Die Geschichte der Sieger – Interview mit Jessica Koch
„Wissenschaft ist gleichzusetzen mit Kommunikation.“ Und deswegen kommuniziert die Wissenschaftlerin Jessica Koch nicht nur auf den üblichen Wegen mit ihren Kollegen sondern auch mit der Öffentlichkeit in ihrem Blog „Antikes Wissen“, in dem sie über Geschichte und Archäologie schreibt.
Was hat dich motiviert, ein Blog zu verfassen?
Zum einen liebe ich es, zu schreiben. Zum anderen finde ich es sehr schade, dass viele Forschungsarbeiten – zumindest im Bereich der Geschichte – einfach in Schubladen und Bücherregalen verschwinden. Das Internet ist in meinen Augen ein noch immer unterschätztes Kommunikationsmedium. Wissenschaft sollte nicht nur für ein kleines Fachpublikum zugänglich sein. Ich glaube, je mehr Menschen man für Wissenschaften – welcher Art auch immer – begeistern kann, desto mehr profitiert die Forschung davon.
Welche „Profite“ erwartest du dir denn von deiner Arbeit?
Für mich ist Wissenschaft gleichzusetzen mit Kommunikation. Wenn wir zu einseitig kommunizieren, bleiben auch die Ideen zu einseitig. Ich hoffe also auf neue Anregungen und Perspektiven.
Welche Vorteile hat das Blog gegenüber anderen Medien? Welche Nachteile?
Blogs sind sehr schnelllebig, das ist in meinen Augen der größte Nachteil. Ich muss zugeben, dass ich mich im eigentlichen Sinne nicht als ‚echte‘ Bloggerin sehe. Dafür müsste ich mindestens drei Beiträge pro Woche veröffentlichen und das schaffe ich im Augenblick leider zeitlich nicht. Ein sehr großer Vorteil ist auf jeden Fall die Nähe zu den Menschen. Die Hürden, aktiv mit zu diskutieren und sich mit kreativen Anregungen zu beteiligen, sind sehr gering. Und das ist ziemlich gut.
Ein weiterer Vorteil ist, dass man mit Blogs ein viel breiteres Publikum erreichen und begeistern kann, als mit Fachbüchern. Natürlich muss man einige Abstriche im Fachjargon machen. Aber ich bin sowieso der Meinung, dass sich gute Wissenschaft nicht durch eine komplexe Sprache, sondern durch gute Inhalte auszeichnet.
Welche Vorteile hat das Blog speziell auf dein Arbeitsgebiet bezogen?
Durch das Bloggen verbessere ich meinen Schreibstil und die Fähigkeit, auf Kommando zu schreiben. Eine Schreibblockade habe ich schon sehr lange nicht mehr gehabt. Außerdem habe ich die Möglichkeit mich mit der Geschichtswissenschaft auseinanderzusetzen. Das macht mir sehr viel Spaß.
Die Blogger-Community ist ein riesiges Netzwerk. Man knüpft sehr viele Kontakte, was auch beruflich große Vorteile mit sich bringt. Man kommuniziert also in zwei Richtungen: mit den Lesern und mit anderen Bloggern.
Denkst du, dass mehr deiner Kolleginnen und Kollegen dieses Medium nutzen sollten?
Ja, auf jeden Fall. Das Bloggen ist eine große Chance. Zum einen kann man ein gutes Blog als Aushänge-Schild nutzen – im Sinne eines erweiterten Lebenslaufs. Man kann mehr Aufmerksamkeit für eigene Publikationen schaffen. Zum anderen führt das Bloggen zu einem guten wissenschaftlichen Netzwerk. Wissenschaft wird, meiner Meinung nach, zurzeit vor allem außerhalb des gesellschaftlichen Alltags kommuniziert. Und das ist sehr schade – für Wissenschaft und Gesellschaft.
Wäre es auch schon für Studenten hilfreich sich über Blogs an die Öffentlichkeit zu wenden?
Bloggen ist eine gute Schreibübung. Wenn Studierende lernen auf Kommando gut zu schreiben, beugen sie Schreibblockaden vor. Außerdem verbessert sich der Schreibstil. Man lernt komplexe Informationen verständlich aufzubereiten. Das ist besonders für geisteswissenschaftliche Studierende von Vorteil, da man sehr viele schriftliche Arbeiten erstellt. Allerdings sollte man das Blog-Thema genau überdenken und sich überlegen wie offen man seinem Professor oder zukünftigen Arbeitgeber kommunizieren will, dass man zum Beispiel einen Diät-Blog oder Science-Fiction Blog betreibt.
