich ist, auf die Röntgendaten an. Die Röntgenaufnahmen des Chandra Satelliten von 59 verschiedenen Galaxien mit einem Überschuss an Infrarotstrahlung wurden auf addiert. Somit erhöht sich die Sensitivität um etwa den Faktor 8 (~√Anzahl der Objekt). Dadurch gelang es den Forschern die „verräterischen Signaturen“ für stark in Staub eingehüllte aktive Schwarze Löcher für eine Population von Galaxien mit aktiver Sternentstehung und Überschuß an Infrarotstrahlung aufzuspüren. Daraus schlossen Emanuele Daddi und seine Kollegen, dass es im jungen Universum mehrere hundert Millionen durch Staub verdunkelte aktive Schwarze Löcher in Galaxien mit aktiver Sternentstehung geben muss.

 

Bis zum nächsten Blog,

Euer Helmut Dannerbauer

 

E. Daddi, D. M. Alexander, M. Dickinson, R. Gilli, A. Renzini, D. Elbaz, A. Cimatti, R. Chary, D. Frayer, F. E. Bauer, W. N. Brandt, M. Giavalisco, N. A. Grogin, M. Huynh, J. Kurk, M. Mignoli, G. Morrison, A. Pope, S. Ravindranath (2007). Multiwavelength Study of Massive Galaxies at  ∼ 2. II. Widespread Compton‐thick Active Galactic Nuclei and the Concurrent Growth of Black Holes and Bulges The Astrophysical Journal, 670 (1), 173-189 DOI: 10.1086/521820

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Veröffentlicht von

Der promovierte Astrophysiker Helmut Dannerbauer – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg – fokussiert sich in seinem Blog auf die Erforschung von Galaxien und deren Entwicklung im jungen Universum.

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