Denkdefekte

BLOG: Frey-händig

Kognition & Kooperation
Frey-händig

Fange ich doch gleich mit einem Denkfehler an.

Oft treffen wir unsere Alltagsentscheidungen an Hand von Denkmustern, die leider immer wieder Fehler zeigen – aber nur unter bestimmten Umständen. Diese Denkmuster üben auch einen starken Einfluß auf die Art und Weise aus, wie wir Wissenschaft betreiben. Und weil wir aus Fehlern ziemlich viel über funktionierende Systeme im allgemeinen und unser Denken im besonderen lernen können, lohnt sich eine nähere Beschäftigung mit ihnen.

Heute stelle ich ein besonders verblüffendes Denkmuster vor – das Ähnlichkeitsdenken.
Ähnlichkeitsdenken ist die grundsätzliche Annahme, dass sich Ursache und Wirkung ähneln. Das heißt also, dass – einigermaßen verlässlich – großen, kleinen oder komplexen Ereignissen entsprechend große, kleine oder komplexe Ursachen zugeordnet werden können. Diese Art zu denken ist meist brauchbar, weil das in der Tat oft der Fall ist (Betonung auf "meist").

Nun ein paar schöne Beispiele, die zeigen wie das aussieht, wenn diese Art zu denken, daneben liegt:

  • Gelbwurz bzw. Kurkuma ist gerade wegen der gelben Farbe angeblich gut gegen Gelbfieber.
  • Nach Vorstellung der Fang-Indianer wirkt sich der Verzehr von Eichhörnchen fördernd auf eine Schwangerschaft aus, weil Eichhörnchen aus Löchern herausschlüpfen.
  • Bei den Hopi gibt es dagegen ein Tabu für Schwangere, Eichhörnchen zu essen, da diese in Löcher hineinschlüpfen.
  • Und bei einem Stamm auf Hawaii müssen bei einer Geburt alle Körbe und andere geschlossene Objekte geöffnet werden.
    (Beispiele aus Klix, F. (1993): Erwachendes Denken: Geistige Leistungen aus evolutionspsychologischer Sicht.)

Klingt für uns eher lächerlich, aber wir aufgeklärten Mitteleuropäer sind da kein Stück besser:
Etwa 77 % der Deutschen lesen regelmäßig Horoskope, in denen es um sture Steinböcke, mutige Löwen und ausgeglichene Waagen geht. Aber wie hat Douglas Adams so schön gesagt: Warum sollten im All herumwirbelnde Steinbrocken mehr über mein Leben wissen als ich selbst?
Und wer beim Würfeln schon einmal besonders schwungvoll für hohe Zahlen gewürfelt hat, denkt da ganz ähnlich

Im zweiten Teil dieses Beitrags mehr dazu, was man damit wissenschaftlich anfangen kann – und was das Ganze mit Ärzten und Religion zu tun hat.

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Warum gibt es so viele Scheuklappen in unserem Denken? Warum machen wir dieselben Fehler immer wieder? Solche Fragen haben mich schon immer fasziniert. Um dieses Thema – Denkmuster und Denkfehler – wird es in diesem Blog deshalb öfter gehen. Mein zweites wissenschaftliches Interesse gilt der Frage, warum Menschen eigentlich nicht öfter kooperieren. Woran liegt das? Oder anders herum gefragt: Welche Bedingungen muss man schaffen, damit aus Egoisten Altruisten werden? Wie vermeidet man die "tragedy of the commons"? Dieses weite Feld reicht von der Kooperation zwischen Bakterien über den Erfolg von OpenSource bis zu den Problemen der Weltklimagipfel. Meiner Meinung nach sind in der Kooperationsforschung viele Lösungsansätze für Nachhaltigkeits-, Gerechtigkeits- und Umweltprobleme zu finden. Mit beiden Themen beschäftige ich mich im Rahmen meiner Forschung an der Universität Gießen als Postdoc bei Eckart Voland in der Soziobiologie. Dabei versuche ich das Beste aus den Welten der Philosophie und den Naturwissenschaften zu vereinen. Dass meine gesamte Arbeit stark von der Evolutionstheorie geprägt ist, verdanke ich wohl vor allem dem Einfluss meines Doktorvaters Gerhard Vollmer. Dr. Ulrich Frey

8 Kommentare

  1. Gerade gefunden und drüber geärgert:

    *physicists have discovered over the apst few years intriguing evidence of life-like double-helix structures formed from inorganic substances in space which raises the question of whether extraterrestrial life could be composed of corkscrew-shaped formations of interstellar dust.*
    Quelle

    Was kommt als nächstes? Selbstreplizierende Wendeltreppen?

  2. schöne beispiele mit den eichhörnchen etc. …

    … was jedoch die horoskope anbelangt, sollte man es sich nicht gar zu leicht machen. schließlich werden die 77prozent horoskopaffinen menschen ihre kinder in der sternzeichenkunde erziehen – und wenn man einem jungen menschen sagt, er sei mutig, weil er “löwe” sei, dann wird er es vermutlich irgendwann auch glauben. (siehe auch die studien zur mathematik- oder sprachbegabung von jungen/mädchen.)