Welches Feedback hast du denn von deinen Kollegen zu deiner Arbeit als Bloggerin bekommen?
Oft höre ich Aussagen wie „spannend“ und „sehr interessant“. Manchmal auch „ernsthaft, Geschichte?‘ – im Sinne von ‚das ist ja wahnsinnig trocken und langweilig‘. Einige möchten auch Tipps für eigene Schreibprojekte.
Siehst du einen Mehrwert von Blogs gegenüber klassischen Publikationen der wissenschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit?
Ich würde es vielleicht eher als sinnvolle Ergänzung sehen. Das Internet ist ein noch immer unterschätztes Kommunikationsmedium. Von Overhead zu Powerpoint, von Buch zu Blog, der Weg ist lang, aber sinnvoll. Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben das mittlerweile erkannt. Aber Veränderung braucht immer eine gewisse Zeit.
Geschichte und Archäologie sind Themen, für die – im Gegensatz zu anderen Kulturwissenschaften – in der Öffentlichkeit großes Interesse herrscht. Es gibt Unmengen an populärwissenschaftlichen Büchern, Filme (Indiana Jones 😉 ), usw. Ist das ein Vorteil für deine Arbeit? Oder bringt es auch Probleme?
Es ist auf jeden Fall ein großer Vorteil. Vorhandenes Interesse erleichtert es sehr, andere Menschen zu begeistern. Weitere Vorteile sind die niedrigeren Kommunikations-Hürden. Durch Vorwissen und Interesse sind viele bereit sich mit Kommentaren zu beteiligen. Probleme habe ich bis jetzt noch keine erlebt.
In der Geschichtswissenschaft kann man viele Themen (vermutlich?) nur wirklich verstehen, wenn man auch die ganze Vorgeschichte kennt. In den Naturwissenschaften kann sich da leichter auf konkrete Fakten zurückziehen; also z.B. einfach erklären, dass Licht nicht unendlich schnell ist und darauf verzichten zu erklären, wie und warum man das genau festgestellt hat, wenn es mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun hat. Ist es bei deinen Themen schwieriger, kurze Artikel zu verfassen, die trotzdem allgemein verständlich sind als bei anderen Disziplinen?
Meistens liegt den Historikern nur die Geschichte der ‚Sieger‘ oder gesellschaftlichen Elite vor, was oft zu einer einseitigen Perspektive führt. Historische Überlieferungen sind somit immer subjektiv. Es besteht immer die Möglichkeit, das neue schriftliche Quellen auftauchen oder archäologische Funde gemacht werden, die ein völlig neues Licht auf Ereignisse werfen – und die Geschichte ‚umschreiben‘. In der Alten Geschichte und Klassischen Archäologie haben wir zusätzlich das Problem von ‚schriftlosen‘ Kultur.
Aus diesen Gründen ist es selten möglich ‚die ganze Vorgeschichte‘ zu kennen. Gerade in der Alten Geschichte und Klassischen Archäologie, haben Wissenschaftler oftmals mit ‚Wissenslücken‘ zu kämpfen (Siegergeschichte, fehlende Aufzeichnungen usw).
Mir persönlich fällt es niemals schwer einen Artikel zu verfassen. Dafür gibt es einfach zu viele Themen die mich interessieren. Ich denke kurze Artikel über historische Themen zu verfassen, ist genauso leicht oder schwer wie über naturwissenschaftliche Themen. Es können immer nur kleine Teilaspekte gezeigt werden. Durch Literaturhinweise ermögliche ich den Lesern weiterführende Informationen zu finden.
Wie probierst du, neue Leser für dein Blog zu gewinnen?
Zurzeit versuche ich meine Zielgruppe – passend zum Blog-Thema – mit ‚Museumsliebhabern‘ zu erweitern. Bisher habe ich nur sehr wenige Blogs gefunden, die historische Ausstellungen in Museen wissenschaftlich bewerten. Das finde ich sehr spannend – vor allem weil ich selbst auch gerne Museen besuche.
Mit Museumsblogs könnte ich mich auch anfreunden. Die Leute dort hätten auf jeden Fall genug Material vor Ort so dass ihnen die Themen nicht ausgehen. Vielen Dank für das Gespräch!
Formulierungen wie “kleine Teilaspekte” sind schlicht schlechter Schreibstil.