Galaxien-Triplett in Gestalt eines Vogels

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Ein Team von Wissenschaftlern um den finnischen Astronomen Petri Väisänen entdeckte die Verschmelzung von drei Galaxien mit Hilfe von hochauflösenden Aufnahmen im optischen und nahen Infraroten.

Die Forscher verwendeten sowohl die optische Kamera ACS des Hubble Space Telescopes (HST) als auch die Nahinfrarotkamera NACO an einem der 8m Teleskope (VLT – Very Large Telescope) der ESO in Chile. Diese Aufnahmen ermöglichten es Ihnen einwandfrei drei Komponenten (Galaxien) zu identifizieren, die dabei sind zu einer großen Galaxie zu verschmelzen. Nur aufgrund von Aufnahmen mit einer Auflösung von einer Zehntel-Bogensekunde oder noch besser konnte dieses Ergebnis erzielt werden. Das sich im Orbit um die Erde befindliche HST kann diese Auflösung und noch besser erreichen. Von der Erde aus ist diese Auflösungsqualität  – aufgrund der Luftunruhe der Atmosphäre – aber nur mit speziellen Techniken möglich.

Die Luftunruhe – unter Astronomen als Seeing bekannt –  begrenzt die zu erreichende Auflösunga von  Beobachtungen von der Erde aus auf Auflösungen, die einem Spiegeldurchmesser  von nur um die 10-15 cm entsprechen. Dies nennen die Astronomen seeing-begrenzte Auflösung. Seit etwa 10 Jahren gibt es die Möglichkeit die technisch mögliche, tatsächliche Auflösung eines Teleskops – die so genannte beugungsbegrenzte Auflösung mit der Adaptiven Optik zu verwirklichen. Diese Technik stammt ursprünglich aus dem militärischen Bereich. Mit dieser Technik korrigieren die Wissenschaftler die Luftunruhe aus den Aufnahmen heraus und erreichen somit die tatsächliche  Auflösung eines Teleskops auf der Erde. Zum Beispiel im nahen Infraroten können wir Astronomen  Auflösungen von im besten Falle von einem Zehntel einer Bogensekunde erreichen. Mit dem Hubble Space Teleskop – obwohl der Spiegel ‚nur’ einen Durchmesser von 2.4m hat – erreicht man sogar eine Auflösung im optischen von 0.05 Bogensekunden.

Petri Väisänen und seine Kollegen führten Nahinfrarotbeobachtungen im Rahmen eines von der ESO bewilligten Beobachtungsantrag von der Galaxie IRAS19115-2124 (bekannt unter den Astronomen auch als ESO 593-IG008) durch. Die Daten vom Hubble Space Telescope sind aus dessen Archiv. Dies zeigt einmal mehr, dass Daten die ursprünglich für ein bestimmtes Projekt gemacht worden sind, später nach einer gewissen Wartezeit für andere Fragestellungen und Projekte von den Astronomen weltweit verwendet werden können. An dieser Stelle kann ich auch von mir sprechen und sagen, dass ich auch schon wissenschaftlich Ergebnisse basierend auf Daten von Archiven veröffentlicht habe.

Um ein umfassendes Bild von den Eigenschaften dieser Galaxie zu bekommen, verwendeten die Astronomen nicht nur Daten vom VLT und HST sondern auch von dem Infrarotobservatorium Spitzer. Des weiteren führte das internationale Wissenschaftlerteam spektroskopische Beobachtungen im Optischen mit dem neuen 11m Teleskop SALT (Southern African Large Telescope), gelegen in Südafrika, durch. Mit den Infrarot-Aufnahmen können die Astronomen die Massen, Infrarotleuchtkräften und Sternentstehungsraten von Galaxien abschätzen. Die spektroskopischen Beobachtungen waren sehr hilfreich um ein vollständiges kinematische Bild über dieses komplexe extragalaktische System zu gewinnen.