    das heißt: absurde glaubensvorstellungen haben trotzdem eine wirkung. wenn bei den hawaiianern die gebärende merkt, dass von ihren stammesgenossen nicht alle körbe geöffnet werden, um ihr die geburt zu erleichtern, kann sie verunsichert werden, und schon beginnt in ihr der kreisprozess der schlechten gedanken zu wirken, womöglich hat sie dann eine schwerere geburt …

    also: über plazebos zu lächeln ist das privileg des aufgeklärten. er mag immun sein gegen den zauber dieses plazebos … das heißt aber nicht, dass selbiger plazebo bei einem abergläubischen menschen nicht eine wirkung entfalten kann.

    religion/aberglaube bedient sich seit jeher dieser plazebos.

    beim würfeln allerdings möchte ich Ihnen zu 100 prozent zustimmen … 😉

  3. Baumnusshirne

    Es gibt natürlich auch die anderen Beispiele: Die Chinesische Medizin meint, Baumnüsse sein gut für das Gehirn, weil sie auch so aussehen – was die westliche Forschung bestätigt. Natürlich sind Chinesen auch nur Menschen – wenn der Profit mit Potenzmitteln lockt, werden auch sie schwach und mahlen Nashörner. Ist ja bei uns nicht anders. Deswegen sollte man nicht gleich alles chinesische Wissen aburteilen. Akkupunktur macht als Schmerztherapie ja auch gerade wieder Fuore.

    Ich möchte dafür plädieren, (naive) Denkdefekte zu entlächerlichen. Wenn in eines Anderen Denksystems Änlichkeiten real sind, kann es für ihn eine (Placebo-) Wahrheit oder objektiv real sein und wir Anderen haben etwas noch nicht verstanden – vielleicht gar beides. Im beurteilen von Denkdefekten und Wahrheiten bin ich vorsichtig geworden.

    Wer nur linear denken kann, fliegt in einer runden welt öfters mal aus der Kurve. Das gilt vor allem für mich… 😉

  4. Kommentar @Glaukos und @Kimo

    Der Hinweis auf Placebos ist natürlich völlig richtig.

    Placebos wirken zwar (unter anderem)abhängig vom Glauben daran, aber immun ist hier fast niemand, auch Personen, die sich für aufgeklärt halten.

    Ich wollte auch diese Fehler keineswegs “lächerlich” machen, durch den Kulturvergleich (was für die einen lächerlich ist es für die anderen noch lange nicht), wirkt das leider schnell so.

    Ich habe sowieso vor, noch einiges über Placebos und die Wirkungen dieser Fehler zu schreiben, von daher danke für die Kommentare!

  5. @Tolya, da denkt du etwas zu kurz (oder “dogmatisch”); nicht jeder der ein horoskop ließt glaubt dessen aussagen und noch viel weniger horoskopleser gehen in die welt hinaus und predigen das oder erziehen ihre Kinder unter diesem wissen.
    unser gehirn hat sehr gute techniken NICHT alles zu glaube was es irgendwo aufschnappt, insbesondere die “schlaueren” hirne seit zeiten von internet, spam & co

  6. Mich würde interessieren wo F. Klix seine Beispiele herhatte? Ein Indianerstamm mit Namen “Fang” ist m.E. völlig unbekannt, und auch ein Tabu für Schwangere, Eichhörnchen zu essen, da diese aus Löchern herausschlüpfen bzw. in Löcher hineinschlüpfen , findet sich in keinem mir bekannten Buch über Indianer. Aber vielleicht bin ich nur so misstrauisch, da heute in meinem Horoskop steht ich soll nicht alles glauben.

  7. fs,

    richtig, “lektüre” muss nicht gleich glauben heißen. danke für die gelegenheit zur präzisierung.

    es soll ja auch leute geben, die sich über horoskope amüsieren. (?)

    mich persönlich aber “erziehen” schon alle menschen, die mich nach meinem sternzeichen nur fragen und dann sagen: “aah, interessant, weil du ja auch … “, sie stecken mich in eine ihrer schubladen hinein.

    und das betrifft natürlich nicht nur horoskope. wenn jemand auf meine argumentation entgegnet: “aah, ein platoniker”, dann denke ich erstmal, wo the fuck is platon, was habe ich mit dem zu schaffen, muss ich mich jetzt auch noch mit dem auseinandersetzen? *smile.

    also: jede kommunizierte denkschablone wirkt auf den rezipienten. entweder identifiziert er sich, oder (wie du offenbar auch meintest) er opponiert.

    eine neutrale reaktion ist m. e. nicht möglich. allerdings führt das weg von dem thema hier … ich bin schon gespannt auf die “plazeboistik” von herrn frey 😉

  8. Der Wunsch nach Mustern

    Wer sich noch intensiver mit diesem Thema befassen möchte dem lege ich Richard Dawkins “Der entzauberte Regenbogen” ans Herz.
    Dawkins analysiert auch anhand vieler Beispiele wie absurd die Auswüchse unseres früh in der Evolution sinnvollen Mustererkennungsverhaltens nun in der modernen Welt teilweise geworden sind.
    Grob gesagt: Neben dem erwähnten “Änlichkeitsdenken” werden heutzutage zusätzlich unsere Einschätzungen oft fehlgeleitet, da wir uns unbewußt (bzw. ohne darüber nachzudenken!) mit Zahlen und Größenordungen befassen müssen, die weit jenseits dessen liegen, für was die Natur unser Gehirn einmal entwickelt hatte. Wenn sich ein aufgeschlossener Geist aber des Hilfsmittels der einfachen Statistik bedient, stellt er fest, daß es für Aberglaube/Vorsehung/Fügung weder Platz noch den winzigsten, sinnvollen Beleg gibt.
    Details wie gesagt im Buch sehr ausführlich …

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