Wendelstein W7-X: Das Magnetfeld steht

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Plasmen im Mittelpunkt
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Am Montag dieser Woche gab es die Gewissheit: Das komplette Magnetfeldspulensystem von Wendelstein W7-X läuft so wie es soll. Erstmals wurden dabei alle supraleitenden Spulen im Verbund mit dem für den Dauerbetrieb vorgesehen Strom gespeist und so das gewünschte Feld von 2.5 T erreicht. Damit wurde einer der wichtigsten Abschnitte der Vorbereitung auf die erste Plasmaentladung abgeschlossen.

Im Mai letzten Jahres wurde die Montagephase des größten Stellarators der Welt erfolgreich abgeschlossen und die Vorbereitungen auf den Experimentierbetrieb begannen. Ein wichtiger Punkt war dabei zunächst die Evakuierung des Kryostaten. Im Kryostaten befinden sich die supraleitenden, also sehr kalten, Spulen. Er umgibt somit das eigentliche Plasmagefäß und dient als thermische Isolierung gegenüber der Außenwelt. Dabei entdeckte man das eine oder andere Leck, was aber nicht verwundert bei 254 Zugängen („Ports“) und noch viel mehr Schweißnähten. Die Lecks wurden geschlossen und anschließend der komplette Kryostat gekühlt. Aufgrund der supraleitenden Spulen muss mit flüssigem Helium auf ca. 4 Kelvin herunter gekühlt werden, was am 10. März diesen Jahres geschafft wurde. Die kühle Masse beträgt dabei etwa 432 t (die einzelnen Spulen wiegen ca. 6 t).

W7-X MagnetfeldspulensystemAbbildung 1: W7-X Magnetfeldspulen, Ansicht von oben. Zu erkennen sind die 5 identischen Segmente auf die sich insgesamt 50 nicht-planare Spulen („NPC“) und 20 Planare Spulen („PC“) verteilen (Bild aus Andreeva et al., DOI: 10.1088/0029-5515/55/6/063025).

Danach begann die Evakuierung des Plasmagefäßes, bei der ein paar weitere Lecks an den Ports zum Vorschein kamen. Nachdem auch diese behoben wurden, konnte mit dem sequentiellen Testen der Magnetfeldspulen begonnen werden. In Abb. 1 erkennt man, dass W7-X aus 5 gleichartigen Segmenten besteht auf die sich die 50 nicht-planaren und die 20 planaren Spulen verteilen. Sämtliche Spulen mussten vor dem Auffädeln auf das Vakuumgefäß einen separaten Belastungstest bestehen. Von der Funktion der einzelnen Spulen hatte man sich also bereits überzeugt, nun galt es herauszufinden, ob die elektrischen Anschlüsse alle funktionieren und ob die Stützstruktur die Kräfte so auffangen wird, wie vorhersagt. Die Kräfte zwischen den Spulen betragen maximal immerhin einige Mega-Newton. Die gemessenen Verformungen verhielten sich wie erwartet und so war man Anfang dieser Woche bereit für den ersten Test des kompletten Spulensystems und auch dieser lief ab wie erhofft und erwartet.

W7-X: SeitenansichtAbbildung 2: Seitenansicht auf die Spulen eines Segments, rot die nicht-planaren Spulen, blau die planaren (Bild aus Geiger et al., DOI: 10.1088/0741-3335/57/1/014004).

Als nächstes steht jetzt die Vermessung der Magnetfeldgeometrie innerhalb des Plasmagefäßes auf dem Programm. Dazu bringt man eine Elektronenquelle in das Gefäß ein (z.B. ein heißer, negativ vorgespannter Wolframdraht). Die emittierten Elektronen können sich entlang der Magnetfeldlinien frei bewegen bis sie irgendwann auf einen Schwenkstab treffen, der mit einem fluoreszierenden Farbstoff versehen ist und so in einer Langzeitbelichtung die Magnetfeldstruktur an einer bestimmten Position sichtbar macht (für den Plasmabetrieb wird diese Diagnostik natürlich wieder aus dem Gefäß entfernt).

Da eine Magnetfeldlinie mehrfach im Torus umläuft und sich möglichst nie schließt, erhält man so das Bild einer geschlossenen Kurve im Querschnitt (bzw. das einer verbeulten Röhre im Torus). Für den Stellarator TJ-K (an der Uni Stuttgart) haben wir das natürlich auch gemacht, das Ergebnis einer solchen Langzeitbelichtung ist in Abb. 3 zu sehen.

TJ-K FlussflächeAbbildung 3: Querschnitt der Magnetfeldstruktur im Stellarator TJ-K, sichtbar gemacht durch eine Langzeitbelichtung (30 sec) eines Schwenkstabes, der mit einem fluoreszierenden Farbstoff versehen ist, so dass er immer dann leuchtet, wenn die von einer festen Position emittierten Elektronen über die Verbindung der Magnetfeldlinie auf ihn treffen (Bild: Alf Köhn, CC BY-SA).

Obwohl die Spulen an W7-X mit einer Genauigkeit von 1.5 mm positioniert wurden, können auch kleine Fehler für Störungen im Magnetfeld sorgen, was dann wiederum dazu führen kann, dass der Leistungsabfluss aus dem Plasma auf die Wandkomponenten nicht mehr gleichmäßig verteilt ist. So kann es lokal zu Überlastungen kommen, die es zu vermeiden gilt. Deswegen wird die Magnetfeldgeometrie möglichst exakt vermessen. Mittels mehrerer Korrekturspulen kann man dann, falls erforderlich, das Magnetfeld lokal korrigieren.

Eines der Ziele von W7-X war es zu zeigen, dass man es überhaupt erfolgreich bauen kann. Dieses Ziel ist nun in greifbare Nähe gerückt und man kann sich dem nächsten Ziel widmen: Ähnlich gute Performance in einem Stellarator zu erreichen, wie das momentan im Tokamak der Fall ist.

Das erste Plasma in W7-X ist für dieses Jahr geplant, sobald es soweit ist, werde ich davon berichten. Es wird also spannend!

 

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Alf Köhn-Seemann hat in Kiel Physik studiert und in Stuttgart über Mikrowellenheizung von Plasmen promoviert. Von 2010 bis 2015 war er dort als Post-Doc tätig. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im englisch-sprachigen Raum, arbeitet er von 2015 bis Ende 2017 am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching. Seit Ende 2017 forscht und lehrt Alf Köhn-Seemann wieder an der Uni Stuttgart.

3 Kommentare

  1. Sehr spannend! Vor allem die Untersuchungsmethode mit dem fluoreszierenden Stab gefällt mir – mich faszinieren Low-Tech-Lösungen in einem High-Tech-Umfeld 🙂

    Danke für den Artikel!

    • Das mit Low-Tech verrate ich jetzt mal nicht den Kollegen in Greifswald 😉
      Aber ich weiß schon was Sie meinen. In der Richtung haben wir in Stuttgart auch ein paar Masterarbeiten gemacht und geschaut, was man mit consumer-Elektronik so alles anfangen kann und man kommt damit zu Teil erstaunlich weit. Vielleicht stelle ich da mal ‘was für hier zusammen.

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