VLT-NACO Bild von IRAS19115-2124 im nahen Infraroten (K band). Die 3 miteinander verschmelzenden Galaxien sind Head (Kopf), Heart (Herz) und Body (Körper) [1].

 

In den VLT und HST Aufnahmen entdeckten die Astronomen drei größere Komponenten. Der Kopf des verschmelzenden Systems besteht aus einer irregulären Galaxie. Des weiteren identifizierten die Astronomen ein Herz und einen Körper, die aus zwei ehemaligen Spiralgalaxien bestehen. 

 

3-Farben Bild von IRAS19115-2124. Die Farbkodierung ist wie folgt: Blau=optische Aufnahme mit dem HST-ACS im blauen Licht; Grün=optische Aufnahme mit dem HST-ACS im roten Licht; Rot=Nahinfrarotaufnahme mit dem VLT-NACO [1].

 
Diese Galaxie strahlt den Großteil ihrer Energie im Infraroten ab. Deshalb nennen wir Astronomen diesen Galaxientyp Infrarotgalaxie. Diese Galaxie hat eine Leuchtkraft von fast 1000 Milliarden Sonnen. Die Astronomen bezeichnen Galaxien mit dieser Leuchtkaft deshalb Leuchtkräftige Infrarotgalaxie. Des weiteren stellten die Astronomen fest, dass sich der Kopf des Vogels von seinem Hauptteil mit einer Geschwindigkeit von 400 km pro Sekunde (1.4 Millionen km pro Stunde!) entfernt. Dies in verschmelzenden Galaxien zu beobachten ist sehr selten. Obwohl der Kopf die kleinste Komponente ist, vereinigt sie den größten Teil der Infrarotleuchtkraft. Basierend auf den kinematischen Beobachtungen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Infrarotgalaxie in dem Moment beobacht wird, wo der Kopf das erste Mal am Hauptteil, der aus den beiden anderen Galaxien – die sich einige hundert Millionen Jahre vorher schon getroffen haben sollten – besteht. Ein Kennzeichen von verschmelzenden Systemen sind die so genannten Gezeiten-Schweife (engl.: Tidal Tails).  In diesem System haben die Tidal Tails eine Ausdehnung von etwa 100.000 Lichtjahren (entspricht auch dem Durchmesser unserer Galaxie, der Milchstraße). Das Triplett-System ähnelt sehr stark einem Vogel.

Der Einzug der Adoptiven Optik in den astrophysikalischen Bereich in den letzten 10 Jahren ermöglicht es somit den Forschern im Gebiet der Infrarotgalaxien Systeme zu identifizieren in denen es mehrere Komponenten gibt und die mit seeing-begrenzten Teleskopen nicht zu sehen gewesen wären. Dadurch kann diese Galaxienklasse, die stark von Verschmelzungen von extragalaktischen Systemen dominiert ist, besser verstanden werden.

 

Bis zum nächsten Blog,

Euer Helmut Dannerbauer

 

Fußnote:

a: Auflösung ist proportional zur beobachteten (Wellenlänge/Teleskopdurchmesser).

 

Quelle:

[1]: ESO Press Release 55/07, 21. Dezember 2007

 

P. Väisänen, S. Mattila, A. Kniazev, A. Adamo, A. Efstathiou, D. Farrah, P. H. Johansson, G. Östlin, D. A. H. Buckley, E. B. Burgh, L. Crause, Y. Hashimoto, P. Lira, N. Loaring, K. Nordsieck, E. Romero-Colmenero, S. Ryder, M. Still, A. Zijlstra (2008). Adaptive optics imaging and optical spectroscopy of a multiple merger in a luminous infrared galaxy Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 384 (3), 886-906 DOI: 10.1111/j.1365-2966.2007.12703.x

 

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Veröffentlicht von

Der promovierte Astrophysiker Helmut Dannerbauer – wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg – fokussiert sich in seinem Blog auf die Erforschung von Galaxien und deren Entwicklung im jungen Universum.

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